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Alexander von Humboldt: „Bemerkungen über das gelbe Fieber, und dessen Zusammenhang mit der Temperatur“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1811-Fragment_d_un-2> [abgerufen am 26.04.2024].

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Titel Bemerkungen über das gelbe Fieber, und dessen Zusammenhang mit der Temperatur
Jahr 1813
Ort Leipzig
Nachweis
in: Annalen der Physik 43:1:3 (1813), S. 257–295.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kursivierung, Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen; Tabellensatz.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: III.7
Dateiname: 1811-Fragment_d_un-2
Statistiken
Seitenanzahl: 39
Zeichenanzahl: 55692

Weitere Fassungen
Fragment d’un ouvrage ayant pour titre: Essais politiques sur le Mexique (Paris, 1811, Französisch)
Bemerkungen über das gelbe Fieber, und dessen Zusammenhang mit der Temperatur (Leipzig, 1813, Deutsch)
Gelbes Fieber in Neu-Spanien (Stuttgart; Tübingen, 1814, Deutsch)
Yellow Fever (Boston, Massachusetts, 1820, Englisch)
From Humboldt’s Essay on New Spain (Washington, District of Columbia, 1820, Englisch)
From Humboldt’s Essay on New Spain (New York City, New York, 1820, Englisch)
Das Klima von Mexico’s Haupthafen Veracruz (Hamburg, 1826, Deutsch)
|257|

Bemerkungen über das gelbe Fieber, und deſſenZuſammenhang mit der Temperatur, von Alexander von Humboldt *).

1. Das gelbe Fieber, oder, wie die Spanier es nen-nen, das ſchwarze Erbrechen (vomito prieto oder negro), herrſcht faſt alle Jahre an der flachen Oſt-küſte Neu-Spaniens, und man hält die Stadt VeraCruz für den hauptſächlichſten Sitz deſſelben.Dieſe berühmte Seeſtadt wird von 16000 Menſchenbewohnt **), iſt der einzige für Kriegsſchiffebrauchbare Hafen, den es an der Oſtküſte vonNeuſpanien giebt, und auf die Befeſtigung deſſelbenſind von der Regierung 50 Millionen Piaſter ver-
*) Nach deſſen Eſſai politique ſur le Roy. de la NouvelleEspagne, Paris 1811. 8. t. 4. p. 477—564, und nach der Bibl. britann. 1811 frei dargeſtellt von Gilbert. **) Nach der Schätzung von Don Quiros, welche Hr. von Humboldt in den Zuſätzen nachträgt, hatte VeraCruz im J. 1806 beſtändige Einwohner 20000, Matroſenund Seeleute 3640, Maulthiertreiber aus dem Innern zumHandel mit dem Innern, der 49139 Maulthiere beſchäftigte,7370, Fremde, Reiſende und Soldaten 4500, zuſammen35,510 Seelen. G.
|258| wendet worden. Und dennoch iſt es ſeit dem Jahre1801 mehrmals in Anregung gekommen, dieſe Stadtals den Hauptſitz des gelben Fiebers, zu ſchleifen,und die Einwohner nach der 20 franz. Meilen ent-fernten Stadt Xalapa zu verſetzen, welche auf derHöhe der Cordilleren-Ebne liegt, und einen ewi-gen Frühling genießt.
Wenn ſich der Typhus, den man das gelbeFieber nennt, zuerſt in dieſem Theile Amerikas ge-zeigt hat, iſt ſchwer auszumachen. Der Abt Cla-vigero giebt in ſeiner Geſchichte von Mexico dasJahr 1725 an; in Vera Cruz und in Mexico herrſchtaber unter den Einwohnern allgemein die Sage, diealte Stadt Vera Cruz, welche jetzt nur noch alsDorf Namens la Antigua vorhanden iſt, ſey amEnde des 16ten Jahrhunderts wegen der Krankheitverlaſſen worden, von der dort die Europäer weg-gerafft wurden. Der portugieſiſche Arzt JuanFerreyra de Roſa beſchreibt ſchon das gelbeFieber in ſeinem zu Liſſabon 1694 gedrucktenTractat über die Peſt in Fernambuk; er hatte eszu Olinda in Braſilien beobachtet, wo es ſeit 7 Jah-ren wüthete, und bald nachdem eine portugieſiſcheArmee Fernambuk von den Holländern eroberthatte, ausbrach. Wir wiſſen ferner mit Gewißheit,daß das gelbe Fieber 1691 auf der Inſel Barbados unter dem Namen Fieber von Kendal herrſchte;daß es durch Schiffe von Fernambuk dorthin ge-bracht worden ſey, daran fehlt es ganz an Beweiſen.Zu St. Martha und zu Carthagena in Südamerika |259| ſcheint dieſe Krankheit indeß erſt ſeit 1729 oder1730, und zu Guayaquil ſeit 1740 bekannt zu ſeyn.Seitdem hat es ſich wiederholt auch außerhalb derAntillen und des ſpaniſchen Amerika gezeigt, am Senegal, in den vereinigten Staaten Nordame-rikas (1741, 47, 62 und ſeit 1793 faſt alle Jahre),zu Malaga (1741, 1803, 4), zu Cadix (1731, 33,34, 44, 46, 64 und von 1800 bis 1803), zu Livor-no und ſelbſt auf Minorca. Daß das gelbe Fieberdieſer Orte ein anderes ſey, als das zu Vera Cruz,oder daß es von den afrikaniſchen Küſten nach derInſel Granada und von dort nach Philadelphia ein-geführt worden ſey, ſind völlig grundloſe Meinun-gen. Auf ähnliche Weiſe glaubte man ehemals,eine von Siam kommende Flotte habe das ſchwarzeErbrechen nach Amerika gebracht. Pringle, Lind und einige andere berühmteAerzte ſind der Meinung geweſen, die galligtenKrankheiten, welche ſich bei uns im Sommer undim Herbſte einfinden, ſeyen der erſte Grad des gel-ben Fiebers *). In der That haben die von Lan-ciſi, Torti und neuerlich von dem berühmten Frank **) beſchriebenen bösartigen intermittiren-den Fieber, welche in Italien herrſchen, eine ge-ringe Aehnlickeit mit dem gelben Fieber; in derGegend um Rom will man ſelbſt von Zeit zu Zeit
*) Lind üb. die Krankh. der Europaer in den heißen Län-dern S. 14, und Berthe Précis hiſtor. de la malad.qui a regné en Andalouſie en 1800. p. 17.**) De curandis hominum morbis t. 1. p. 150.
|260| Einzelne haben ſterben ſehn, mit faſt allen pathogno-miſchen Kennzeichen dieſes Typhus, Gelbſucht,Erbrechen, Blutflüſſen u. dergl. Solche Aehnlich-keiten ſind aber nur zufällig, und man kann dasgelbe Fieber überall, wo es den Charakter einerepidemiſchen Krankheit hat, als einen Typhus eig-ner Art betrachten, welchen Franck mit dem Na-men febris gaſtrico-nervoſa bezeichnet. Daherſind die ſtationairen Gallen- und bösartigen inter-mittirenden Fieber, welche an den Ufern des Oro-noco, an der Seeküſte von Cumana bis Cap Co-dera, im Thale des Magdalenenfluſſes, zu Acapulcound in vielen andern feuchten und ungeſunden Ge-genden, welche ich auf meiner Reiſe beſucht habe,herrſchen, weſentlich verſchieden von dem vomitoprieto oder dem gelben Fieber, das die weſtindi-ſchen Inſeln, Neu-Orleans und Vera-Cruz verheert.
Es iſt von Einigen, doch ohne allen Grund,behauptet worden, das gelbe Fieber habe ſich niein der ſüdlichen Hemiſphäre gezeigt, und ſie habendie Urſache davon in der größern Kälte dieſerHalbkugel geſucht. Zwar iſt um den Südpol un-ſtreitig mehr Eis als um den Nordpol gelagert, derEinfluß deſſelben erſtreckt ſich aber ſchwerlich bisüber 48° Breite herab. Der in der temperirtenZone liegende Theil Südamerikas hat das Klima ei-ner nach Süden zu ſich verengernden Halbinſel;die Sommer ſind dort minder heiß und die Winterminder ſtrenge, als unter gleichen Breiten in denLändern der nördlichen Halbkugel, welche nach |261| Norden zu immer breiter werden. Die Tempera-tur in Buenos Ayres iſt kaum von der in Cadixverſchieden. In den erſten Jahren des gegenwär-tigen Jahrhunderts wüthete aber das gelbe Fieberſelbſt in dem wegen ſeiner Geſundheit ſonſt ſo be-rühmten Monte Video. Ueberall wo Menſchen,welche in einem kalten Klima geboren ſind, ſich indie niedrigen Gegenden der heißen Zone, oderandre ſehr heiße Küſten begeben, und die vonMiasmen angeſteckte Luft täglich zu athmen ge-wagt haben, ſcheint das gelbe Fieber ausbrechenzu können. Seit etwa ſechzig Jahren iſt Panama faſt dereinzige Ort an den Küſten der Südſee, wo ſich dasgelbe Fieber eingefunden hat. Hier, wie zu Callao(dem Hafen von Lima in Peru), treten die großenEpidemieen oft mit der Ankunft von Schiffen ausChili zuſammen. Nicht daß ſie aus dieſem Lande,einem der geſegnetſten und geſundeſten auf derErde, mitgebracht würden, (dort ſind ſie unbe-kannt); ſondern weil die Einwohner deſſelben,wenn ſie ſich in die heiße Zone verſetzen, denſchädlichen Einfluß ausnehmend heißer, mit Aus-flüſſen aus faulenden Körpern beladener Luft nichtweniger als die Nordländer empfinden. Panama liegt auf einer dürren Pflanzenleeren Landzunge,wo bei der Ebbe jedesmal eine große Strecke derBucht aus dem Waſſer hervortritt. Die Seepflan-zen und gallertartigen Mollusken, mit der dieſe be- |262| deckt bleibt, zerſetzen ſich in der Gluth der Sonneſehr ſchnell, und es ſteigen aus ihnen Miasmen her-vor, welche auf die Eingebornen faſt ohne Einwirkungſind, aber in kälteren Gegenden Amerikas und inEuropa Geborne mächtig ergreifen. Zu Portobelo, welches an der Weſtſeite der Landenge von Panamaliegt, ſteigen die fauligen Ausflüſſe, welche die hierherrſchenden intermittirenden Gallenfieber erzeu-gen, nicht aus dem Meere hervor, denn hier ſindEbbe und Fluth kaum merklich, ſondern aus denWäldern, die ſich vor wenigen Jahren noch bisdicht an die Thore von Portobelo zogen, und erſtvor Kurzem rund um die Stadt ausgerodet wordenſind, um ihr geſundere Luft und Schutz vor denAffen zu verſchaffen, von denen ſich Nachts ganzeSchaaren in die Gärten ſchlichen und die Früchteſtahlen. Schon lange vor Cortez wurde Neuſpanien voneiner oft wiederkehrenden peſtartigen Epidemieverheert; einem Gallenfieber, welches noch jetztdort häufig wüthet, und in ſeinen Complicationenmanches Aehnliche mit dem gelben Fieber hat, ſichvon dieſem jedoch darin weſentlich unterſcheidet,daß es die Eingebornen oder die kupferfarbneRace ergreift, und im Innern des Landes wüthet,in 7200 bis 7800 par. Fuß Höhe über dem Meere,wo das Thermometer am Tage nur auf 10 oder 12° C.ſteht; indeß das gelbe Fieber blos an den Küſtenherrſcht, und allein diejenigen ergreift, welche |263| nicht an das brennende und ungeſunde Klima derniedrigen Küſten gewöhnt ſind, und nicht die Ein-gebornen dieſer Küſtengegend. Nie verbreitet esſich weiter vom Meere, als höchſtens 10 franz. Mei-len Landeinwärts, und der Pachthof l’Encero, der5568 par. Fuß über dem Meere unweit Vera Cruzliegt, iſt die obere Gränze, bis zu welcher das ſchwarzeErbrechen hinaufgeht. In dieſer Höhe iſt zugleich dieuntere Gränze der mexikaniſchen Eiche, welche inder zur Entwickelung jenes Krankheitsſtoffs nöthigenWärme nicht ausdauert. Wer in Vera Cruz gebo-ren und erzogen iſt, iſt in dieſer Stadt vor dem gel-ben Fieber ſicher; etwas Aehnliches gilt von Ha-vannah. Wohl aber hat man geſehen, daß Kauf-leute aus der Inſel Cuba während des Auguſts oderSeptembers in Vera Cruz vom gelben Fieber er-griffen wurden, und daß Eingeborne des ſpani-ſchen Amerika zu Havannah, in Jamaica und inden vereinigten Staaten am ſchwarzen Erbrechenſtarben. Doch ſind das eben ſo ſeltene Fälle, alsdaß Neger an dieſer Krankheit ſterben. Die Ein-gebornen, welche von ihrer erſten Kindheit anan der großen Hitze der Küſten von Mexico, undan den Miasmen gewöhnt ſind, mit denen dieLuft um Vera Cruz erfüllt iſt, erreichen häufig einhohes Alter. Es darf uns nicht wundern, daß ein Fieber,welches die Nicht-Acclimatiſirten in den Antillenergreift, die Aufmerkſamkeit der europäiſchen |264| Aerzte in den früheren Zeiten ſo wenig auf ſich ge-zogen hat. Im 16ten und 17ten Jahrhundert rich-tete es weit weniger Verheerungen an, als jetzt.Die tropiſchen Gegenden Amerikas wurden damalsjährlich nur von ſehr wenigen Europäern, und faſtnur von Spaniern und Portugieſen beſucht, denendie heißen Klimate minder gefährlich ſind, als denBewohnern des nördlichen Europa, welche jetztWeſtindien beſuchen. Die erſten europäiſchen An-ſiedler lebten auf Kuba, Jamaika und Haity nichtin volkreichen Städten zuſammengedrängt, wie jetzt,und die Spanier überhaupt bauten ſich anfangsmehr im Innern Amerikas auf den hohen Gebirgs-ebnen an, wo ſie eine ihrem Vaterlande ähnlicheTemperatur fanden, als an den heißen und feuch-ten Küſten. Die Häfen von Panama und von dem1584 verlaßnen Nombre de Dios, welches öſtlichvon Portobelo lag, waren anfangs, nach der Ero-berung Amerikas, die einzigen Küſtenorte, wo zugewiſſen Zeiten des Jahrs ein großer Zuſammenflußvon Fremden Statt fand; der Aufenthalt in Panamawurde aber auch von den Europäern ſeit 1535 ebenſo gefürchtet, als jetzt der Aufenthalt zu Vera Cruz,zu Omoa oder zu Portocaballo. 2. An den Küſten von Mexico zeigt ſich zwiſchendem Gang der Krankheiten und den Variationender Luft-Temperatur der genauſte Zuſammenhang. |265| Vera Cruz liegt unter 19° 11′ 52″ nördlicherBreite. Man kennt dort nur zwei Jahrszeiten, dieJahrszeit der Nord-Stürme (los nortes), welchevon der Herbſt- bis zur Frühlings-Nachtgleicheherrſcht, und die Jahrszeit der Süd-Weſt-Winde (brizas), welche ziemlich regelmäßig vom März bisin den September wehen. Der Januar iſt zu Vera Cruzder kälteſte Monat des Jahrs, weil die Sonne am16. Mai und am 27. Juli dort durch das Zenith geht,und der Januar von dieſen beiden Zeitpunkten amweiteſten abſteht. Das gelbe Fieber fängt in derStadt gewöhnlich nicht eher an um ſich zu greifen,als bis die mittlere Temperatur des Monats auf 24°nach der Centeſ. Scale (19° R.) geſtiegen iſt. ImDecember, Januar und Februar erreicht ſie dieſeGränze nicht; auch iſt es ein ſehr ſeltner Fall, daßdas gelbe Fieber während dieſer Jahrszeit nichtganz verſchwindet, in welcher häufig eine empfind-liche Kälte herrſcht. Im Monat März fängt diegroße Hitze an, und mit ihr die Epidemie, die inder Regel bis an das Ende Octobers anhält. DerMai iſt zwar heißer als der September und Octo-ber, in dieſen beiden Monaten wüthet aber dochdas gelbe Fieber am ſtärkſten, denn in allen Epi-demieen geht eine gewiſſe Zeit darauf hin, bis derKeim der Krankheit ſich in ſeiner ganzen Stärkeentwickelt; auch ſcheint die Regenzeit, welchevom Juni bis in den September dauert, zur Erzeu-gung des Miasma um Vera Cruz mit zu wirken.Wenn das gelbe Fieber den Sommer über ſo heftig |266| wüthet, wie im J. 1802, ſo hält es den ganzen Win-ter über an. Um den Einfluß der Temperatur auf das gelbeFieber außer Zweifel zu ſetzen, habe ich währendmeines Aufenthaltes zu Vera Cruz über 21000 me-teorologiſche Beobachtungen, welche der Hafen-Capitain Don Bernardo de Orta von 1788bis 1802 dort angeſtellt hatte, mit der größtenSorgfalt verglichen, und daraus die mittleren Tem-peraturen der einzelnen Monate zu Vera Cruz abgeleitet. Sie findet man in der folgenden Ta-belle, und daneben die Zahl der Kranken, welcheim J. 1803 im St. Sebaſtians-Hospitale monatlich an dem gelben Fieber nieder lagen, ſo wie derer,die daran ſtarben. In den Liſten der andern vielanſehnlicheren Hospitäler fanden ſich die Krank-heiten nicht angegeben. Die mittleren Tempera-turen von Mexiko und von Paris, welche ich zurVergleichung beigefügt habe, ſtehn in einem auf-fallenden Contraſte mit den mittleren Tempe-raturen der Oſtküſten von Neu-Spanien. Ichhabe die erſteren aus den Beobachtungen gezogen,welche Hr. Alzate im J. 1769, doch nur währendder letzten 9 Monate angeſtellt hat; im Januarkömmt das Thermometer zu Mexico auf 5 bis 6° C.und ſelbſt noch tiefer herab *). Die mittlerenTemperaturen von Paris ſind aus dem von Hrn.
*) Obſervaciones meteorologicas de los ultimos nuevemeſes del A. 1769. Mexico 1770.
|267| Cotte für die Jahre von 1765 bis 1808 berechneten Calendrier de Montmorency entlehnt *). — Gernhätte ich noch ähnliche Data von Philadelphia hin-zugefügt, wo der Sommer ſo heiß als in Nea-pel und der Winter ſo ſtrenge als in Preußen iſt,ich habe mir aber die mittleren Temperaturender einzelnen Monate, und die Zahl der an demgelben Fieber monatlich Erkrankten und Geſtor-benen von dorther nicht verſchaffen können. Ausden höchſten und niedrigſten Ständen, welche dasThermometer in den einzelnen Monaten oder Jah-ren erreicht hat, läßt ſich nichts auf die mittleren Temperaturen der Luft, und was damit zuſammen-hängt, ſchließen **).

*) Journal de Phyſ. 1809. p. 382.**) Dieſes ſcheint der großen Zahl von Aerzten entgan-gen zu ſeyn, welche die Frage verhandelt haben, obdie Epidemieen des gelben Fiebers, welche in den Jah-ren 1800 bis 1805 an den ſüdlichen Küſten von Spa-nien gewüthet haben, durch einen im ſüdlichen Eu-ropa ungewöhnlichen Grad von Hitze verurſacht wordenſeyn oder nicht. Man findet in vielen Büchern angege-ben, das Jahr 1790 ſey um 2° C. wärmer geweſen alsdie Jahre 1799 und 1800, weil in dieſen beiden letztenJahren das Thermometer in Cadix nur bis auf 28° und30°, 5 C., im J. 1790 dagegen bis auf 32° C. geſtiegen ſey. Aus einer ſolchen iſolirten Beobachtung läßt ſich abernichts auf die mittlere Wärme ſchließen. Die ſchönenmeteorologiſchen Beobachtungen des Chevalier Chacon, welche Hr. Arejula (de la fiebre amarilla de Cadiz 2 Voll.) bekannt gemacht hat, werden darüber ſicher mehrBelehrung geben, wenn man ſich der Mühe unterziehnwill, aus ihnen die Mittel jedes Monats abzuleiten. v. H.
|268|
Zeit derNord-Winde Mittlere Temperaturender Luft nach derCenteſ. Scale zu Kranke am gelb. Fie-ber im St. Sebaſtians-Hospit. zu Vera Cruz
Vera Cruz Mexico Paris hinein gek. geſtorben
Januar 21°,7 1°, 2 7 1
Februar 22,6 4,3 6 2
März 23,3 8,0 19 5
Zeit der Süd-Weſt-Winde u.des gelb. Fiebers
April 25,7 18°,6 10,5 20 4
Mai 27,6 18,8 14,1 73 11
Juni 27,5 16,9 18,0 49 6
Juli 27,5 17,0 19,4 51 11
Auguſt 27,6 17,0 20,2 94 16
September 27,4 15,8 16,4 68 8
October 26,2 16,4 12,0 29 3
Zeit derNord-Winde
November 24,0 14,4 6,5 9 2
December 21,1 13,7 3,8 3 0

Mittel aus demganzen Jahre 25,4 17,0 (?) 11,3 *) auf 6,2 1
Zu Cumana, zu la Guayra, auf den öſtlichenAntillen, welche mit Vera Cruz unter einerlei Paral-lelkreis liegen, und überall in dieſer Zone, wo derNordwind nicht bläſt, iſt die mittlere Temperaturdes Januar über 25° C. Zu Vera Cruz herrſcht
*) Ich füge hier die mittleren Temperaturen der Monate in Genf, nach den Beobachtungen von 1800 bis 1810, nachdem Vorbilde des Hrn. Odier in der Bibl. brit. bei.
Januar 0°,69 C. Juli 18,91 C.
Februar 1,70 Auguſt 19,23
März 5,13 Septemb. 15,62
April 8,84 Octob. 10,32
Mai 14,63 Novemb. 6,02
Juni 17,36 Decemb. 1,64
Mittel des ganzen Jahrs 10°,06 C. oder 8°,05 R.„Dieſe Mittel, ſagt Hr. Odier, ſind aber nur aus zweiBeobachtungen täglich, die eine bei Aufgang der Sonne,die andere um 2 Uhr Nachmittags, hergeleitet. Um recht
|269| der Nordwind manchmal noch den April über, undfängt ſchon im October wieder an. Die Europäer,welche von dem ſchwarzen Erbrechen ergriffen zuwerden fürchten, ſehn die Jahre, in denen der Nord-wind bis in den März mit Heftigkeit bläſt, und ſichſchon im September ſpüren läßt, für ſehr glücklich an.Nachdem die Sonne am 16. Mai durch das Zenithvon Vera Cruz nördlich gegangen iſt, beginnt imJuni die Regenzeit; ſie hört im September auf,nachdem die Sonne auf ihrer ſüdlichen Wande-rung am 27. Juli durch das Zenith zurückgegangeniſt. Der Mai und Auguſt ſind die heißeſten Monatedes Jahrs; die mittlere Temperatur des Auguſts be-trägt in Vera Cruz 27,6, in Rom 26°, in Upſala15°,6 der Centeſimal-Scale.
In dem ganzen Theile von Mexico, der zwi-ſchen den Wendekreiſen, und ſelbſt bis 28° nördlicherBreite hinauf liegt, giebt es überhaupt nur zweiJahrszeiten, die Regenzeit (eſtacion de las aguas),
genaue Mittel zu haben, müßte man wahrſcheinlich, meinter, mehr Beobachtungen täglich genommen haben. DasMittel von 1796 bis 99, wo man eine Beobachtung mehr,beim Untergang der Sonne, mitgenommen habe, ſey nur9°,90 C. oder 7°, 92 R. geweſen; wäre täglich noch einevierte Beobachtung angeſtellt worden, ſo würde man viel-leicht noch eine niedrigere mittlere Temperatur erhaltenhaben. Doch wären freilich dieſe vier Jahre kälter als ge-wöhnlich geweſen.“ Aber eben dadurch, daß man dieTemperatur jedes Tags nur aus dem höchſten und demniedrigſten Thermometerſtande berechnet hat, iſt man zuetwas Zuverläſſigem und Conſtantem gelangt, wie Hr. vonBuch ſehr richtig bemerkt hat (ſiehe Annal. B. 40.S. 273). Gilbert.
|270| die vom Anfang des Juni oder Juli bis in den Septem-ber oder October dauert, und die trockne Zeit (eleſtio), welche die andern acht Monate vom Octo-ber bis Anfang Mai anhält. Gewöhnlich fängt derRegen an auf dem öſtlichen Abhange der Cordil-lere, an den Küſten von Vera Cruz, wo er unterheftigen electriſchen Exploſionen 15 oder 20 Tageeher als auf der Bergebne im Innern des Landesum Mexico eintritt; in Guadalaxara fängt die Re-genzeit noch ſpäter an, und zuletzt auf der Weſtküſte.Die chemiſche Wirkung, durch die ſie erzeugt wird,pflanzt ſich von Oſt nach Weſt, in der Richtung desPaſſatwindes fort. In den Monaten November, De-cember und Januar iſt der Regen in den Gebirgen,ſelbſt in Höhen, die nicht 6000 Fuß betragen, mitHagel und Schnee gemiſcht; dieſe Regen dauernaber höchſtens 4 oder 5 Tage. Ungeachtet ihrerKälte hält man ſie für ſehr fruchtbar für Weizenund für künſtliche Wieſen. Auch in Mexico, wiein Europa, regnet es in den bergigen Gegenden imGanzen am mehrſten. Von 24 bis 30° Breite ſindRegen ſeltner und von kürzerer Dauer, dafürſchneit es über 26° Breite hinaus ziemlich viel. Zugroße Feuchtigkeit iſt in Mexico etwas ſehr Sel-tenes. In den letztern Jahren hatte es vielmehr we-niger und ſpäter geregnet, und bei meiner Anwe-ſenheit in Mexico verſpätete ſich der Anfang derRegenzeit um drei volle Monate, fing erſt im Sep-tember an, und dauerte nur bis in die Mitte Novem-bers. Die ausnehmende Dürre, welche vom Juni |271| bis in den September herrſcht, zwingt die Einwoh-ner, ihre Felder und Wieſen künſtlich zu wäſſern.Wo das nicht geſchieht, verſchwindet alles Gras imApril, wenn der heiße und dürre Südoſtwind ſichhäufig einzuſtellen anfängt, und nicht gewäſſerterWeizen leidet beſonders im Mai. Die erſten Re-gengüſſe im Juni bringen aber das Grün auf denFeldern und die Blätter der Bäume wieder hervor.
In Vera Cruz fällt das Jahr über mehr als 1,870Metres Regen. In dem einzigen Monat Juli 1803fing ein genauer Beobachter, der Ingenieur-Oberſt von Conſtanzo, über 0,380 Meter Regen auf,alſo zwei Drittel von der Regenmenge, welche inLondon das ganze Jahr über fällt *). Der Verdün-ſtung dieſes Regenwaſſers iſt es zuzuſchreiben, daßbei dem zweiten Durchgang der Sonne durch dasZenith von Vera Cruz der Wärmeſtoff dort nichtſtärker als bei dem erſten Durchgange angehäuft iſt.Der November und December ſind dagegen inVera Cruz ſo trockne Monate, daß in ihnen dieRegenmenge im J. 1803 nicht 14 Millimeter be-trug, während dort am 18ten Auguſt und am 14tenSeptember in 24 Stunden über 70 Millimeter Re-gen gefallen waren. In Vera Cruz, wie überhaupt in den tropiſchenGegenden, fürchtet man ſich am mehrſten für den
*) Die mittlere Menge des Regens und Schnees, welche in Genf das ganze Jahr über fällt, beträgt nur 31 Zoll 3\( \frac{1}{4} \) Li-nie, alſo nicht ganz 0,852 Meter; ſ. Bibl. britann. B. 31und 46.
|272| Anfang und für das Ende der Regenzeit. Denn zugroße Feuchtigkeit hält die Fäulniß der in mo-raſtigen Gegenden angehäuften vegetabiliſchen undthieriſchen Körper faſt eben ſo ſehr, als großeTrockenheit zurück.
3. Wenn gleich das gelbe Fieber ſich nur in Län-dern und in Jahrszeiten äußert, in welchen diemittlere Temperatur der Sommermonate auf 24°der Centeſimalſcale ſteigt, ſo halte ich doch keines-wegs große Hitze für die einzige und die wahreUrſache dieſer Krankheit. Es ſcheinen dazu nochandre Urſachen mitwirken zu müſſen. Die Gegend um Vera Cruz iſt ſchrecklich dürr.Kaum ziehn ſich die Wälder, welche den öſtlichenAbhang der Cordillere bedecken, bis zu demPachtgute l’Encero herab; dort fängt eine minderdichte Holzung an, die ſich 5 bis 6 Lieues von derKüſte allmählig verliert. Einige Cocosbäume inden Gärten des Dorfs la Antigua ſind von Xalapa her die letzten großen Bäume, die man in dieſerWüſte erblickt. Bewegliche Sandhügel (Meganos), welche die heftigen Winde zuſammen blaſen, unddie die Stadt an der Süd- und Südweſt-Seite um-geben, vermehren noch die ausnehmende Hitze zuVera Cruz. Dieſe kegelförmigen Dünen ſind bis50 par. Fuß hoch. Bei ihrer größern Oberflächewerden ſie von der Sonne ausnehmend ſtark er-hitzt, und ſie behalten die den Tag über erhalteneTemperatur die ganze Nacht über. So häuft ſich |273| in ihnen die Hitze immer mehr an, ſo daß im Juliein Thermometer in dem Sande dieſer Dünen bisauf 48 oder 50° C. ſteigt, während die Temperaturin der freien Luft im Schatten ſich auf 30° C. er-hält. Dieſe Dünen ſtrahlen die Hitze ringsumheraus, wie Oefen, und hindern überdieß die freieCirculation der Luft. In den Sandebnen um dieStadt finden ſich überdieß Moräſte, in welchen dasRegenwaſſer ſich anſammelt, das durch die Dünendurchſickert. Die Aerzte ſehn ſie mit Recht alseben ſo viel Quellen der Verpeſtung an. Am Fußeder Dünen ſtehn nur kleine Sträucher, deren Stän-gel und Blüthen kaum aus dem dürren Sande her-vorragen, der ſie bedeckt. Wo ihn das Waſſer derin der Regenzeit austretenden Sümpfe benetzt, iſtdie Vegetation kräftiger. Mehrere Pflanzen, dieeinen feuchten und ſalzigen Boden lieben, be-decken ihn an einzelnen Stellen; und dieſe niedri-gen und ſumpfigen Stellen ſind um ſo mehr zufürchten, da ſie nicht immer unter Waſſer ſtehn.Die abgeſtorbenen Blätter, Früchte, Wurzeln, In-ſectenlarven und andre thieriſche Ueberreſte wer-den durch die brennenden Strahlen der Sonne inFäulniß geſetzt; die Natur der Pflanzen, die anſolchen Stellen wachſen, trägt ebenfalls dazu bei,das Miasma zu vermehren. Die Fäulniß von Pflan-zen iſt vorzüglich zu fürchten, wenn ſich darunterviel adſtringirende befinden, die in ihrer Rindeund Wurzel viel mit dem Gerbſtoff verbundne thie-riſche Materie enthalten, wie Hr. Vauquelin in |274| ſeinem Aufſatze über die Verbindung des Gerbſtoffsmit Gallert und Eyweißſtoff in den Annal. duMuſeum t. 15. p. 77. gezeigt hat. Ich werde aneinem andern Orte die Verſuche bekannt machen,welche ich zu Cumana über die Einwirkung be-feuchteter und dem Lichte ausgeſetzter Wurzelndes Manglier angeſtellt habe, aus denen ſich diemerkwürdige und ſeit langer Zeit in beiden Indienbekannte Erfahrung erklärt, daß unter allen Or-ten, wo der Manglier und der Mancenillier kräftigwachſen, die ungeſundeſten diejenigen ſind, wo dieWurzeln dieſer Bäume nicht immer mit Waſſer be-deckt ſind. In der Stadt Vera Cruz ſelbſt fehlt es nicht anUrſachen, welche ſie ungeſund machen. Sie iſt fürihren geringen Umfang zu volkreich; 16000 Ein-wohner *) ſind darin auf einem Raume von 500000Quadratmeter zuſammen gedrängt; denn Vera Cruzhat die Geſtalt eines Halbkreiſes von nicht 600 Me-tern Halbmeſſer. Die mehrſten Häuſer haben überdem Erdgeſchoß nur eine einzige Etage; vom ge-meinen Volke leben daher viele in Einem Zimmer.Die Straßen ſind zwar breit und gerade, und dielängſten laufen nach Nordweſt; da aber die Stadtvon einer hohen Mauer umgeben iſt, findet in denStraßen faſt keine Circulation der Luft Statt. DenWind, welcher den Sommer über nur ſanft ausSüdoſt und Oſt-Süd-Oſt bläſt, verſpürt man nur
*) Oder vielmehr, wie wir oben S. 257 geſehn haben, 35500Menſchen. G.
|275| auf den Dächern der Häuſer; in den Straßen ath-met man dann eine ſtehende und glühende Luft.Die Nordwinde dagegen ſtürmen im Winter ſo hef-tig, daß man oft nicht über die Straße gehen kann.Die Unreinlichkeit der Einwohner hat man ſehrübertrieben. Seit einiger Zeit laßt es ſich die Po-licey angelegen ſeyn, die Geſundheit der Luft zuerhalten, und ſchon iſt Vera Cruz minder ſchmu-zig als viele Städte im ſüdlichen Europa.
4. Es iſt merkwürdig, daß ſich das gelbe Fiebernoch nicht auf der Weſtküſte Neu-Spaniens ge-zeigt hat, obgleich zu Acapulco dieſelben Urſachender Ungeſundheit, und noch in höherem Grade,als zu Vera Cruz herrſchen. Es iſt von Erdbebenund Orkanen heimgeſucht; die Einwohner athmeneine glühende, mit Inſekten erfüllte und von fau-ligen Emanationen verdorbene Luft, und währendeines großen Theils des Jahrs ſehn ſie die Sonnenur durch eine olivenfarbne Dunſtlage, welche aufein Hygrometer, das ſich in den untern Regionender Luft befindet, nicht einwirkt. Die Häuſer ſtehnan einer Felſenmauer, die durch Reverberiren dieLuft noch mehr erhitzt, und das Baſſin des Hafensiſt ſo von Bergen umgeben, daß der Gouverneurdes Schloſſes, Don Joſef Barreiro, nachNordweſten einen Durchſchnit in den Bergen hatmachen laſſen, um während der Sommerhitze demSeewinde einigen Zugang zu verſchaffen. Dieſes |276| kühne Unternehmen iſt nicht ohne Erfolg geblie-ben; der kleine Luftzug, der ſich durch dieſe Bre-ſche einfindet, iſt für Acapulco um ſo heilſamer,da öſtlich bei der Stadt eine Lache liegt, deren Waſ-ſer alle Jahr vertrocknet, und dann eine unzähligeMenge kleiner, mit einer Schleimhaut umgebnerFiſche zurückläßt, die in Haufen faulen, und de-ren Emanationen galligte Faulfieber erzeugen undAcapulco zu einem der ungeſundeſten Orte desneuen Continents machen *). Ueberhaupt herr-ſchen in der ganzen Küſtengegend, von der Mün-dung des Rio Papagallo bis San Blas, gaſtriſcheFieber, welche häufig in adynamiſche Fieber aus-
*) Zwar ſtehn mehrere Kalkofen zwiſchen der Lache und derStadt und calciniren eine Menge Madreporen, und nachder Lehre des Hrn. Mitchill’s in Neu-York ſoll dasPrincip der bösartigen Fieber und der Wechſelfieber (nachihm das Stickſtoffoxyd, welches er Septon nennt) vom Kalkeverſchluckt werden, — daher der Kalkboden in Frank-reich, England und Sicilien der geſundeſte ſey, —Acapulco iſt aber nichts deſto weniger höchſt ungeſund.Es fallen mir dabei die Träume des Abts Soulavie ein,daß Baſalt und Mandelſtein die electriſche Ladung derLuft vermehren, und dadurch auf das Moraliſche der Ein-wohner Einfluß haben, und ſie leichter, revolutionärer undihre alte Religion aufzugeben geneigter machen ſollen. —In Nordamerika haben es Mitchill’s Speculationen dahingebracht, daß, als wir von den Antillen nach Philadelphiakamen, Geſundheitsbeamte erſchienen, und die Fallthürs-luke, durch die man unter das Verdeck ſteigt, mit Kalk-waſſer einen Fuß breit umpinſeln ließen, damit ſich dasSepton oder das Miasma des gelben Fiebers von Havannah,das ſich im Innern unſers Schiffs befinde, darin ſigirenſolle. Es war ſehr natürlich, daß unſere ſpaniſchen Ma-troſen dieſe vorgebliche Desinficirung für ein Zaubermittelhielten. v. H.
|277| arten, und in dieſen dürren und brennenden Ebnenvoll kleiner Lachen, welche Krokodillen zu Schlupf-winkeln dienen, iſt eine galligte Conſtitution faſteinheimiſch. In Acapulco raffen Gallenfieber unddie cholera morbus, deren Symptome ſo erſchrek-kend ſind, jährlich viele Mexikaner weg, welcheaus dem Gebirgslande nach Acapulco des Handelswegen herabſteigen.
Acapulco liegt noch um 3° ſüdlicher als VeraCruz; überdieß halten die hohen Cordilleren vonMexico die Strömung kalter Luft davon ab, welchevon Canada nach den Küſten von Tabasco fließt.Selbſt das Meer iſt dort heißer als zu Vera Cruz,denn ich fand es im März 1803 auf der Rhede vonAcapulco 28 bis 29° C. warm, während es im Fe-bruar 1804 zu Vera Cruz nur eine Wärme von 20bis 22°, und an den Küſten von Peru nur von 15bis 16° hatte. Ich habe mich überzeugt, daß über-haupt die Temperatur des Meers einen bedeuten-den Einfluß auf die Temperatur der benachbartenKüſte hat; ſie richtet ſich aber nicht blos nach derBreite, ſondern auch nach der Menge der Untiefenund nach der Geſchwindigkeit der Strömungen,welche das Waſſer andrer Klimate herbeiführen.Außerhalb des Stroms, der von der magellanſchenMeerenge nach dem Cap Parinna mit Macht fließt,hat der große Ocean in der Gegend der Linie eineTemperatur von 25 bis 26° C. Im Sommer erhält ſich während des Tags dieTemperatur der Luft zu Acapulco faſt immer auf |278| 30 bis 36°, und ſelbſt im Februar bei ruhigem Wet-ter auf 28 bis 30° C., während ich das Thermome-ter an der Oſtküſte von Mexico in dieſem Monateganze Tage lang unter 21° habe ſtehn, und die Luftſich manchmal plötzlich durch Nordwinde bis 17°abkühlen ſehn. Doch giebt es auch zu Acapulcoalle 24 Stunden einen Augenblick, wo ſich eine außer-ordentliche Kühlung ſpüren läßt; nämlich unmittel-bar vor dem Aufgang der Sonne. An das Klima nichtGewöhnte, welche des Nachts an dieſen Küſten leichtbekleidet reiſen, oder an der freien Luft ſchlafen,laufen daher große Gefahr. Zu Cumana und anandern Orten des tropiſchen Amerika nimmt dieTemperatur gegen Sonnenaufgang nur um 1 oder2° C. ab; in Acapulco habe ich dagegen häufig dasThermometer, welches am Tage auf 28 oder 29° C.und während der Nacht auf 26° C. ſtand, von 3 UhrMorgens an ſchnell fallen, und bei Sonnenaufgangbei 17 oder 18° ſtehn ſehn; eine Veränderung, wel-che einen großen Eindruck auf die Organe macht.Nirgends anders zwiſchen den Wendekreiſen habeich eine ſo große Kälte während des letzten Theilsder Nacht empfunden; man glaubt plötzlich ausdem Sommer in den Herbſt verſetzt zu ſeyn; kaumiſt aber die Sonne aufgegangen, ſo muß manwieder über Hitze klagen. In einem Klima, in wel-chem die Geſundheit hauptſächlich auf die Functio-nen der Haut beruht, und die geringſten Verände-rungen der Temperatur die Organe afficiren, be-wirkt eine Abkühlung der Luft um 10 bis 12 Grade |279| eine Unterdrückung der Transpiration, welche dennicht acclimatiſirten Europäern ſehr gefährlich iſt.Wenn zu Guayaquil, wo ſich die Temperatur faſtimmerfort zwiſchen 29 und 32° C. erhält, das Ther-mometer plötzlich auf 23 bis 24° herabgeht, bekla-gen ſich die Einwohner über Kälte. Wahrſcheinlich liegt die Urſache, daß Aca-pulco bis jetzt vom gelben Fieber verſchont geblie-ben iſt, darin, weil nur Schiffe von Manilla,Guayaquil und andern Seeſtädten der heißen Zonedieſen Hafen beſuchen. Gingen dahin Schiffe vonChili oder von der Nordweſtküſte Amerikas, undwürde die Stadt zugleich von mehrern Europäern odervon Bewohnern des hohen Plateau von Mexico be-ſucht, ſo würden dort die Gallenfieber ſich wahr-ſcheinlich bald in gelbes Fieber umſtalten. DerKeim dieſer letzten Krankheit dürfte ſich dann zuAcapulco noch fürchterlicher als zu Vera Cruz ent-wickeln, und das gelbe Fieber dort das ganze Jahrhindurch herrſchend werden, wie z. B. auf Trini-dad, auf St. Lucie und in la Guayra, wo die mitt-lere Temperatur der Monate auch nur um 2 bis 3°variirt *). 5. Iſt das gelbe Fieber anſteckend? Dieſe wich-tige Frage hat unter den Aerzten große Debattenveranlaßt.
*) Die mittlere Temperatur des wärmſten Monats iſt von derdes kälteſten Monate verſchieden, zu Umeå in Schweden
|280| Da auf Schiffen, die nicht reinlich erhaltenwerden, unter einer zahlreichen Beſatzung leichtbösartige Fieber einreißen, iſt es ein ziemlich häu-figer Fall, daß der Anfang einer Epidemie ſich vonder Ankunft einer Flotte herſchreibt. Statt aberdann das Uebel der verdorbenen Luft in einemSchiff, worin der Luftwechſel fehlt, oder der Ein-wirkung eines brennenden und ungeſunden Klimasauf die eben angekommene Mannſchaft zuzuſchrei-ben, pflegt man zu behaupten, die Epidemie ſeyvon einem andern Hafen, den die Flotte auf ihrerFahrt von Europa nach Amerika berührt habe, mit-gebracht worden. So hörte man oft in Mexico,das Kriegsſchiff, mit welchem der und der Vicekönigin Vera Cruz angekommen ſey, habe das gelbe Fie-ber mitgebracht, welches ſchon mehrere Jahre aus-geblieben war; und während der Zeit der großenHitze beſchuldigen Havannah, Vera Cruz und dienordamerikaniſchen Häfen einander wechſelſeitig,die Epidemie eine von der andern erhalten zu ha-ben. Gerade ſo meinte man in Spanien, das gelbeFieber ſey dorthin mit einer Polacre aus Vera Cruzoder mit einer Corvette aus Havannah gekommen;dieſes ließ ſich aber ſo wenig darthun, daß dreiausgezeichnete Aerzte zu Cadix erklärten, das gelbe
unter 63° 50′ Breite um 28°,5; in Deutſchland unter50° 5′ Br. um 23°,2; in Frankreich unter 48 50′ Br.um 21°, 4; in Italien unter 41° 54′ Br. um 20°,6; im ſüd-lichen Amerika unter 10° 27′ Br. nur um 2°,7. (SieheThomſon’s Chemie nach Riffault’s Ueberſetzung T. 1.p. 106.) v. H.
|281]| Fieber habe ſich in Spanien ſelbſt entwickelt. Undeben ſo ſchreiben die Einwohner von Aegypten denin den Morgenländern unter dem Namen der Peſt bekannten tödtlichen Typhus den griechiſchenSchiffen zu, die ihn mitbringen ſollen, währendman in Griechenland und in Conſtantinopel vonderſelben Peſt behauptet, ſie komme aus Roſetteoder aus Alexandrien *).
Es iſt außer Zweifel, daß das ſchwarze Er-brechen in Vera Cruz nicht anſteckend iſt. Inden mehrſten Ländern ſieht das Volk Krankheitenfür anſteckend an, die das nicht ſind; und dennochglaubt man in Mexico nicht, daß es für jemand,der nicht acclimatiſirt iſt, im mindeſten gefährlichſey, ſich beim gelben Fieber dem Kranken zu nä-hern, ſich dem Hauch des Sterbenden auszuſetzen,oder ihn zu berühren. Auf dem zwiſchen denWendekreiſen liegenden Theile des Continents vonAmerika, iſt dieſe Krankheit nicht mehr anſteckend,als in Europa das Wechſelfieber. Den Erkundigun-gen, welche ich ſelbſt in Nordamerika eingezogenhabe, und den Beobachtungen aller Aerzte, die in denAntillen und in den verein. Staaten practiſirt haben,zu Folge, bin ich geneigt zu glauben, daß dieſeKrankheit in Amerika weder in der gemäßigten,noch in der heißen Zone, ihrer Natur nach an-ſteckend iſt, daß ſie aber wohl unter gewiſſen Ein-flüſſen des Klimas und der Jahrszeiten, bei Aufein-
*) Pugnet ſur les fièvres du Levant et des Antilles p.97 et 331.
|282| anderhäufung der Kranken, oder bei individuellerDispoſition derſelben, einen anſteckenden Charak-ter annehmen kann. Dieſe Ausnahmen ſcheinenin der heißen Zone äußerſt ſelten, in der gemäßig-ten dagegen häufiger zu ſeyn. Denn in Spanien, wo im Jahre 1800 über 47000 und im J. 1804 über64000 Menſchen an dem gelben Fieber geſtorbenſind, war dieſe Krankheit anſteckend, jedoch blosan den Orten, wo ſie wüthete. Denn es iſt durchviele, vorzüglich zu Malaga, Alicante und Cartha-gena beobachtete Thatſachen erwieſen, daß Ange-ſteckte die Krankheit in den Dörfern, zu denen ſieſich geflüchtet hatten, nicht verbreitet haben, ob-gleich dieſe Dörfer daſſelbe Klima als die angeſteck-ten Städte hatten. Dieſes iſt das Urtheil der HH. Dumeril, Bally und Nyſten, welche diefranzöſiſche Regierung im J. 1805 nach Spanien ge-ſchickt hatte, um dort der Art, wie dieſe Epidemieenentſtanden ſind, nachzuforſchen *). Wenn gleich inden Theilen Amerikas zwiſchen den Wendekreiſen, inden vereinigten Staaten, und in Spanien währendmehrerer Sommermonate eine gleiche Temperatur
*) Bally Opinion ſur la contagion de la fièvre jaune 1810. p. 40. Daß das gelbe Fieber von Vera Cruz odervon der Havannah durch Schiffe nach Spanien gebrachtworden ſey, iſt eine nicht erwieſene Meinung; drei aus-gezeichnete Aerzte zu Cadix, die HH. Ammeller, De-lon und Gonzales, glaubten vielmehr, es habe ſichvon ſelbſt in Spanien entwickelt. Eine Krankheit kann an-ſteckend ſeyn, ohne daß ſie von außen her einge-führt iſt. v. H.
|283| herrſcht, zeigt doch das gelbe Fieber ſich hier ſehrverſchieden. Zwiſchen den Wendekreiſen iſt dernicht-contagiöſe Charakter deſſelben faſt allgemeinanerkannt. In den nordamerikaniſchen Staaten wird dieſer Charakter ſchon ſehr beſtritten von dermediciniſchen Facultät der Univerſität zu Philadel-phia, und von den HH. Wiſtar, Blane, Ca-thral und andern ausgezeichneten Aerzten. In Spanien iſt das gelbe Fieber ohne allen Zweifel an-ſteckend, wie das Beiſpiel derer lehrt, die ſich mit-ten im Sitze des Uebels durch völliges Iſoliren vonder Krankheit frei erhalten haben.
Es iſt ausgemacht, daß ſelbſt zu Vera Cruz dasgelbe Fieber ſich nur zu gewiſſen Epochen zeigt;doch hat man bis jetzt die Modificationen der At-moſphäre, welche in der heißen Zone dieſe perio-diſchen Veränderungen erzeugen, noch nicht zuentdecken vermocht. Auch zweifle ich, daß die-ſes ſo bald gelingen werde. Nach den intereſ-ſanten Verſuchen der HH. Thenard und Du-puytren reicht eine Beimiſchung von \( \frac{2}{1000} \) Schwe-felwaſſerſtoffgas hin, daß in der atmoſphäriſchenLuft ein Hund erſtickt, und die Erſcheinungen desLebens werden von vielen Urſachen modificirt,von denen die mächtigſten ſich unſern Sinnenentziehn. Wir ſehen überall, wo mit Feuchtigkeitdurchzogne und von der Sonne erhitzte organiſcheKörper an freier Luft liegen, Krankheiten entſtehn.In der heißen Zone werden die ſtehenden Lachen |284| um ſo gefährlicher, je dürrer und ſandiger derBoden umher iſt, je mehr er folglich die umge-bende Luft erhitzt. Einige der Bedingungen, un-ter welchen luftförmige Ausflüſſe, die wir Mias-men nennen, entſtehn, laſſen ſich errathen; aberdie chemiſche Natur dieſer Miasmen iſt uns nochunbekannt; es iſt ſehr möglich, daß es dreifacheoder vierfache Verbindungen ſind. Indeß dürfenwir jetzt wenigſtens nicht mehr Wechſelfieber ei-ner Anhäufung von Waſſerſtoffgas an feuchten undheißen Orten, Faulfieber ammoniakaliſchen Aus-flüſſen, und Entzündungskrankheiten einem Ue-bermaaß von Sauerſtoff in der Luft zuſchreiben;die neuere Chemie, der wir ſo viel poſitive Wahr-heiten verdanken, hat uns auch gelehrt, daß unsnoch vieles unbekannt iſt, was wir lange mit Ge-wißheit zu wiſſen meinten. Die Geſchichte der gelben Fieber-Epidemieenzu Vera Cruz geht nicht über ein halbes Jahr-hundert hinauf, nämlich nicht bis über das Jahr1762, weil das große Militär-Hospital zu VeraCruz erſt im J. 1764 errichtet iſt. Das gelbe Fie-ber wüthete von 1762 bis 1775, dann verſchwandes, und erſchien erſt wieder im J. 1794. Es iſtmerkwürdig, daß in den 8 vorhergehenden Jahrenauch nicht ein einziger Fall des ſchwarzen Er-brechens vorgekommen war, ungeachtet des au-ßerordentlichen Zuſammenfluſſes von Europäernund Mexikanern aus dem Innern, der großen |285]| Ausſchweifungen der ankommenden Matroſen, undder viel größern Unreinigkeit der Stadt, undobgleich das gelbe Fieber dieſe Jahre über in derHavannah und auf den Antillen wüthete, undjährlich einige hundert Schiffe von dieſen Ortennach Vera Cruz kamen, wo keins derſelben inQuarantaine geſetzt wurde. Die fürchterlicheEpidemie von 1794 ſchrieb ſich von der Ankunftdreier Kriegsſchiffe her, die in Portorico ange-legt hatten, und eine Menge junger an das Kli-ma nicht gewöhnter Seeleute mitbrachten. Von1794 bis 1804 iſt die Krankheit jährlich wiedererſchienen, ſobald die Nordwinde zu wehen auf-hörten. Das große Militair-Hospital, wohin allezur See ankommende Kranke gebracht werden,hat in den 7 Jahren von 1787 bis 1794 nur16835, in den 9 Jahren von 1794 bis 1803 da-gegen 57213 aufgenommen. Vor der Epidemievon 1794 ſtarben in demſelben nur 2\( \frac{1}{2} \) auf 100Kranke, ſeitdem 6 bis 7, obgleich viele, diedahin kommen, nur unbedeutende Krankheitenhaben. Ich habe die mittlere Temperatur des Jahrs1794 Monat vor Monat aus den meteorologiſchenBeobachtungen des Hrn. Orta ausgezogen undmit denen der beiden vorhergehenden und desfolgenden Jahrs verglichen, und es ergiebt ſichdaraus, daß es dieſe Jahre keineswegs an Hitzeübertraf, wie die folgende Tafel zeigt: |286|
Mittlere Temperatur zu Vera Cruzim Jahr
1792 1793 1794 1795
Januar 21°,5 20°,8 20°,6 20°,7
Februar 21,5 22,3 22,8 21,0
März 23,7 22,8 22,6 22,5
April 24,2 26,1 25,3 24,0
Mai 27,3 27,9 25,3 26,3
Juni 28,5 27,8 27,5 27,2
Juli 27,5 26,9 27,8 27,7
Auguſt 28,3 28,1 28,3 27,8
September 27,5 28,1 27,1 26,1
October 26,3 25,5 26,1 25,0
November 24,7 24,4 23,0 24,3
December 21,9 22,1 21,7 21,9

des ganzen Jahrs 25,2 25,2 24,8 24,5
Hitze und Feuchtigkeit der Luft können auf zweiſehr verſchiedne Arten zur Entwickelung der Epi-demieen mitwirken, indem ſie entweder die Erzeu-gung von Miasmen befördern, oder blos die Er-regbarkeit der Organe erhöhen und dadurch zurKrankheit prädisponiren. Die Temperatur hatzwar einen nicht zu bezweifelnden Einfluß auf denFortgang des gelben Fiebers zu Vera Cruz; wirhaben aber keinen Beweis dafür, daß, wenn esmehrere Jahre aufgehört hatte, ein ſehr heißerund ſehr feuchter Sommer hingereicht habe, es wie-der zu erwecken. Auch iſt es nicht die Hitze al-lein, welche das hervorbringt, was man gallichteConſtitution nennt *). Einige Aerzte in Neu-Spa-
*) Ungeachtet die Haut des am ſchwarzen Erbrechen Erkrank-ten gelb wird, ſo iſt es doch gar nicht wahrſcheinlich,
|287]| nien behaupten, in der heißen Zone ſey die Epi-demie des gelben Fiebers, wie die der Pocken pe-riodiſch, und ſind der hoffnungsvollen Meinung,daß wir uns am Ende der epidemiſchen Periodebefinden.
Wenn das gelbe Fieber in Vera Cruz mit Hef-tigkeit wüthet, iſt der kürzeſte Aufenthalt in derStadt oder in der ſie umgebenden Atmoſphäre hin-reichend, daß Nicht-Acclimatiſirte davon ergriffenwerden. Wenn Einwohner der Stadt Mexico nachEuropa reiſen, pflegen ſie ſich aus Furcht vor die-ſem Uebel bis zur Abfahrt des Schiffs in Xalapa,welches auf den Bergen liegt, aufzuhalten, und
daß die Galle dabei in das Blut übergehe, und daß dasLeber- und Pfortader-Syſtem die Hauptrolle in dem gel-ben Fieber ſpiele, wie man angenommen hat. Die ſchwar-ze Materie, welche der Kranke im gelben Fieber ausbricht,hat nur wenig Aehnlichkeit mit Galle. Sie gleicht demKaffeeſatze, und ich habe mehrmals geſehn, daß ſie aufWäſche und an Mauern unauslöſchliche Flecke zurück ließ.Wenn man ſie mäßig erhitzt, ſo entbindet ſich darausSchwefel-Waſſerſtoffgas. Nach den Verſuchen des Hrn. Stubin Firth zu New-Yerſey (on malignant fever 1804p. 37, 47.) ſoll ſie keinen Eyweißſtoff enthalten, ſondernein Harz, ein Oehl und phoſphorſaure und ſalzſaureKalk- und Kali-Salze. Dagegen beſteht die menſchlicheGalle nach Herrn Thenard in 1100 Theilen aus 1000 Th.Waſſer, 42 Th. Eyweißſtoff und 58 Th. Harz, gelbe Ma-terie, Natron und Salz. Derſelbe Anatom hat dadurch,daß in mehreren Leichen, die er öffnete, der Magenmundvollkommen verſtopft war, dargethan, daß dieſe ſchwarzeMaterie nicht aus den Gefäßen der Leber komme, ſon-dern, durch die in der Schleimhaut ſich verbreitenden Ar-terien in den Magen gebracht werde, und er verſichert,man finde die ſchwarze Materie nach dem Tode noch indieſen Gefäßen. von Humboldt.
|288| ſich während der Kühle der Nacht in einer Senftedurch Vera Cruz tragen zu laſſen, um ſogleichin einer Schaluppe an Bord zu gehn. Manchmalhilft aber dieſe Vorſicht nicht, und ſie ſind die ein-zigen, welche wenige Tage nach dem Anfang derSeereiſe am gelben Fieber ſterben. Daß ſie nichtetwa erſt am Bord des Schiffs, das im Hafen gele-gen hat, ſondern beim Durchgange durch die ver-peſtete Küſtengegend die Krankheit in ſich aufge-nommen haben, davon geben Europäer den Be-weis, die gleich nach Ankunft ihres Schiffs in denHafen, in einer Senfte die Reiſe nach Perotte an-getreten haben, und doch am gelben Fieber er-krankt ſind. Man ſollte daraus ſchließen, das gel-be Fieber ſey in allen Himmelsſtrichen anſteckend.Wie wäre aber eine ſolche Anſteckung in die Fernedamit zu vereinigen, daß es in Vera Cruz bei un-mittelbarer Berührung gewiß nicht anſteckt? undiſt es nicht viel natürlicher anzunehmen, daß dieAtmoſphäre um Vera Cruz faulende Ausflüſſe ent-hält, welche die Functionen des Lebens in Unord-nung bringen, wenn man ſie auch nur kurze Zeitüber einathmet?
Die Weißen und die Meſtizen, welche dieBergebene im Innern von Mexico bewohnen, wodie mittlere Temperatur 16 bis 17° C. iſt, und dasThermometer manchmal bis zum Froſtpunkt herabſinkt, werden, wenn ſie ſich in die flache Küſten-gegend um Vera Cruz herabwagen, von dem gel-ben Fieber noch eher als die Europäer und die |289| Nordamerikaner ergriffen. Da dieſe zu Schiffe da-hin kommen, gewöhnen ſie ſich allmählig an diegroße Hitze, indeß die Mexikaniſchen Spanier ineinigen Stunden das Klima der gemäßigten, mitdem der heißen Zone vertauſchen. Beſonders großiſt die Sterblichkeit unter den Mauleſeltreibern, dieſich großen Strapazen in den Gebirgswegen, welchedenen über den St. Gotthard ähnlich ſind, ausſetzenmüſſen, und unter den Recruten der Garniſon vonVera Cruz. Umſonſt ließ man dieſe einige Wochenin Xalapa, um ſich allmählig zu acclimatiſiren,beorderte ſie nur Nachts zu marſchiren, und quar-tirte ſie in luftige Zimmer ein; ſie ſtarben darumnicht minder ſchnell. Durch einen Zuſammenflußvon außerordentlichen Umſtänden ſtarben vor we-nigen Jahren von 300 Mexicaniſchen Recruten,welche 18 bis 20 Jahr alt waren, in drei Monatenin Vera Cruz 272, daher man auch bei meiner Ab-reiſe Willens war, Neger und acclimatiſirte farbigeMenſchen hierher als Beſatzung zu legen. Die mehreſten Europäer, welche nach Neu-Spanien während der Zeit des gelben Fiebers kom-men, pflegen während ihres Aufenthalts in VeraCruz die erſten Symptome der Krankheit zu ſpüren,nemlich Schmerzen in der Gegend der Lenden,Färbung des Weißen des Auges in gelb, und Con-geſtionen nach dem Kopfe *). Indeß pflegt die
*) Dr. Ruſh bemerkte während der Epidemie des gelbenFiebers, welche im J. 1793 zu Philadelphia herrſchte, daßauch bei vollkommen Geſunden, ja ſelbſt bei Negern, das
|290]| Krankheit erſt auszubrechen, wenn ſie Xalapa oderla Pileta erreicht haben, welches in der Fichten- undEichenregion 1600 bis 1800 Meter über dem Meereliegt. Einer meiner Mexicaniſchen Bekannten hatteſich bei ſeiner erſten Ankunft aus Europa nur ſehrkurze Zeit in Vera Cruz aufgehalten, kam in Xa-lapa ohne alles Uebelbefinden an, und ließ ſichdort raſiren. „Sie werden noch heute Abend dasſchwarze Erbrechen bekommen, (ſagte ihm beimEinſeifen der Raſeur, ein Amerikaner,) die Seifetrocknet indem ich ſie über das Geſicht verbreite,und das iſt ein Zeichen, welches niemals trügt; ichraſire die ankommenden Europäer, die durchdieſe Stadt reiſen, nun ſchon zwanzig Jahre lang;von 5 ſterben ihrer 3.“ In der That brach dasgelbe Fieber nach wenigen Stunden aus, als derReiſende auf dem Wege nach Perote war, ermußte ſich nach Xalapa zurück bringen laſſen, undentging mit genauer Noth dem Tode.
In Vera Cruz bleiben nicht nur die Eingebor-nen vom gelben Fieber ganz verſchont, ſondernauch Europäer und Einwohner gemäßigter Klimateerhalten dort und in der heißen Zone das gelbeFieber nur einmahl. Die Einwohner der Nord-amerikaniſchen Staaten bleiben an ihrem Geburts-orte nicht frei von der Anſteckung, und es iſtſehr gewöhnlich, daß es jemand dort zweimahlbekömmt; Fälle, die in den Antillen nur ſehr
Weiße im Auge gelb war, und der Puls außerordentlichſchnell ging. v. H.
|291]| ſelten vorkommen, und in Vera Cruz, wie esſcheint, gar nicht, da ſich dort niemand, der dasgelbe Fieber einmahl gehabt hat, bei folgendenEpidemieen fürchtet. Für das weibliche Geſchlecht iſt die Krankheit in Vera Cruz minder gefährlichals für das männliche. Daſſelbe fand in Spanien Statt, wo im J. 1800 in Cadix 1577 Weiber und5810 Männer, und in Sevilla 3672 Weiber und11013 Männer weggerafft wurden. Es iſt irrig,daß Gicht, intermittirende Fieber und ſyphiliti-ſche Krankheiten vor dem gelben Fieber ſchützen.Daß der Erkrankende ſchon nach 30 bis 40 Stun-den ſtirbt, iſt in der heißen Zone ein ſeltnererFall als in der gemäßigten.
In Spanien erfolgte manchmal in 6 bis 7 Stun-den der Tod. In dieſem Fall zeigt ſich die Krank-heit in der einfachſten Geſtalt, und ſcheint blosdas Nervenſyſtem zu ergreifen; auf die Erregungdeſſelben erfolgt eine vollkommene Abſpannungder Kräfte, und das Lebensprincip erlöſcht mitfurchtbarer Schnelligkeit. Die gallige Complexionkann ſich dann nicht äußern, und der Krankeſtirbt unter ſtarken Blutflüſſen, doch ohne gelbzu werden, und ohne die ſogenannte ſchwarzeGalle auszubrechen. In Vera Cruz liegt der Kran-ke, ehe er ſtirbt, gewöhnlich 6 bis 7 Tage undlänger, und dieſe Zeit reicht völlig hin, daß derauf das Verdauungsſyſtem wirkende Reiz denwahren Charakter des adynamiſchen Fiebers ver-larven kann. |292| Die Sterblichkeit iſt in Vera Cruz geringerals man erwarten ſollte, weil das gelbe Fieber nurdie in kältern Gegenden gebornen, und nie dieEingebornen von Vera Cruz befällt. Bei den großenEpidemieen ſind in den Ringmauern der Stadtnicht über 1500 Menſchen geſtorben. In dem ambeſten verwalteten Hospital von Vera Cruz, demvon St. Sebaſtian, welchem ein berühmter Arztvorſteht, ſterben nur 12 bis 15 von 100, die amgelben Fieber krank ſind; im großen Hospital derMönche von San Juan de Dios, wo die Krankenin einem engen Raume zuſammengehäuft lagen,ſtieg dagegen in den letzten 15 Jahren die Sterb-lichkeit während ſtarker Epidemieen auf 30 bis 35von 100; man beklagt ſich aber auch allgemeinüber die Curart dieſer Mönche. Im Jahr 1806 ſindin Vera Cruz, die Hospitale mitgerechnet, über-haupt 663 Menſchen geſtorben. Da nun nach Qui-ros Berechnung die Stadt damals 35,510 Einwoh-ner hatte, ſo ſtieg die mittlere Sterblichkeit dieſesJahrs, in welchem die Epidemie des gelben Fiebersnicht herrſchte, nur auf 1,8 von Hundert. Im J. 1805ſtarben 1049 und war die Einwohnerzahl 36230, esbetrug alſo die mittlere Sterblichkeit im Jahre 2,8auf Hundert. Man ſieht daher, daß die Seeſtadt Vera Cruz in gewöhnlichen Jahren, wenn das gelbeFieber dort nicht wüthet, nicht ungeſunder iſt, alses die mehrſten Seeſtädte der heißen Zone ſind *).
*) Dieſer Sterblichkeit zu Folge würde vielmehr Vera Cruzeine der geſundeſten Städte auf der Erde ſeyn, belehrte uns
|293| Als in Spanien das gelbe Fieber wüthete, war dortdie Sterblichkeit viel größer. Es ſtarben nach denvon Hrn. Dumeril mir mitgetheilten Nachrichtenwährend der Epidemie
  • des Jahrs1800
    • zu Cadiz von 48520 Kranken, 9977
    • zu Sevilla — 7600020000
    • zu Xeres — 3000012000
  • 1801 zu Sevilla — 4100660
  • 1802
    • zu Alicante — 90002472
    • zu Cadiz — 50002000
Nach Herrn Arejula (de la Febre p. 148, 433.) ſtar-ben von 100 Kranken im Jahr 1800 zu Sevilla 19,zu Alikante 26, und im Jahr 1803 zu Malaga 40,und im Jahr 1804 eben daſelbſt über 60. Die ſpa-niſchen Aerzte, fügt er hinzu, können ſich rüh-men im Ganzen ⅗ der Kranken, mit denen esſchon bis zum ſchwarzen Erbrechen gekommenwar, geheilt zu haben. Dieſer Angabe eines be-rühmten praktiſchen Arztes zu Folge, würde dieSterblichkeit, wenn die Krankheit recht bösartigiſt, auf 40 von 100 Kranken ſteigen. Man darf in-deß bei allen dieſen Angaben nicht überſehn, daßdas gelbe Fieber nicht alle Jahre gleich bösartigiſt, ſo wenig als ſelbſt die Peſt, die in Aleppo nachDr. Ruſſels Bemerkungen manchmal unter ſo mil-dernden atmoſphäriſchen Einflüſſen eintritt, daß diedaran Erkrankenden nicht einmal bettlägrig werden. Die Behandlung des gelben Fiebers hat ſichſehr verbeſſert, ſeitdem man von dem ehemals in
nicht das Einwohner-Verzeichniß S. 257, daß die Zahlenſich nicht unmittelbar mit Sterblichkeitszahlen andrer Städtevergleichen laſſen. G.
|294]| den ſpaniſchen und franzöſiſchen Colonieen aus-nehmend großen Mißbrauch der Aderläſſe, Pur-ganzen und ſchwächenden Mittel zurück gekom-men iſt; ein Verdienſt, welches dem Brown’ſchenSyſtem zukömmt, das in Mexico noch enthuſiaſti-ſchere Anhänger als in Edinburg, Wien und inMailand gefunden hat. Aderläſſe, die der Dr. Ruſh ſo eifrig empfiehlt, hält man in Vera Cruz fürſchädlich; der Uebergang aus dem entzündetenZuſtande in den der Erſchlaffung oder den Typhusiſt in der heißen Zone ſo ſchnell, daß Blutverluſtdas gänzliche Abſpannen der Kräfte nur beſchleu-nigt. Keins von allen als Specificum gegen das gel-be Fieber gerühmten Mitteln hat in Vera Cruz denErfolg gehabt, den man davon erwartete, wederdie China, die ſich doch oft in den Antillen undin Spanien bewährt hat (einige ziehn ihr die Cortexanguſtura d. h. die Rinde der Bonplandia trifo-liata vor), noch der in Philadelphia und auf Ja-maika in Ruf ſtehende Calomel, noch der Ananas-ſaft und der Aufguß von Palo mulato (einer zumGeſchlecht Amyris gehörenden Pflanze). Unter-richtete Aerzte beſchränken ſich darauf, währendder erſten Periode der Krankheit Bäder, gelindeAbführungen, Sorbets, und beſonders Waſſer mitEis zu empfehlen *). Wenn die Kräfte ſehr er-
*) Man hat in Vera Cruz eine Schneepoſt (Poſta de nieve)eingerichtet, welche mit Hagel vermiſchten Schnee von demAbhange des Vulkans von Oribaza, in größter Geſchwin-digkeit nach Vera Cruz bringt. Der Schnee wird in altesLaub und Aſche eingewickelt, und die Mauleſel laufen da-mit im vollen Trab. Dennoch ſchmilzt auf dem 20 Lieues
|295| ſchlafft ſind, nehmen ſie zu den kräftigſten Erre-gungsmitteln ihre Zuflucht, und fangen mit denſtärkſten Doſen an, die ſie allmählig vermindern.Herr Comoto, Arzt des St. Sebaſtian-Hospitals,hat in einer Stunde bis auf 100 Tropfen Schwefel-Aether, oder 60 bis 70 Tropfen Laudanum liqui-dum reichen laſſen, mit außerordentlichem Erfolg.In allen Perioden der Krankheit zeigt ſich das Ein-reiben von Baumöhl, welches berühmte Aerzte em-pfohlen haben, von Nutzen.
Indeß auch bei der beſten Behandlung bleibtdas gelbe Fieber immer eine höchſt gefährlicheKrankheit, die ſich häufig in Vera Cruz einfinden unddort Verwüſtungen anrichten wird, bis man es wirddahin gebracht haben, die Ungeſundheit der Luftdurch Austrocknen der die Stadt umgebenden Mo-räſte zu mindern, den Einwohnern trinkbares Waſ-ſer zuzuleiten, die Hospitäler und Kirchhöfe ausden Ringmauern zu entfernen, in den Krankenſälen,in den Kirchen, und beſonders am Bord der Schiffetägliche Räucherungen mit oxygenirt-ſalzſaurem Gaseinzuführen, und die Stadtmauern niederzureißen,welche die Einwohner zwingen, ſich in einem zu klei-nen Raume zuſammen zu drängen, und den Luftzughindern, ohne dem Schleichhandel abzuhelfen.


langen Wege, etwa die Hälfte, da das Thermometer auf29 bis 30 C. Grade zu ſtehen pflegt. Die Einwohner könnendaher täglich Sorbets und Waſſer mit Eis haben, welches einaußerordentlicher Vorzug dieſes von ſo viel Europäern undMexicanern aus dem Innern beſuchten Hafens iſt, den dieAntillen, Carthagena und Panama entbehren. v. H.