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Alexander von Humboldt: „Gelbes Fieber in Neu-Spanien“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1811-Fragment_d_un-3-neu> [abgerufen am 25.04.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1811-Fragment_d_un-3-neu
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Titel Gelbes Fieber in Neu-Spanien
Jahr 1814
Ort Stuttgart; Tübingen
Nachweis
in: Morgenblatt für gebildete Stände 8:47 (24. Februar 1814), S. [185]–186; 8:48 (25. Februar 1814), S. [189]–190; 8:50 (28. Februar 1814), S. 199.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: III.7
Dateiname: 1811-Fragment_d_un-3-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 5
Spaltenanzahl: 10
Zeichenanzahl: 16630

Weitere Fassungen
Fragment d’un ouvrage ayant pour titre: Essais politiques sur le Mexique (Paris, 1811, Französisch)
Bemerkungen über das gelbe Fieber, und dessen Zusammenhang mit der Temperatur (Leipzig, 1813, Deutsch)
Gelbes Fieber in Neu-Spanien (Stuttgart; Tübingen, 1814, Deutsch)
Yellow Fever (Boston, Massachusetts, 1820, Englisch)
From Humboldt’s Essay on New Spain (Washington, District of Columbia, 1820, Englisch)
From Humboldt’s Essay on New Spain (New York City, New York, 1820, Englisch)
Das Klima von Mexico’s Haupthafen Veracruz (Hamburg, 1826, Deutsch)
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Gelbes Fieber in Neu-Spanien. (Bruchſtück aus Alexander von Humboldts „Neu-Spanien.“)

Da eine außerordentliche Hitze die Thätigkeit des Gal-lenſyſtems vermehrt, ſo muß der Gebrauch des Eiſes un-ter der heißen Zone nothwendig ſehr wohlthätig ſeyn.Man hat daher Relais angelegt, um den Schnee mitgrößter Schnelligkeit auf Maulthieren vom Abhang desVulkans von Orizaba nach dem Hafen von Verakruz her-abzuſchaffen. Der Weg, den die Schneepoſt (posta denieve) durchläuft, beträgt achtundzwanzig Meilen. DieIndianer wählen Stücke von Schnee, die mit zuſammen-geballtem Hagel vermiſcht ſind. Nach einem alten Ge-brauch umgeben ſie dieſelben mit dürren Kräutern, undmanchmal auch mit Aſche, zwey Subſtanzen, welche be-kanntlich ſchlechte Wärmeleiter ſind. Ungeachtet die, inOrizaba mit Schnee beladenen, Maulthiere in vollemTrab in Verakruz ankommen, ſo ſchmilzt doch mehr alsdie Hälfte davon unterwegs, da die Temperatur derAtmoſphäre im Sommer beſtändig 29° bis 30° iſt. Trotzdieſen Hinderniſſen können die Bewohner der Küſte täg-lich Sorbete und Eiswaſſer haben. Dieſer Vortheil, deſ-ſen man auf den Antillen, in Carthagena und in Panamaberaubt iſt, hat für eine Stadt, welche immer von Eu-ropäern und auf dem Centralplateau von Neu-Spaniengebornen Menſchen beſucht wird, einen unendlich hohenWerth. Obſchon das gelbe Fieber in Verakruz durch unmit- |Spaltenumbruch|telbare Berührung nicht anſteckend, und es keineswegswahrſcheinlich iſt, daß es jemals von außen hereingekom-men, ſo iſt doch eben ſo gewiß, daß es ſich nur zu beſtimm-ten Zeiten zeigt, ohne daß man bis jetzt entdecken konnte,welche Modifikationen der Atmoſphäre dieſe periodiſchenVeränderungen unter der heißen Zone erzeugen. Es iſtzu bedauern, daß die Geſchichte der Epidemien nicht überein halbes Jahrhundert hinaufreicht. Das große Mili-tär-Hoſpital von Verakruz wurde im December 1764 er-richtet; aber kein Dokument der Archive deſſelben thutvon Krankheiten Erwähnung, welche dem Vomito von 1762vorangeangen wären. Letztere Epidemie, welche unterdem Vice-König, Marquis de Croix, angefangen, ſetzteihre Verheerungen bis 1775 fort, wo man die Straßenvon Verakruz pflaſterte, und einige ſchwache Polizey-Mit-tel zur Verminderung der außerordentlichen Unreinlichkeitder Stadt anwandte. Die Einwohner ſtellten ſich im An-fang vor, daß das Straßenpflaſter die Ungeſundheit derLuft vermehre, indem es durch das Zurückprallen derSonnenſtrahlen die unerträgliche Hitze im Innern derStadt vergrößere; allein als ſie geſehen, daß ſich das Vomito von 1776 bis 1794 nicht mehr gezeigt hatte, ſoglaubten ſie, das Pflaſter habe ſie nun für immer davorbewahrt, und dachten nicht daran, daß die Lachen vonſtehendem Waſſer, ſüdlich und öſtlich von der Stadt, un-aufhörlich faule Dünſte in die Atmoſphäre gießen, wel-che man in Verakruz jeder Zeit als den beſondern Herdder tödtlichen Miasmen betrachtet hat. Es iſt indeß eine |186| |Spaltenumbruch|ſehr merkwürdige Thatſache, daß die letzten acht Jahrevor 1774 nicht ein einziges Beyſpiel vom Vomito vorkam,ungeachtet das Zuſammenſtrömen der Europäer und Mexi-kaner aus dem Innern äußerſt groß war, die nicht akkli-matiſirten Matroſen ſich den nämlichen Ausſchweifungenüberlieſſen, welche man ihnen heut zu Tag vorwirft, unddie Stadt nicht ſo reinlich war, als ſie es ſeit 1800 iſt. Die grauſame Epidemie, welche ſich 1794 zeigte, fingmit der Ankunft von drey Kriegsſchiffen, dem Linienſchiff el Mino, der Fregatte Venus, und dem Huker San-ta Vibiana an, welche Portorico berührt hatten. Dadieſe Fahrzeuge eine Menge junger, noch nicht akklima-tiſirter Seeleute enthielten, ſo begann das Vomito in Ve-rakruz mit größter Heftigkeit. Von 1794 bis 1804 erſchiendie Krankheit jedes Jahr, ſo wie die Nordwinde aufhör-ten, wieder. Darum ſehen wir auch, daß das Militär-Hoſpital von 1787 bis 1794 nur 16,835 Kranke aufnahm,da ihre Zahl hingegen von 1795 bis 1802 ſich auf 57,213belief. Die Mortalität war beſonders aber im Jahr 1799ſehr ſtark, weil der Vice-König, Marquis von Bran-ciforte, aus Beſorgniß einer Landung der Engländerauf den Oſtküſten, viele Truppen in einem ſehr ungeſun-den Ort, zu Aroyo Moreno, dritthalb Meilen von Vera-kruz, kantoniren ließ. Es iſt übrigens zu bemerken, daß das gelbe Fieber inder Periode vor 1794 nie auf der Havanah und den übri-gen Antillen, mit welchen die Kaufleute von Verakruzunaufhörlich in Handlungverkehr ſtehen, zu wüten auf-gehört hat. Mehrere hundert Schiffe kamen jährlich vondieſen angeſteckten Orten, ohne daß ſie unter Quarantainegeſetzt wurden, und dennoch äußerte ſich das Vomito inVerakruz nie unter den Europäern. Ich habe in den me-teorologiſchen Regiſtern von Herrn Orta die Tempera-tur des Jahrs 1794 Monat für Monat unterſucht; aberſtatt höher zu ſeyn, war ſie niedriger, als in den vorigenJahren. Hitze und Feuchtigkeit der Luft können auf zwey ver-ſchiedne Weiſen auf die Entwicklung der Epidemien wir-ken; ſie können die Erzeugung der Miasmen begünſtigen,oder auch blos die Reizbarkeit der Organe vermehren, undals prädiſponirende Urſachen wirken. Nach den oben an-gegebenen Thatſachen iſt der Einfluß der Temperatur aufdie Fortſchritte des Vomito in Verakruz nicht zu läugnen;aber nichts beweist auch, daß die Krankheit, wenn ſiemehrere Jahre aufgehört hat, blos durch einen ſehr heiſ-ſen und ſehr feuchten Sommer wieder erzeugt werden könne;auch bewirkt die Hitze allein das nicht, was man, ziem-lich unbeſtimmt, eine gallige Conſtitution nennt.Ungeachtet die Haut der Kranken eine gelbe Farbe annimmt,ſo iſt es doch nicht wahrſcheinlich, daß die Galle in dasBlut übergeht, und daß die Leber und das Pfort-Ader-ſyſtem eine Hauptrolle im gelben Fieber ſpielen, wie man |Spaltenumbruch|angenommen hat. Die ſchwarzen Materien, welche manim Vomito prieto von ſich gibt, haben nur eine ſchwacheAnalogie mit der Galle; ſie gleichen dem Kaffeeſatz, undich habe geſehen, daß ſie zuweilen unauslöſchbare Fleckenin der Leinwand und auf Mauern zurücklaſſen. Erhitztman ſie nur wenig, ſo entwickelt ſich mit Schwefel ver-bundener Waſſerſtoff daraus. Nach Herrn Pfirth’s Verſuchen enthalten ſie keinen Eiweißſtoff, ſondern ein Harz,eine öhlige Materie, phosphorſaures Salz, phosphor-und ſalzſauern Kalk und Soda. Derſelbe Anatomiker hatdurch die Oeffnung von Kadavern, in welchen das rechteMundloch des Magens völlig obſtruirt war, bewieſen,daß die Materie des Vomito nicht durch die hepatiſchenKanäle geliefert, ſondern durch die Arterien, welche ſichin die Schleimhaut verbreiten, in den Magen gegoſſenwird. Er verſichert, was ſehr auffallend iſt, daß mannach dem Tode dieſe ſchwarze Materie noch in denſelbenGefäßen findet. (Der Beſchluß folgt.) |189| |Spaltenumbruch|

Gelbes Fieber in Neu-Spanien. (Fortſetzung.)

Einige neu-ſpaniſche Aerzte nehmen an, daß die Epi-demien des Vomito, gleich den Pocken, in der heißen Zoneperiodiſch ſind, und daß die glückliche Zeit bereits nahe iſt,wo die Europäer auf den Küſten von Verakruz landen |Spaltenumbruch| können, ohne größere Gefahr daſelbſt zu laufen, als inTampico, in Coro und Cumana, oder überall, wo dasKlima ſehr heiß, aber auch ſehr geſund iſt. Wird dieſeHoffnung erfüllt, ſo iſt es von größter Wichtigkeit, dieModifikationen der Atmoſphäre, die Veränderungen,welche auf der Oberfläche des Bodens ſtattfinden können,das Austrocknen der Lachen, kurz alle Phänomene, welchemit dem Ende der Epidemie zuſammentreffen, ſorgfältigzu unterſuchen. Deſſenungeachtet würde ich mich dochnicht wundern, wenn dieſe Unterſuchungen zu keinempoſitiven Reſultat führten. Die ſchönen Verſuche derHerrn Thenard und Dupuytren haben uns belehrt,daß außerordentlich geringe Quantitäten von geſchwefeltemWaſſerſtoff in Vermiſchung mit atmoſphäriſcher Luft hin-reichend ſind, um Aſphyrien hervorzubringen. Die Phä-nomene des Lebens werden durch eine Menge von Urſa-chen, unter denen die mächtigſten unſern Sinnen entge-hen, modificirt. Ueberall ſehen wir Krankheiten entſte-hen, wo organiſche Subſtanzen, bey einem gewiſſen Gradvon Feuchtigkeit von der Sonne erhitzt, im Contakt mitder atmoſphäriſchen Luft ſind. Unter der heißen Zoneaber werden die kleinen Lachen um ſo gefährlicher, da ſie,wie in Verakruz und in amerikaniſch Carthagena, mitdürrem Sandboden umgeben ſind, welcher die Tempera-tur der ſie umgebenden Luft ſteigert. Wir errathen zwareinige der Bedingungen, unter denen ſich Gasdünſte, wel-che man Miasmen nennt, entwickeln; aber wir kennenihre chemiſche Zuſammenſetzung noch nicht. Man darf die |190| |Spaltenumbruch| Wechſelfieber nicht mehr dem Waſſerſtoff beymeſſen, der ſichan heißen und feuchten Orten anhäuft; eben ſo wenig dieataxiſchen Fieber den Amoniakaldünſten, und die Entzün-dungkrankheiten einer Vermehrung des Sauerſtoffs inder atmoſphäriſchen Luft. Auch hat uns die neuere Che-mie, der wir ſo viele poſitive Wahrheiten verdanken, be-lehrt, daß wir eine Menge Dinge nicht wiſſen, mit derenvölliger Kenntniß wir uns lange geſchmeichelt haben. Wie groß aber auch unſre Unwiſſenheit über die Naturder Miasmen ſeyn mag, welche vielleicht dreyfache odervierfache Combinationen ſind, ſo iſt doch nicht weniger ge-wiß, daß die Ungeſundheit der Luft in Verakruz auffallendabnehmen würde, wenn es gelänge, die Lachen, welche dieStadt umgeben, auszutrocknen; wenn man den Bewoh-nern Trinkwaſſer anſchaffte, die Hoſpitäler und Gottes-äcker von ihnen entfernte, häufig in den Krankenzimmern,in den Kirchen, und beſonders in den Schiffen, ſalzſaureRäucherungen anſtellte; und wenn man endlich die Mau-ern der Stadt abtrüge, welche die Bewohner nöthigen,ſich in einem engen Raum zu concentriren, und die Cirku-lation der Luft hindern, ohne dem Schleichhandel Ein-halt zu thun. Wendet die Regierung hingegen das äußerſte Mittelan, eine Stadt zu zerſtören, deren Bau ſo viele Millio-nen gekoſtet hat; und zwingt ſie die Kaufleute, ſich inXalapa niederzulaſſen, ſo wird die Mortalität in Verakruzdoch nicht ſo ſehr abnehmen, als man auf den erſten Blickglauben ſollte. Freylich könnten die ſchwarzen oder diean der Küſte gebornen Maulthiertreiber die Waaren bisnach dem Pachthof vom Encero ſchaffen, welcher die obereGränze des Vomito iſt, und die Bewohner von Queretaround Puebla brauchten nicht mehr bis zum Hafen herabzu-kommen, um ihre Einkäufe zu machen; allein die See-leute, unter welchen das Vomito immer die größten Ver-heerungen anrichtet, wären doch immer gezwungen, indem Hafen zu bleiben. Diejenigen, welche man zum Auf-enthalt in Xalapa zwänge, würden gerade ſolche ſeyn,die an das Klima von Verakruz gewöhnt ſind, weil ſieſchon lange durch Handlung-Intereſſen an die Küſten ge-feſſelt waren. Wir unterſuchen hier die große Schwierig-keit nicht, mit welcher Geſchäfte, die jährlich ein Kapitalvon 250 Millionen Livres umfaſſen, ſo fern vom Hafenund den Magazinen gemacht werden müſſten; denn dieſchöne Stadt Xalapa, wo man einen ewigen Frühling ge-nießt, iſt über zwanzig Meilen von der Küſte entlegen.Zerſtört man Verakruz, und errichtet eine Meſſe in Xalapa,ſo fällt der Handel aufs Neue in die Hände einiger mexi-kaniſchen Familien, die ungeheure Reichthümer dabey ge-winnen; der kleine Handelsmann kann die Koſten nicht er-ſchwingen, welche die häufigen Reiſen von Xalapa nachVerakruz und die doppelte Niederlaſſung auf den Gebirgenund an den Küſten erfordert. |Spaltenumbruch| Einſichtvolle Männer haben dem Vizekönig die Nach-theile fühlbar gemacht, welche aus der Zerſtörung von Ve-rakruz entſtehen würden; aber ſie ſchlugen auch zugleichvor, daß man den Hafen während der heißeſten Monateſchließen, und die Schiffe nur im Winter einlaufen laſſenſollte, wo die Europäer beynahe nichts in demſelben vomgelben Fieber zu fürchten haben. Dieſe Maßregel ſcheintſehr weiſe, wenn man nur die Gefahr berückſichtigt, welchedie ſchon im Hafen angekommen Seeleute zu laufen ha-ben; allein man darf auch nicht vergeſſen, daß dieſe Nord-winde, welche die Atmoſphäre abkühlen, und den Keim derInfektion erſticken, die Schifffahrt im Golf von Mexiko ſehrgefährlich machen. Würden alle Schiffe, welche jährlich indem Hafen von Verakruz einlaufen, im Winter ankommen,ſo dürften die Schiffbrüche, ſowol auf den amerikaniſchenals auf den europäiſchen Küſten, äußerſt häufig werden. Aus dieſen Betrachtungen ergibt es ſich alſo, daß, be-vor man zu ſo gewöhnlichen Maßregeln ſchreitet, erſt alleandre Mittel verſucht werden müſſen, die Ungeſundheit ei-ner Stadt zu vermindern, deren Erhaltung nicht nur mitdem individuellen Glück ihrer Bewohner, ſondern auch mitdem allgemeinen Wohl von Neu-Spanien zuſammenhängt. (Der Beſchluß folgt.) |199| |Spaltenumbruch|
Gelbes Fieber in Neu-Spanien. (Beſchluß.) In der Jahrszeit, in welcher das Vomito ſehr ſtarkherrſcht, reicht der kürzeſte Aufenthalt in Verakruz oderder, die Stadt umgebenden, Atmoſphäre für nicht akkli-matiſirte Menſchen hin, um davon befallen zu werden.Die Einwohner von Mexiko, welche nach Europa reiſenwollen, und ſich vor den ungeſunden Küſten fürchten, hal-ten ſich gewöhnlich bis zum Augenblick ihrer Abreiſe inXalapa auf; ſie begeben ſich ſodann während der Nacht-kühlung auf den Weg, und paſſiren Verakruz in einer Sänf-te, bis ſie ſich in der Schaluppe, welche ſie an dem Moloerwartet, einſchiffen. Deſſenungeachtet ſind dieſe Vorſicht-maßregeln zuweilen vergeblich, und es geſchieht, daß der-gleichen Perſonen unter allen Reiſenden dem Vomito, während der erſten Tage der Ueberfahrt, zuerſt unterliegen.Man könnte annehmen, daß ſie die Krankheit in dieſemFall an Bord des Schiffes, welches in dem Hafen vonVerakruz gelegen hat, und tödtliche Miasmen enthält, er-halten habe; allein die Schnelligkeit der Anſteckung iſtviel unbeſtreitbarer durch die häufigen Beyſpiele von wohl-habenden Europäern bewieſen, welche an dem Vomito ge-ſtorben ſind, ungeachtet ſie bey ihrer Ankunft am Molovon Verakruz bereits Sänften beſtellt fanden, um ſogleichdie Reiſe auf den Perote vorzunehmen. Dieſe Thatſachenſcheinen auf den erſten Blick für das Syſtem zu ſprechen,dem zu Folge das gelbe Fieber unter allen Zonen für an-ſteckend angeſehen wird. Aber wie iſt es zu beweiſen,daß eine Krankheit ſich in großen Entfernungen mittheilt,während die in Verakruz entſchieden durch unmittelbareBerührung nicht kontagiös iſt? Nimmt man nicht beſ-ſer an, daß die Atmoſphäre von Verakruz faule Dünſteenthält, welche bey’m kürzeſten Einathmen derſelben dieLebensfunktionen in Unordnung bringen? Die meiſten neuangekommenen Europäer fühlen wäh-rend ihres Aufenthalts in Verakruz die erſten Symptome des Vomito, das ſich durch einen Schmerz in den Len-dengegenden, durch die Gelbfärbung des Weiſſen im Aug’und durch Anzeigen von Kongeſtionen gegen den Kopf an-kündigt. Bey mehrern Individuen erklärt ſich die Krank-heit erſt, wenn ſie in Xalapa oder auf den Gebirgen derPileta in der Region der Pinien und Eichen ſechszehn bisſiebenzehnhundert Meter über der Meeresfläche angekom-men ſind. Leute, die lange in Xalapa gelebt haben, glau-ben es den Zügen der Reiſenden, welche von den Küſten |Spaltenumbruch| auf das Plateau im Innern heraufkommen, anzuſehen,wenn ſie, ohne es ſelbſt noch zu fühlen, bereits den Keimder Krankheit in ſich tragen. Die Niedergeſchlagenheit desGeiſtes und die Furcht vermehren natürlich die Prädis-poſition der Organe, um die Miasmen aufzunehmen; unddieſe Urſachen machen den Anfang des gelben Fiebers vielheftiger, wenn man dem Kranken unvorſichtigerweiſe *) die Gefahr verkündigt, der er ausgeſetzt iſt.

*) Ich kann in dieſer Rückſicht einen um ſo merkwürdigernZug anführen, da er zugleich das Phlegma und die Gleich-gültigkeit der Eingebornen von der kupferfarbigen Raçeſchildert. Ein Mann, mit dem ich während meines Auf-enthalts in Mexiko in genauer Bekanntſchaft ſtand, warauf ſeiner erſten Reiſe von Europa nach Amerika nurſehr kurze Zeit in Verakruz geblieben, und kam in Xalapaan, ohne etwas zu ſpüren, das ihn über die Gefahr, dieauf ihn wartete, belehrt hätte. „Sie kriegen das Vo-mito heut’ Abend;” ſagte ein indianiſcher Barbier, in-dem er ihn einſeifte, zu ihm; „die Seife trocknet, wie ichſie auflege. Dies iſt ein ſicheres Zeichen; denn ſchon zwan-zig Jahre raſiere ich alle Chapetons, die durch unſreStadt nach Mexiko gehen. Von fünfen ſterben immerdrey.” Dieſes Todesurtheil machte natürlich einen ſtar-ken Eindruck auf den Reiſenden. Er mochte dem India-ner vorſtellen, wie er wollte, daß ſeine Rechnung über-trieben ſey und daß eine erhitzte Haut keine Infektionbeweiſe; der Barbier blieb bey ſeiner Behauptung. Undwirklich äußerte ſich die Krankheit wenige Stunden nach-her, und der Reiſende, welcher ſich ſchon auf dem Wegnach Perote befand, muſſte ſich nach Xalapa zurückbrin-gen laſſen, wo er beynah’ der Heftigkeit des Vomito unterlag.