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Bericht uͤber die naturhiſtoriſchen Reiſen derHerren Ehrenberg und Hemprich
durch Aegypten, Dongola, Sy-rien, Arabien und den oͤſtlichen Abfall des habeſſiniſchen Hochlandes, inden Jahren 1820 — 1825. — Geleſen in der koͤniglichen preußiſchen Aka-demie der Wiſſenſchaften von Alex. v. Humboldt.
Die Akademie der Wiſſenſchaften hat uns aufgetragen, Herrn
Link,
Lichtenſtein, Rudolphi, Weiß, und mir, einen Bericht uͤber dieReiſen zu erſtatten, welche auf Koſten des Staats, von Herren
Ehren-berg
und
Hemprich
durch die libyſche Wuͤſte, Aegypten, Sennaar,
Dongola, den Libanon, Coͤleſyrien, das weſtliche Arabien und den oͤſtlichenAbfall des habeſſiniſchen Hochlandes in den Jahren 1820 — 1825 unternom-men worden ſind, und alle Theile der Naturkunde, wie die der phyſikali-ſchen Erdbeſchreibung auf die denkwuͤrdigſte Weiſe bereichert haben.
Wenn es bei dem belebenden Einfluſſe, den jede Vermehrung wiſſen-ſchaftlicher Sammlungen auf die Erweiterung menſchlichen Wiſſens aus-uͤbt, ſchon an ſich ein nicht zu verkennendes Verdienſt iſt, in der langenDauer gefahrvoller Reiſen, eine große Zahl neuer Naturkoͤrper zu entde-cken, aufzubewahren, und wohlerhalten nach Europa zuruͤckzubringen, ſowird dieſes Verdienſt auf das vielfachſte erhoͤht, wenn die vom Staateausgeſandten Maͤnner mit trefflichen Vorkenntniſſen ausgeruͤſtet, und vondem Gefuͤhl eines hoͤheren wiſſenſchaftlichen Berufs durchdrungen, nichtblos als raſtloſe Sammler, ſondern zugleich auch als beobachtende Natur-forſcher auftreten.
Alles was ſich bezieht auf die geographiſche Vertheilung der Thier-und Pflanzen-Formen, auf den Einfluß, welchen Beſchaffenheit des Bo-dens, Hoͤhe des Standorts, und mannigfaltige klimatiſche Verhaͤltniſſe aufdas organiſche Leben ausuͤben, kann nur durch unmittelbare Anſchauung
|74| von den Reiſenden ſelbſt ergruͤndet werden. Die Sitten der Thiere ſindnicht minder wichtig, als die Kenntniß ihres Baues, welcher jene Sittenbeſtimmt. Eine große Zahl der feinſten, anatomiſchen und phyſiologiſchenBeobachtungen kann nur an Ort und Stelle geſammelt werden. Die geo-gnoſtiſche Kenntniß des Erdkoͤrpers wird nicht durch Einſenden von Mi-neralien gefoͤrdert, die ohne ein leitendes Prinzip, ohne Hinſicht auf ihreGruppirungen in Gebirgsarten, auf ihr relatives Vorwalten, auf ihrenUebergang in einander und ihre Altersfolge, an iſolirten Felsklippen ge-brochen worden ſind. Der beobachtende Geognoſt allein kann den Fort-ſchritten der Geognoſie nuͤtzlich werden und eine Wiſſenſchaft, deren weſent-licher Karakter Darſtellung des Zuſammenhanges in den Erſcheinungen,Ergruͤndung der Verhaͤltniſſe heterogener Gebirgsmaſſen iſt, wird aus denthaͤtigſten Bemuͤhungen unwiſſenſchaftlicher Sammler nie den Zuwachs er-halten, welchen dieſelben Bemuͤhungen dem beſchreibenden Theile der Thier-und Pflanzenkunde gewaͤhren.
Ehrenberg
und
Hemprich, auf welche die Wahl der Akademiedurch mehre ausgezeichnete Arbeiten geleitet worden war, haben allen denAnforderungen, welche man, im gegenwaͤrtigen Zuſtande der Wiſſenſchaftenan gelehrte Reiſende machen kann, auf das gluͤcklichſte entſprochen. Dieeinfache Aufzaͤhlung deſſen, was beide geleiſtet, iſt der unwiderleglichſteBeweis davon. Sie haben geſammelt, als waͤre Sammeln allein ihrZweck geweſen; fuͤr Praͤparation, Aufbewahrung, ſpezifiſche Benennung derGegenſtaͤnde gearbeitet, wie vielleicht, unter aͤhnlichen Umſtaͤnden, nie vonReiſenden geſchehen iſt. Die an das koͤnigliche Muſeum uͤberſandten Ge-genſtaͤnde fuͤllten 114 Kiſten (zu 20 bis 30 Kubikfuß) aus. Die Geſammt-zahl der aufbewahrten Individuen von Pflanzen uͤberſteigt 46.000, worun-ter 2900 Arten. Die Geſammtzahl der Thiere begreift 34.000 Individuen,worunter 135 verſchiedene Spezies von Saͤugthieren, 430 Arten von Voͤ-geln, 546 Fiſcharten und Amphibien, 600 Spezies von Anneliden undKruſtaceen und 2000 Inſekten-Arten. Die koͤnigliche Mineralien-Samm-lung iſt mit 300 Stuͤcken von Gebirgsarten bereichert worden, die nachihrer Auf- und Anlagerung geordnet, uͤber den innern Bau des Erdkoͤr-pers in fernen, geognoſtiſch-unentdeckten Laͤndern ein hohes Licht verbrei-ten. Aber alle dieſe Sammlungen von Mineralien, von phanerogamiſchenund kryptogamiſchen Gewaͤchſen (unter denen die erſtern allein wahrſchein-lich 5 bis 600 unbekannte Arten enthalten), von thieriſchen Bildungenaller Klaſſen, beſonders der unteren, gewoͤhnlich von reiſenden Zoologenganz vernachlaͤſſigten, ſind (ſo wichtig auch an ſich ihr materieller Beſitzfuͤr die koͤniglichen Sammlungen und ihre freie Benutzung fuͤr die Er-weiterung naturhiſtoriſcher Kenntniſſe wird) doch nur als ein ſekundaͤrerGewinn zu betrachten, als ein Gewinn, welcher demjenigen nachſteht, deraus einer oͤffentlichen Bekanntmachung der von Herren
Ehrenberg
und
Hemprich
angeſtellten Beobachtungen entſpringen wird.
Erforſchung der Natur in der Mannigfaltigkeit ihrer Erzeugniſſe unddem Zuſammenwirken ihrer Kraͤfte iſt der weſentliche Zweck einer Expedi-
|75| tion, wie die, uͤber deren Fruͤchte wir der Akademie Bericht abſtatten.Geographiſche Entdeckungsreiſen eines
Mungo-Park, Burkard,
Caillaud
und
Clapperton
haben einen andern Karakter und ſollenandere Anſpruͤche erfuͤllen. Durch ſorgfaͤltige Scheidung der heterogenenZwecke, welche beide Arten von Reiſen zu erfuͤllen haben, werden dieBericht-Erſtatter in den Geſichtspunkt geſtellt, aus dem ſie hoffen duͤrfen,ein gerechtes Urtheil uͤber das Geleiſtete zu faͤllen. Eindringen in dasInnere eines noch uneroͤffneten Kontinents, Erforſchung neuer Flußver-bindungen oder trennender Waſſerſcheiden, Auffinden volk- und gewerbe-reicher Staͤdte, als unerwarteter Zeugen der geheimen Fortſchritte menſch-licher Bildung, verheißen mit Recht dem Entdecker einen Ruhm, welcherkaum einem anderen nachſteht, der dem Muthe gebuͤhrt. GeographiſcheExpeditionen, freilich nicht ſolche, welche langſam und faſt unbemerkt durchaſtronomiſche Ortsbeſtimmungen die Laͤnderkunde erweitern und das ſchonBekannte berichtigen, ſondern die, welche alte, die Erwartung ſpannendeProbleme ploͤtzlich loͤſen, erregen faſt allein ein großes, ſich ſchnell verbrei-tendes Intereſſe; ja die Volksſprache ſchraͤnkt das Wort „Entdeckungen“auf die Reſultate rein geographiſcher Unternehmungen ein.
Dieſe einſeitige Anſicht des Ergruͤndeten geziemt denen nicht, welchenes obliegt, in der lebendigen Anerkennung des gegenſeitigen Einwirkensmenſchlicher Kenntniſſe, Natur- und Laͤnderkunde in allen ihren Theilenunter einen Geſichtspunkt zu faſſen. Tieferes Eindringen in das innereLeben der Pflanzen und Thiere, Auffinden organiſcher Formen, welche ent-fernte, ſonſt iſolirt ſcheinende Gruppen als Mittelglieder verbinden, erwei-terte Einſicht in den Zuſammenhang meteorologiſcher Erſcheinungen oderin das Spiel der ewig regſamen, magnetiſch elektriſchen Naturkraͤfte ehrengewiß nicht minder den menſchlichen Geiſt in ſeinen muͤhevollen Beſtrebun-gen, als geographiſche Entdeckungen, als die Beſtimmung raͤumlicher Ver-haͤltniſſe, mit denen ſich die beſchreibende Erdkunde beſchaͤftigt. So wenigman in gerechter Wuͤrdigung des Erforſchten den kuͤhn und ſchnell vorei-lenden
Mungo-Park
tadeln kann, wenn ſeine erſte Reiſe nicht bota-niſche oder zoologiſche Reſultate gewaͤhrte, ſo wenig iſt von einer eigentli-chen naturhiſtoriſchen Expedition zu fordern, daß ſie durch geographiſcheEntdeckungen glaͤnze. Jede Klaſſe von Reiſen hat ihren eigenthuͤmlichenKarakter und Lob gebuͤhrt den Reiſenden, wenn ſie das Ziel erreichen, dasihnen vorgeſetzt war.
Wir haben geglaubt dieſe allgemeinen Betrachtungen dem Berichteuͤber
Ehrenberg’s
und
Hemprich’s
Reiſen voranſchicken zu muͤſſen,um auf das hinzudeuten, was ein ſo wichtiges, von der koͤniglichen Akade-mie der Wiſſenſchaften veranlaßtes Unternehmen von anderen afrika’ſchenReiſen unterſcheidet. Die Mannigfaltigkeit der Gegenſtaͤnde, welche vonden obengenannten Naturforſchern behandelt worden ſind, machte es noͤ-thig, in beſonderen Abſchnitten von dem Gewinn zu reden, den Botanik,Zoologie, vergleichende Anatomie und Geognoſie aus ihren Bemuͤhungengezogen haben. Welcher ausdauernde Fleiß und welche Kraftaͤußerungen
|76| noͤthig waren, um ſolche Reſultate zu liefern, ergiebt ſich aus der hiſtori-ſchen Schilderung der Reiſe ſelbſt und aus Betrachtung der vielfaͤltigenHinderniſſe, mit denen die Reiſenden faſt ununterbrochen und leider! oftunterliegend gekaͤmpft haben.
Hiſtoriſche Ueberſicht der Reiſe.
Als im Jahre 1820 der Herr General
Menu von Minutoli
ſichentſchloſſen hatte, eine Reiſe in den Orient, deren Hauptzweck antiquariſcheUnterſuchungen waren, zu unternehmen, trug er bei der Akademie daraufan, daß ihm einige junge wiſſenſchaftliche Maͤnner auf Koſten des Staatsbeigeſellt wuͤrden. Das koͤnigliche Miniſterium erlaubte dem Profeſſor derArchitektur, Herrn
Liman,
ſich der Unternehmung anzuſchließen, und dieAkademie der Wiſſenſchaften bewilligte den Doctoren der Medicin, Herren
Ehrenberg
und
Hemprich, zwei Naturforſchern, die ſich ſchon durcheigene Arbeiten ausgezeichnet hatten, die Geldmittel, welche zur Erreichungdes beabſichtigten Zweckes fuͤr die erſten Jahre hinlaͤnglich ſchienen. InRom vermehrte ſich durch die Liberalitaͤt Sr. K. H. des Prinzen
Hein-rich von Preuſſen
die Geſellſchaft der Reiſenden durch den Orientaliſtenund Doctor der Philoſophie, Herrn
Scholtz. Der Plan des Generals
Freiherrn von Minutoli
war, Aegypten mit ſeinen Oaſen, die Cyre-naika, Dongola, die Halbinſel des Sinai, Palaͤſtina, Syrien und einen
Theil von Kleinaſia zu bereiſen, und uͤber Griechenland nach Deutſchland
zuruͤckzukehren. Die Naturforſcher erhielten von der Akademie der Wiſ-ſenſchaften eine kurze ſchriftliche Inſtruktion, wie auch einzelne Fragenuͤber Gegenſtaͤnde, die in jenen fernen Laͤndern vorzuͤglich zu beruͤckſichtigenwaͤren. In dem Anfange des Monats Auguſt traf die ganze Geſellſchaft,mit Ausnahme des Profeſſors
Liman
in Trieſt zuſammen, und wurdeauf zwei Schiffe vertheilt, die im September in den Hafen von Alexan-drien einliefen. Erkundigungen uͤber die Moͤglichkeit einer Reiſe nach der
Cyrenaika wurden von denen, die der Gegend kundig waren, ſo beantwor-tet, daß das Unternehmen ohne ſtoͤrende Gefahr moͤglich ſchien. Herr
Drovetti, der als franzoͤſiſcher Konſul viele Jahre in Aegypten gelebt,und der ſelbſt die Oaſe von Siwa beſucht hatte, leitete mit zuvorkommen-der Gefaͤlligkeit die Ausruͤſtung der Karavane, welche aus ſechs und fuͤnf-zig Kameelen und fuͤnf und zwanzig bewaffneten Beduinen beſtand, worun-ter ein Araberfuͤrſt und ſeine Verwandten. Ein großherrlicher Firmanund ſpezielle Empfehlungsbriefe des Paſcha von Aegypten an
Halil Bei
von Derna, welche der General von Minutoli ſich verſchafft hatte,ließen die Entfernung aller politiſchen Hinderniſſe erwarten. Der Profeſſor
Liman war nach Abreiſe der Karavane in Alexandrien angekommen,und erreichte ſie erſt bei Abuſir. Uebergroße Eile hatten ihn die Sorgefuͤr zweckmaͤßige Kleidung verſaͤumen laſſen, und unerachtet ſeine Reiſe-begleiter alles aufboten, um dieſem Mangel abzuhelfen, ſo hat derſelbe
|77| doch wahrſcheinlich viel zu der traurigen Zerruͤttung ſeiner Geſundheit bei-getragen. Die Boͤsartigkeit der freien Beduinen erregte taͤglich ernſthaftenZwiſt in der Karavane. Sie gehoͤrten zu verſchiedenen Staͤmmen, undals man ſchon weit in der libyſchen Wuͤſte vorgedrungen war, erklaͤrteder Beduinenfuͤrſt
Hadji Endaui
ſelbſt, daß er uͤber dieſe verſchiedenenStaͤmme keine Gewalt ausuͤben koͤnne. Seine Ungeduld war eben ſo groß,als die der Reiſenden. Unter dieſen unguͤnſtigen Umſtaͤnden, welche Nacht-wachen auszuſtellen noͤthig machten, gelangte die Karavane bis an einenPunkt, der nur eine Tagreiſe von der Graͤnze des tripolis’ſchen Gebietsentfernt iſt. Der Beduinenfuͤrſt erklaͤrte, daß er ohne die ausdruͤcklicheErlaubniß von
Halil Bey
in Derna die Graͤnze nicht uͤberſchreiten koͤnne.Boten wurden deshalb mit den Empfehlungsſchreiben vorausgeſandt. Dadie Uneinigkeit unter den Beduinen taͤglich zunahm, ſo wurde die Kara-vane dergeſtalt getheilt, daß der General von
Minutoli
mit dem Be-duinenfuͤrſten und dem Hauptdollmetſcher uͤber das Ammonium nach Kahira
zuruͤckkehrte, der andere Theil der Karavane aber, zu dem die Naturfor-ſcher und Kuͤnſtler gehoͤrten, ſich entſchloß, die Ruͤckkehr der ausgeſandtenBoten abzuwarten. Dieſe Trennung der Reiſenden geſchah bei Bir el Kor.Siebzehn Tage harrte man vergebens in der Wuͤſte. Die Boten erſchienennicht und Reiſende, auf die man ſtieß, erzaͤhlten, daß
Halil Bey
von
Derna uͤber die Ankunft einer Karavane, in der ſich ein General befand,ſehr beſtuͤrzt waͤre. Bei laͤngerer Zoͤgerung wuͤrde der Zeitraum, fuͤrwelchen die Kameele gemiethet waren, abgelaufen ſein. Man beſchloß da-her, ſich nach der Oaſe von Siwa zu begeben, wo man vor den eigenenBeduinen Schutz erwartete. Ein anſehnliches Geſchenk wurde einem Fuͤh-rer, der in einem Beduinenlager zuruͤckblieb, verheißen, wenn er eineguͤnſtige Antwort des Bey von Derna nach Siwa bringen koͤnnte. Inallen dieſen Hoffnungen ſah man ſich abermals getaͤuſcht. Die Karavanezog faſt ununterbrochen fuͤnf Tage und fuͤnf Naͤchte lang durch die Wuͤſte.In Siwa erklaͤrten die Haͤupter, welche in der Oaſe die Obergewalt aus-uͤbten, die Reiſenden fuͤr Spione, und droheten, auf ſie ſchießen zu laſſen,wenn ſie die Graͤnzen eines ihnen angewieſenen Raumes uͤbertreten wuͤrden.Auf der Ruͤckreiſe nach Alexandrien erkrankten, als Folge der eingetretenenkuͤhlen Witterung und der ermuͤdeten Maͤrſche, Profeſſor
Liman
und
Wilhelm Soͤllner, der Gehuͤlfe der Naturforſcher. Beide gelangtenzwar noch bis Alexandrien, erlagen aber dort im Anfange des MonatsDezember, als Opfer ihrer muͤhſeligen Anſtrengungen. Der Orientaliſt Herr
Scholtz
trennte ſich in Kahira von den Naturforſchern und nahm ſeinenWeg nach Palaſtina.
Ehrenberg
und
Hemprich
verfolgten von nunan allein den ihnen vorgeſchriebenen Reiſeplan. Eine im Monat Maͤrzunternommene Exkurſion nach der Provinz Fajum wurde durch ein drei-monatliches Nervenfieber des Doktor
Ehrenberg, unter einem Zelte amFuß der großen Pyramide von Sakhara unterbrochen. Nur die ſorgfaͤltigſtePflege ſeines Freundes konnte ihn retten. Erſt am Ende des Julius 1821war es moͤglich, die Reiſe durch Fajum fortzuſetzen. Sie wurde fuͤr die
|78| Entomologie von groͤßerer Ausbeute, als irgend eine andere. Durch Er-kaͤltung im See Moeris bei einer Waſſerjagd ſtarb der Gehuͤlfe
FranzKreyſel, ein Schleſier aus Auras, der
Soͤllners
Stelle vertretenſollte, an der Ruhr.
Die Geldſummen, welche die Akademie der Wiſſenſchaften aus ihreneigenen Mitteln gewaͤhrt hatte, waren nun erſchoͤpft, und die Reiſe haͤtteſchon ihr Ende erreicht, wenn nicht die Wuͤnſche der Akademie durch denK. Staatsminiſter Freiherrn von Altenſtein
auf das Thaͤtigſte beguͤn-ſtigt worden waͤren. Die Reiſenden entſchloſſen ſich, in der gerechtenHoffnung, neue Formen von Naturkoͤrpern in den ſuͤdlichen Laͤndern zuentdecken, der ſiegreichen Armee
Mehemed Ali’s
zu folgen. Sie zogennun von Auguſt 1821 bis Februar 1823 durch Nubien nach Dongola.Alle Erwartungen, welche dieſe von Naturforſchern nie betretenen Laͤndererregen konnten, wurden auf das gluͤcklichſte erfuͤllt.
Ehrenberg
und
Hemprich
gelangten durch Nubien bis in die Wuͤſte bei Embukol und
Korti, welche Sennaar, Kordofan und Dongola trennt. Verminderungder Geldmittel und der Wunſch, die ſchon geſammelten Naturalien inSicherheit zu bringen, bewogen die Reiſenden, ſich hier zu trennen.Doktor
Hemprich
fuͤhrte die Sammlungen nach Alexandrien, wo er,ſtatt des gehofften Geldes, Befehl zur Ruͤckkehr fand. Doktor
Ehren-berg, der in Dongola geblieben war, verließ dies Land, welches durcheine Revolution und die Ermordnung von
Ismael Paſcha
in großeVerwirrung gerathen war. Seine Geſundheit hatten tropiſche Wechſelfiebergeſchwaͤcht. Auf dieſer Reiſe ertrank der Italiener
Vincenzo
im Nilund der Dollmetſcher
Ibrahim
ſtarb an der Peſt.
Ehrenberg
und
Hemprich
waren nun gezwungen, in Aegypten ihre Kameele und Effek-ten zu verkaufen. Indem ſie ſich ſchon zu der befohlenen Ruͤckreiſe ruͤſteten,kam die freudige Nachricht, daß die Regierung ihnen neue betraͤchtlicheVorſchuͤſſe zur Fortſetzung ihrer Unternehmung bewilligen werde. Um dieZeit nuͤtzlich anzuwenden, welche bis zum Empfang derſelben verlaufenkoͤnnte, beſchloſſen ſie den Meerbuſen von Suez, das Sinai-Gebirge unddie Inſeln laͤngs der Kuͤſte von Akaba bis Moile zu beſuchen. DieſeAusflucht dauerte uͤber neun Monate vom Mai 1823 bis Maͤrz 1824.
Hemprich
kehrte zuerſt mit den auf der Halbinſel gemachten Sammlun-gen nach Alexandrien zuruͤck, fand aber nur die Haͤlfte der Summe, welcheer erwartete.
Ehrenberg
blieb fuͤnf Monate lang in Tor und leiderin ſo großer Verlegenheit, daß er an den erſten Lebensbeduͤrfniſſen Mangellitt. Der fruͤher entworfene Plan, nach welchem beide Reiſende ſich inTor nach Habeſſinien einſchiffen ſollten, mußte nun aufgegeben werden,und erſt bei
Ehrenberg’s
Ruͤckkehr nach Alexandrien klaͤrte ſich dasDunkel auf, das uͤber der Ankunft der neuen, vom Staate bewilligtenGelder ſchwebte. Es lief die traurige Nachricht ein, daß der preußiſcheKonful in Trieſt, bei welchem die Summen niedergelegt waren, fallirtund ſich entleibt haͤtte. Nun blieb den Naturforſchern nichts uͤbrig, alsneue Befehle und Vorſchuͤſſe abzuwarten. Die Peſt wuͤthete in Aegypten,
|79| und es ſchien erſprießlicher, ſtatt abgeſchieden in Unthaͤtigkeit zu leben, inder guͤnſtigſten Jahreszeit den zur See nur zwoͤlf Tagreiſen entfernten
Libanon zu beſuchen. Ein Aufenthalt von drei Monaten war hinlaͤnglich,um den ſchneebedeckten Ruͤcken dieſes Gebirges zweimal zu uͤberſteigen,ein Mal uͤber Sanin durch Coͤleſyrien nach den Ruinen von Balbeck und daszweite Mal von Balbeck uͤber Biſcherra und den libanon’ſchen Zedernwaldnach der Kuͤſte von Tripolis. Im Anfang des Monats Auguſt 1824 er-reichten die Reiſenden wieder Damiatte und Alexandrien, doch erlitt dieGeſellſchaft einen neuen Verluſt. Auf der Ruͤckkehr aus Syrien ſtarbein europa’ſcher Gehuͤlfe am Wechſelfieber. Gluͤcklicherweiſe waren indeßin Aegypten die neuen Geldmittel und neue Befehle zur Fortſetzung derReiſe angekommen. Mit wiederbelebtem Muthe beſchloſſen
Ehrenberg
und
Hemprich
ſogleich die laͤngſt gewuͤnſchte Reiſe nach Habeſſinien an-zutreten. Das rothe Meer verſprach ihnen einen großen Reichthum vonKorallenthieren, Anneliden und Mollusken; die fragmentariſchen Bemer-kungen, welche aus
Forskal’s
Papieren gerettet worden ſind, machtenneue Unterſuchungen uͤber die Ichthiologie jener warmen Gewaͤſſer wuͤn-ſchenswerth. Am 27. November 1824 konnte die Reiſe nach Habeſſinien
angetreten werden. Sie ging zuerſt zur See von Suez nach Djedda, woeine Exkurſion gegen Mekka gemacht wurde, um die beruͤhmte Balſam-pflanze zu beſtimmen. Weiter gegen Suͤden in Gumfude, im wuͤſten
Arabien, zeigte ſich ein tuͤrkiſcher Gouverneur dankbar fuͤr die aͤrztlicheHuͤlfe, die er von den Reiſenden empfieng. Er gab ihnen ein militaͤriſchesGeleite, mit dem ſie das nahe gelegene Gebirge Derban ſicher unterſuchenkonnten. Bei Fortſetzung der Seefahrt waren wichtige Gegenſtaͤnde derBeobachtung: die vulkaniſche Felſeninſel Ketumbul und eine andere, inder Gazellen umherſtreifen, und die von den Einwohnern Farſan genanntwird. Leztere fehlt in der Karte, die Lord
Valenzia’s
Reiſe begleitet.Von Giſan aus, einem Graͤnzorte zwiſchen dem gluͤcklichen und wuͤſten
Arabien, zogen die Naturforſcher nach Loheia, in deſſen Naͤhe der ungluͤck-liche
Forskal
ſich ruͤhmt, den groͤßten Schatz arabiſcher Pflanzen geſam-melt zu haben. Suͤdlicher wurden Kameran, Hauakel und Dalak beſucht,und erſt am 24. April 1825 wurde der Hafen Maſſaua erreicht. Hier er-hebt ſich gegen Suͤdweſten das habeſſiniſche Hochland, welches das eigent-liche Ziel der Reiſe ſein ſollte.
Hemprich
machte eine Exkurſion nachdem Gedamgebirge.
Ehrenberg
gelangte im Tarantagebirge bis an dieheißen Quellen von Eilet. An dem Abhange des Hochlandes von Habeſſi-nien wurden Naturprodukte geſammelt, die ſchon ihrem Standorte nach,zu den ſeltenſten gehoͤren, welche ein europa’ſches Muſeum beſitzen kann.Leider wurden ſo vielverſprechende Ausſichten bald durch neue Ungluͤcksfaͤllegetruͤbt. Eine epidemiſche Krankheit herrſchte in Maſſana. Sie koſtetedem Gehuͤlfen der Naturforſcher (Niemeyer, aus Braunſchweig gebuͤrtig)das Leben; alle uͤbrigen Reiſenden, den Italiener Finzi ausgenommen,der als Maler beſoldet war, erkrankten und ſchwebten lange in großerGefahr. Doktor
Hemprich
von der beſchwerlichen Bergreiſe ermuͤdet,
|80| unterlag am 30. Junius, nachdem er fuͤnf Jahre lang Beweiſe eines aus-gezeichneten Talents, einer raſtloſen Thaͤtigkeit und des perſoͤnlichen Mu-thes gegeben hatte, ohne den kein Unternehmen im Orient ausgefuͤhrtwerden kann. Doktor
Ehrenberg
durch den Verluſt ſeines Freundestief niedergeſchlagen, dachte nun auf ſeine Ruͤckkehr und nach zehnmonat-licher Abweſenheit reiſte er uͤber Djedda, Koſſir und Kahira nach Alexan-drien, wo er ſich am Anfang des Novembers 1825 nach Trieſt einſchiffte.
Dies iſt die allgemeine Ueberſicht der Laͤnderſtriche, in denen dieBeobachtungen geſammelt worden ſind. In der nun folgenden Aufzaͤhlungdeſſen, was die Reiſenden fuͤr Botanik und Geographie der Pflanzen, fuͤrZoologie und vergleichende Anatomie, fuͤr Geognoſie und Mineralogie, fuͤrLaͤnder- und Voͤlkerkunde geleiſtet haben, werden die Berichterſtatter nie
Ehrenberg’s
und
Hemprich’s
Arbeiten von einander trennen, dabeide Naturforſcher, durch die engſten Bande der Freundſchaft verbunden,vor der Reiſe und waͤhrend derſelben den Wunſch ausgeſprochen haben,daß alles Beobachtete als ihnen gemeinſam angeſehen werde.
Reſultate fuͤr Botanik.
Fuͤr die Pflanzenkunde war außer dem nicht Unbetraͤchtlichen, was
Delile
geleiſtet hatte, in neuern Zeiten nichts in Aegypten geſchehen,aber
Delile
drang nicht weit nach Suͤden vor, und die Streifereien nach
Nubien hatten wohl Ausbeute fuͤr die Kunſt, aber nicht fuͤr die Natur-kunde geliefert. Wir erhalten aus jenen Gegenden viele und ſehr wirk-ſame, haͤufig gebrauchte Arzneiwaaren, deren Urſprung wir entweder garnicht, oder doch nur mit großer Unſicherheit kennen, und deren Aechtheitund Guͤte wir alſo nicht hinlaͤnglich zu beurtheilen vermoͤgen. Die meiſtenPflanzenkenner außerhalb Europa achteten die Anfaͤnge der Vegetationnicht, welche wir mit dem Namen der Pilze und Algen bezeichnen, ſowichtig ſie auch fuͤr die Geſchichte der Natur ſind. Herr
Ehrenberg
hatte ſich ſchon vor der Reiſe als ein ſo ſcharfſichtiger Kenner dieſer ver-borgenen Vegetation gezeigt, daß ſich in dieſer Ruͤckſicht viel von ihm er-warten ließ. Arabien war ſeit
Forskal, welcher die Reiſe mit
Niebuhr
machte, von keinem Pflanzenkenner betreten worden, aber
Forskal
ſtarbauf der Reiſe, und was von ſeiner Sammlung gerettet wurde, iſt ineinem ſolchen Zuſtande, daß es mehr zu Mißverſtaͤndniſſen Veranlaſſunggegeben, als ſolche aufgeklaͤrt hat. Der ungluͤckliche Tod des Herrn
Hem-prich
verhinderte das Eindringen nach Habeſſinien, aber auch ein geringerBeitrag zur Kenntniß dieſes Landes iſt von Wichtigkeit, da
Bruce
und
Salt
ſehr wenig fuͤr die Pflanzenkunde dieſes Landes geleiſtet haben.Ungeachtet die Pflanzen des Libanon von
La Billardiere
mit großemFleiß unterſucht wurden, ſo hat doch dieſes Gebirge einen ſo uͤppigenPflanzenwuchs, daß ſich dort eine große Nachleſe erwarten ließ. Allen Er-wartungen haben die Reiſenden durch ihre Bemuͤhungen in einem hohen
|81| Grade entſprochen. Die Zahl der geſammelten Pflanzenarten betraͤgt 2875,naͤmlich in Aegypten und Dongola wurden geſammelt 1035, in Arabien
und Habeſſinien 700, auf dem Libanon 1140; ein merkwuͤrdiges Ueber-gewicht fuͤr den Libanon, zu deſſen Unterſuchung die Reiſenden nur zweiMonate, folglich nur eine Jahrszeit verwenden konnten. Eine großeMenge dieſer Arten iſt in vielen Exemplaren vorhanden, ſo daß ſich dieZahl derſelben auf 46.750 belaͤuft. Von 699 Arten ſind die Samen ge-ſammelt und dem K. botaniſchen Garten geſchickt worden; uͤber 300Arten haben dort gebluͤhet, mitunter viele noch nicht beſchriebene undausgezeichnete Arten. Die Zahl der noch nicht beſchriebenen Arten kannman uͤberhaupt auf 600 rechnen. Holzproben ſind 44 und Arzneiwaarenaus dem Pflanzenreiche 40 mitgebracht. Es iſt ſehr zu bedauern, daß 48Staͤmmchen lebender Baͤume bis auf eine Weidenart (Salix subserrata)abgeſtorben ankamen. Die Pflanzenunterſuchungen nach dem Leben aufder Stelle entworfen, betreffen mehr als 1000 Arten. Bluͤhten undFruͤchte ſind in Menge zergliedert und ſogleich gezeichnet, Saftpflanzenvollſtaͤndig abgebildet. Das große Talent des Herrn
Ehrenberg
imZeichnen iſt ihm gar ſehr zu Statten gekommen, mit vielem Geſchick hater den Baumſchlag fremder Baͤume aufzufaſſen gewußt. Die meiſten von
Forskal
beſchriebenen Arten ſind wieder gefunden worden. Myrrhe ha-ben die Reiſenden von
Amyris Kataf
ſelbſt geſammelt, die verſchiedenenBaͤume, von welchen das arabiſche Gummi und die Sennesblaͤtter kommen,genau beſtimmt, auch uͤber die Gewinnung der Aloë Aufſchluͤſſe gegeben.Die Manna am Sinai kommt von einer vorher noch unbekannten Tama-risken-Art. Drei neue Brodpflanzen wurden beobachtet, Zygophyllumalbum, Panicum turgidum und Cucumis farinosa. Die Farbe des rothenMeeres hat ſchon ſeit langer Zeit zu vielen Unterſuchungen Veranlaſſunggegeben, Herr
Ehrenberg
ſah zuerſt, daß ſie von einer kleinen Oscilla-toria herruͤhre, einem von jenen kleinen Gewaͤchſen, welche zwiſchen demThierreiche und Pflanzenreiche in der Mitte ſtehen. Wir wiſſen nun durchHerrn
Ehrenberg, daß die Schimmelarten, kleine Pflanzen, welche ſichauf verdorbenen Sachen erzeugen, unter verſchiedenen Himmelsſtrichenvoͤllig dieſelben ſind, uͤberhaupt, daß die niedern Vegetationen unter allenKlimaten dieſelben bleiben. Die Anfaͤnge der Vegetation auf den flachenInſeln im rothen Meere ſind genau beobachtet worden. Ueberall ſind dieReiſenden auf die Verbreitung der Pflanzen, ſowohl der gebaueten alswilden ſehr aufmerkſam geweſen, und die Pflanzengeographie erwartet da-her eine große Erweiterung.
Reſultate fuͤr Zoologie.
Was im Fache der Zoologie von den Reiſenden geleiſtet worden, ſtehtnicht nur mit ihren uͤbrigen Arbeiten in gleicher Hoͤhe, ſondern iſt inReichthum, Mannichfaltigkeit und ſorgſamer Behandlung des Geſammelten,
|82| ſo wie in Gruͤndlichkeit der daruͤber angeſtellten und niedergeſchriebenenBeobachtungen und Erfahrungen von ſo großer Bedeutung, daß man ſichſchon fuͤr befriedigt erklaͤren koͤnnte, wenn dies auch der einzige Gewinnvon ihrer Unternehmung geweſen waͤre. Denn derſelbe iſt von einem Um-fang, bei welchem es faſt unbegreiflich wird, wie ſie noch fuͤr die uͤbrigenZweige der Naturgeſchichte ſo Vieles zu leiſten im Stande waren.
Die Wahrheit dieſer Behauptung wird ſich aus den folgenden Angabennaͤher und unwiderleglich ergeben.
An Saͤugethieren ſandten ſie in Allem nicht weniger als 590Individuen, die zu 135 unterſchiedenen Arten gehoͤrten. Die wenigſtenderſelben waren bisher uͤberhaupt oder in genauen Beſchreibungen bekannt.Ueberall lieferten die Exemplare oder die daruͤber angeſtellten Beobachtun-gen die wichtigſten Aufſchluͤſſe uͤber Angaben alter Schriftſteller, uͤberZweifel der Neueren, uͤber die Bedeutung alterthuͤmlicher bildlicher Dar-ſtellungen. Die Menge und Auswahl der Exemplare gab zugleich Rechen-ſchaft uͤber Veraͤnderungen nach Geſchlecht, Alter und Jahrszeit, gleichzeitigeanatomiſche Unterſuchung vollendete das Bild, das man ſich von ihremWeſen zu entwerfen habe und ließ ſpaͤteren Forſchungen kaum etwas zuthun uͤbrig. Die wenigen bekannteren Formen waren belangreich fuͤr dieKenntniſſe ihrer geographiſchen Verbreitung und fuͤr die Betrachtungetwaniger Umgeſtaltung einzelner Gebilde als Folge der ſo ſehr unter-ſchiedenen klimatiſchen Einfluͤſſe, unter welchen ſie angetroffen wurden.
Alles Erhebliche zu nennen verbietet die Beſchraͤnkung, die dieſem Be-richt gegeben werden muß. Nur Einzelnes ſei Beiſpielweiſe genannt.
In der Ordnung der Nager lernten wir durch dieſe Unternehmungnicht nur den libyſchen Haſen zuerſt genauer kennen, ſondern zwei merk-wuͤrdige Abaͤnderungen ſeiner Form, vielleicht eigene Arten, wurden dieeine in Nubien, die andere am Sinai, entdeckt. Die ſonderbare Familieder Springmaͤuſe ſowohl in der Form der dreizehigen (Dipus) als derfuͤnfzehigen (Meriones) erlangte durch die Entdeckung vieler neuen Arteneinen Reichthum, der vorher nicht geahnet werden konnte. Seltſamklin-gende Angaben von
Bruce, Meyer, ſelbſt von
Pallas
wurden durchſie zur Klarheit gebracht oder auf das Befriedigendſte berichtigt. Ueber-raſchend war uͤberhaupt die Mannichfaltigkeit und Eigenthuͤmlichkeit derBildung ſo vieler kleiner unterirdiſch lebender maͤuſeartiger Nagethiere,die das Nilthal, Arabien und Syrien hervorbringen, und wichtig (dieVergleichung aller dieſer mit den von
Pallas
ſo trefflich beſchriebenenaſia’ſchen Nagern, von welchen ein gluͤckliches Zuſammentreffen uns ebenin dieſer Zeit ſo viele durch die Herren
Eversmann
und
Gebler
ausSibirien zufuͤhrte. Intereſſante neue Arten von Eichhoͤrnchen liefertender Libanon und der oͤſtliche Abhang der habeſſiniſchen Kuͤſte. Letztereauch den bis jetzt ſo haͤufig mißverſtandenen arabiſchen Pavian S. Hama-dryas, der die Hoͤhen an beiden Kuͤſten des rothen Meeres in ſeinemtropiſchen Theile bewohnt. Der beruͤhmte rothe Affe S. Patas ward aus
Sennaar mitgebracht in einem lebenden Exemplar von einer Groͤße und
|83| Kraft, die die ganze Anſicht uͤber dieſe Art und ihre ſyſtematiſche Stellungveraͤndert.
Unter den Raubthiergattungen wurden beſonders die der Hunde,Katzen, Zibetthiere, Ichneumonen, Stinkthiere, Wieſel und Spitzmaͤuſetheils mit neuen Arten bereichert, theils durch die Vollſtaͤndigkeit vorlie-gender Thatſachen und die Guͤltigkeit der uͤberſandten Beweisſtuͤcke aufge-klaͤrt. Der beruͤhmte Cerdo der alten,
Bruce’s
langoͤhriger Fennek kamdurch unſre Reiſenden zuerſt nach Europa und ſtellte ſich nebſt zwei naheverwandten Arten dem Canis riparius und pygmaeus als die Zwergformder Fuͤchſe dar, die von dieſer großen Sippſchaft generiſch nicht zu ſon-dern ſein wird. Die Fragen nach dem Unterſchiede des aͤchten Schakalsvon den andern Hundearten des Orients, ſo wie nach der Ausartung, dieunſer Fuchs in heißen und trockenen Laͤndern erleidet, werden ſich in un-ſeren ferneren Berichten ziemlich genuͤgend beantworten laſſen. Eben ſoſind die wilden Katzen jener Gegenden, die unter dem Namen F. libyca,F. ocreata, F. manul u. ſ. w. in den ſyſtematiſchen Handbuͤchern ſtehen,faſt nur als Ausartungen der gemeinen wilden Katze anzuſehen und dieſtetigen Reihen, die unſere Exemplare hier bilden, nehmen in dieſer Be-ziehung ohne Zweifel die Aufmerkſamkeit der neueren zoologiſchen Methodegar ſehr in Anſpruch.
Unter den uͤbrigen Raubthieren ſei hier nur noch ein kleines Wieſelgenannt, unſerm Hermelin im Sommerkleide nicht unaͤhnlich, aber ſchonmit deutlichen Schwimmhaͤuten und die ohnehin ſchon ſo nahe Verwandt-ſchaft zwiſchen Muſtelen und Ottern noch naͤher knuͤpfend.
Auch eine Baͤrenart lieferte die Reiſe, die am Libanon gefundenwurde, deren geringe Groͤße und lichte Haarfarbe, bis zur naͤhern Unter-ſuchung des Schaͤdels, es ſehr bedenklich macht, ſie fuͤr bloße Ausartungdes europa’ſchen Landbaͤren zu halten.
Am Sinai und allen mittleren Gebirgshoͤhen Nubiens und Arabiens
lebt die mit dem kapiſchen Klippdachs generiſch verwandte Art von Hyrax(H. syriacus). Ihre Unterſchiede von dieſem waren zur Zeit nicht bekannt,man zweifelte, ob dergleichen ſich finden ließen. Wir bemerkten aber auf-fallende Verſchiedenheit in den Verhaͤltniſſen der Tatzenlaͤnge zur Leibes-laͤnge und duͤrfen nun nicht zweifeln, daß
Schreber
und
Shaw
richtigauf ſie gemuthmaßt.
Vor allem aber ſind die Entdeckungen glaͤnzend in der Ordnung derWiederkaͤuer, wo ſie zur Erklaͤrung der Angaben der Alten reichen Stoffbieten. Der Akademie liegt ein ausfuͤhrlicher Bericht uͤber das, was dieUnterſuchung der nubiſchen Antilopen ergeben hat, bereits vor. Nocheine neue Art wurde ſpaͤter in Arabien entdeckt, die wahrſcheinlich bis jetztimmer mit der Dorcas verwechſelt worden iſt. Sie fand ſich auch auf derbisher unbekannten Inſel Farſan. Naͤchſtdem iſt die bisher nur aus einemFragment im britiſchen Muſeum bekannte Modoqua-Antilope (A. Sal-tiana Blainville, leicht die zierlichſte von allen) in vielen Exemplaren ausallen Lebenszuſtaͤnden geſammelt worden und ihre wahre Diagnoſe jetzt
|84| erſt gegeben. — Auch den Tragelaphus des
Plinius
fanden unſre Rei-ſenden in Nubien wieder und in Aegypten erhielten ſie Ziegen, die inGeſtalt der aͤgyptiſchen plattnaſigen gleichen, aber an Reichthum undFeinheit des Wollhaars den kirgiſiſchen, namentlich denen, die von Herrn
Ternaus
Heerde aus St. Ouen hieher gebracht wurden, wenig nachge-ben. Ein von ihnen mitgebrachter Apis-Schaͤdel ſamt Gehoͤrn aus denPyramiden von Sakhara giebt voͤllige Sicherheit uͤber die Art und Formdes alten heiligen Stiers.
Eine große Menge von Fledermaͤuſen wurden in den Pyramiden undKrypten des Nilthals gefunden, alle naͤmlich, die in dem großen franzoͤſi-ſchen Werk Herr
Geoffroi
aufzaͤhlt, und mehre neue, unter anderneine mit auffallend großen Abdominal-Zitzen, die man bis jetzt uͤberhauptan Fledermaͤuſen nicht fand.
Die Sirene des rothen Meers iſt den angeſtellten Erkundigungen zu-folge eine Art der Gattung Halicore, von den Arabern Naga und Lothum
genannt, und ein von den Reiſenden ſelbſt auf einer wuͤſten Inſel aufge-fundener und mitgebrachter Schaͤdel giebt daruͤber voͤllige Gewißheit. Nuriſt dieſer wegen etwaniger Identitaͤt mit der bekannten indiſchen Art nochnaͤher zu vergleichen. Ferner enthalten die uͤberſandten und jezt noch inDoktor
Ehrenberg’s
Haͤnden befindlichen Manuſcripte des Doktor
Hem-prich
ungemein reiche Materialien fuͤr Zoologie und vergleichende Ana-tomie in den hoͤhern Thierklaſſen. Es iſt nicht mit Stillſchweigen zuuͤbergehen, daß ſich darin auch hoͤchſt intereſſante Beitraͤge zur Naturge-ſchichte der afrika’ſchen Hausthiere finden.
Eine Nilpferdhaut ſamt Skelet und eine Giraffenhaut erhielt Doktor
Hemprich
zum Geſchenk von
Abdim Bey, dem Gouverneur von
Dongola.
Von Voͤgeln iſt die Zahl aller geſammelten und theils in abgebalg-ten Haͤuten, theils in Weingeiſt, theils ſkeletirt uͤberſandten Individuen4671, und dieſe ſind begriffen unter 429 Arten.
Schon die erſten Sendungen enthielten Alles, was die vortrefflichen,nur leider nicht zahlreichen ornithologiſchen Blaͤtter der
Description del’Egypte
darſtellen, und was die folgenden brachten, ſteigerte in immergleichem Maß die Bewunderung des unerſchoͤpflichen Reichthums jenerGegenden, wie des unermuͤdlichen Fleißes unſerer Sammler. Indeſſendas Nilthal noch viele europa’ſche Voͤgel lieferte, deren jeder aber fuͤr dieeben jetzt ſo raſch vorſchreitende Ausbildung der beimiſchen Ornithologievon großem Werth war, wurden die Beſuche in Dongola, Arabien, Sy-rien, endlich in Habeſſinien Urſach eines immer groͤßeren Reichthums derSammlung an tropiſchen Voͤgelformen. Die Steppen lieferten Trappen,Ganga’s, Lerchen, Steinmaͤtzer von nie geſehenen Arten, ja durchausneue Bildungsſtufen innerhalb dieſer Gattungen; die feuchten Ufer eineSchaar von Saͤngern, Droſſeln, Bienenfreſſern, Honigſaugern, Eisvoͤgeln;der Meeresſtrand Regenpfeifer, Waſſerlaͤufer, Loͤffelreiher, Moͤwen undSeeſchwalben; faſt in allen dieſen Gattungen mehr Neues und Seltſames,
|85| als Bekanntes und Gewoͤhnliches. Einige derſelben, namentlich Alauda,Saxicola, Charadrius, Larus und Sterna, beduͤrfen nunmehr einer gaͤnz-lichen Reviſion, ja einer neuen Feſtſtellung ihrer einfachſten Merkmale;andre wie Nectarinia, Merops, Lanius, Hirundo, ſind ſo ausnehmendbereichert, daß eine monographiſche Behandlung derſelben fuͤr jetzt nurhier moͤglich ſein wird.
Als ausgezeichnete Einzelnheiten verdienen nicht blos die ungemeinſchoͤnen Exemplare des Straußes aus Kordofan, ſondern der prachtvollePurpurſtorch (C. Abdimii), der langgeſchopfte Ibis (I. comata), der großeaͤgyptiſche Moͤnchsgeier, der weißkoͤpfige Edelfalk (wahrſcheinlich das Urbilddes in Verbindung mit dem Sonnengott Phre ſo oft vorgeſtellten heiligenFalken, die grau- und ſchwarzkoͤpfigen Moͤwen und die vor zwanzig Jahrennur nach einem einzigen Exemplar aus unbekanntem Fundort von
Paykull
beſchriebne, dann aber nie wieder gefundne Dromas Ardeola genannt zuwerden.
Nur die Gattungen Anas, Totanus Tringa, ſo reich ſie an Artenim Orient gefunden werden, liefern nichts als das Europa’ſche. In denuͤbrigen uͤberwiegt das Fremdartige bei Weitem, ſelbſt in Gattungen, woman in Betracht der Naͤhe viel Europa’ſches erwarten ſollte, wie Falco,Strix, Columba, Turdus, Fringilla, Emberiza, Charadrius u. ſ. w.Hoͤchſt auffallend iſt die voͤllige Identitaͤt einiger Waſſervoͤgel des rothenMeeres mit denen der braſiliſchen Kuͤſte. Beiſpiele ſind Sterna cayennen-sis, Larus macrorynchos, Dysporus Sula und andre, die bis jetzt nuran dieſen beiden Standorten gefunden wurden.
Die Zahl der Amphibien betraͤgt 436 Stuͤck, von denen 27 inBaͤlgen, 6 als Skelet und 704 in Weingeiſt angekommen. Die Zahl derArten belaͤuft ſich auf 120. Doktor
Hemprich
hatte vor ſeiner Abreiſeeine allgemeine ſyſtematiſche Arbeit dieſer Klaſſe vollendet, welche er Herrn
Fitzinger
in Wien zu gemeinſchaftlicher Herausgabe uͤberließ und wardeshalb wohl im Stande, unterwegs die Formen genau zu unterſcheiden.Eine große Zahl derſelben iſt von Doktor
Ehrenberg
ſogleich nach demLeben gemalt worden, und da die aͤhnlichen Thiere faſt allein nach Wein-geiſt-Exemplaren bisher beſchrieben und abgebildet wurden, ſo legten ſieauf dieſen Theil ihrer Beſchaͤftigung einigen Werth.
Von Fiſchen wurden 2414 Stuͤck geſammelt, davon Baͤlge 174, inWeingeiſt 2156, Skelete 84. Die Geſammtzahl der Arten betraͤgt 426,wovon 310 dem rothen Meere angehoͤren, welche mit wenig Ausnahmenalle Arten des
Forskal'chen Verzeichniſſes umfaſſen, deren Zahl ſie ummehr als das Doppelte uͤberſteigen. Doktor
Ehrenberg
und im letztenJahre ein beſonders und allein dazu von ihm angelernter Maler, der Ita-liener
Finzi, haben faſt alle Formen ausgemeſſen und in Umriſſen feſt-gehalten und 110 Arten ſind nach dem Leben kolorirt. Der fliegende Fiſch des
rothen Meeres, vielleicht das gefluͤgelte Thier ולש Salwa aus der Ge-ſchichte der Israeliten am Sinai, bisher nur als eine Erſcheinung im
|86| hohen Meere durch
Forskal
bekannt, iſt von ihnen oft geſehen und einMal durch beſonders guͤnſtigen Zufall unweit Rhalim (Elim), gerade da,von wo die Israeliten nicht fern waren, wenn man uͤberhaupt es nichtdurch Heuſchrecken erklaͤren will, am Strande todt aber unbeſchaͤdigt gefun-den worden. Bei ſtarkem Sturme fliegt er manchmal ſchaarenweiſe auf dieSchiffe. Mit Angeln und dort uͤblichen Netzen iſt er ihren Erfahrungennach nicht zu fangen, weil er nie an die Kuͤſte geht und keine Lockſpeiſenimmt. Sie haben ihn vorlaͤufig als Trigla (?) Israelitarum bezeichnet.
Suͤßwaſſerfiſche haben ſie außer denen des Nils, worunter mehreneue, beſonders ein großer, dem Sudis vom Senegal verwandter, dongo-la’ſcher Panzerfiſch, der eine neue Gattung bildet und von ihnen Heterotisnilotica genannt wird, aus dem Hundsfluſſe (Nahhr el kelb) und dem
Abrahamsfluſſe (Nahhr Ibrahim) in Syrien, aus dem Abfluſſe des war-men Quells Rhaͤlim bei Tor am Sinai, aus den bisher noch unbekanntenFluͤſſen Wadi Kanune und Wadi Djara im wuͤſten Arabien und aus demAbfluß des Sonnenquells in der Ammons-Oaſe durch den Magen einesdort geſchoſſenen Reihers.
Von Mollusken ſammelten ſie 3508, naͤmlich 2657 Konchylien-ſchalen, Thiere im Weingeiſt 851. Arten zaͤhlen ſie 310. So wenig,leicht begreiflicherweiſe, unter der großen Zahl von Konchylien Neues iſtim Verhaͤltniß zu andern Abtheilungen, um ſo mehr Neues und Schoͤneslieferten die Abtheilungen der nackten Mollusken und Ascidien. EineVergleichung der Bewohner des rothen Meeres mit denen des ſo naheliegenden Mittelmeeres wird aus dieſen Materialien ein ziemlich feſtesReſultat geben. Die lezte Aufzaͤhlung der Konchylien des rothen Meeresdurch Herrn Profeſſor
Brocchi
in der Bibliotheca italiana 1822 enthaͤltnur 91 Arten. Faſt alle Arten der nackten Mollusken ſind von Doktor
Ehrenberg
nach dem Leben gemalt, oft mit vielen Details. Unterihnen ſind einige ſyſtematiſch beſonders wichtige Formen. Beſchreibungenfehlen bei keiner Art.
Von Anneliden ſind 261 Glaͤschen aefuͤllt, ſie enthalten 67 Arten,meiſt ſehr auffallend abweichende Formen und Doktor
Ehrenberg
glaubt,daß dieſe mit unter die wichtigern Reſultate der Reiſe gehoͤren. Alle ſindmikroskopiſch unterſucht, beſchrieben und die Karaktere der neuen Gattun-gen abgebildet. Die Reiſenden verdanken die Moͤglichkeit genauer Unter-ſuchungen dieſer Art der zuvorkommenden Gefaͤlligkeit des Herrn
Savigny
in Paris, welcher ſeine klaſſiſche Arbeit uͤber dieſen Gegenſtand ihnen zuzu-ſenden die Guͤte hatte.
Von Kruſtaceen ſind 675 geſammelt, trocken 203, in Weingeiſt472. Arten zaͤhlten ſie 103. Eine Zahl der ſchoͤneren Formen ſind kolorirtnach dem Leben feſtgehalten, zu allen Bemerkungen gemacht.
Von Arachnoiden ſammelten ſie 275 aus 120 Arten, die Mehrzahlin Spiritus. Saͤmmtliche Arten ſind ſogleich von Doktor
Ehrenberg
gemalt worden und keine Art iſt ohne detaillirte Beſchreibung geblieben.
|87| Dieſe Abtheilung, bisher ſo wenig beruͤckſichtigt, duͤrfte fuͤr die Naturgeſchichtebeſonderes Intereſſe haben.
Von Inſekten ſind, dem Verzeichniſſe nach, uͤber 20.000 Exemplareeingeſandt, viele aber leider unterwegs zu Grunde gegangen, doch ſcheinenwenige Arten verloren zu ſein, deren Zahl ſich auf 1500 bis 2000 belaͤuft.Es ſind von den Reiſenden nicht blos die Kaͤfer und Schmetterlinge,ſondern vorzugsweiſe die Hymenopteren, Dipteren und bisher wenigerberuͤckſichtigten Abtheilungen im Auge gehalten worden. Von dieſem Er-trage an Arten ſcheinen uͤber zwei Drittheile neu zu ſein. Jedem Kiſtchenwar immer ein ganz detaillirtes Verzeichniß mit Bemerkungen uͤber Vor-kommen, Lebensart und Verwandlung, wo ſie beobachtet, beigelegt. VieleArten haben ſie in ihrer ganzen Verwandlung beobachtet. Von einer An-zahl vergaͤnglicher Arten ſind kolorirte Abbildungen gemacht worden. Er-freulich iſt, daß es ihnen gelang in einem kleinen Coccus auf der Tama-rix mannifera (einem der Tamarix gallica nahe verwandten Strauch des
Sinai), den lange umſonſt geſuchten Mannageber zu entdecken. Sie habenihn deshalb Coccus mannifera genannt, beſchrieben, abgebildet und geſam-melt. Heuſchrecken-Wolken haben ſie ebenfalls beobachtet und das Thiereingeſandt.
Von Epizoen haben ſie 102 Glaͤschen gefuͤllt, die ſie auf eben ſoviel Thierarten ſammelten. Oft waren mehre Spezies auf einem Thiere.
Von Echinodermen ſammelten ſie 365 Arten, theils trocken,theils in Weingeiſt, und beſonders reichhaltig ſind ihre Sammlungen anFormen der Gattung Holothuria, die Doktor
Ehrenberg
alle nach demLeben gemalt hat.
Von Entozoen fuͤllten ſie uͤber 600 Glaͤschen aus 198 Thierarten.Oft fanden ſich viele, ſelbſt bis 7 und 9 verſchiedene Spezies gleichzeitig.Faſt alle ſind nach dem Leben mikroskopiſch unterſucht und ſehr viele, uͤber100, gezeichnet worden.
Akalephen ſammelten ſie 88 aus 20 Arten, welche ſaͤmmtlich vonDoktor
Ehrenberg
beſchrieben und gemalt ſind.
Von Polypen und Korallenthieren ſind 62 Arten in 376Exemplaren geſammelt. Faſt alle ſind friſch zergliedert und beſchrieben,viele in ihrem ausgedehnten Zuſtande ſogleich gemalt worden. Sie haltendieſe Beobachtungen fuͤr beſonders intereſſant. 138 ſind in Weingeiſt, dieuͤbrigen trocken eingeſandt.
Beobachtungen uͤber Infuſorien ſind außer in Aegypten und Don-gola beſonders in der Oaſe des Jupiter Ammon und am Sinai augeſtelltworden und die Zahl der beobachteten und aufgezeichneten Formen betraͤgt50. Beobachtungen von Infuſorien im friſchgefallenen Thau ſind vonihnen wiederholt verſucht worden, aber nie gelungen.
Endlich haben die Reiſenden durch ſorgfaͤltige Bemerkung der Lokali-taͤten und Verhaͤltniſſe einen Beitrag zur zoologiſchen Geographie beabſich-
|88| tigt, der ſich bis auf die niedrigſten Formen erſtreckt, ohne einer oder derandern Abtheilung einen Vorzug einzuraͤumen.
Reſultate fuͤr Zootomie und Phyſiologie.
Die Reiſenden haben dieſelbe, ja eine noch groͤßere Sorgfalt auf dieUnterſuchung der einfacheren und kleineren, als auf die der groͤßeren Thieregewandt, welches um ſo erwuͤnſchter war, als bei jenen eine genaue Un-terſuchung haͤufig nur im friſchen Zuſtande moͤglich iſt, und es wird daherdurch ſie nicht blos die Menge der Gattungen und Arten ſehr vermehrt,ſondern haͤufig der Bau ſehr befriedigend dargelegt und es erregt einegroße Freude, wenn man neben den Thieren die Menge der ſehr gelun-genen Abbildungen von Polypen, Entozoen, Stralthieren, Molluskenu. ſ. w. durchgeht, und uͤberall auf intereſſante Beobachtungen ſtoͤßt: ſowollen ſie z. B. bei der Ascaris spiculigera ein Haͤuten wahrgenommenhaben; bei einer Ascaris des Hyrax syriacus haben ſie Blinddaͤrme ſowohlam Darm als am Samenſtrang entdeckt u. ſ. w.
Die Anatomie der Inſekten im Linné
’ſchen Sinn iſt ſehr bereichert,z. B. durch eine Reihe Beobachtungen uͤber die Pupille des Inſektenauges,mit kolorirten Abbildungen; uͤber die Bildung des Pigments in demſel-ben waͤhrend der Metamorphoſe; uͤber dieſe ſelbſt; unter andern, daß beidem Auskriechen der Dipteren aus den Larvenhaͤuten eine aus dem Kopfwillkuͤhrlich hervortretende Blaſe deſſen Geſtaltung weſentlich bedingt; beieiner Mantis haben ſie die Bewegung der Saͤfte in den Fluͤgeln deutlichwiederholt beobachtet; und eine Menge in Weingeiſt aufbewahrter Inſek-ten und deren Larven gewaͤhrt noch viele Unterſuchungen.
Die uͤberſandten Fiſche und deren Skelette, zum Theil von ſehr auf-fallenden Geſtalten, von zahlreichen Beobachtungen und anatomiſchen Ab-bildungen begleitet, bilden einen der reichſten Theile der Sammlung, ſodaß allein uͤber die Lage der Eingeweide bei 102 Arten von Fiſchen Zeich-nungen vorhanden ſind, die noch zahlreicheren uͤbrigen ungerechnet. Beieinem Fiſche (Heterotis nilotica) haben unſere Reiſenden ein raͤthſelhaftes,fauſtgroßes Organ an den Kiemen und dem Waſſer zugaͤnglich gefunden,das acht ein halb Schneckenwindungen und einen drei Linien dicken Nervenenthaͤlt, und das Doktor
Ehrenberg
als ein acceſſoriſches Gehoͤrorganbetrachtet. Einige ſchoͤne Exemplare des Zitterwelſes, Malacopterurus(Silurus) electricus, haben eine vollſtaͤndige Anatomie des elektriſchenOrgans (in dem jetzt erſcheinenden Bande der Schriften der Akademie)geſtattet, da es ſonſt nur ſehr obenhin beſchrieben war.
Unter den vielen Beobachtungen uͤber die Amphibien zeichnen ſichbeſonders die zahlreichen Unterſuchungen uͤber das Auge aus. Den Kammhaben ſie, die Schildkroͤten ausgenommen, in allen von ihnen unterſuchtenGattungen gefunden; hinter der Netzhaut des Krokodilauges eine demTapetum aͤhnliche loͤsbare Haut u. ſ. w.
|89|
Von Voͤgeln hatten ſie 173 Eier und mehre Neſter geſammelt. VieleVoͤgel ſind anatomirt. Von 52 Arten ſind die Zungen, von 15 Arteniſt der Gaumen gezeichnet. Bei Ardea Virgo iſt, wie ſich erwarten ließ,der von
Perrault
dem Auge dieſes Vogels abgeſprochene Kamm gefun-den. Bei dem eingeſandten Skelet des Buceros melanoleucos iſt eineſonſt noch bei keinem Vogel beobachtete Beſchaffenheit der Luftknochen ge-funden; die Hals- und Steifswirbelbeine enthalten Luft, die uͤbrigen nicht,auch nicht das Bruſtbein und die Schluͤſſelbeine; was aber vorzuͤglichmerkwuͤrdig iſt, nicht blos die Oberarmbeine und Oberſchenkelknochen, ſon-dern auch die des Vorderarms und der Hand, ſo wie die des Unterſchen-kels und Mittelfußes und der Zehen (das letzte Glied ausgenommen) ſindLuftknochen, und mit eigenen Oeffnungen verſehen.
Wie von Fiſchen, Amphibien und Voͤgeln, ſind auch von vielen Saͤug-thieren Foͤtus geſammelt. Von 24 Voͤgeln iſt die Kriſtallinſe gezeichnetund gemeſſen, das Tapetum iſt bei vielen Thieren genau unterſucht undkolorirt dargeſtellt. Die eingeſandten Skelette und Schaͤdel, unter jenenvom Nilpferde, vom Hyrax syriacus, mehren Gazellen u. ſ. w., unterdieſen von der Giraffe, vom Apis, vom Dugong aus dem rothen Meere
u. ſ. w. ſind ſehr große Bereicherungen des anatomiſchen Muſeums. AmSchaͤdel des Dugongs ſind, was bisher von den Beobachtern uͤberſehen wor-den, deutliche knoͤcherne Muſcheln vorhanden, wodurch ſich dieſes Thiervon den Wallfiſchen, wohin es
Pallas
und
Cuvier
ſonſt mit Recht ge-braͤcht haben, ſehr unterſcheidet.
Noch Jahre lang werden die, natuͤrlich nur erſt noch voͤllig zu bear-beitenden und aufzuſtellenden Praͤparate die intereſſanteſten Bereicherungender Wiſſenſchaft liefern, ſo daß erſt ſpaͤterhin der ganze Zuwachs beurtheiltwerden kann.
Reſultate fuͤr Geognoſie und Oryktognoſie.
In den großen Laͤnderſtrichen, die die Reiſenden durchzogen haben,iſt von ihnen uͤberall das anſtehende Geſtein auf das ſorgfaͤltigſte nach ſei-nen Lagerungsverhaͤltniſſen beobachtet worden. Die geſammelten Gebirgs-arten laſſen ſich in fuͤnf Gruppen vertheilen, unter denen ſich beſondersauszeichnen: 1) die neuen Floͤtz- und Tertian-Formationen von Aegypten
und der nahen Wuͤſte, 2) das Ur- und Uebergangs Gebirge der Katarrak-ten, die Onyx-Geſchiebe von Aſſuan, der Granit-Gneis mit koͤrnigemKalk und hornblendigem Geſtein von Nubien nebſt Steinſalz aus Dongola;3) die Porphyr- und Syenit-Formationen vom Sinai und der anliegendenHalb-Inſel; 4) der Jurakalk des Libanon mit Fiſchverſteinerungen 3000Fuß uͤber dem Meere, bei Djebbehl, mit Seemuſcheln bei Sanin nahe ander Schneegraͤnze, und mit Braunkohle im Sandſtein und Schieferthonbei Biſcherra, ſo wie mit Baſalt bei Haddet, etwa 6000 Fuß uͤber dem
|90| Meere; 5) die Kuͤſtenlaͤnder des rothen Meeres mit der vulkaniſchen In-ſel Ketumbul und den ſuͤdoͤſtlichen Abfall des habeſſiniſchen Gebirges. Inallen dieſen Gegenden haben Herr
Ehrenberg
und
Hemprich
nurauffallende Aehnlichkeit geognoſtiſcher Verhaͤltniſſe beſonders in der Aſſozia-tion der Gebirgsmaſſen erkannt. Mehre Skizzen mineralogiſcher Karten,welche die Berichterſtatter unterſucht haben, zeugen von der unbegraͤnztenThaͤtigkeit, welche die Reiſenden auch in dieſem Theile der Arbeiten gezeigthaben.
Reſultate fuͤr Laͤnder- und Voͤlkerkunde.
Bei dem Zweck der Reiſe, den wir in dem Eingange zu dieſem Be-richte ausgeſprochen haben, ſind Beobachtungen uͤber Voͤlker- und Laͤnder-kunde, ſo wie graphiſche Verſuche dieſer Art nur als Nebenarbeiten zubetrachten; doch wird die kurzgefaßte Erwaͤhnung deſſen, was auch in die-ſem Fache geſchehen iſt, lehren, daß die Reiſenden, ohne Huͤlfe aſtrono-miſcher Ortsbeſtimmungen, durch haͤufige Meſſung der Winkel, welche diewichtigſten Punkte mit dem magnetiſchen Meridian machen, durch Schaͤ-tzen der Abſtaͤnde und durch ſorgfaͤltig gefuͤhrte Itinerarien doch viele wich-tige topographiſche Materialien zuſammengetragen haben. Am Eingangedes Meerbuſens von Akaba und bei Giſan hat Herr
Ehrenberg
dieUmriſſe mehrer Inſeln gezeichnet, welche in
Valentia’s
Karten gaͤnz-lich fehlen. Die Inſel Farſan von drei Tagereiſen im Umfange mit dreiDoͤrfern und mehren Haͤfen fuͤr kleine Schiffe, iſt als eine neue geogra-phiſche Entdeckung zu betrachten. Eine beſondere Aufmerkſamkeit verdienenferner die Reiſerouten von Tor nach dem Sinai und Suez; uͤber BirBeda nach dem Schilfſumpfe unweit dem Berge Goaebe; von Suez biszur Inſel Kameran laͤngs der Oſtkuͤſte des rothen Meeres, wo eine MengeAnkerplaͤtze den Geographen unbekannt waren; von Gumfude in das Landder Wechabiten bis zum Berge Derban; von Maſſana in Habeſſinien biszu dem Taranta-Gebirge und den warmen Quellen bei Eilet; von denbeiden Schneeſpitzen des Libanon durch Coͤleſyrien nach Balbek und vonda nach der Kuͤſte von Tripolis; von Alexandrien nach Bir el Kor undvon da nach der Oaſe von Siwa. In den noͤrdlichen Kuͤſtenlaͤndern des
rothen Meeres wurden geographiſche Beobachtungen geſammelt, welche fuͤrdie aͤlteſten und ehrwuͤrdigſten Traditionen des Menſchengeſchlechts auf-klaͤrend ſind. So ſahen die Reiſenden Bir Beda, wahrſcheinlich das bis-her noch unbeſtimmt gebliebene Bedea der heiligen Schrift und das Schilf-meer Jam ſuf. Das alte Midian, Moſes Aufenthaltsort, wird nochdurch die Lage von Magne, wo Haͤuſer, von Gaͤrten umgeben liegen, be-zeichnet. Bei Tor erkannten
Ehrenberg
und
Hemprich
in demwarmen Quell Rhalim die Station der Iſraeliten Elim. Brunnen ſindin dieſen Laͤndern bleibendere Denkmaͤler der Natur, als Waͤlder und
|91| Sandhuͤgel. Außer dieſen geographiſchen Notizen haben die Reiſenden nochnach Europa geſandt:
- 1) ein Verzeichniß ſaͤmmtlicher Ortſchaften der Maroniten im noͤrdlichenTheile des Libanon in arabiſcher und lateiniſcher Orthographie, 619an Zahl, geſchrieben von einem Sekretaͤr des Emir Bſchir, Prinzendes Libanon;
- 2) ein Namenverzeichniß ſaͤmmtlicher Ankerplaͤtze, Inſeln, Korallenriffeund Ortſchaften an der Oſtkuͤſte des rothen Meeres zwiſchen Suez und
Kameran, 287 an Zahl, großentheils in arabiſcher Sprache;
- 3) ein aͤhnliches Namenverzeichniß, (86 an Zahl) fuͤr die Weſtkuͤſte des
rothen Meeres;
- 4) die von einem Araber, in der Armee des Paſcha von Aegypten auf-genommene Karte des Landes der Wechabiten von Taife (bei Mekka)bis Aſſir und Gumfude;
- 5) Profile der gebirgigten Oſtkuͤſte des rothen Meeres, des Sinai, des
Libanon und der Inſel Cypern, von Doktor
Ehrenberg
gezeichnet.
Wir erwaͤhnen nicht der Bemerkungen uͤber Menſchenraçen, Sittenund Sprache, welche die Tagebuͤcher der Naturforſcher enthalten. Siehaben uͤberall den Einfluß der Klimate auf den Organismus beobachtet,und gegen 800 Thermometer-Beobachtungen in Gegenden angeſtellt, uͤberderen mittlere Temperatur, innerhalb der Tropen oder an der ſuͤdlichenGraͤnze der temperirten Zonen, (wo noch eine betraͤchtliche Winterkaͤlteeintritt) man bisher ſo wenig beſtimmte Erfahrungen hat. Fuͤr die koͤnigl.Sammlungen ſind viele Menſchen- und Thier-Mumien, zwei griechiſchePapyrus-Rollen in Aegypten gefunden, ſieben arabiſche Manuſkripte undeine habeſſiniſche Bibel (die Pſalmen in der Amhara-Sprache) wichtigeBereicherungen geworden.
Dies iſt die gedraͤngte Ueberſicht der wiſſenſchaftlichen Reſultate, wel-che
Ehrenberg’s
und
Hemprich’s
Reiſen durch Aegypten, Nubien,
Syrien und beide Kuͤſtenlaͤnder des rothen Meeres geliefert haben. DerHauptzweck eines ſo wichtigen Unternehmens wuͤrde unerfuͤllt bleiben, wennBeobachtungen, die zur Erweiterung aller Theile der Naturkunde und derphyſikaliſchen Erdbeſchreibung ſo weſentlich beitragen und die als ein ge-meinſames Eigenthum aller gebildeten Nationen zu betrachten ſind, nichtdurch Unterſtuͤtzung des Staats zur oͤffentlichen Bekanntmachung gefoͤrdertwuͤrden. Bei dem wohlthaͤtigen Schutze, den die Regierung allen Beſtre-bungen ſchenkt, die, den Wiſſenſchaften und Kuͤnſten erſprießlich, denRuhm des Vaterlandes erhoͤhen, koͤnnen wir jene Beſorgniß mit Zuverſichtvon uns entfernen. Es liegt aber den Berichterſtattern ob, den Wunſchder Akademie fuͤr eine Art der Bekanntmachung auszudruͤcken, die dengegenwaͤrtigen Beduͤrfniſſen der Wiſſenſchaften auf das Vollkommenſte ent-ſpricht, ohne durch uͤbermaͤßige Pracht die herauszugebenden Werke einem
|92| großen Theil der Naturſorſcher unzugaͤnglich zu machen. Abbildungen or-ganiſcher Koͤrper in Farben koͤnnen nicht ſorgfaͤltig genug ſein, wenn ſieneue Formen, gleichſam den Typus einer neuen Familie, oder einer neuenGattung darſtellen. Dagegen ſind Linear-Umriſſe hinlaͤnglich, ſo oft ausbekannten Gattungen eine große Zahl neuer Arten beſchrieben wird. Herrn
Ehrenberg’s
treffliche Zeichnungen, auf der Reiſe ſelbſt in Anſicht derNaturgegenſtaͤnde entworfen, koͤnnen fuͤr das zum Muſter dienen, wasnoch zu leiſten uͤbrig iſt. Ein Reiſewerk, deſſen Karakter Mannichfaltigkeitund Gruͤndlichkeit des Beobachteten iſt, muß ſeine Hauptzierde in dereinfachen Treue und in der zweckmaͤßigen Auswahl des Abzubildenden fin-den. Auf dieſe Weiſe wird die Herausgabe ſchneller und fuͤr den Staatminder koſtbar ſein. Die Akademie der Wiſſenſchaften, welche die Reiſeveranlaßt, und aus ihren eigenen Mitteln betraͤchtlich unterſtuͤtzt hat,wuͤrde ihren Beruf, fuͤr lebendige und freie Verbreitung des Wiſſens zuſorgen, unerfuͤllt laſſen, wenn ſie nicht die Arbeiten
Ehrenberg’s
und
Hemprich’s
zu baldiger Bekanntmachung auf das Dringendſteempfoͤhle.
Berlin, am 13. November 1826.
A. v. Humboldt. Lichtenſtein. Link. Rudolphi. Weiß.