Digitale Ausgabe

Download
TEI-XML (Ansicht)
Text (Ansicht)
Text normalisiert (Ansicht)
Ansicht
Textgröße
Originalzeilenfall ein/aus
Zeichen original/normiert
Zitierempfehlung

Alexander von Humboldt: „Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1838-Ueber_die_Schwankungen-01> [abgerufen am 26.04.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1838-Ueber_die_Schwankungen-01
Die Versionsgeschichte zu diesem Text finden Sie auf github.
Titel Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme
Jahr 1838
Ort Stuttgart; Tübingen
Nachweis
in: Deutsche Vierteljahrs Schrift 4 (1838), S. 1–40.
Entsprechungen in Buchwerken
Separatum, „An Essay on the Fluctuations in the Supplies of Gold, with Relation to Problems of Political Economy“, übersetzt, London: Simpkin, Marshall & Co. 1839; Separatum, „Mémoire sur la production de l’or et de l’argent, considerée dans ses fluctuations, par M. Alex. De Humboldt. Traduit de l’allemand, par M. M. Rempp, avec un avant-propos de M. Michel Chevalier“, Paris: Guillaumin 1848, 38 Seiten; Separatum, „An Essay on the Fluctuations in the Supplies of Gold, with Relation to Problems of Political Economy“, übersetzt, London: Simpkin, Marshall & Co. 1839.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken und Kreuzen; Schmuck: Initialen; Tabellensatz.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: V.79
Dateiname: 1838-Ueber_die_Schwankungen-01
Statistiken
Seitenanzahl: 40
Zeichenanzahl: 93640
Bilddigitalisate

Weitere Fassungen
Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme (Stuttgart; Tübingen, 1838, Deutsch)
A. v. Humboldt über die Schwankungen der Goldproduction, mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme (Augsburg, 1838, Deutsch)
Menge der seit der Entdeckung Amerikas von dort nach Europa gebrachten edlen Metalle (Wien, 1838, Deutsch)
Alexander v. Humboldt om Svingingerne i Guldproductionen (Oslo, 1838, Norwegisch)
On the Fluctuations in the Production of Gold, considered with reference to the Problems of State Economy (London, 1839, Englisch)
Humboldt on the Precious Metals (Dublin, 1839, Englisch)
Humboldt on the Precious Metals (Cheltenham, 1839, Englisch)
Humbolt on the Precious Metals (Devizes, 1839, Englisch)
Fluctuations in the Production of Gold (London, 1839, Englisch)
An essay on the fluctuations in the supplies of gold, with relation to problems of political economy (London, 1840, Englisch)
Silber und Eisen (Berlin, 1842, Deutsch)
Zilver en ijzer (Utrecht, 1842, Niederländisch)
Zilver en IJzer (Vlissingen, 1842, Niederländisch)
Silber und Eisen (Graz, 1842, Deutsch)
Silber und Eisen (Brünn, 1842, Deutsch)
Silber und Eisen (Graz, 1842, Deutsch)
Un mémoire sur la production de l’or et de l’argent, considerée dans ses fluctuations (Paris, 1848, Französisch)
On the production of gold and silver and its fluctuations (Baltimore, Maryland, 1849, Englisch)
Sulla produzione dell’oro e dell’argento considerata nelle sue fluttuazioni (Turin, 1856, Italienisch)
|1|

Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mitRückſicht auf ſtaatswirthſchaftliche Problemevon Alexander v. Humboldt.


Nach dem alten Ausſpruche Herodots (III, 106) ſind bei derungleichen Ausſpendung der Guͤter und der Schaͤtze des Bodensdie ſchoͤnſten Erzeugniſſe den Enden der Welt zu Theil geworden.Dieſer Ausſpruch war nicht bloß auf ein truͤbes, der Menſchheiteigenthuͤmliches Gefuͤhl gegruͤndet, daß das Gluͤck fern von unswohne, er druͤckte auch die einfache Thatſache aus, daß durch denVerkehr der Voͤlker den Hellenen, als Bewohnern der gemaͤßigtenZone, Gold und Gewuͤrze, Bernſtein und Zinn aus weiter Fernezugefuͤhrt wuͤrden. So wie allmaͤhlig durch den Handel der Phoͤ-nizier, der Edomiter am Golf von Acaba, Aegyptens unter denPtolemaͤern und Roͤmern, die lang verſchleierten Kuͤſten des ſuͤd-lichen Aſiens ſich enthuͤllten, fing man an, die Erzeugniſſe der heißenErdſtriche aus erſter Hand zu erhalten, und in der regen Einbildungs-kraft der Menſchen wurden die metalliſchen Schaͤtze der Welt immerweiter und weiter gegen Oſten geruͤckt. Zweimal hat daſſelbe Volk,die Araber, in der fuͤr den Handel ſo wichtigen Epoche der Lagidenund der Caͤſaren, wie am Ende des fuͤnfzehnten Jahrhunderts, zur |2| Zeit der portugieſiſchen Entdeckungen, dem Weſten den Weg nachIndien gezeigt. Ophir (das Dorado des Salomo) dehnte ſich nunbis in den Oſten des Ganges aus. Dort erſchien Chryſe, daslange die Reiſenden des Mittelalters beſchaͤftigt hat, und bald alsInſel, bald als Theil des Goldcherſoneſes betrachtet wurde. DieGoldmenge, welche noch heute, nach John Crawfurd, Borneo undSumatra in Umlauf bringen, erklaͤrt die alte Beruͤhmtheit dieſerGegend. Nahe bei Chryſe, dem Goldlande, dem erwuͤnſchten Zieleder Indodromen, mußte ſymmetriſch, nach den Ideen einer ſyſte-matiſirenden Erdkunde, eine Silberinſel, Argyre, liegen, gleichſamum beide edeln Metalle (die Reichthuͤmer von Ophir und des ibe-riſchen Tarteſſus) zu vereinigen. In der Geographie des Mittel-alters ſpiegeln ſich, aber mannichfach verunſtaltet, die geographiſchenMythen der claſſiſchen Vorzeit ab. Bei den Arabern Edriſi undBakui finden wir, am Ende des indiſchen Meeres, wieder eineInſel Sahabet mit Silberſand, und daneben Saila (nicht mitCeylon oder Serendiv zu verwechſeln), wo Hunde und Affen goldeneHalsbaͤnder tragen. Aber in Beſtimmung der eigentlichen Heimath des Goldesund aller herrlichen Erzeugniſſe der Erde vereinigte ſich mit derIdee der Ferne auch die der tropiſchen Hitze. „So lange Ew. Herr-lichkeit nicht ſchwarze Menſchen finden werden,“ ſchreibt ein cata-loniſcher Steinſchneider, Moſſen Jaime Ferrer, 1495 an den Ad-miral Chriſtoph Columbus, „koͤnnen Sie nicht große Dinge, wirk-liche Schaͤtze, wie Spezereien, Diamanten und Gold erwarten.“Der Brief iſt in einem 1545 zu Barcelona gedruckten Buche, dasden ſonderbaren Titel: Sentencias catholicas del Divi poetaDant fuͤhrt, vor Kurzem aufgefunden worden. Der Goldreichthumam Uralgebirge, der ſich im woguliſchen Norden bis dahin erſtreckt,wo die Erde kaum in den Sommermonaten aufthauet, die Dia-manten, welche waͤhrend meiner, auf Befehl des Kaiſers Nicolausim Jahr 1829 gemachten ſibiriſchen Expedition von zweien meinerBegleiter, nahe bei dem 60ſten Breitengrade, auf dem europaͤiſchenAbfall des Urals entdeckt worden ſind, * ſprechen eben nicht fuͤrden Zuſammenhang des Goldes und der Diamanten mit tropiſcher
* Reiſe nach dem Ural, dem Altai und dem Caspiſchen Meere vonA. v. Humboldt, G. Roſe und G. Ehrenberg. Thl. I. S. 352—373.
|3| Waͤrme und farbigen Menſchen. Chriſtoph Columbus, der demGolde einen moraliſchen und religioͤſen Werth zuſchreibt, „weil,“wie er ſagt, „wer es beſitzt, in dieſer Welt erlangt, was er will,ja ſelbſt (durch Bezahlung von Meſſen?) viele Seelen dem Para-dieſe zufuͤhrt,“ * Chriſtoph Columbus war ganz dem Syſtem desSteinſchneiders Ferrer zugethan. Er ſuchte Zipangu (Japan),das man fuͤr die Goldinſel Chryſe ausgab, und als er, am 14.November 1492, laͤngs den Kuͤſten von Cuba, die er fuͤr Theiledes Continents von Oſt-Aſien (Cathay) hielt, hinſegelte, ſchrieb erin ſein Tagebuch nieder: „nach der vielen Hitze, die ich leide, mußdas Land reich an Gold ſeyn.“ So ließen falſche Analogien ver-geſſen, was das claſſiſche Alterthum von den Metallſchaͤtzen derMaſſageten und der Arimaspen im hohen Norden von Europa er-zaͤhlt hatte: ich ſage von Europa, ** denn das oͤde Flachland vonNord-Aſien, das heutige Sibirien, galt mit ſeinen Kiefernwaͤldernfuͤr eine langweilige Fortſetzung des belgiſchen, baltiſchen und ſar-matiſchen Flachlandes.
Umfaſſen wir mit einem Blicke die Geſchichte des Handels-verkehrs von Europa, ſo finden wir die reichſten Quellen des Gol-des im Alterthume in Aſien. Seit dem Ausgange des Mittel-alters, und drei Jahrhunderte nachher, gehoͤren ſie dem neuen Welt-theile an. Gegenwaͤrtig, ſeit dem Anfang des neunzehnten Jahr-hunderts, ſtroͤmen die Quellen wieder am reichlichſten in Aſien,aber in andern Zonen deſſelben Continents. Dieſer Wechſel in derRichtung der Stroͤmung, dieſer Erſatz, welchen zufaͤllige Entdeckun-gen im Norden darbieten, wenn im Suͤden die Goldausbeute ploͤtzlichſchwindet, verdient eine ernſte Betrachtung, eine Ergruͤndung nachnumeriſchen Angaben; denn im politiſchen Haushalte, wie bei Er-forſchung von Naturerſcheinungen, ſind die Zahlen immer das Ent-ſcheidende; ſie ſind die letzten, unerbittlichen Richter in den viel-beſtrittenen Verhaͤltniſſen der Staatswirthſchaft.
* El oro, ſchreibt Columbus an die Koͤnigin Iſabella, es excellentissimo,con el se hace tesoro y con el tesoro quien lo tiene, hace quantoquiere en el mundo y llega a que hecha las animas al paraiso. Siehe uͤber dieſes Lob des Goldes mein Examen critique de l’Histoirede la Géographie et des progrès de l’Astronomie nautique aux 15me et 16me siècles (in Fol.) p. 38 et 131.** Herod. III, 116.
|4| Wir wiſſen aus Boͤkh’s ſcharfſinnigen Unterſuchungen, * wie,bei Eroͤffnung des Morgenlandes durch die Perſerkriege und durchdes großen Macedoniers Zug nach Vorder-Indien, das Gold ſichallmaͤhlig bei den europaͤiſchen Hellenen anhaͤufte, wie zum Bei-ſpiel in Demoſthenes Zeitalter die edeln Metalle einen faſt fuͤnfmalgeringern Werth hatten, als im Soloniſchen. Der Strom gingdamals von Oſten nach Weſten, und der Zufluß des Goldes warſo reichlich, daß, wenn zu Herodots Zeit das Verhaͤltniß des Goldeszum Silber wie 1 : 13 war, es bei Alexanders Tode und uͤber hun-dert Jahre nachher, wie 1 : 10 ſtand. ** Je weniger allgemeindie Handelsverbindungen in der alten Welt waren, deſto groͤßereund ploͤtzlichere Veraͤnderungen mußte der relative Gold- und Sil-berwerth erleiden. So finden wir in Rom, durch lokale Anhaͤufungeines der edeln Metalle, bald nach der Eroberung von Syrakus,das Verhaͤltniß des Goldes zum Silber wie 1 : 17⅐, wenn unterJulius Caͤſar es auf einige Zeit bis 1 : 813/14 herabſank. Je geringerdie Menge des ſchon vorhandenen Metalles in einem Lande iſt,deſto leichter koͤnnen, durch Zufluß von Außen, jene ungeheurenSchwankungen hervorgebracht werden. Die jetzige Welt iſt durchAllgemeinheit und Schnelligkeit des Verkehrs, welcher das Gleich-gewicht herſtellt, ſie iſt durch die Groͤße der ſchon vorhandenen,angehaͤuften Maſſen von Gold und Silber zur Stabilitaͤt im rela-tiven Werthe der Metalle geneigt. Nach der Revolution in demſpaniſchen Amerika war die jaͤhrliche Metallproduktion viele Jahrelang auf ein Drittel herabgeſunken, und doch konnten die unbetraͤcht-lichen Oſcillationen, welche man hie und da bemerkte, nicht dieſerUrſache zugeſchrieben werden. Ganz anders iſt es mit dem Ver-haͤltniß des Silbers zu einem noch ſo wenig angehaͤuften und dabeiſo ungleich vertheilten Metalle, dem Platin. Von ſtatiſtiſchen Angaben, die irgend ein allgemeines, mit derjetzigen Goldproduktion ganzer Laͤnder vergleichbares Reſultat ent-hielten, finden wir bei den Alten nichts. Die Natur der Staats-verwaltung bot nicht die Controlen dar, welche in ſpaͤteren
* Staatshaushaltung der Athener. Bd. 1. S. 6 - 31.** Siehe Letronne’s gelehrte Berichtigung der monetariſchen Hypotheſenvon Garnier: Considérations générales sur l’évaluation des mon-naies grecques et romaines. 1817. p. 112.
|5| Jahrhunderten das laͤſtig verfeinerte Zollweſen der Araber, einesAlles berechnenden und tabellariſch aufzeichnenden Handelsvolkes, denſuͤd- und weſteuropaͤiſchen Staaten mittheilte. Eine Angabe, wiedie des Plinius (XII, 18), nach der aus dem roͤmiſchen Staate derHandel mit Indien, Serica und Yemen jaͤhrlich hundert MillionenSeſterzen an edlen Metallen abſorbirte, das iſt, nach Letronne, fuͤrden Geldwerth jener Zeit ein Gewicht von 33,000 Mark Silber(nur halb ſo viel, als die jaͤhrliche Silbererzeugung des ſaͤchſiſchenErzgebirges), ſteht vereinzelt und problematiſch da. Wo allgemeineReſultate fehlen, wuͤrden numeriſche Beiſpiele von partiellem Geld-reichthume gewiſſer Gebirgsgegenden um ſo wichtiger ſeyn, als wirſie mit der jetzigen Ausbeute beruͤhmter Bergdiſtrikte vergleichenkoͤnnten, Gewicht mit Gewicht in abſolutem Sinne, ohne Ruͤckſichtauf die ſchwierige Betrachtung des Goldes als Maß des Wertheseiner beſtimmten Quantitaͤt von Cerealien. Hinterlaſſene Schaͤtzeeines Herrſchers, Folgen des Sieges oder langer Erpreſſungen, zeugennur von dem, was ſich nach einer uns unbekannten Zahl von Jahr-hunderten in großen Laͤnderſtrecken angehaͤuft findet. Reſultate derArt ſind mit den Angaben zu vergleichen, die unſere Statiſtikeruͤber die in einem Staate zu einer gewiſſen Epoche vorhandeneMaſſe edler Metalle wagen. Wenn Cyrus, laut dem Berichte desPlinius (XXXIII, 15), durch die Beſiegung von Aſien an rohemGolde, ohne das zu Gefaͤßen verarbeitete zu rechnen, 34,000 Pfd.zuſammen brachte, ſo iſt dies noch kaum der zweijaͤhrigen Aus-beute des Urals gleich. Dagegen ſchlaͤgt Appian, auf Urkundengeſtuͤtzt, den Schatz des Ptolemaͤus Philadelphus zu 740,000 Ta-lenten an, das iſt, je nachdem man egyptiſche oder kleine ptole-maͤiſche Talente rechnet, 1017 oder 254 Millionen Thaler. „Der-gleichen klingt fabelhaft,“ ſagt der beruͤhmte Verfaſſer der Staats-haushaltung der Athener, „aber ich wage nicht die Glaub-wuͤrdigkeit zu bezweifeln. In dieſem Schatze war viel verarbeitetesSilber und Gold. Die Laͤnder wurden gaͤnzlich ausgeſogen, Steuernund Tribute mit bewaffneter Hand von habſuͤchtigen Generalpaͤch-tern eingezogen. Die Einkuͤnfte allein von Coͤleſyrien, Phoͤnizien,Judaͤa und Samaria wurden von Ptolomaͤus Euergetes fuͤr 8000Talente verpachtet, und ein Jude kaufte ſie fuͤr das Doppelte.“Auch Herr William Jacob in ſeinem vortrefflichen, auf den Wunſchdes Staatsminiſters Huskiſſon herausgegebenen Werke: Historical |6| Inquiry on Precious Metals * pflichtet den Angaben unſeres großenPhilologen bei. Die obige hoͤhere Evaluation wuͤrde der jetzt inFrankreich und Belgien, die geringere Evaluation der in Englandcourſirenden Geldmaſſe nahe kommen. ** Nach Strabo (XV, 731)ſoll Alexander 18 Myriaden Talente nach Ekbatana zuſammen-gebracht haben. *** Man muß nicht vergeſſen, daß, waͤhrend gegen-waͤrtig die edeln Metalle ſich uͤber große Laͤnderſtrecken und großeBevoͤlkerungen gleichmaͤßiger vertheilen, ſie damals auf wenigePunkte der Erde und im Schatzhauſe der Herrſcher concentrirtwaren.
Daß der große aſiatiſche Goldreichthum, der nach Weſtenuͤberſtroͤmte, aus Inner-Aſien, nordnordoͤſtlich von Ladakh, aus demobern Laufe des Oxus (zwiſchen dem Hindu-Khu und den Hoͤhenvon Pamer, am weſtlichen Abhange des Bolor), aus Baktrien undden oͤſtlichſten Satrapien des Perſerreiches kam, iſt unzweifelhaft:doch iſt es leichter, die Richtung des Stromes, als das Einzelne
* T. I. p. 23.** Nach den Unterſuchungen von Michel Chevalier (Lettres sur l’Amé-rique du Nord. T. I. p. 394) wird Frankreich zu 3000 Millionen,Großbritannien zu 1000 Millionen Francs angeſchlagen. Schon Neckerſchaͤtzt die Circulation von Frankreich auf 2200 Mill. Francs, AdamSmith die von Großbritannien nur auf 30 Mill. Pfd. Strl. In denpreußiſchen Staaten ſollen, nach Hoffmann, nur zwiſchen 90 und 120Mill. Thaler cirkuliren. Das, ſeit der Wiederherſtellung des Grauman-niſchen Muͤnzfußes im Jahr 1764 bis zu Ende des Jahres 1836 aus-gepraͤgte preußiſche Courantgeld in allen Geldſorten, mit Einſchlußder 1/15 Stuͤcke, betraͤgt nach Abzug der waͤhrend deſſelben Zeitraumesdurch die Muͤnzverwaltung ſelbſt wieder eingezogenen, uͤberhaupt182,856,020 Thlr. (Die Lehre vom Gelde. 1838. S. 171.) Sogroße Vergleichſummen allein koͤnnen einiges Licht auf die aus demAlterthume uns uͤberkommenen Angaben werfen.*** Faſt drei Mal ſo groß war der von Cyrus hinterlaſſene Schatz. Pli-nius (XXX, 3) ſchaͤtze ihn zu 500,000 Talenten Gold und Silber.Daß dieſer Schatz nach dem Tode des Cyrus anſehnlich vermindertworden war, ſchließt Sainte-Croix (Examen crit. des historiens d’Ale-xandre. p. 429) daraus, daß alle edeln Metalle, die der Macedonierin Perſien zuſammenbrachte, nur 330,000 Talente betrugen. Ueberdie faſt beiſpielloſe Concentrirung der edeln Metalle in Italien unterden Caͤſaren ſiehe Letronne, Evaluation des monnaies grècques etromaines. p. 121. Burnes, Travels into Bokhara. T. II. p. 265.
|7| der Quellen und ihre relative Reichhaltigkeit anzugeben. Der Schau-platz der Mythe von den goldſuchenden Ameiſen bei dem Bergvolkder Derden iſt fern von den Greifen der Arimaspen zu ſuchen.Jene Mythe ſcheint dem Tafellande von Kaſchgar und Akſu, zwi-ſchen den Parallelketten des Himmelsgebirges und des Kuenlun, wo derFluß Tarim ſich in den Lop ergießt, zuzugehoͤren. Der noͤrdlicherenArimaspen werden wir ſpaͤter noch einmal erwaͤhnen, wenn wirgroßer, unmittelbar unter dem Raſen liegender Goldmaſſen des Uralsgedenken. Der Ruf des indiſchen Reichthums erſcholl in oft mißverſtan-denen Toͤnen nach Perſien hin. Cteſias, * aus dem Stamme der Ascle-piaden, Leibarzt des Koͤnigs Artaxerxes Mnemon, beſchreibt, faſtohne es ſelbſt zu ahnen, unter dem Bilde einer Goldquelle, auf dasdeutlichſte ein Huͤttenwerk, einen Schmelzofen, aus dem ſich dasfluͤſſige Metall in Kruͤge (thoͤnerne Formen) ergießt. Den Hellenennaͤher waren Lydien, an den Fluͤſſen, die dem Tmolus entquellen,Phrygien und Kolchis goldreiche Laͤnder. Die Natur ſchnell zuerſchoͤpfender Schichten von Goldſand (der ſogenannten Goldwaͤſchen)macht dem praktiſchen Bergmanne begreiflich, warum manche dereben genannten und neuerlichſt wiederbeſuchten Laͤnder den Reiſendengoldarm erſchienen. Wie leicht wuͤrde man nicht, wenn man gegen-waͤrtig die Schluchten und Flußthaͤler der weſtindiſchen Inſeln Cubaund Santo Domingo oder gar die Kuͤſte von Veragua durchforſchte,ohne die vorhandenen hiſtoriſchen Zeugniſſe verleitet werden, an derreichen Goldausbeute jener Gegenden am Ende des 15ten Jahrhundertszu zweifeln? Dauernder, wenn ihn nicht aͤußere Verhaͤltniſſe ſtoͤren, iſtder eigentliche unterirdiſche Bergbau auf anſtehende Golderze. Ebenweil man die ganze Lagerſtaͤtte nicht auf einmal kennt, weil dasGebirge beim Gangbergbau nur allmaͤhlig aufgeſchloſſen wird, iſtder menſchlichen Thaͤtigkeit hier eine laͤngere Beſchaͤftigung darge-boten. Goldhaltiges Schuttland wird ſchnell durchwuͤhlt und derreicheren Geſchiebe beraubt. Wie wenige der vierzig Goldwaͤſchen,die Strabo ſo ſorgſam beſchreibt, moͤgen jetzt noch zu erkennenſeyn? Dieſe auf Analogien und bergmaͤnniſche Erfahrung gegruͤn-dete Bemerkung mußte hier um ſo mehr Platz finden, als leereZweifelſucht gern die Ueberlieferungen des Alterthums erſchuͤttert.
Der den Hellenen bekannte Theil von Europa ſtand in me-talliſchem Reichthume gegen Aſien eben ſo zuruͤck, als ſpaͤterhin
* Oper. Reliquiae, ed. Baehr, Ind. cap. 4. p. 248 et 271.
|8| ganz Europa gegen die neue Welt. Das letzte Verhaͤltniß, * naͤm-lich die relative Productivitaͤt von Europa und Amerika war imAnfange des neunzehnten Jahrhunderts, als die Bergwerke derſpaniſchen Colonien am ſchwunghafteſten betrieben wurden, fuͤr dieGolderzeugung wie 1:13, fuͤr die Silbererzeugung wie 1:15. Esiſt mir ſogar wahrſcheinlich, daß fuͤr die alexandriniſche und pto-lemaͤiſche Zeit, beſonders in der Goldausbeute, das Verhaͤltnißnoch unguͤnſtiger fuͤr Europa ausfallen wuͤrde, wenn ſtatiſtiſche An-gaben der Art aufgefunden werden koͤnnten. In Griechenland ſelbſtwar zwar, neben den anfangs ſehr ergiebigen Silbergruben vonLaurion, der Goldreichthum in Theſſalien, in dem pangaͤiſchenGebirge an der Graͤnze von Macedonien und Thracien, wie ſeitden fruͤheſten ** phoͤniziſchen Anſiedlungen auf der gegenuͤberliegenden Inſel Thaſos betraͤchtlich genug. Auch Iberien iſt fuͤrPhoͤnizier und Carthager nicht bloß ein Silberland geweſen. Tar-teſſus und Ophir (dieſes entweder Arabien *** oder die oſtafrika-niſche Kuͤſte oder gar, wie Heeren will, eine allgemeine Be-nennung fuͤr reiche Suͤdlaͤnder), Tarteſſus und Ophir warendas Doppelziel der vereinigten Hiram-Salomoniſchen Flotte. Wennauch in dem metalliſchen Reichthum von Spanien Silber ausBaͤtika und aus der Naͤhe des von Hamilkar Barkas gegruͤndetenNeu-Carthago, lange der Hauptgegenſtand des auswaͤrtigen Han-dels war, ſo lieferten doch auch manches Jahr Gallaͤcien, Luſitanienund beſonders Aſturien 20,000 Pfund Gold , das iſt faſt ſo viel,
* Die Fundamente dieſer Berechnung ſind enthalten im 11. Kapitelmeines Essai politique sur le Royaume de la Nouvelle EspagneT. III, p. 400. Die relative Goldausbeute war damals 1300 und17,300 Kil., die relative Silberausbeute 52,700 und 795,600 Kil.** Otfr. Muͤller, Geſch. Hellen. Staͤmme B. 1, S. 115. Auch Goldbei Skapte Hyle (Boekh, Corp. Inscript. T. I, p. 219).*** S. uͤber einen ſo oft behandelten Gegenſtand eine mit philologiſcherKritik abgefaßte Schrift des Dr. Keil, in Dorpat: Ueber dieSchifffahrt nach Ophir und Tarſis, 1834. S. 61-70. Boͤkh, Staatshaushalt, Th. I, S. 15. Auch der Hafen von Carthagoenthaͤlt Goldſand, den das Mittelmeer auswirft, zwiſchen dem FluſſeMiliana und dem Cap Sidi-Bou-Said. Die armen Einwohner be-nutzen dieſen Goldſand noch jetzt. Dureau de la Malle, Rech. sur laTopographie de Carthage 1835 p. 251.
|9| als Braſilien in ſeiner bluͤhendſten Epoche gegeben hat. KeinWunder daher, daß die fruͤh beſuchte ſpaniſche Halbinſel durchPhoͤnizier und Carthager den Ruf eines weſtlichen El-Dorado’serlangte. Gewiß war an vielen Punkten, die jetzt nur ſchwache Spurenvon Metallgehalt zeigen, die alte Erde einſt, ihrer Oberflaͤche nahe,mit Schichten von Goldſand bedeckt, oder in feſtem, anſtehendenGeſteine mit Truͤmmern von Golderzen durchzogen. Die lokaleWichtigkeit jener Bergwerke in Suͤdeuropa iſt nicht zu laͤugnen,aber in Vergleich mit Aſien war ihre Goldausbeute doch nur geringzu nennen. Dieſer letztere Welttheil blieb lange der Hauptquelldes metalliſchen Reichthums, und die Richtung der Zuſtroͤmungdes Goldes fuͤr Europa konnte nur als von Oſten nach Weſtenbezeichnet werden.
Aber Aſien ſelbſt, das heißt der durch Landreiſen im Mittel-alter verbreitete Ruf von den unermeßlichen Schaͤtzen von Zipangu(Japan) und von dem ſuͤdlichen Archipelagus, veranlaßte eineploͤtzliche Veraͤnderung in der Richtung * jenes Metallſtromes.Amerika ward entdeckt, nicht weil Columbus, wie man ſo langefaͤlſchlich geſagt, einen andern Continent ahnete, ſondern weil erdurch den Weſten einen kuͤrzeren Weg nach dem goldreichen Zi-pangu und den Gewuͤrzlaͤndern im Suͤdoſten von Aſien ſuchte.„Der groͤßte geographiſche Irrthum (die Idee der Naͤhe von Spa-nien und Indien) fuͤhrte zu der groͤßten geographiſchen Entdeckung.“Chriſtoph Columbus und Amerigo Vespucci ſind beide in derfeſten Ueberzeugung geſtorben, Oſt-Aſien (das gangetiſche Indien,die Halbinſel, auf der Cattigara liegt) beruͤhrt zu haben. Umden Ruhm der Entdeckung eines Neuen Continents konnte daherzwiſchen beiden kein Streit entſtehen. In Cuba wollte Columbusdem Gran Khan der Mongolen die Briefe ſeines Monarchenabgeben. Er glaubt ſich in Mangi, dem ſuͤdlichen Theil von Cat-hay (China): er ſucht die von Marco-Polo beſchriebene Himmels-ſtadt Quinſay, jetzt Hang-tſcheu-fu. „Die Inſel Española(Haiti), ſchreibt Columbus an den Papſt Alexander VI., ** iſt Tarſis,
* Letronne p. 105 und 123.** Brief vom Monat Februar 1502 aus dem Archive des Herzogs vonVeraguas. Die dritte Reiſe, in welcher der ſuͤdliche Continent vonAmerika den 1. Auguſt 1498 entdeckt wurde (dreizehn Monate nach
|10| Ophir und Zipangu. Auf meiner zweiten Reiſe habe ich 1400Inſeln und 333 Meilen des Continents von Aſien (de la tierrafirme de Asia) entdeckt.“ Dieſes weſtindiſche Zipangu gab baldGoldgeſchiebe (pepitas de oro) von 8, 10, ja 20 Pfund Gewicht.Das neu entdeckte Amerika wurde nun die Hauptquelle der edelnMetalle. Der neue Strom ging von Weſten nach Oſten, ja erdurchſchnitt bald Europa, weil bei zunehmendem Verkehr ſeit derUmſchiffung von Afrika, dem ſuͤdlichen und oͤſtlichſten Aſien mehrErſatz fuͤr Spezereien, Seide und Faͤrbeſtoffe gegeben werden mußte.
Da vor der Entdeckung der Silbergruben von Tasco (1522)am weſtlichen Abfall der mexikaniſchen Cordilleren Amerika nurGold lieferte, ſo fand ſich ſchon die Koͤnigin Iſabella von Caſtilienim Jahr 1497 bewogen, das geſetzmaͤßige Verhaͤltniß der beiden edelnMetalle zu einander betraͤchtlich zu aͤndern. Das fruͤhe und bisher ſowenig beachtete Geldedikt von Medina * laͤßt ſich nur durch dieſenUmſtand und durch die Anhaͤufung des Goldes auf wenige Punkte vonEuropa erklaͤren. Ich habe an einem anderen Orte zu erweiſengeſucht, daß von 1492 bis 1500 die ganze Goldeinfuhr aus den
Sebaſtian Cabot’s Entdeckung des noͤrdlichen Continents), und dievierte Reiſe, welche die erſten Nachrichten von einer weſtlichen Kuͤſtedes neuen Landes gab, beſtaͤtigten nur den alten Admiral in ſeinervorgefaßten Meinung. Daß er in dem Briefe an den Papſt nach derihm eigenen Neigung, eine gewiſſe bibliſche Erudition zu zeigen, Tarſis,Ophir und Zipangu als Synonyma von der Inſel Santo Do-mingo aufſtellt, iſt nicht Verwirrung der Ideen, ſondern haͤngt, wieman aus andern Schriften des Columbus ſieht, mit ſyſtematiſchenAnſichten zuſammen. Er hielt nicht etwa Indien, ſondern ſogar Japan(Zipangu) fuͤr das Ophir des Salomo, das er auch (nach den ausJoſephus bekannten Formen, Sopheira und Sophera) bisweilen So-pora nennt. Er nahm Tarſis (Tarſchiſch) nicht fuͤr das IberiſcheTarteſſus, ſondern, wie die Septuaginta und viele Theologendes Mittelalters, fuͤr ein nomen appellativum. Die ſalomoniſcheSchifffahrt war ihm nicht eine Doppelfahrt aus dem rothen undMittelmeere; ſie ging ihm allein von Ezjongeber aus. Quinſaykannte Columbus aus einem Briefe von Toscanelli, nicht ausMarco-Polo, den er nie nennt, obgleich bisher das Gegentheil be-hauptet worden iſt.* Memorias de la Real Acad. de la Historia T. VI, p. 525. DasEdikt von Medina veraͤnderte das alte geſetzliche Verhaͤltniß von1:116/10 in 1:107/10.
|11| damals entdeckten Theilen der Neuen Welt in Mitteljahren kaum2000 Mark betrug. Der Pabſt Alexander VI., welcher waͤhnte, denSpaniern eine Erdhaͤlfte gegeben zu haben, erhielt als Gegengeſchenkvon Ferdinand dem Katholiſchen kleine Goldgeſchiebe aus Haiti,„als erſte Fruͤchte des neuentdeckten Landes,“ zur Vergoldung derpraͤchtigen Decke (Soffitto) der Baſilica von Sta. Maria Mag-giore. Eine Inſchrift erwaͤhnt des Metalls, quod primo Ca-tholici Reges ex India receperant. So groß war damalsdie Thaͤtigkeit der ſpaniſchen Regierung, daß ſchon 1495, wieder Hiſtoriker Muñoz gezeigt hat, ein Bergmann Pablo Belvismit einem Vorrath Queckſilber nach Haiti geſchickt wurde, umdas Goldwaſchen durch Anquicken zu beſchleunigen. Sehr auffallendiſt es, in einem neu aufgefundenen und erſt vor Kurzem publicirtenTheile der Geographie des Sherif Edriſi zu leſen, * „daß die Ne-ger im Inneren des weſtlichen Afrika, wie auch die Bewohner derfruchtbaren Niederung Wadi el Alaki (zwiſchen Abyſſinien, Bodjaund Nubien) den Goldſand durch Queckſilber bearbeiteten.“ Da-von ſpricht der nubiſche Geograph in der Mitte des zwoͤlften Jahr-hunderts, als von einer laͤngſt bekannten Sache. Sollte ſich dieſeKenntniß aus dem Orient durch Aegypten, dem ſchwarzen, derScheidekunſt ergebenen Lande (Chemi), nach Afrika verbreitethaben? Das griechiſche und roͤmiſche Alterthum gedenkt wohl einerſehr gebraͤuchlichen Anwendung des Queckſilbers, um das Goldaus den Faͤden alter Treſſen aufzunehmen, nirgends aber einertechniſchen Anwendung im Großen bei den doch oft ſo umſtaͤnd-lich beſchriebenen Goldſeyffenwerken.
Mehr durch Eroͤffnung neuer reicher Quellen, als durch Verſiegungder aͤlteren wird das jedesmalige Verhaͤltniß des Werthes von Goldund Silber modificirt. Es ſtieg daher wiederum, ſeit Entdeckung derGroßen Antillen der Preis des Goldes gegen die Mitte des 16ten Jahr-hunderts, als die reichen Silbergruben von Potoſi und Zacatecas inPeru und Nord-Mexiko eroͤffnet wurden. Nach meinen ſorgfaͤltigenUnterſuchungen verhielt ſich bis zu der Eroͤffnung der braſiliſchenGoldwaͤſchen im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts, die Ein-
* S. die franzoͤſiſche Ueberſetzung von Amedée Jaubert (Paris 1836) T. I, p. 42 und 67. Beide Stellen fehlen in dem Codex, welcher derlateiniſchen Ueberſetzung des Sionita zum Grunde lag.
|12| fuhr des amerikaniſchen Goldes zu dem des amerikaniſchen Silbers dem Gewichte nach, wie 1 zu 65. Gegenwaͤrtig iſt diesVerhaͤltniß, wenn man den europaͤiſchen Metallhandel mit allenWelttheilen in einem Blicke umfaßt, wohl nicht hoͤher als1 zu 47. So ergibt es wenigſtens die Vergleichung der Maſſen * beiderMetalle, welche gleichzeitig in Europa gemuͤnzt vorhanden ſind.Die Angaben, welche die ſonſt ſo vortreffliche Schrift von AdamSmith enthaͤlt, ſind, wie der groͤßere Theil der darin aufgeſtellten numeriſchen Reſultate, uͤberaus unrichtig, ja in dem eben beruͤhrtenVerhaͤltniß um mehr als die Haͤlfte falſch. Im Geldhandel ſchwankteder relative Werth von Gold und Silber unter den gebildeten und alſounmittelbar mit einander verkehrenden Voͤlkern Europa’s, in denerſten hundert Jahren ſeit der Entdeckung des Neuen Continents,zwiſchen 1:107/10 und 1:12, in den letzten zweihundert Jahrenzwiſchen 1:14 und 1:16. Dieſes Schwanken haͤngt keineswegsallein von den relativen Quantitaͤten der Metalle ab, welche jaͤhr-lich dem Schoße der Erde entriſſen werden. Das Verhaͤltniß desWerthes beider Metalle wird zugleich durch die Produktionskoſten,durch die Nachfrage oder das Beduͤrfniß der Conſumenten, durchdie ungleiche Abnuͤtzung, durch die Verwendung zu Geſchmeidenund anderen Metallwaaren mannigfaltig modificirt. So vielegleichzeitig einwirkende Elemente machen bei der Leichtigkeit desZuſtroͤmens im allgemeinen und ſchnellen Weltverkehr und bei derungeheuren Maſſe der ſchon vorhandenen, in Europa angehaͤuftenMetalle, jetzt jede ſehr große oder lange dauernde, partielle Oscil-lation im relativen Werthe von Gold und Silber unmoͤglich. Sohat es ſich gezeigt, wenn ploͤtzlich Stoͤrungen der Produktion ein-traten, wie nach dem Ausbruche der Revolution im ſpaniſchenAmerika; ſo bei uͤbermaͤßigem Verbrauche eines der edeln Metallein einer vielbeſchaͤftigten Muͤnzſtaͤtte. In England wurden naͤmlichin den zehn Jahren zwiſchen 1817 und 1827 uͤber 1,294,000 MarkGold gepraͤgt, und dieſer Goldankauf hat doch nur das Verhaͤltnißdes Goldes zum Silber in London von 1:14,97 zu 1:15,60 ſteigen
* S. mein Essai politique T. III, 400, 430-448 und 463. Jacob,Prec. Metals T. II, p. 187. Das von mir aufgefundene Reſultat iſtvon Say (Traité d’économie politique T. II, L. 3, Chap. 10) durchAnalogien aus dem Waarenhandel ſcharfſinnig erlaͤutert worden.
|13| laſſen. * Der Tauſchwerth des Goldes iſt ſeitdem gegen das Silberwenig geſunken. Denn man kaufte auch am Ende des Jahres 1837in London ein Pfund Gold fuͤr 1565/100 Pfund Silber. Wir wer-den bald numeriſche Elemente zu der Loͤſung der Frage liefern,welche Veraͤnderungen man uͤberhaupt einer ſich allmaͤhlig fuͤhlbarmachenden, vereinten Wirkung des neuen uraliſchen und nord-amerikaniſchen Bergbaues zuſchreiben duͤrfe?
Die Maſſe edler Metalle, welche ſeit der Entdeckung vonAmerika bis zum Ausbruch der mexikaniſchen Revolution nachEuropa gekommen iſt, war an Gold 10,400,000 caſtilianiſcheMark (2,381,600 Kil.), an Silber 533,700,000 Mark oder122,217,300 Kil., zuſammen an Werth 5940 Millionen Piaſter.Das in dieſer Zwiſchenzeit dem amerikaniſchen Boden entzogeneSilber iſt in dieſer Evaluation nach dem Feingehalte der Piaſter,das iſt zu 0,903 berechnet worden, daher betragen jene 122,217,300Kil. Piaſterſilber nur 110,362,222 Kil. feines Silber. Sie wuͤr-den eine Kugel von feinem Silber bilden, welche 837/10 Pariſer Fuß Durchmeſſer ** haͤtte. Eine ſolche Reduktionauf Geſtalt und Groͤße verdient, glaube ich, ſo wenig als analogegraphiſche Darſtellungen getadelt zu werden. Wenn man dasReſultat der dreihundert und achtzehnjaͤhrigen Silberproduktion desſpaniſchen Amerika mit dem Reſultat einjaͤhriger Eiſenproduktioneinzelner europaͤiſcher Staaten vergleicht, ſo erhaͤlt man nach derAngabe meines Freundes, des vortrefflichen Geognoſten H. v. Dechen,Kugeln von reinem (geſchmiedeten) Eiſen fuͤr Großbritannien von148, fuͤr Frankreich von 111, fuͤr die preußiſche Monarchie von
* S. die neue vortreffliche Schrift: J. G. Hoffmann, Lehre vomGelde. 1838, S. 7.** Dieſe Kugel ſtellt die Maſſe feinen Silbers dar, welche in 318 Jah-ren, von 1492 bis 1809 aus Amerika nach Europa gekommen iſt. Diecaſtilianiſche Mark iſt 0,229 Kil. (Das ſpezifiſche Gewicht des Silbers= 10,474.) Von zwei aͤhnlichen Kugelberechnungen, welche die zweiteAusgabe meines Essai politique sur le Royaume de la NouvelleEspagne enthaͤlt (T. III, p. 418 und 459), welche aber nur die Sil-bermengen der Epoche von 1492 bis 1803 in Silber vom Feingehaltder Piaſter und in reinem Silber ausdruͤcken, iſt die erſtere richtig,in der zweiten muß man aber 2687/100 ſtatt 2047/100 Meter Durch-meſſer leſen.
|14| 76 Pariſer Fuß Durchmeſſer. * So groß iſt der Unterſchiedder Frequenz zweier Metalle, Silber und Eiſen, in dem denMenſchen zugaͤnglichen Theile der Erdrinde.
Waͤhrend der Strom von Gold und Silber von Weſten nachOſten ging, wurde Spanien nur durchſtroͤmt. Wenig blieb da-von in der Nation, weniger noch in dem Schatze der Koͤnige.Ferdinand der Katholiſche (ſo ſchreibt ſein Verehrer und FreundAnghiera wenige Tage nach des großen Monarchen Abſcheiden)ſtarb ſo arm, daß man nicht wußte, wie das Geld zu ſchaffen waͤre,um die Diener bei dem Leichenzuge anſtaͤndig zu kleiden. Hierdie merkwuͤrdige Stelle aus dem Briefe ** an den Biſchof vonTuy: „Madrigalegium villulam Regis tibi alias descripsi.Tot Regnorum dominus, totque palmarum cumulis ornatus,christianae religionis amplificator et prostrator hostium, Rexin rusticana obiit casa, et pauper contra hominum opinio-nem obiit. Vix ad funeris pompam et paucis familia-ribus praebendas vestes pullatas, pecuniae apud eum, ne-que alibi congestae, repertae sunt, quod nemo unquam devivente judicavit.“ Von Carls V. Geldbedraͤngniſſen hat Rankein ſeiner Abhandlung uͤber die ſpaniſchen Finanzen gehandelt. ***
* Die Berechnung fuͤr Großbritannien bezieht ſich auf den Durchſchnittder Produktion des Roheiſens in den Jahren 1823-1830. (M’Cul-loch, Dict. of Commerce, 1834 p. 736.) Die Durchſchnittsſumme iſt617,352 Tons oder 12,149,487 Pr. Centner. Der Durchmeſſer einerKugel Roheiſen fuͤr die einjaͤhrige Produktion waͤre demnach 175preußiſche oder 169 Pariſer Fuß. Roheiſen liefert bei der Verarbeitungzu Stabeiſen 5/7 ſeines Gewichtes. Fuͤr Frankreich ſind als Pro-duktion im Jahre 1835 (Resumé des travaux statistiques p. 61)an metriſchen Cent. 2,690,636 Roheiſen = 5,227,905 preuß. Cent.angenommen. In den preußiſchen Staaten war nach amtlichen Auswei-ſungen des Jahres 1836 das Erzeugniß an Roheiſen 1,651,598 Centner.** Petri Mart. Epist. lib. XXIX n. 556 (XXIII Jan. 1516). NeunJahre ſpaͤter waren ſchon die Goldwaͤſchen in Hiſpaniola erſchoͤpft.Nur Zucker und Leder werden als Ausfuhrartikel genannt. Tres ha-bemus ab Hispaniola naves (ſchreibt wiederum Anghiera) saccareispanibus et coriis boum onustas (Epist. n. 806, Cal. Martii 1525).Dieſe Stelle iſt fuͤr die Geſchichte des Handels wichtig, da bekanntlichdas erſte Zuckerrohr erſt 1520 in Santo Domingo von Pedro Atienzagepflanzt wurde.*** Ranke, Fuͤrſten und Voͤlker von Suͤd-Europa, B. I, S. 347-355.
|15| Der geiſtreiche Hiſtoriker hat meine officiellen Beweiſe * von dergeringen Menge edler Metalle, die bis 1545 der amerikaniſcheBergbau und die ſogenannten Inca-Schaͤtze geliefert, durch neueDokumente erweitert und bekraͤftigt.
Eine genauere Kenntniß der Geſchichte der Metallproduktionoder der allmaͤhligen Entdeckung großer erzfuͤhrenden Lagerſtaͤttenin der Neuen Welt lehrt uns, warum das Sinken des Werthesder edlen Metalle oder (was daſſelbe iſt) das Steigen der Preiſevon Korn und anderer unentbehrlicher Erzeugniſſe des Bodensund des menſchlichen Kunſtfleißes erſt gegen die Mitte des ſech-zehnten Jahrhunderts, und beſonders zwiſchen 1570 und 1595 amlebhafteſten gefuͤhlt wurde. Damals fing die Silbermenge derBergwerke von Tasco, Zacatecas und Pachuca in Neuſpanien, vonPotoſi, Porco und Oruro in der peruaniſchen Andeskette erſt an,ſich in Europa gleichmaͤßiger zu verbreiten, und ihren Effekt auf diePreiſe des Weizens, der rohen Wolle und der Manufakturwaarenauszuuͤben. Die eigentliche Eroͤffnung und Bearbeitung der Grubenvon Potoſi durch die ſpaniſchen Conquiſtadores faͤllt in dasJahr 1545, und die viel berufene Predigt, welche der Biſchof La-timer vor Koͤnig Eduard VI. hielt, ** und in der er ſeinen Zornuͤber das Steigen der Preiſe aller Lebensmittel ausdruͤckt, iſt vom17. Januar 1548. Beſſer faſt noch, als die von Fleetwood, Du-pré de St. Maur, Garnier und Lloyd geſammelten Kornpreiſeverkuͤndigen die engliſchen Korngeſetze zwiſchen 1554 bis 1688 dieAnhaͤufung der Metalle. Die Ausfuhr des Weizens iſt bekanntlichnur erlaubt, wenn der Preis eines gewiſſen Maßes eine durch dasGeſetz beſtimmte Hoͤhe erreicht. Nun war dieſe Grenze unter der KoͤniginMarie 1554 per Quarter 6 Schilling, unter Eliſabeth 1593 gegen 20,und im Jahr 1604 unter Jakob I. uͤber 26 Schill. Dieſe numeriſchenThatſachen ſind allerdings von großem Werthe, aber ihre Deutungerheiſcht beſondere Vorſicht, da das Problem der Kornpreiſe, ja allerPreiſe ein ſehr complicirtes iſt, und ſehr veraͤnderliche theoretiſche
* Essai politique T. III, p. 361-382, 421-428. Der Bergbau liefertebis 1545 nicht drei Millionen Piaſter jaͤhrlich. Atahualpa’s Loͤſegeldbetrug nach Gomara 52000 Mark Silber und die Beute (Tempelraub)in Cuzco nach Herrera nur 25700 Mark Silber an Werth.** Jacob on Precious Metals, T. II, p. 77, 132 und 388.
|16| Anſichten, Einfluß des landbeſitzenden Adels, ja ungleiche locale An-haͤufung von Geld und Waaren auf die Geſetzgebung jeglicher Epocheeinwirken. Dazu umfaſſen Temperaturveraͤnderungen (die mittlereWaͤrme der Fruͤhlings- und Sommermonate), welche die Culturder Cerealien beguͤnſtigen, nicht gleichzeitig das ganze ackerbauendeEuropa. Selbſt die Fortſchritte dieſer Cultur, die beſſere Benuͤtzung dererzeugenden Erdkraͤfte modificiren die Preiſe. Eine ungleich wachſendeBevoͤlkerung und der damit zunehmende Verkehr vermehren die Nach-frage nach den Metallen. Bei dem Maaße, das man ſucht und in denwechſelnden Kornpreiſen zu finden glaubt, hat man alſo mit zweigleichzeitig veraͤnderlichen Groͤßen zu thun. Die erhoͤhten Korn-preiſe druͤcken ſelbſt fuͤr ein einzelnes Land nicht die in gleichemMaaße anwachſende Menge von Gold und Silber aus, ſo wenigals ſie uns unmittelbar uͤber die allgemeinen Witterungsverhaͤltniſſeund (nach der Hypotheſe eines großen Aſtronomen) uͤber die Quan-titaͤt der Sonnenflecke belehren. Angaben, welche in derſelbenEpoche einen großen Theil von Europa umfaſſen, fehlen uns gaͤnz-lich, und genaue Unterſuchungen haben gezeigt, daß in Oberitalienzum Beiſpiel das Steigen der Preiſe von Getreide, Wein undOel zwiſchen dem fuͤnfzehnten und achtzehnten Jahrhundert vielgeringer * geweſen iſt, als man berechtigt war, es anzunehmen,nach dem, was uns aus England, Frankreich und Spanien **
* Gianrinaldo Carli. Opere, T. VII, p. 190. Savigny, Geſchichtedes Rechts, B. III, S. 567. Die Nachrichten uͤber die Preiſe derDinge im ſuͤdlichen Europa reichen ſehr beſtimmt bis in das vier-zehnte Jahrhundert, da (1321) Marino Sanuto dem Papſte Jo-hannes XXII. den Koſtenanſchlag eines Kreuzzuges vorlegte, durchden der ganze Handel des Orients abgeleitet werden ſollte. In dieſemKoſtenanſchlage, wie in den Preisangaben von Balducci Pegoletti, iſtaber der Silbergehalt der Muͤnzen mit mehr Sorgfalt zu beſtim-men, als bisher von denen geſchehen iſt, die ſich mit der Waaren-kunde und der Geſchichte des Handels beſchaͤftigt haben.** Clemencin in den Mem. de la Academia Real de Historia, T. VI, p. 553.Die Vanega Weizen (trigo) koſtete in Spanien von 1406 bis 1502im Mittel 10, von 1793 bis 1808 aber 62 Reales, die Muͤnze aufgleichen Silbergehalt reducirt. Damit ſtimmen Say’s Unterſuchun-gen uͤber die Kornpreiſe in Frankreich uͤberein (Traité d’économiepolitique, T. I, p. 352). Zur Zeit der Jungfrau von Orleans, unterCarl VII., war das Hectoliter Weizen (an Gewicht 75 Kil.) biszum Preiſe von 219 Gran Silber geſunken. Der Mittelpreis kurz
|17| bekannt iſt, wo die Kornpreiſe ſeit der Entdeckung von Amerikaum das Vier- bis Sechsfache geſtiegen ſind. Es wird nicht unnuͤtzſeyn, hier ein numeriſches Reſultat einzuſchalten, das auf vierzehn-jaͤhrigen Durchſchnittspreiſen im ganzen preußiſchen Staate beruht,und auf meine Bitte von dem Direktor unſeres ſtatiſtiſchen Bu-reaus, Herrn Geh. Rath Hofmann, mit dem groͤßten Fleiße berechnetworden iſt. Im Jahr 1838, in dem man in Berlin fuͤr ein PfundGold 159/13 Pfund reinen Silbers, 1611 Pfund Kupfer und faſt9700 Pfund Eiſen kauft, iſt das Pfund Gold nach Durchſchnittenvon 1816/29 und 1824/37 genau 20794 Pfund Weizen, 27655 PfundRoggen, 31717 Pfund Gerſte und 32626 Pfund Haber werth. *

vor der Entdeckung von Amerika war 268 Gran; er ſtieg 1514 ſchonbis 333, unter Franz I. bis 731, unter Heinrich IV. bis 1130 GranSilber. Lavoiſier fand das Steigen der Weizenpreiſe von 1610 bis1789 im Verhaͤltniß von 1130 zu 1342 Gran. Im Jahr 1820koſtete in Frankreich ein Hectoliter 1610 Gran Silber, 9216 dieſerGran auf ein Pfund oder 0,489 Kil. gerechnet. (S. auch LetronneConsidérations générales sur les monnaies grècques, p. 118—123.)Vom Mittelalter aufwaͤrts finden wir die Kornpreiſe ſteigend: zurZeit Valentinians III. (im Jahr 446) das Hectoliter zu 344 GranSilber, und am Ende der Republik unter Cicero gar zu 528 Gran.Die Reſultate von Dureau de la Malle geben noch hoͤhere Preiſe.(Comptes rendus de l’Inst. Juillet 1838. p. 84.)* Hier die Fundamente dieſer wichtigen Angabe: „Auf dem ſtatiſti-ſchen Bureau zu Berlin werden monatlich die Marktpreiſe der vierHauptgetreidearten aus allen Theilen des preußiſchen Staates zu-ſammengeſtellt und Durchſchnitte fuͤr die einzelnen Provinzen darausgezogen. Aus dieſen Durchſchnitten werden am Ende jedes JahresMittelpreiſe fuͤr das ganze Jahr und aus der Reihenfolge dieſerMittelpreiſe vierzehnjaͤhrige Durchſchnitte ſo berechnet, daß von denPreiſen der naͤchſt auf einander folgenden vierzehn Jahre jedesmaldie zwei hoͤchſten und zwei niedrigſten weggeſtrichen, die uͤbrigenzehn aber addirt werden, wo dann das Zehntheil dieſer Summe alsDurchſchnittspreis der in Betrachtung gezogenen vierzehn Jahreangeſehen wird. Aus dieſer Arbeit, die Jahre 1816 bis 1837 be-greifend, folgt fuͤr den preußiſchen Scheffel:
  • Weizen ... 1 Thlr. 23 Silbergr. 105/9 Pfennige.
  • Roggen ... 1 „ 8 „ 15/9
  • Gerſte ... 1 „ 28 „ 81/9
  • Haber ... 1 „ 21 „ 81/3
Die den vier Getreidearten zukommenden Gewichte ſind fuͤr denScheffel in preußiſchen Pfunden (zu zwei Mark koͤlniſch) 85, 80, 69
|18| Die Beſorgniſſe uͤber die verminderte Einfuhr der edlen Me-talle aus dem Neuen Continent, welche ſich bei dem Erſcheinendes wichtigen und in Deutſchland nicht genugſam beachteten Werkesvon Jakob (on Precious Metals) verbreitet hatten, ſind nicht inErfuͤllung gegangen. Die von 1809 bis 1826 ſo tief geſunkeneMetallproduktion hat ſich, trotz des unruhigen Zuſtandes des freienſpaniſchen Amerikas, doch wieder zu ¾ von dem gehoben, was ſiein der Epoche war, als ich jene Laͤnder verließ. In Mexiko iſt ſogar,nach den neueſten Nachrichten, die ich dem thaͤtigen preußiſchenGeſchaͤftstraͤger Herrn v. Gerolt verdanke, im Jahr 1837 dieAusbeute auf 20 bis 22 Millionen Piaſter geſtiegen, wozu außerZacatecas die neu aufgenommenen Gruben von Fresnillo, Chihua-hua und Sonora am meiſten beigetragen haben. In der letztenfriedlichen Epoche der ſpaniſchen Oberherrſchaft konnte ich denMittelertrag der mexikaniſchen Bergwerke auch nur auf 23 Mil-lionen Piaſter (etwa 537,000 Kil. Silber und 1600 Kil. Gold)ſchaͤtzen. Die Controle war damals leichter, da es nur einen Cen-tralmuͤnzhof gab und ſtrenge Geſetze den Handel auf eine kleinereZahl von Haͤfen beſchraͤnkten. Die groͤßte Thaͤtigkeit der Welt wardamals in jener Centralmuͤnze von Mexiko, die von 1690 bis1803 aus inlaͤndiſchem Gold und Silber genau fuͤr 1353 Millio-nen Piaſter, aber von der Entdeckung von Neuſpanien * an bis zur
und 52. Das Pfund Gold iſt aber gleich geſetzt, in preußiſchemSilbergelde, 439 Thlr. 11 Sgr. 66/13 Pfg.“ Die Vergleichung derbeiden Perioden 1816/29 und 1824/37 zeigt ein Fallen der Getreidepreiſeim preußiſchen Staate um 142/7 Procent beim Weizen, um 11½ beimRoggen, um 12 bei der Gerſte und 1113/17 beim Haber, eine Preisver-minderung, welche groͤßtentheils der vermehrten Erzeugung und beſſerenBenutzung des Bodens zuzuſchreiben iſt. Die fortſchreitende Culturwendet ſich den Cerealien zu, die einen hoͤhern Werth haben. (Diete-rici, Ueberſicht des Verkehrs. 1838. S. 474.) Ich fuͤhre dieſe Preis-verminderung, als eine von dem Zu- und Abfluß edler Metalle un-abhaͤngige an.* Erſt in dieſem Jahre hat Herr Ternaux-Compans in ſeiner uͤberausnuͤtzlichen Sammlung von Mémoires originaux pour servir à l’his-toire de la découverte de l’Amérique (Conquête du Mexique, p. 451)eine offizielle Liſte der von den Vicekoͤnigen von Neuſpanien zwiſchen1522 und 1587 nach dem Mutterlande geſandten Summen bekanntgemacht. Ich habe dieſe Liſte in dem Archive von Mexiko nicht ge-funden. Sie iſt ſehr merkwuͤrdig und zeigt, daß meine fruͤheren
|19| Befreiung des Landes wahrſcheinlich 2028 Millionen Piaſter gelieferthat, das iſt ⅖ aller edeln Metalle, welche in dieſer Zeit das ganzeAmerika nach dem Alten Continent hat fließen laſſen.
Was man aus Mißmuth uͤber mißlungene Verſuche jetzt ſooft von Erſchoͤpfung der mexikaniſchen Erzmittel vorbringt, iſt imWiderſpruch mit der geognoſtiſchen Kenntniß des Landes, ja ſelbſtmit den neueſten Erfahrungen. * Die Muͤnzſtaͤtte von Zacatecasallein hat, in den unruhigen Zeiten von 1811 bis 1833, uͤber66,332,000 Piaſter aus 7,758,000 Mark Silber gepraͤgt und inden letzten 11 Jahren (1822 bis 1833) ununterbrochen zwiſchenvier und fuͤnf Millionen Piaſter:
  • 1829 ... 4,505,180 Piaſter.
  • 1830 ... 5,189,902 „
  • 1831 ... 4,469,450 „
  • 1832 ... 5,012,000 „
  • 1833 ... 5,720,000 „
In Zacatecas hat ein einziger Gang, die Veta grande, welche ſeitdem ſechzehnten Jahrhundert bebauet wird, und bis 1738 oft ineinem Jahre bis drei Millionen Piaſter lieferte, folgende Maſſenin Umlauf gebracht:
  • 1828 ... 117,268 Mark Silber.
  • 1829 ... 235,741 „ „
  • 1830 ... 279,288 „ „
  • 1831 ... 272,095 „ „
  • 1832 ... 258,498 „ „
  • 1833 ... 209,192 „ „

Angaben der mexikaniſchen Metallproduktion von 1521 bis 1600(Essai politique, T. III, p. 414) eher noch etwas zu hoch waren. Es warneuerlichſt oft die entgegengeſetzte Meinung geaͤußert worden. Vonder Adminiſtration des Fernan Cortez an bis 1552, wo die Grubenvon Zacatecas eben erſt eroͤffnet wurden, ſtieg die Ausfuhr ſelten ineinem Jahre auf 100,000 Peſos. Von da an iſt ſie in ſchnellemSteigen. In den Jahren 1569, 1578 und 1587 war ſie ſchon931,564, 1,111,202 und 1,812,051 Peſos de oro. Die Summen ſindnicht in unſern Piaſtern, ſondern in dieſen Peſos de oro angegeben.* S. die lehrreiche Schrift des Herrn Joſeph Burkart: Aufenthaltund Reiſen in Mexiko in den Jahren 1824 bis 1834. Th. I, S. 360 und 385. Th. II, S. 74 und 152.
|20| Guanaxuato, das freilich zu meiner Zeit ſchon lange bis755,000 Mark Silber jaͤhrlich lieferte, iſt dagegen in neuerenJahren bis unter die Haͤlfte herabgeſunken. Die Ausbeute war:
  • 1829 ... an Gold: 852 Mark; an Silber: 269,494 Mark.
  • 1830 ... „ „ 1058 „ „ „ 284,386 „
  • 1831 ... „ „ 622 „ „ „ 258,500 „
  • 1832 ... „ „ 1451 „ „ „ 300,612 „
  • 1833 ... „ „ 1144 „ „ „ 316,024 „
Wenn endlich einmal jene herrlichen von der Natur mannich-faltig geſegneten Regionen, nach vielem innern Gaͤhren und Trei-ben, des Friedens genießen, ſo muͤſſen mit dem fortſchreitendenAnbau des Bodens nothwendig auch neue Lagerſtaͤtten entbloͤßt underoͤffnet werden. In welcher Region der Erde außerhalb Amerikahat man Beiſpiele eines aͤhnlichen Silberreichthums aufzuweiſen?Man vergeſſe nicht, daß bei Sombrerete, wo einige Grubenſchon 1555 eroͤffnet wurden, die Familie Fagoaga (Marquès delApartado) in fuͤnf Monaten in einer Erſtreckung von 16 Lach-tern (96 Fuß) Laͤnge aus Anbruͤchen von Rothgiltigerz der VetaNegra einen reinen Gewinn von vier Millionen Piaſter gezogenhat, und daß in dem Bergdiſtrikt von Catorce in 2½ Jahren(1781—1783) aus einer Weitung voll Hornſilber und Colora-dos, welche das Volk Gott des Vaters Geldſack (la Bolsade Dios Padre) nannte, ein Geiſtlicher, Juan Flores, ebenfalls3½ Millionen Piaſter erbeutete. Der Ertrag des Goldes im ſpaniſchen und portugieſiſchen Amerikahat betraͤchtlich mehr abgenommen, als der Ertrag des Silbers,aber jene Abnahme iſt viel aͤlter als der Ausbruch der politiſchenRevolutionen in den Tropenlaͤndern. Ich habe an einem andernOrt bereits entwickelt, in welchem Irrthum man in Europa biszum Anfange dieſes Jahrhunderts uͤber Ausdauer des Reichthumsder braſiliſchen Goldwaͤſchen geweſen iſt, wie man den glaͤnzendenZuſtand dieſer Waͤſchen (von 1752 bis 1773) mit dem ſpaͤternZuſtande verwechſelt hat. * Der fuͤr die Geſchichte des Gold-handels ſo wichtige Bullion-Report ** hat zuerſt einiges Lichtuͤber dieſen Gegenſtand verbreitet. Die ſicherſten Nachrichten verdanke
* Essai polit., T. III, p. 448-452.** Report of the Bullion Committee of 1810, Append. N. 22.
|21| ich den Privatmittheilungen des ehemaligen Generalbergwerks-DirektorsFreiherrn von Eſchwege. Jakobs Werk uͤber die edeln Metalle enthaͤltnur duͤrftige Zuſaͤtze. * Zwiſchen 1752 und 1761 oscillirte die denQuinto bezahlende Goldausbeute von Minas Geraes zwiſchen 6400und 8600 Kil. (eine portugieſiſche Arroba hat nach Franzini 14,656Kilogrammen). Dieſe Ausbeute iſt allerdings ſehr betraͤchtlich unddie jetzigen Produktionen des Ural und Altai weit uͤbertreffend; aberman muß gedenken, daß 1804 auch das ſpaniſche Amerika an10400 Kil. Gold gab, naͤmlich:
  • Neugranada ... 4700 Kil.
  • Chili ..... 2800 „
  • Mexiko ..... 1600 „
  • Peru ..... 780 „
  • Buenos-Ayres .. 500 „
  • 10380 Kil.
Die Produktion von Minas Geraes war in den Mitteljahren1785—1794 ſchon auf 3300 Kil., zwiſchen 1810 und 1817 auf1600 Kil., zwiſchen 1818 und 1820 auf 428 Kil. geſunken. Damitſtimmt die Angabe des Herrn Ritter von Schaͤffer uͤberein, nachwelcher 1822 nur 24 Arrobas (350 Kil.) in den Schmelzhof vonVilla Rica abgeliefert wurden. Seit dieſer Zeit ſcheint, durch dieInduſtrie einiger engliſchen Geſellſchaften, ſich der braſiliſche Gold-bergbau wieder etwas gehoben zu haben: aber mehr noch als die Er-ſchoͤpfung der Lagerſtaͤtten hat der Hang zur Cultur von Colonial-Produkten, welche die immer fortdauernde ſchaͤndliche Sklaveneinfuhraus Afrika beguͤnſtigt, an dem Verfall der Goldwaͤſchen Schuld. Beidem ungeheuren Schleichhandel, der jetzt in Braſilien getrieben wird,waͤre zu wuͤnſchen, daß ein der Verhaͤltniſſe des Landes rechtkundiger Eingeborner ſich bemuͤhen wollte, den allgemeinen Ertragder jaͤhrlichen Goldproduktion ſeit 1822 zu ergruͤnden. Es iſt eine merkwuͤrdige Erſcheinung in der Geſchichte desvon Europaͤern getriebenen Bergbaues, daß ſeitdem die Goldgewin-nung in Braſilien ſo tief geſunken iſt, dieſelbe im noͤrdlichen Aſienund (freilich faſt nur voruͤbergehend) in dem ſuͤdlichen Theile derVereinigten Staaten von Nord-Amerika zu einer unerwarteten Hoͤheempor ſtieg. Das Bergſyſtem des Ural (eine Meridiankette, mauerartig
* T. II. p. 261―265 und 395.
|22| hingeſtreckt vom Uſt-Urt im noͤrdlichen Theile des Truchmenen-Iſthmusbis gegen das Eismeer, ja nach des Botanikers Alexander Schrenk’sund Herrn von Baͤr’s neueſten ſchoͤnen Beobachtungen bis nachWaigatz und Novaja-Semlja hin) iſt goldfuͤhrend erfunden in einerLaͤnge von faſt 17 Breitengraden. Wenn der Ural in den Jahren1821 und 1822 nur noch 27 bis 28 Pud Gold (440 bis 456 Kil.)lieferte, ſo ſtieg der Ertrag des uraliſchen Goldſandes ſchon in dendrei folgenden Jahren, 1823, 1824 und 1825, ſtufenweiſe auf105, 206 und 237 Pud. Nach der mir, von dem ruſſiſchen HerrnFinanzminiſter Grafen von Cancrin handſchriftlich mitgetheilten Ueberſicht der edeln Metalle, die in dem ruſſiſchenReiche gewonnen und in dem Muͤnzhofe von St. Pe-tersburg aus den legirten Metallen rein erhalten wor-den ſind, war die Goldproduktion:
  • 1828 .... 290 Pud 39 Pfund.
  • 1829 .... 289 „ 25 „
  • 1830 .... 347 „ 27 „
  • 1831 .... 352 „ 2 „
  • 1832 .... 380 „ 31 „
  • 1833 .... 368 „ 27 „
  • 1834 .... 363 „ 10 „
Als ich auf Befehl des Kaiſers Nicolaus mit meinen Freun-den Guſtav Roſe und Ehrenberg die Expedition in dem noͤrdlichenAſien machte, waren die Goldwaͤſchen auf das europaͤiſche Grenz-gebirge des Urals beſchraͤnkt. Der Altai (mongoliſch: das Gold-gebirge, Altaiin Oola) * gab nur das wenige Gold (an 1900 Mark),welches aus den goldhaltigen Silbererzen (70,000 Mark) der reichenGruben von Schlangenberg oder Smeïnogorsk, Ridderski und Syria-nowski ausgeſchieden werden konnte. Seit 1834 iſt aber in dieſem mitt-leren Theile von Sibirien der Fleiß der Goldſucher unerwartet belohntworden. Man hat Lager von Goldſand (Geroͤlle) entdeckt, ganzdenen am Abhange des Urals gleich. Das durch ſeinen Einflußauf die Belebung des Verkehrs von Inner-Aſien ſo verdiente HausPopof hat auch hier ein ruͤhmliches Beiſpiel gegeben. Unter den398 Pud Gold (27,884 Mark), welche 1836 das ganze ruſſiſche
* Altaiin iſt eine mongoliſche Genitiv-Form. (Klaproth, Mémoires re-latifs à l’Asie. T. II. p. 382.)
|23| Reich lieferte, * waren 293 Pud 26 Pfund vom Ural und 104Pud 15 Pfund vom Altai. Im naͤchſtfolgenden Jahr 1837 wardie Ausbeute des oͤſtlichen Sibiriens ſchon ſo geſtiegen, daß derAltai 130 Pud, der Ural (von Kron- und Privatwaͤſchen) 309 PudWaſchgold gaben. Rechnet man zu dieſen Summen 30 Pud Gold,die aus den in anſtehendem Geſtein einbrechenden Erzen vom Altaiund Nertſchinsk ausgeſchieden wurden, ſo ergeben ſich fuͤr die ge-ſammte ruſſiſche Goldproduktion des Jahrs 1837 genau 469 Pudoder 7644 Kil. Gold. Die Goldwaͤſchen im Ural ſind daher ineinem ſehr langſamen Sinken, der Altai aber fuͤgt zur Totalmaſſeſo viel hinzu, daß ſeine Ausbeute zu der des Ural ſich ſchon wie4:9½ verhaͤlt.
Ueber die eigentliche Ablagerung des Goldſandes im Altaiſind wir erſt ganz neuerlichſt durch einen ſehr ausgezeichnetenGeognoſten, meinen ehemaligen Reiſebegleiter im ſuͤdlichen Ural,Herrn von Helmerſen, belehrt worden. Das Waſchgold, wel-ches ſeit einigen Jahren in ſtets wachſender Menge im oͤſtlichſtenTheile des Tomskiſchen Gouvernements gewonnen wird, gehoͤrt nichtdem großen Gebirgsſtock ſelbſt zu, den wir das altaiſche Erz-gebirge ** nennen, den Ledebour, Bunge und Gebler erforſcht haben,und in dem ſich der Berg Belucha mit ſeinen unerſtiegenen Schnee-ſpitzen an den Quellen der Katunja bis zu 11,000 Fuß, bis zur
* Dazu (ebenfalls 1836) an Platin des Urals 118 Pud 2 Pfd. oder8269 Mark Coͤlniſch.** Sehr uneigentlich wird er der Kleine Altai genannt. Auch Hr. vonHelmerſen theilt meinen Unglauben an die Exiſtenz des Großen Altai (Fragmens asiatiques. T. I. p. 28). „Eines jener großen Laͤngenthaͤler,ſagt Helmerſen, „die das Erzgebirge Altai durchziehen, iſt das Thalder oberen Buchtarma: es ſcheidet den noͤrdlichen ruſſiſchen Antheildes Gebirges von dem ſuͤdlichen, chineſiſchen. Dieſer ſuͤdliche Theiliſt haͤufig, und bis in die neueſten Zeiten, als ein beſonderes Gebirgemit dem Namen des Großen Altai aufgefuͤhrt worden, im Gegen-ſatze zu dem noͤrdlichen ſogenannten Kleinen Altai. Abgeſehenvon dem Unpaſſenden dieſer Benennungen, die weder in der Naturbegruͤndet ſcheinen, noch von den Bewohnern angenommen ſind, die-nen ſie nur, um einen Irrthum fortzupflanzen, den einKartenzeichner von dem andern erbt. Der chineſiſche Altai bildetmit dem ruſſiſchen nur ein und daſſelbe Ganze, und es iſt kein Grundvorhanden, ſie als zwei, ſogar in ihrer Richtung verſchiedene Gebirgs-zuͤge auftreten zu laſſen.“
|24| Hoͤhe des Wetterhorns und Pics von Teneriffa majeſtaͤtiſch erhebt. DieLager goldhaltigen Sandes zeigen ſich an beiden Abhaͤngen, beſondersaber an dem oͤſtlichen eines kleinen Gebirgsarmes, welchen der vonOſten gegen Weſten ſtreichende Altai in dem Meridian des TelezkiſchenSees gegen Norden ausſendet, und der bis in den Parallel von Tomskreicht. „Auf den Karten,“ ſagt mein Freund, Herr v. Helmerſen,„wird dieſer waſchgoldfuͤhrende Gebirgsarm durch die Namen desAbakanskiſchen, Kusnezkiſchen und Alatau-Gebirges bezeichnet. Sei-ner Richtung, ſeiner innern Zuſammenſetzung * und ſeiner Form nachhat er mit dem Ural die unverkennbarſte Aehnlichkeit; es iſt inder That eine Wiederholung des Ural, nur in geringerer Laͤnge.Die Analogie geht ſo weit, daß auch hier der Oſtabhang goldreich,der Weſtabhang aber viel aͤrmer iſt. Da gerade dieſer Weſtabhangder Krone zur Bearbeitung vorbehalten wurde, ſo haben bisher faſtnur die Privatunternehmer den Goldreichthum des Alatau (dieſesgegen Norden auslaufenden Zweiges des Altai) benutzt.“ Geo-gnoſten, welche mit meinen Unterſuchungen uͤber die Richtung derGebirgsſyſteme von Inner-Aſien und mit den geiſtreichen AnſichtenElie de Beaumont’s uͤber Parallelismus und relative Altersfolge derGebirgsſpalten und Ketten vertraut ſind, kann die Wichtigkeit jenerBeobachtungen des Herrn von Helmerſen nicht entgehen. Ich ſelbſthabe die noͤrdliche Lagerſtaͤtte des altaiſchen (kusnezkiſchen) Goldſandesnicht geſehen, da meine Reiſe von Tobolsk uͤber Tara, durch die Bara-binskiſche Steppe, nach dem weſtlichen und ſuͤdlichen Altai und vonda nach dem chineſiſchen Grenzpoſten Chunimailaͤchu (in der Pro-vinz Ili, noͤrdlich vom Sayſan-See) gerichtet war.
Das altaiſche Waſchgold iſt etwas ſilberhaltiger als das Golddes Ural. Die ſibiriſchen Kaufleute, von dem kaiſerlichen Bergdepar-tement kraͤftig beguͤnſtigt, haben jetzt ſelbſt Winterwaͤſchen angelegt,und die Bearbeitung dieſes neuen Zweiges der aſiatiſchen Induſtrie iſtum ſo merkwuͤrdiger und erfreulicher, als die Arbeiter nur Freiwilligeſind und ſehr gut bezahlt werden. Nach neueren Nachrichten, die ichdem Herrn Finanzminiſter Grafen von Cancrin, verdanke, ſind reicheSandlager, wie im Salairskiſchen Gebirgszuge, ſo auch am Fluſſe Bi-riuſa entdeckt worden, der die Gouvernements Jeniſeisk und Irkutsk
* Helmerſen im Bull. de l’Acad. de St. Petersb. T. II. p. 107. Sieheauch Erman, Reiſe um die Erde. Thl. II. S. 19―21.
|25| von einander trennt. * Fuͤr ganz Sibirien ſind ſchon 240 Licenzen (Berechtigungen zu Benutzung von goldhaltigen Lagerſtaͤtten) ertheilt.
So betraͤchtlich zeigt ſich demnach in neuerer Zeit (und der Haupt-zweck dieſer Unterſuchung iſt, den Wechſel der Stroͤmungen im Gold-handel zu ſchildern) der Zufluß von Oſten her! Jene 469 Pud urali-ſchen und altaiſchen Goldes (32,830 preuß. Mark), welche der Ertragdes Jahres 1837 waren, ſind werth in preußiſchem Silbergelde7,211,000 Thaler. Ein ſolcher Ertrag iſt nur noch um ⅛ gerin-ger, als die Goldproduktion von Minas Geraes in Braſilien inden reichſten Jahren der gluͤcklichen Epoche von 1752 und 1761war; er iſt aber faſt um ⅓ geringer, als die Goldproduktion vonNeu-Granada, Chili und Mexiko kurz vor dem Ausbruch der Re-volution in dem ſpaniſchen Amerika. Wenn man die ungeheureAusdehnung des ſibiriſchen Continents betrachtet und ſich derſchnellen Zunahme des Goldes vom Ural in den Jahren 1822,1823 und 1824 erinnert, ſo wird es uͤberaus wahrſcheinlich, daßder Zufluß des ſibiriſchen Goldes von Oſten nach Weſten, vonAſien nach Europa, noch immer nicht ſein Maximum erreicht hat. DerErtrag von Oſtſibirien wird vielleicht ſchneller ſteigen, als der Ertragder uraliſchen Waͤſchen, wo man die reichſten Sandlager zuerſt undAnfangs leider! zu fluͤchtig bearbeitet hat, abnimmt. Bei der hydro-ſtatiſchen Scheidung auf den Waſchherden geht unſtreitbar einegroße Menge des edeln Metalls, welches Koͤrnern von Eiſenoxydund andern leichten Subſtanzen anklebt, verloren. Es iſt hiernicht der Ort, zu unterſuchen, ob die ſcharfſinnige und vielver-heißende Methode des Zuſammenſchmelzens mit Eiſen und dieBehandlung des goldhaltigen Eiſens durch Schwefelſaͤure, welcheder Oberſt Anoſſow, Intendant zu Slatouſt, vorgeſchlagen, bei derGroͤße der durchzuſchmelzenden Maſſen, bei der Schwierigkeit derZufuhr eines ſo goldarmen Sandes und bei dem Erforderniß vonvielem Brennmaterial, im Großen mit Erfolg auszufuͤhren iſt.Fortgeſetzte, wohlgeleitete Verſuche ſcheinen bisher gegen die Aus-fuͤhrbarkeit zu entſcheiden.
* Das Dorf Biriusſinsk auf der Straße von Kansk nach NijneiUdinsk, hat eine ſehr maleriſche Lage zwiſchen tiefeingeſchnittenenBaͤchen: auch oͤſtlich bleibt der Boden ſehr zerriſſen bis zu den ſchroffenSandſteinfelſen von Nijnei Udinsk. (Erman, Handſchriftliche Nach-richten.)
|26| Die Anſichten, welche man ſeit kaum fuͤnfzehn Jahren uͤberden noch immer vorhandenen Goldreichthum von Nord-Aſien gewonnenhat, fuͤhren faſt unwillkuͤrlich zu den Iſſedonen, Arimaspen undgoldhuͤtenden Greifen zuruͤck, denen Ariſteas von Prokonneſus und,etwa zweihundert Jahre ſpaͤter, Herodot einen ſo dauernden Ruf * verſchafft haben. Mir iſt die Freude geworden, die Orte im ſuͤd-lichen Ural zu beſuchen, wo wenige Zolle unter dem Raſen, nahe neben einander, glaͤnzende Goldmaſſen von 13, 16, ja 24 ruſ-ſiſchen Pfunden ** entdeckt worden ſind. Noch viel groͤßere Maſſenkoͤnnen einſt als rundliche Geſchiebe, ganz unverdeckt, auf der Ober-flaͤche der Erde gelegen haben. Kein Wunder alſo, wenn ſchon inhohem Alterthume dieſes Gold von Jaͤger- und Hirtenvoͤlkern ge-ſammelt wurde, wenn das Geruͤcht von ſolchem Reichthume weiterſcholl, ja bis zu den helleniſchen Kolonien am Pontus Euxinusvordrang, Kolonien, die fruͤh mit dem nordoͤſtlichen Aſien jenſeitsdes caspiſchen Meeres und Oxusſees (Aral) in Verkehr traten.Die handeltreibenden Griechen und auch die Skythen kamen nicht ſelbſtbis zu den Iſſedonen; ſie verkehrten nur mit den Argippaͤern. Nie-buhr in ſeinen Unterſuchungen uͤber die Skythen und Geten (Un-terſuchungen, die keinesweges durch das beſtaͤtigt werden, was wirjetzt uͤber Racenverſchiedenheit und Sprachbau nordaſiatiſcher Voͤlkerwiſſen) ſetzt die Iſſedonen und Arimaspen noͤrdlich von Orenburg, *** alſo in jene uns jetzt ſo bekannt gewordene goldreiche Gegend amoͤſtlichen Abfall des ſuͤdlichen Ural. Dieſe Meinung wird in demeben erſchienenen inhaltreichen Werke des Staatsraths Eichwald
* Auch in den Fragmenten von Alcman, die Herr Welcker bearbeitet hat,wie in denen des Hecataͤus und des Damaſtes geſchieht Erwaͤhnungder Iſſedonen. (Hec. Mil. Fragm. ed. Klausen n. 168, p. 92.)** Das groͤßte Goldgeſchiebe, welches bisher am Ural (zu Alexandrowskbei Miask) gefunden worden, iſt 8 Zoll lang, 5⅜ Zoll breit und4¾ Zoll hoch. Es wiegt 24 ruſſiſche Pfund 69 Solotnik (43¼ Mark),und wird zu Petersburg in der prachtvollen Mineralien-Sammlungdes Bergcorps aufbewahrt. Unter den Platingeſchieben von NiſchneTagilsk (Beſitzung des Herrn v. Demidoff) wurden drei gefundenvon 13, 19 und 20 Pfund Gewicht. (Roſe, Reiſe nach dem Ural.Thl. I, S. 41.)*** „Kleine hiſtoriſche und philologiſche Schriften“ S. 361. (S. auch Nie-buhrs herodotiſche Welttafel.)
|27| uͤber die alte Geographie des caspiſchen Meeres * verthei-digt. Heeren und Voͤlcker deuten dagegen das Herodotiſche Goldlandauf den Altai, und ich geſtehe, daß dieſe geographiſche Deutungmir mehr durch Lokalverhaͤltniſſe gerechtfertigt ſcheint. ** Herodotbeſchreibt eine Handelsſtraße, auf der das Gold des noͤrdlichen Altai,durch Vermittlung der Iſſedonen und Skythen, nach dem Pontusgelangen konnte, das Gold ſelbſt oder wenigſtens der Ruf davon. *** Um bis zu den Argippaͤern vorzudringen, die kahlkoͤpfig ſind, ein-gedruͤckte Naſen und große Kinnbacken haben, muͤſſen die Skythenund die Griechen der pontiſchen Colonien ſieben Dolmetſcher vonſieben verſchiedenen Sprachen zu ihren Geſchaͤften anwenden. (He-rodot, IV, 24.) Seitdem man in dem Gebirgsarme, welchen derAltai gegen Norden bis in den Parallel von Tomsk ausſendet, ſoreiche Lager von Goldſand entdeckt hat, gewinnt die Deutung derArimaspen auf eine vom Uralguͤrtel weit oͤſtlich liegende Gegend aller-dings an Wahrſcheinlichkeit. Die Mythe von den goldhuͤtenden Greifendes Herodot haͤngt, nach der Vermuthung eines gelehrten und talentvol-len Reiſenden, Adolph Erman, †† mit den im noͤrdlichen Sibirienſo haͤufigen foſſilen Knochen urweltlicher Pachydermen zuſammen, indenen einheimiſche Jaͤgervoͤlker Klauen und Kopf eines Rieſenvogelszu ſehen glauben. „Will man ſich nicht weigern,“ ſchließt HerrErman, „in dieſer arktiſchen Sage das Vorbild zu der griechiſchenvon den Greifen zu finden, ſo iſt es ſtreng wahr, daß nordiſcheErzſucher das Gold von unter den Greifen hervorzogen, dennGoldſande unter Erd- und Torflagern, die mit jenen Knochen
* S. 264. Eichwald leitet, wie Reichard, den Namen Iſſedonen vondem Fluſſe Iſſet her und haͤlt das Volk fuͤr einen Wogulenſtamm.** Heeren, Ideen uͤber Politik und Verkehr (1824), Thl. I. Abth. 2.S. 281―287.*** Voͤlcker, Mythiſche Geographie der Griechen und Roͤmer. Thl. I. S. 188und 191. Klauſens Commentar dazu in der Allgemeinen Schulzei-tung. 1832. S. 653. (Voͤlcker hat die Stellen der Alten, die ich hiernicht einzeln citire, am ſorgfaͤltigſten geſammelt.) Dieſe Argippaͤer leben von den Fruͤchten des Baumes Ponticum, derenSaft Aschy heißt, und deren ausgedruͤckte Maſſe zu Kuchen geknetetwird. Schon Nemnich und Heeren (Thl. 1. Abth. 2. S. 283) habendarin den Prunus Padus erkennen wollen. Siehe auch Erman, Reiſeum die Erde. Thl. I. S. 307.†† A. a. O. Thl. I. S. 712.
|28| erfuͤllt ſind, gehoͤren jetzt, wie fruͤher, zu den gewoͤhnlichſten Erſchei-nungen.“ Aber ſo anziehend auch dieſe Erklaͤrung iſt, ſo ſteht ihrdoch entgegen, daß der wunderbaren Fabelweſen, der Greifen, ſchonin den Heſiodiſchen Gedichten Erwaͤhnung geſchieht, daß ſie diePforten von Perſepolis als Loͤwenadler ſchmuͤcken, und durch baby-loniſche und perſiſche Tapeten fruͤh uͤber Milet nach Griechenlandkamen. * Ein beruͤhmter ruſſiſcher Akademiker, Herr v. Graͤfe,iſt geneigt, ein großzahniges Unthier, den Odontotyrannus byzantiniſcher Schriftſteller, und des von Majo aufgefundenen Ju-lius Valerius fuͤr eine dunkle Erinnerung des ſibiriſchen Mammouth,fuͤr einen ſpaͤten Nachhall der Urwelt zu halten. ** Der Tyrannund die alte Mythe der Greife ſcheinen mir nicht unterirdiſch ausdem gefrornen Schuttlande aufgeſtiegen, ſondern Phantaſiegebildeeiner ſonnigen, ſuͤdlichen Zone.
Ich habe oben des Umſtandes gedacht, daß im Ural ungeheureGoldmaſſen wenige Zolle unter dem Raſen gefunden werden. Rie-ſelndes Waſſer oder andere geringfuͤgige Urſachen koͤnnen dieſe Maſſeeinſt ſo entbloͤßt haben, daß ſie auf die Oberflaͤche der Erde ſelbſtgelangten. Iſt vielleicht die Geſchichte des heiligen Goldes bei den Skythen, deren Herodot (IV, 7) erwaͤhnt, iſt das Herab-fallen goldener Ackerwerkzeuge vom Himmel, welche die beidenzuerſt nach einander hinzutretenden Koͤnigsſoͤhne nicht beruͤhrenkonnten, ohne ſich zu verbrennen, waͤhrend der dritte, Colaxais, daserloſchene (erkaltete) Gold ohne Gefahr nach Hauſe trug, bloß mythiſchzu erklaͤren, oder ſoll man darin vielleicht Anklaͤnge eines heißen ***
* Karl Otfr. Muͤller, Dorier. Thl. II. S. 276. (Ueber den Greif desCteſias, als baktriſch-indiſches Thier. S. Heeren, Thl. I. Abth. 1.S. 239, und Boͤttiger, Griechiſche Vaſengemaͤlde. Thl. I. n. 3. S. 105.)Auch Herodot (IV, 79 u. 152) nennt zweimal die Greife als Gebildeund Ornamente.** Graͤfe in Mém. de l’Acad. de St. Petersbourg. 1830. p. 71 et 74.Julius Valerius res gestae Alexandri translatae ex Aesopo III, 33.S. dazu das Chron. Hamartol. welches Haſe in den Manuſcripten derPariſer Bibliothek excerpirt hat.*** Ich laſſe die Stelle des Herodot (IV, 5) hier nach SchweighaͤuſersUeberſetzung lateiniſch folgen: „Targitao filios fuisse tres, Leipoxainet Arpoxain, minimumque natu Colaxain. His regnantibus de coelodelapsa aurea instrumenta, aratrum et jugum et bipennem et phia-lam, decidisse in Scythicam terram. Et illorum natu maximum,
|29| Aerolithenfalles erkennen? Sind hier Eiſen und Gold mit einanderverwechſelt und war das heilige Gold ein gluͤhender Meteor-ſtein, der von Pallas in Sibirien aufgefundenen Maſſe aͤhnlich,aus der man Ackerwerkzeuge ſchmieden konnte, wie die Esquimauxder Baffinsbay ſich ihre Meſſer aus einer im Schnee halbvergra-benen Meteormaſſe noch in unſern Tagen bereiten? Ich weiß,daß phyſiſche Erklaͤrungen alter Mythen und neuerer Wunder jetztnicht beliebt ſind, und daß ich beſorgen muß, auf den Irrweg alexandri-niſcher Grammatiker zu gerathen; aber einem Naturforſcher iſt dieErinnerung an einen Aerolithenfall wohl zu verzeihen. Vielleicht wardas vom Himmel gefallene Metall nur gluͤhend, um die aͤlterenSoͤhne abzuhalten? Auch nach deutſchem Volksglauben leuchtetund brennt der Ort, wo ein Schatz vergraben liegt. Solche Betrach-tungen leiten ab von ſpeciell-phyſiſchen Deutungen!
Das Wiederauffinden goldhaltiger Sandlager in Nord-Aſien,jenſeits des Obi, das Steigen eines einjaͤhrigen Ertrages des Altai-ſchen oder Kusnezkiſchen Waſchgoldes bis zu einem Gewicht von130 Pud oder 9100 preuß. Mark iſt eine Begebenheit in der Ge-ſchichte des Goldhandels: ſie iſt eine um ſo wichtigere Begebenheit, alsſie dem, Europa unmittelbar unterworfenen Theile von Aſien zuge-hoͤrt, und als die ganze Ausbeute zu uns in Weſten hinuͤberfließendauf den europaͤiſchen Goldmarkt einwirkt. So uralt auch der Berg-bau auf anſtehende Erzmittel unter der unbeſtimmten Benennung Tſchudiſcher Schuͤrfe * in Sibirien iſt, ſo erklaͤren ſich die
qui primus conspexisset, propius accedentem capere ista voluisse;sed eo accedente, aurum arsisse. Quo digresso, accessisse alterumet itidem arsisse aurum. Hos igitur ardens aurum repudiasse; ac-cedente vero natu minimo, fuisse extinctum, huncque illud domumsuam contulisse: qua re intellecta, fratres majores ultro universumregnum minimo natu tradidisse. Sacrum autem illud aurum custo-diunt Reges summa cura; et quotannis conveniunt, majoribus sa-crificiis illud placantes. Dicuntque Scythae, si quis festis illis diebusaurum hoc tenens obdormiverit sub dio, hunc non transigere illumannum.“ Die Maſſageten, nach Ammianus Marcellinus ein alani-ſcher Stamm, wandten zur Ruͤſtung und zum Pferdeſchmuck das Gold,wie andere Voͤlker das Eiſen an. (Her. I, 215.)* Die ſogenannten Tſchudiſchen Schuͤrfe und Tſchudiſchen Gruben Nord-Aſiens gehoͤren nicht einem Volksſtamm zu. Der Name dieſes
|30| betraͤchtlichen Maſſen verarbeiteten Goldes, die man bei der erſtenBeſitznahme des Landes in jenem Lande in den Graͤbern fand, undvon denen die Petersburger Sammlungen ſo merkwuͤrdige Stuͤcke auf-zuweiſen haben, doch leichter noch durch ein fruͤhes Auffinden von Gold-geſchieben im Schuttlande nahe an der Oberflaͤche der Erde. Muͤller, dervortreffliche Geſchichtſchreiber Sibiriens, erzaͤhlt, daß durch die erſtenGoldſchaͤtze, die man aus den Graͤbern (Kurganui) ſammelte, inKrasnojarsk der Werth des Goldes auf das Ueberraſchendſte herab-ſank. * Inner-Aſien, zwiſchen den Bergſyſtemen des Himalaya- und des vulkaniſchen Himmels-Gebirges, bildet, wie China, einpolitiſch und faſt auch merkantiliſch-geſchloſſenes Ganze. So wenigwir auch ſeit den glaͤnzenden Zeiten der mongoliſchen Dynaſtien amEnde des dreizehnten Jahrhunderts, ſeit den Reiſen der Venezianer Polivon jenem Erdſtriche wiſſen, ſo iſt doch neuerlichſt (im Suͤden durchIndien, im Norden durch Sibirien) manche Kunde von den gold-haltigen Sandlagern Inner-Aſiens zu den Europaͤern gelangt. DieZeitungen von Calcutta berichten, daß im ganzen weſtlichen Tuͤbetalle Fluͤſſe goldfuͤhrend ſind, und daß die Eingebornen das Golddurch Amalgamation (Anquicken) gewinnen. ** Altindiſche Mythenmachen den Herrſcher des Nordens, Kuwera, zugleich zum Gottdes Reichthums, und es iſt merkwuͤrdig genug, daß die Reſidenzdes Gottes (Alakâ) nicht im Himalayagebirge ſelbſt, ſondern aufdem Kailâſa jenſeits des Himalaya in Tuͤbet *** zu ſuchen iſt.Nordweſtlicher, jenſeits der Bergkette des Kuenlun, welche dieGebiete von Ladak und Khotan trennt, ſetzt Heeren, und ichglaube mit vieler Wahrſcheinlichkeit, die große goldreicheSandwuͤſte, welche die an Caspatyrus (Kaſchmir) gren-zenden Inder beſuchten, und in denen die „Ameiſen kleiner wie
erzſuchenden, metallſchmiedenden Kabiren-Volkes bezeichnete urſpruͤng-lich nur Fremde, Nicht-Ruſſen (barbari), beſtimmter aber in denRuſſiſchen Jahrbuͤchern nach Klaproth (Asia polyglotta p. 184) undnach den neueſten gelehrten Unterſuchungen Sjoͤgren’s (Mém. del’Acad. de St. Petersbourg VIme Serie. T. I. p. 308) alle finniſchen,das heißt uraliſchen Staͤmme.* Journal asiatique, T. II. p. 12.** A. a. O. T. I. p. 361.*** Albert Hoͤfer, Ueberſetzung der Urwaſi des Kalidâſa. 1837. S. 90. Her. III, 102—106. (Heeren. Thl. I. Abthl. I. S. 90, 102, 340—345.)Vergl. Ritter, Aſien, Th. II. S. 657-660.
|31| Hunde, aber groͤßer wie Fuͤchſe“ ſich eingruben. Auch am weſt-lichen Abhange des Bolor (der oͤſtliche fuͤhrt nach Khufalun, demſogenannten Klein-Tuͤbet der Geographen, nach Kaſchgar und demSteppenſee Lop) hat der talentvolle neueſte Erforſcher dieſer Terraincognita, Alexander Burnes, die Goldſandlager von Durwaz unddes oberen Oxuslaufes beſchrieben. * In China iſt die Bearbeitungdes Waſchgoldes ebenfalls uralt, und man unterſcheidet in der berg-maͤnniſchen Nomenclatur des pedantiſchen Volkes Goldfelder ** (weitausgebreitete Goldlager der Ebenen), Goldgeſchiebe als Hunds-koͤpfe, Weizenkoͤrner und kleinen Hirſenſtaub. Leidergibt es, wie uͤberall, in Choco, in der Sonora und am Ural der Hundskoͤpfe weniger, als des goldenen Hirſenſtaubes.
Faſt zu derſelben Zeit, wo der Ural ſeinen Goldſchatz eroͤff-nete, und zu erſetzen anfing, was die tiefgeſunkene braſiliſche Gold-ausbeute nicht mehr dem Geldverkehr darzubieten vermochte, wurdenvielverſprechende goldhaltige Lagerſtaͤtten in dem ſuͤdlichen Theile derAlleghanys, in Virginien, Nord- und Suͤd-Carolina, Georgien,Tenneſſee und Alabama entdeckt. Der eigentliche Flor dieſer nord-amerikaniſchen Goldwaͤſchen, welche bald auch einen eigentlichenBergbau auf anſtehendes Geſtein veranlaßten, faͤllt in die Jahre1830 bis 1835. Sie haben allerdings in den letzten acht Jahrennicht viel uͤber 4½ Mill. Dollars geliefert, aber die Erſcheinungdes Goldreichthums in ſolcher Naͤhe von der atlantiſchen Kuͤſte ver-dient in geognoſtiſcher Hinſicht mehr Aufmerkſamkeit, als man ihrin Europa geſchenkt hat. Sie bietet auch ein großes hiſtoriſchesIntereſſe dar, da das viele Gold, welches die erſten ſpaniſchenConquiſtadoren in den Haͤnden der Eingebornen von Florida fanden,jetzt nicht mehr als Wirkung eines alten Verkehrs mit Mexiko (Ana-huac) oder mit Hayti betrachtet zu werden braucht. Herr Jacob konnte
* Burnes, Travels, T. II. p. 165. Noch 1831 wurden im Oxus Gold-geſchiebe von der Groͤße eines Taubeneies gefunden. Wie der Rheinfuͤhrt der Oxus (Djihun) ſeinen Goldſand bis an ſeinen Ausfluß, unddie ungluͤckliche Expedition des Fuͤrſten Alexander Bekewitſch, welchePeter der Große 1716 unternehmen ließ, wurde durch luͤgenhaft aus-geſchmuͤckte Truchmeniſche Nachrichten von der Anhaͤufung des Gold-ſandes an der alten Oxusmuͤndung (ſuͤdlich vom kleinen Balkange-birge am Oſtufer des Caspiſchen Meeres) veranlaßt.** Landresse, sur les alluvions orifères de la Chine, im Journal asiat.T. II. p. 99.
|32| in ſeinem oft erwaͤhnten Werke uͤber die edeln Metalle den Ertragder Goldwaͤſchen von Nordamerika nur noch zu 130,000 Dollars an-ſchlagen; aber wenige Jahre darauf ſtieg derſelbe auf 800,000, jaſelbſt auf eine Million Dollars. In der Grafſchaft Cavarras(Nord-Carolina) wurde ein Goldgeſchiebe von 28 Pfund (engliſchem avoir du poids-Gewicht) gefunden und daneben mehrere von vierbis zehn Pfund. * Seit meiner Ruͤckkehr aus Sibirien habe ichununterbrochen, und meiſt vergeblich, geſucht, mir eine genaue Aus-kunft uͤber den Fortgang der Goldwaͤſchen in den ſuͤdlichen Staatenzu verſchaffen, und erſt ganz neuerlichſt iſt es mir gegluͤckt, durchdie Guͤte des jetzigen Bank-Directors, Herrn Albert Gallatin, einesder geiſtreichſten Staatsmaͤnner ** unſerer Zeit, meine Wuͤnſchebefriedigt zu ſehen. Ich ſchalte hier einige Stellen aus einem Briefedes vielgereisten Mannes ein:
„Der Goldreichthum des Urals und vielleicht des ganzen noͤrd-lichen Aſiens mußte allerdings Ihre Aufmerkſamkeit auf unſereGoldwaͤſchen und auf unſeren Goldbergbau in den ſuͤdlichen Staatenleiten. Ich hoffe, bald durch den Profeſſor Patterſon, der zugleichder Director der Muͤnze iſt, und durch den Profeſſor Renwick inNew-York, beide ausgezeichnete Mineralogen, Ihre geognoſtiſchenFragen beantworten zu koͤnnen. Jetzt ſende ich Ihnen, nach offiziellenDocumenten, die ſpecielle Ueberſicht von dem, was aus unſerm in-laͤndiſchen Golde ſeit 1824 in unſerer Muͤnze, ausgepraͤgt worden iſt.***
* Nach handſchriftlichen, mir von meinem aͤlteſten Jugendfreunde, HerrnBerghauptmann Freiesleben, mitgetheilten Nachrichten ſoll gar 1821 inAnſon County ein 48 Pfd. ſchweres Goldgeſchiebe zwiſchen Geroͤllenvon Quarz und Grauwackenſchiefer gefunden worden ſeyn. Dieſehandſchriftlichen Nachrichten begleiteten eine Sammlung von Minera-lien, welche der Bruder des verſtorbenen Akademie-Inſpectors Kohlernach Freiberg ſandte. — Moͤchten doch nordamerikaniſche Gelehrteuns etwas Beſtimmteres uͤber jene koloſſalen Goldgeſchiebe von 28und 48 engliſchen Pfunden berichten!** Aus Genf gebuͤrtig, aber ſchon waͤhrend des Befreiungskrieges in denVereinigten Staaten anſaͤßig, Miniſter der Finanzen unter Jeffer-ſons glaͤnzender Praͤſidentſchaft, dann Geſandter in Paris, St. Peters-burg und London.*** Dieſe ſtatiſtiſche Ueberſicht findet ſich ebenfalls in dem uͤberaus inhalt-reichen American Almanac and Repository of useful knowledge for1838. (Boston. publ. by Ch. Bower), p. 134, einem Werkchen, dasvielen europaͤiſchen zum Muſter dienen koͤnnte.
|33| Ueberſicht des jaͤhrlichen Betrages an Gold zur Vermuͤnzung aus denGoldgruben der Vereinigten Staaten.
Jahr Virgi-nia. Nord-Carolina. Suͤd-Carolina. Georgia. Ten-neſſee. Ala-bama. Unbe-ſtimmt. Total.
Doll. Doll. Doll. Doll. Doll. Doll. Doll. Doll.
1824 5,000 5000
1825 17,000 17,000
1826 20,000 20,000
1827 21,000 21,000
1828 46,000 46,000
1829 2,500 134,000 3,500 140,000
1830 24,000 204,000 26,000 212,000 466,000
1831 26,000 294,000 22,000 176,000 1,000 1,000 520,000
1832 34,000 458,000 45,000 140,000 1,000 678,000
1833 104,000 475,000 66,000 216,000 7,000 868,000
1834 62,000 380,000 38,000 415,000 3,000 898,000
1835 60,000 263,500 42,400 319,900 100 12,200 698,500
1836 62,000 148,100 55,200 201,400 300 467,000
374,5 00 2,465,600 298,100 1,680,300 12,400 1,000 12,200 4,844,500
Sie fragen, wie viel etwa man, wegen des Schleichhandels, zuden Summen an Dollars, welche jene Tabelle auffuͤhrt, jaͤhrlichzuſetzen muͤſſe? Eine ſolche Evaluation iſt ſchwierig, aber ich glaube,Ihnen mit einiger Sicherheit ſagen zu koͤnnen, daß in keinem Jahrdie Produktion (Ausbeute) des Goldes uͤber eine Million Dollarsgeweſen iſt. Der Verluſt durch Schleichhandel iſt um ſo geringer,als, nach unſeren neueſten Geſetzen, das Gold, im Verhaͤltniß zumSilber, faſt zwei Procent hoͤher, als der gewoͤhnliche Preis geſetztiſt. Das Verhaͤltniß zum Silber iſt, nach jenen Geſetzen, wie 16zu 1. Deßhalb kommt jetzt wohl alles inlaͤndiſche Gold in unſereMuͤnzſtaͤtte. Im Ganzen nehmen die alten Goldwaͤſchen, beſondersin Carolina, ab, doch findet man immer neue goldhaltige Schichtenund auch der eigentliche Bergbau auf Gold wird hoffnungsreicher.“ Ich fuͤge zu dieſen intereſſanten Nachrichten noch hinzu, daßdie goldfuͤhrenden Regionen von Nordamerika ganz neuerlichſt voneinem ſehr unterrichteten deutſchen Bergbauverſtaͤndigen, Herrn CarlDegenhardt (dermalen zu Clausthal am Harze) und von HerrnFeatherſtonhaugh, der Zinnerze und Zinnober entdeckt hat, beſuchtwurden. Der Gewinn, und mit ihm die Luſt zum Goldwa-ſchen und zum Goldbergbau ſind ſeit dem Jahr 1835 raſch geſun-ken. In einem Lande, das bei ſeinem ſtets fortſchreitenden Wohl-ſtande das Gluͤck des freieſten Verkehrs genießt, bieten ſich beſſere |34| Mittel dar, die Capitalien produktiv zu machen; aber in der Ge-ſchichte des Geldhandels intereſſiren die dem Schooße der Erdeentriſſenen und in Cirkulation gebrachten Maſſen, wie der Zu- undAbfluß derſelben in verſchiedenen Richtungen mehr, als derVortheil, welchen die Bearbeitung der Lagerſtaͤtten voruͤbergehendgewaͤhrt. Die Stroͤmungen der edeln Metalle aus Aſien und Amerikanach unſerem kleinen Continente, und von dieſem theilweiſe zu denUrquellen zuruͤck, folgen, wie die Fluͤſſigkeiten, den Geſetzen desGleichgewichts. Die goldreichen, uns aber wenig bekannten Regionenvon Inner-Aſien und Inner-Afrika bilden kleine, gleichſam abge-ſchloſſene Becken, die mit den Kuͤſten und durch ſie mit dem großenWelthandel nur in geringe Verbindung treten. Dagegen iſt unterdem Einfluß weſtlicher Cultur von Nertſchinsk, vom Altai und demUral an bis jenſeits des atlantiſchen Meeresarms zum Miſſouriein ununterbrochenes Fluthen im Verkehr der edeln Metalle. DerTauſchwerth deſſelben, man betrachte die Metalle in ihrem Ver-haͤltniß zu einander oder als Maßſtab der Waarenpreiſe (Preiſe derNahrungsmittel oder kuͤnſtlicher Fabrikate), iſt keineswegs allein undhauptſaͤchlich durch Vermehrung und Verminderung der Metallproduk-tion bedingt: dieſer Tauſchwerth (ich wiederhole es hier) wird eben ſoſehr, bei den complicirten Einrichtungen und Wechſelverhaͤltniſſen desjetzigen Voͤlkerlebens, durch die zu- und abnehmende Bevoͤlkerungund ihre Culturfortſchritte, durch das von der Bevoͤlkerung abhaͤngigeBeduͤrfniß eines wachſenden Circulations-Capitals, durch die ofteintretende Nothwendigkeit baarer Geldverſendungen und die Rich-tung derſelben, durch die ungleiche Abnutzung beider edeln Me-talle, durch die Maſſe des Papiergeldes, als Theil des Umlaufs-capitals, einwirkend auf das neben ihm beſtehende metalliſche Tauſch-mittel, beſtimmt. Ein Steigen des relativen Werthes des Goldesgegen den Werth des Silbers kann waͤhrend einer allgemeinenVermehrung der Goldproduktion eben ſo gut beſtehen, als ein vor-uͤbergehendes Sinken des Barometers und eine zunehmende Erhoͤhungder Temperatur bei ſtarkem Nord-Oſt-Winde. In den meteorolo-giſchen Veraͤnderungen der Atmoſphaͤre, wie im großen Verkehr deredeln Metalle wirken viele perturbirende Urſachen gleichzeitig. DerErfolg jeder einzelnen Urſache iſt beſtimmbar, als Preis-erhebendoder Preis-erniedrigend, nicht aber ſind es, bei der Unzahl von |35| ſich anhaͤufenden Stoͤrungen, das Maaß der partiellen Compenſa-tionen, die Natur und das Maaß der Totalwirkung. Quantitaͤten vermehrter Goldproduktion, welche unſere Einbil-dungskraft aufregen, verſchwinden, man moͤchte ſagen, wie einUnendlichkleines, gegen die ſeit Jahrtauſenden aufgehaͤufte und imWelthandel cirkulirende Maſſe, werde dieſe exiſtirend als Muͤnzegedacht oder verarbeitet zu ſachlichem Gebrauchswerthe. JeglicherZufluß, auch der kleinſte, wirkt allerdings durch eine lange Dauer, da aber eine groͤßere und an Wohlſtand wachſende Population aucheines groͤßeren Umlaufcapitals bedarf, ſo kann, trotz des Zu-fluſſes, durch Vertheilung ein fuͤhlbarer Mangel eintreten.Vor den großen Goldentdeckungen am oͤſtlichen Abfall des Ural,deren eigentlicher Flor erſt mit den Jahren 1823 und 1824 begann,war auf dem großen Markte zu Hamburg der Tauſchwerth desSilbers zum Golde als Mittelpreis der Jahre 1818―1822 wie1:15,75, wenn er nach der reichen Goldausbeute am Ural imMittel der fuͤnf Jahre 1830―1834 nur auf 1:15,73 ſank. In dieſerZwiſchenzeit wurden in England, wie ich ſchon oben beruͤhrt, um denVerkehr mit Metallgeld wieder herzuſtellen, 1,294,000 Mark Gold ver-muͤnzt. Welchen Theil hat nun an dieſer Veraͤnderung des Tauſchwer-thes * die verminderte Exportation der edeln Metalle aus dem Neuen
* Ich theile hier die Reſultate der ſorgfaͤltigen Unterſuchung mit, dieich der Freundſchaft eines in Beurtheilung von Handels- und ſtaats-wirthſchaftlichen Verhaͤltniſſen gleich erfahrenen Mannes verdanke.Herr Joſeph Mendelsſohn hat, auf meine Bitte, die in London undHamburg in den Jahren 1816―1837 officiell notirten Preiſe vonGold und Silber in Barren (nicht vermuͤnzt) geſammelt und darausfuͤr jedes Jahr einen Durchſchnitt der Preiſe aufgeſtellt. „In Londonwaren die durch einen langen Krieg geſtoͤrten Verhaͤltniſſe der Me-talle von 1816 bis 1819 ſehr anomal; 1816 wie 1:15,800 und 1817wie 1:14,975. Erſt mit dem Jahre 1820 tritt in London eine groͤßereStetigkeit in jenen Verhaͤltniſſen ein: die Extreme waren 1825 und1833, denen 1:15,319 und 1:15,899 zugehoͤrten. (Unterſchied \( \frac{7\frac{1}{2}}{13} \))Ein anhaltendes Vor- oder Ruͤckſchreiten war nicht zu bemerken. Aufdem Hamburger Markte waren die Schwankungen weit geringer.Das Verhaͤltniß war dort am groͤßten 1821, am kleinſten 1817: imerſten Jahre wie 1:15,965; im zweiten wie 1:15,635. (Unterſchiedin 21 Jahren nur \( \frac{4\frac{1}{3}}{13} \)) Dieſer Hamburger Markt iſt aber mehr
|36| Continent gehabt? Der braſiliſchen Goldwaͤſchen iſt hier kaum Erwaͤh-nung zu thun, da ſie in jener Zeit jaͤhrlich kaum 1700 Mark lie-ferten. Will man nun auch annehmen, daß in dieſen dem erſtenAusbruch der Revolution naͤheren zwoͤlf Jahren die Golderzeugungdes ſpaniſchen Amerika bis unter ⅓ von dem geſunken ſey, was inder letzten bluͤhenden Epoche (1800—1806) der mittlere Goldertraggeweſen war, ſo betraͤgt der zwoͤlfjaͤhrige Verluſt der Importation(1816—1827) doch nur 83,200 Kil. Nun hat aber der Ural inden Jahren 1823 — 1827 bereits einen Erſatz von 17,300 Kil.gegeben. Es ſind alſo im Ganzen in jenen zwoͤlf Jahren nur286,000 Mark Gold weniger nach Europa gekommen. Ich habegefliſſentlich ein Beiſpiel ausgewaͤhlt, welches hinlaͤnglich ſichere nu-meriſche Elemente darbietet. Das gefundene Reſultat iſt die Ent-behrung einer Goldmenge, die nur zwiſchen ¼ und ⅕ des, waͤhrend
geeignet, uͤber das Verhaͤltniß des Tauſchwerthes der Metalle einrichtiges Urtheil zu gewaͤhren. In London ſind die Preiſe des unge-muͤnzten Goldes und des Silbers beide veraͤnderlich; es wird beidesgegen das gemuͤnzte engliſche Geld oder gegen die jenes Geld repraͤ-ſentirenden Noten verhandelt. In Hamburg dagegen hat das unge-muͤnzte Silber keinen veraͤnderlichen Preis, es iſt ſelbſt das Maaß,welches alle andern Preiſe beſtimmt. Die feine Coͤlniſche Mark à 27¾Mark banco iſt die Valuta, in der alle Waaren, und alſo auch dasungemuͤnzte Geld, gehandelt und berechnet werden. Es unterliegendie Verhaͤltniſſe der Preiſe beider Metalle in London doppelten Zu-faͤlligkeiten in Vergleich mit Hamburg. Soll in London eine bedeu-tende Quantitaͤt Silber gegen Gold eingehandelt werden, ſo muß zu-foͤrderſt das Silber verkauft werden, wodurch der Preis des Silbersetwas faͤllt. Fuͤr das geloͤste Geld wird Gold gekauft, wodurch dasGold alſo ſteigt. Iſt eine ſolche Operation von Belang, ſo wird dasVerhaͤltniß des Goldes zum Silber doppelt erhoͤht, das Gold ſteigtund das Silber faͤllt. Bei einer ganz aͤhnlichen Operation in Ham-burg findet kein Verkauf des Silbers ſtatt: der Preis des Silbersiſt unveraͤnderlich und nur das verurſachte Steigen des Goldes aͤndertdas Verhaͤltniß.“ Hier folgen einzelne Gruppen von Jahren aus dervon meinem Freunde mitgetheilten Tabelle der Hamburger Ver-haͤltniſſe:
  • 1816: 15,790 — 1817: 15,635. — 1818: 15,685 — 1819: 15,642.— 1820: 15,660. — 1825: 15,693. — 1826: 15,750. — 1827:15,727. — 1828: 15,776. — 1829: 15,769. — 1833: 15,748. —1834: 15,663. — 1835: 15,693. 1836: 15,733. — 1837: 15,711.
|37| der zwoͤlf Jahre in der Londoner Muͤnze verpraͤgten Goldes betraͤgt.Wenn man den Tauſchwerth der edeln Metalle befreit von denkleinen lokalen Zufaͤlligkeiten betrachtet, z. B. den Goldbarren-Werthin Hamburg, ſo erkennt man darin zwiſchen 1816 und 1837weder den Einfluß des aſiatiſchen Bergbaues, noch die abnehmendeGolderzeugung im ſpaniſchen Amerika.
Das Maximum, welches der Tauſchwerth des Goldes imJahr 1827 erreichte, hat ſich mit ſehr geringen Schwankungenbis 1832 erhalten. Dann wird ein allmaͤhliges Sinken wiederbemerkbar, und dazu ein ſehr regelmaͤßig fortſchreitendes Sinken.Das ruſſiſche Gold aus der Uralkette und aus Sibirien hat einenTheil dieſer Wirkung hervorgebracht, aber wir duͤrfen nicht ver-geſſen, daß die ganze Goldproduktion Rußlands, ſo wichtig ſiein anderer Ruͤckſicht uns ſcheint, doch in den Jahren 1823 bis1837 nur gegen 302,000 Mark betraͤgt, noch 1/19 weniger als diemindere Goldausfuhr aus dem ſpaniſchen Amerika in den Jahren1816—1827. Auch jetzt noch hat ſich in jenen Freiſtaaten vonMexiko und von Suͤdamerika der Goldbergbau weniger gehoben,als die Silberproduktion. Dazu beduͤrfen die nordamerikaniſchenStaaten, ihrer großen Geld- und Bankverwirrung kaum entgangen,betraͤchtlicher und baarer Goldſendungen aus Europa. Das iſt einAbfluß nach Weſten, der neben vielen andern immerfort wirkendenUrſachen den Effekt verlarvt, den wir der vermehrten Goldausbeutevon Aſien zuzuſchreiben geneigt ſind. Der Hauptgrund des ſchwa-chen Wirkens der uraliſchen und nordaſiatiſchen Goldausbeute liegtaber wohl, wie ich ſchon mehrmals bemerkt habe, in der relativenKleinheit des Zufluſſes, verglichen mit der ſchon vorhandenen Maſſeedler Metalle. Der Abfluß nach Aſien, den ich an einem andernOrte und in verſchiedenen Epochen zu unterſuchen Gelegenheit ge-habt, * iſt beſtimmt im Abnehmen. Fuͤr das Jahr 1831 ſchaͤtzteHerr Jacob den jaͤhrlichen Verluſt der engliſchen Handelsbalance indem aſiatiſchen Verkehr um das Vorgebirge der guten Hoffnung noch
* Sur les quantités relatives de métaux précieux monnayés et reduitsen objets d’orfèvrerie und sur les changemens qu’éprouve l’accu-mulation des métaux précieux en Europe in der zweiten Ausgabemeines Essai pol. T. III, p. 436―444 und p. 460―476. EineVertheidigung meiner Anſichten uͤber die Anhaͤufung edler Metalleiſt enthalten in dem Edinb. Review, 1832, April, S. 43―61.
|38| jaͤhrlich auf zwei Millionen Pfund Sterling. So viel ich micherinnere, war dies auch die Meinung des zu fruͤh verſtorbenengroßen Staatsmannes, Herrn Huskiſſon. Trotz des haͤufigen Ge-brauchs von Caffe, Thee, Zucker und Cacao, welche das fuͤnf-zehnte Jahrhundert nicht kannte, iſt der Gewuͤrzhandel noch einſehr betraͤchtlicher Gegenſtand in der paſſiven Handelsbalance Eu-ropas. In den Staaten des deutſchen Zollvereins iſt der Ver-brauch der Gewuͤrze, nach den neueſten, ganz offiziellen Unterſuchun-gen, in den Jahren 1834, 1835 und 1836 auf einen Werth * von:

* Dieterici, ſtatiſtiſche Ueberſicht des Verkehrs im Zollverbande 1838,S. 187―194. In den zwei erſten der obengenannten drei Jahrewar die Bevoͤlkerung der zum Zollverbande gehoͤrigen Laͤnder 23,478,000Einwohner; im Jahr 1836 aber 25,148,000 Einwohner. Der Ver-brauch der Gewuͤrze in Frankreich (Tableau décennal du Commercede la France, publié par l’administration des Douanes, comprenantles annés 1827―1836) iſt auffallend klein im Vergleich mit dendeutſchen Staaten des Zollvereins. Der relative Verbrauch der ein-zelnen Artikel, den ich in der folgenden Tabelle zuſammenſtelle,in Francs und Kilogrammen fuͤr Frankreich, in preußiſchen Thalernund preußiſchen Centnern fuͤr die deutſchen Laͤnder, wirft einigesLicht auf die Lebensweiſe benachbarter Volksſtaͤmme.
Hauptartikel des Ge-wuͤrzverbrauchs. Frankreich. Einw. 33 Millionen. Deutſchland im Zollver-band. Einw. 23½—25 Mill.
1834. 1835. 1836. 1834. 1835. 1836.
Francs. Francs. Francs. Pr. Thlr. Pr. Thlr. Pr. Thlr.
Pfeffer u. Piment .. 3,267,000(2,333,000Kil.) 2,322,000(1,658,000Kil.) 2,796,000(1,997,000 Kilogr.) 292,100(17 000Centner) 336,000(20,200Centner) 410,000(24,900Centner)
Vanille ..... 1,178,000(4700 K.) 1,259,000(5000 K.) 1,412,000(5600 Kil.) 584 000(242 Ctr.) 707,000(293 Ctr.) 813,000(337 Ctr.)
Zimmt...... 694,000(158,000 K.) 82,000(18 700 K.) 338,000(77 000 K.) 426,000(1215 Ctr.) 380,000(1100 Ctr.) 407 000(1160 Ctr.)
Gewuͤrznelken ... 271,000(60,300 K.) 240 000(53,000 K.) 240,000(53,000 K.) 71,500(1800 Ctr.) 83,000(2178 Ctr.) 95,500(2500 Ctr.)
Muskatnuͤſſe u. Blumen 33,000(6200 K.) 27,000(4600 K.) 36,300(7200 K.) 543,700(2400 Ctr.) 553,000(2900 Ctr.) 584,000(3400 Ctr.)
Totalverbrauch ... 5,476,000oder2,600,000Kilogr. 3,982,000oder1,775,000Kilogr. 4,856,000oder2,171,000Kilogr. 2,426 000oder28,600 Ctr. 2,592,000oder31,600 Ctr. 2,876,000oder38,000 Ctr.
Eine langjaͤhrige Beſchaͤftigung mit der Geographie des Mittel-alters und Unterſuchungen uͤber den ſehr verſpaͤteten Einfluß, welchenGama’s Reiſe auf die gaͤnzliche Umwandlung des Gewuͤrzhandels aus-geuͤbt hat, veranlaßten mich zu einer ſpeciellen Arbeit uͤber den gegen-waͤrtigen Verbrauch der Gewuͤrze in Europa. Der Geh. Ober. Reg. Rath,Herr Dieterici, hat mir handſchriftlich neue und intereſſante Ma-terialien dazu mitgetheilt.
|39|
  • 2,426,000 Thalern
  • 2,592,000 „
  • 2,876,000 „
geſtiegen. In Frankreich war die Conſumtion in denſelben Jahrennur:
  • 5,476,000 Francs.
  • 3,982,000 „
  • 4,856,000 „
aber in ganz Europa, bei einer Bevoͤlkerung von wenigſtens 228Millionen Menſchen, iſt ſie wahrſcheinlich nicht unter 14 bis 16Millionen Thaler, wovon Vanille, Muskatnuͤſſe und Blumen,Pfeffer und Zimmt faſt ⅔ ausmachen. Wenn man bedenkt, wiegroß die Summe des Gewuͤrzwerthes bei dem jetzigen Verbrauchevon Europa im Vergleich mit der Summe ſeyn muß, um welcheam Ende des fuͤnfzehnten Jahrhunderts ſich gleichſam der wichtigſteTheil des damaligen Welthandels drehte, ſo hat man hier aber-mals ein merkwuͤrdiges Beiſpiel von der Potenz der Metalle, wennſie mit concentrirter Staͤrke auf einen engen Raum (damals die Uferdes Mittelmeers und das weſtlichſte Europa) ihre Kraft ausuͤben. DerGewuͤrzhandel veranlaßte zufaͤllig die Entdeckung des Neuen Con-tinents, er fuͤhrte die Portugieſen um die Suͤdſpitze von Afrikanach Indien, wie er Griechen und Roͤmer einſt nach Taprobanegeleitet hatte. Als Chriſtoph Columbus „durch den Occident nachdem Orient“ gelangen will, ſchreibt ihm (ſchon am 24. Junius1474) Paul Toscanelli aus Florenz: „ich freue mich zu hoͤren,daß Ihr den ſchoͤnen und großen Wunſch naͤhret, auf kuͤrzeremWege dahin zu gelangen, onde nacen las especerias.“ Mitwelchen Klagen ſind die Schriften der Italiener erfuͤllt, mit welchenVerwuͤnſchungen werden die Portugieſen bedeckt, weil ſie zur Seenach Indien vorgedrungen ſind, und den Gewuͤrzhandel der vene-zianiſchen, piſaniſchen und genueſiſchen Kaufleute zu vernichten dro-hen. Der Cardinal Bembo * nennt es ein malum inopinatum undſucht philoſophiſche Troſtgruͤnde. Petrus Martyr d’Anghiera * ſchreibt an ſeinen gelehrten Freund Pomponius Laͤtus: Portuga-lenses trans aequinoctium aliamque arcton, aromatum com-mercia prosequuntur, Alexandrinos ac Damascenos mercatores
* Historiae Venetae, lib. VI, pag. 189.* Opus Epistolarum, N. CCII.
|40| ad medullas extenuant.“ Die Meinung, welche die Genueſerausgeſtreut hatten, der neue Weg um das Vorgebirge der gutenHoffnung werde bald wieder verlaſſen werden, weil die Gewuͤrzein der langen Schifffahrt von der Seeluft litten, ** fand keinenGlauben, und Amerigo Vespucci, der lang Verlaͤumdete, hatteſcharfſinnig auch hier, ſchon drei Jahre nach Gama, den wahren Ge-ſichtspunkt getroffen. Er ſagt in einem neu aufgefundenen Briefe, *** den er am gruͤnen Vorgebirge den vierten Junius 1501 an LorenzoPièr Francesco de Medicis ſchrieb, als er dem Reſte von Ca-brals Flotte auf dem Ruͤckwege nach dem Tago begegnet war:„Bald werdet ihr aus Portugal viel Neues vernehmen. Der Koͤnighat nun einen uͤberwichtigen und reichen Handel (grandissimotraffico e gran richezza) in ſeiner Hand. Moͤge der Himmelſein Heil dazu geben. (Vespucci war damals in portugieſiſchemSolde.) Nun werden die Gewuͤrze aus Portugal nach Alexandrienund Italien gehen (ſtatt wie bisher von Alexandrien nach Portugal).Das iſt der Welt Lauf! (Cosi va el mondo.)


** Im Jahr 1520 ſagte dies in Rußland Pablo Centurion (de Genova), als er ſo ſpaͤt noch den Gewuͤrzhandel durch das Caſpiſche Meer unddie Fluͤſſe Wolga, Occa und Mokwa ableiten wollte: „Afirmavael genoves corromperse las especias (especerias) en tan larganavegacion“ (Gomara Istoria de las Indias, Saragoza, 1553, Fol. XL. *** Baldelli, il Milione di Marco Polo, 1827, T. I, p. LVIII. Ves-pucci’s Brief iſt aus der Biblioteca Ricardiana, manoscritto di PièrVoglienti, N. 1910, p. 48. Vespucci erhielt ſeine Nachrichten uͤber Cabral’s Reiſe von einemDolmetſcher, den er immer ſchlechthin den Signor Guasparre nenntund auf einem der zuruͤckkehrenden Schiffe fand. Ich habe vor Kur-zem bewieſen, daß dieſer Guasparre der Sohn eines polniſchen Judenaus Poſen war, deſſen Eltern 1456 durch Caſimir III. vertrieben waren.Vasco de Gama hatte den Menſchen auf der Inſel Anjadiva (An-kediva) an der Kuͤſte Canara gefunden, und ihn erſt foltern unddann taufen laſſen. S. mein Examen critique de l’hist. de la Géo-graphie (in Fol.) p. 507.