Resultate für Länder- und Völkerkunde.
Bei dem Zweck der Reise, den wir in dem Eingange zu diesem Be-richte ausgesprochen haben, sind Beobachtungen über Völker- und Länder-kunde, so wie graphische Versuche dieser Art nur als Nebenarbeiten zu be-trachten; doch wird die kurzgefaßte Erwähnung dessen, was auch in diesemFache geschehen ist, lehren, daß die Reisenden, ohne Hülfe astronomischerOrtsbestimmungen, durch häufige Messung der Winkel, welche die wich-tigsten Punkte mit dem magnetischen Meridian machen, durch Schätzen derAbstände und durch sorgfältig geführte Itinerarien doch viele wichtige topo-graphische Materialien zusammengetragen haben. Am Eingange des Meer-busens von Akaba und bei Gisan hat Herr Ehrenberg die Umrisse mehre-rer Inseln gezeichnet, welche in Valenzia’s Karten gänzlich fehlen. DieInsel Farsan von drei Tagereisen im Umfange mit drei Dörfern und mehre-ren Häfen für kleine Schiffe, ist als eine neue geographische Entdeckung zubetrachten. Eine besondere Aufmerksamkeit verdienen ferner die Reise-routen von Tor nach dem Sinai und Suez; über Bir Beda nach dem Schilf-sumpfe ohnweit dem Berge
; von Suez bis zur Insel Cameran längsder Ostküste des rothen Meeres, wo eine Menge Ankerplätze den Geogra-phen unbekannt waren; von Gumfude in das Land der Wechabiten bis zumBerge Derban; von Massaua in Habessinien bis zu dem Taranta-Gebirgeund den warmen Quellen bei Eilet; von den beiden Schneespitzen des Li-banon durch Cölesyrien nach Balbek und von da nach der Küste von Tri-polis; von Alexandrien nach Bir el Kor und von da nach der Oase von Siwa.In den nördlichen Küstenländern des rothen Meeres wurden geographischeBeobachtungen gesammelt, welche für die ältesten und ehrwürdigsten Tra-ditionen des Menschengeschlechts aufklärend sind. So sahen die ReisendenBir Beda, wahrscheinlich das bisher noch unbestimmt gebliebene Bedea derheiligen Schrift und das Schilfmeer Jam suf. Das alte Midian, MosesAufenthaltsort, wird noch durch die Lage von Magne, wo Häuser vonGärten umgeben liegen, bezeichnet. Bei Tor erkannten Ehrenberg undHemprich in dem warmen Quell Rhalin die Station der Israeliten Elim.Brunnen sind in diesen Ländern bleibendere Denkmähler der Natur, alsWälder und Sandhügel. Außer diesen geographischen Notizen haben dieReisenden noch nach Europa gesandt:|133|
- 1) ein Verzeichniß sämmtlicher Ortschaften der Maroniten im nördlichenTheile des Libanon in arabischer und lateinischer Orthographie, 616 anZahl, geschrieben von einem Secretair des Emir Bschir, Prinzen desLibanon.
- 2) ein Namenverzeichniß sämmtlicher Ankerplätze, Inseln, Corallenriffeund Ortschaften an der Ostküste des rothen Meeres zwischen Suez undCameran 287 an Zahl, großentheils in arabischer Sprache.
- 3) ein ähnliches Namenverzeichniß (86 an Zahl), für die Westküste desrothen Meeres.
- 4) die von einem Araber, in der Armee des Pascha von Ägypten aufge-nommene Karte des Landes der Wechabiten von Taife (bei Mekka) bisAssir und Gumfude.
- 5) Profile der gebirgigten Ostküste des rothen Meeres, des Sinai, des Li-banon und der Insel Cypern, von Doctor Ehrenberg gezeichnet.
Wir erwähnen nicht der Bemerkungen über Menschenraçen, Sittenund Sprache, welche die Tagebücher der Naturforscher enthalten. Sie ha-ben überall den Einfluß der Climate auf den Organismus beobachtet, undgegen 800 Thermometer-Beobachtungen in Gegenden angestellt, über derenmittlere Temperatur, innerhalb der Tropen oder an der südlichen Grenzeder temperirten Zonen (wo noch eine beträchtliche Winterkälte eintritt),man bisher so wenig bestimmte Erfahrungen hat. Für die Königl. Samm-lungen sind viele Menschen- und Thier-Mumien, zwei griechische Papyrus-Rollen in Ägypten gefunden, sieben arabische Manuscripte und eine habes-sinische Bibel (die Psalmen in der Amhara-Sprache) wichtige Bereicherungengeworden.
Dies ist die gedrängte Übersicht der wissenschaftlichen Resultate,welche Ehrenberg’s und Hemprich’s Reisen
durch Ägypten,
Nubien,Syrien und
beide Küstenländer des rothen Meeres geliefert haben.
DerHauptzweck eines so wichtigen Unternehmens würde unerfüllt bleiben,
wennBeobachtungen, die zur Erweiterung aller Theile der Naturkunde und
derphysikalischen Erdbeschreibung so wesentlich beitragen und die als
ein ge-meinsames Eigenthum aller gebildeten Nationen zu betrachten
sind, nichtdurch Unterstützung des Staats zur öffentlichen
Bekanntmachung gefördertwürden. Bei dem wohlthätigen Schutze, den die
Regierung allen Bestre-|134| bungen schenkt, die
den Wissenschaften und Künsten ersprießlich, denRuhm des Vaterlandes
erhöhen, können wir jene Besorgniß mit Zuversichtvon uns entfernen. Es
liegt aber den Berichterstattern ob, den Wunsch derAkademie für eine
Art der Bekanntmachung auszudrücken, die den gegen-wärtigen
Bedürfnissen der Wissenschaften auf das Vollkommenste entspricht,ohne
durch übermäßige Pracht die herauszugebenden Werke einem großenTheil
der Naturforscher unzugänglich zu machen. Abbildungen organischerKörper
in Farben können nicht sorgfältig genug sein, wenn sie neue For-men,
gleichsam den Typus einer neuen Familie, oder einer neuen Gat-tung
darstellen. Dagegen sind Linear-Umrisse hinlänglich, so oft aus
be-kannten Gattungen eine große Zahl neuer Arten beschrieben wird.
HerrnEhrenberg’s treffliche Zeichnungen auf der
Reise selbst in Ansicht derNaturgegenstände entworfen, können für das
zum Muster dienen, was nochzu leisten übrig ist. Ein Reisewerk, dessen
Charakter Mannigfaltigkeit undGründlichkeit des Beobachteten ist, muß
seine Hauptzierde in der einfachenTreue und in der zweckmäßigen Auswahl
des Abzubildenden finden. Aufdiese Weise wird die Herausgabe schneller
und für den Staat minder kostbarsein. Die Akademie der Wissenschaften,
welche die Reise veranlaßt, undaus ihren eigenen Mitteln beträchtlich
unterstützt hat, würde ihren Beruf,für lebendige und freie Verbreitung
des Wissens zu sorgen, unerfüllt lassen,wenn sie nicht die Arbeiten Ehrenberg’s und Hemprich’s zu
baldigerBekanntmachung auf das Dringendste empföhle. Berlin am 13. November 1826.A. v. Humboldt. Lichtenstein. Link. Rudolphi. Weiß.