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Alexander von Humboldt: „Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyana’s“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1837-Sur_quelques_points-2> [abgerufen am 27.04.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1837-Sur_quelques_points-2
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Titel Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyana’s
Jahr 1837
Ort Berlin
Nachweis
in: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde 5:1 (31. Oktober 1837), S. 35–62, Karte.
Postumer Nachdruck
„Ueber einige wichtige Punkte der Geographie von Guyana“, in: Briefwechsel Alexander von Humboldt’s mit Heinrich Berghaus aus den Jahren 1825 bis 1858, 3 Bände, Leipzig: Hermann Costenoble 1863, Band 2, S. 216–255.

Alexander von Humboldt, Ueber die Urvölker von Amerika und die Denkmähler welche von ihnen übrig geblieben sind. Anthropologische und ethnographische Schriften, herausgegeben von Oliver Lubrich, Hannover: Wehrhahn 2009, S. 114–144.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: V.63
Dateiname: 1837-Sur_quelques_points-2
Statistiken
Seitenanzahl: 28
Zeichenanzahl: 67523
Bilddigitalisate

Weitere Fassungen
Sur quelques points importans de la géographie de la Guyane (Paris, 1837, Französisch)
Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyana’s (Berlin, 1837, Deutsch)
Ueber einige wichtige Punkte der Geographie von Guyana (Berlin, 1837, Deutsch)
Uber einige wichtige Punkte der Geographie Guyana’s (Leipzig, 1841, Deutsch)
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Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyana’s. VonHerrn Alexander von Humboldt. (Nebſt einer Karte.)


Der ausgedehnte Landſtrich zwiſchen den drei Strom-Syſtemen des Rupunury, Carony und Rio Branco, d. h. zwiſchen den Zufluͤſ-ſen des Eſſequibo, des unteren Orenoko und des Amazonen-Stromeshat auf eine gluͤckliche Weiſe ſeit zehn Jahren von Neuͤem dasIntereſſe der Geographen erregt. Die auf ſehr vage Itinerariengegruͤndeten Combinationen werden nach und nach durch Arbeiten,die ſich auf aſtronomiſch-beſtimmte Punkte gruͤnden, verdraͤngt wer-den. Im Jahre 1831 hat Herr William Hillhouſe, durch reinenEifer geleitet, eine Skizze von dem Laufe des Maſſaruni entworfen.Der Kapitain Owen verfolgte im Jahre 1833 den Demerari-ſtrom aufwaͤrts bis zu dem Punkte, wo dieſer Fluß, bei der großenKatarakte, ſich unter 5° 25′ N., weſtlich von den Yeya-Bergen,dem Eſſequibo bis auf vier Meilen naͤhert, und er hat durch Mittel,die das groͤßte Vertrauen verdienen, die Geographie dieſer wildenGegenden mit einer Laͤngen-Beſtimmung beſchenkt, die ganz dazugeeignet iſt, den Reiſenden, die nach Weſten oder Suͤdweſten gehenund die Zeituͤbertragung vermittelſt Kronometer anwenden, als Aus-gangspunkt zu dienen. Zu Ende des Jahres 1834 machte der Vor- |36| ſtand der Koͤnigl. geographiſchen Geſellſchaft zu London der Regie-rung den Vorſchlag zu einer Expedition, die den doppelten Zweckhaben ſollte, einmal, das Innere des Britiſchen Guyana’s in Hin-ſicht auf Geographie und allgemeine Phyſik zu erforſchen und danndie in den Britiſchen Beſitzungen gut beſtimmten Punkte aſtrono-miſch mit dem oͤſtlichen Theile des oberen Orenoko bei der MiſſionEsmeralda und dem Cerro Duida zu verbinden *), bis wohin ich,bei einer mehr als 480 Lieues langen Beſchiffung des Stromes,meine Inſtrumente habe bringen koͤnnen **). Da es von großem Intereſſe fuͤr die aſtronomiſche Geographieiſt, die Grundlagen, auf denen ſich die Entwerfung der Karten vonSuͤd-Amerika im Norden des Amazonen-Stromes gruͤndet, nichtaus den Augen zu verlieren, ſo muß ich hier daran erinnern, daß,wenn man, aus dem Engliſchen Guyana kommend, durch guteBeobachtungen, deren Detail bekannt zu machen ſeinwuͤrde, gefunden haͤtte, daß die Long. der Vereinigung des Orenokound Caſſiquiare (bei der Miſſion Esmeralda) wenig von 68° 37′weſtlich von Paris verſchieden ſei, man hierdurch, da der Felſender Geduld (Piedra de la Paciencia), an der Muͤndung des RioMeta im Jahre 1824 durch das Innere des Landes hindurch kro-
*) Journal of the Royal Geogr. Soc. Vol. 6. Part. II. pag. 7. undZuſaͤtze pag. 10. In der Inſtruktion, welche der Sekretair der Ge-ſellſchaft, der jetzt in Vandiemensland ſtationirte Kapt. Maconochieentworfen hat, heißt es: „daß der Reiſende, um nach der MiſſionEsmeralda zu gelangen, nicht den Rio Branco abwaͤrts in den RioNegro und dieſen aufwaͤrts in den Siapa oder Caſſiquiare gehen(Herr Schomburgk hat den Padavire vorgeſchlagen, den er mit demSiapa oder Idapa verwechſelte), ſondern verſuchen ſollte, den Ore-noko von ſeinem Urſprunge bis Esmeralda hinabzugehen, da derHauptzweck der Expedition darin beſtehe, die oͤſtlichen, von Herrnvon Humboldt beſtimmten Punkte mit denen des Eſſequibo zu ver-binden.“**) Lieues = 20 auf 1° des Aequators. Es iſt hier die Rede vonder nur durch den Trageplatz (portage) von Javita unterbrochenenBeſchiffung des Apure, Orenoko, Atabapo, Temi Tuamini, Rio Ne-gro und Caſſiquiare. Dieſe ausgedehnte, durch Kronometer verbun-dene Reihe von Punkten iſt durch die Reiſe der Herren Bouſſingaultund Roulin auf dem Meta und durch Zeit-Übertragung von Bogotabis an den Zuſammenfluß des Meta und Orenoko an das Syſtemder in Neuͤ-Granada beſtimmten Punkte geknuͤpft worden.
|37| nometriſch mit Santa Fe de Bogota *) verbunden worden iſt,den Hafen des ſtillen Meeres, Guayaquil, an die Hauptſtadt desBritiſchen Guyana’s an den Kuͤſten des Atlantiſchen Oceans ge-knuͤpft haben wuͤrde. Der Laͤngen-Unterſchied dieſer beiden Punkteiſt 21° 46′; denn die Hauptſtadt des Britiſchen Guyana’s (GeorgesTown, an dem rechten Ufer der Muͤndung des Demerari) liegt,nach Kapt. Owen, in Long. 60° 31′ 54″, und ich habe, geſtuͤtztauf meine Beobachtungen im Callao de Lima und auf die neuͤeBeſtimmung der Lage von Quito, fuͤr Guayaquil **) 82° 18′ 10″gefunden.
Bei einem Kontinent, von dem durch Umſchiffung und durchExpeditionen zur See allein die Kontoure feſtgeſtellt worden ſind,iſt es von großer Wichtigkeit, die Poſitionen im Innern (Fluß-Sy-ſteme oder Gebirge) zugleich auf zwei entgegengeſetzte Kuͤſten zuſtuͤtzen. Die geographiſche Geſellſchaft in London faͤngt an, dieFruͤchte der Unterſtuͤtzung zu aͤrndten, die ſie den Reiſenden ange-deihen laͤßt. Sie hat in Herrn Schomburgk, dem wir bereits eineintereſſante Arbeit uͤber die Virginiſchen Inſeln verdanken, eineneben ſo verſtaͤndigen als eifrigen Mann gefunden. Die beiden Be-richte dieſes Reiſenden ſind um ſo intereſſanter, als darin zugleichdie Beobachtungen des Dr. Hancock uͤber die Vegetation des Landes
*) Oltmanns, aſtronom. und hypſometr. Grundlagen der Erdbeſchrei-bung. 1831. T. I. pag. 290.**) Die großen, in den Jahren 1825 bis 1836 von der Expedition derAventure und des Beagle (unter den Kapitainen King, Stokes undFitz-Roy) ausgefuͤhrten Arbeiten beſtaͤtigen dieſe Longitudo vonGuayaquil, die man neuͤerlich in Zweifel gezogen, bis auf etwa 4Meilen (Milles). Das Tagebuch des Beagle (Journ. of the geogr.Soc. a. a. O. pag. 339.) giebt 0 h 32′ 48″ weſtlich von Valparaiſo,folglich, da der Beagle Valparaiſo in 74° 1′ 39″ gefunden, 82°13′ 40″weſtlich von Paris; fruͤhere Berechnungen von Oltmanns hatten74° 2′ 0″ und von Lartigue 74° 3′ 47″ ergeben. Dieſelbe EngliſcheExpedition giebt fuͤr Callao 5° 18′ 15″. Der Durchgang des Mer-kurs durch die Sonnenſcheibe (am 9. November 1802) gab mir dieauͤßere Beruͤhrung, welche die ſicherſte iſt, 5 h 18′ 18″ und das Mittelaus beiden Beruͤhrungen 5 h 18′ 16″. Von dem Grade der Genauig-keit, den die eben verglichenen Beobachtungen erreichen, haͤngt dieConſiguration Suͤd-Amerika’s ab nach ſeiner Breiten-Ausdehnungzwiſchen dem Demerari und den Kuͤſten von Quito. Dieſe allgemei-nen Grundzuͤge der Conſiguration eines Kontinents muͤſſen vor Allemgenau beſtimmt werden.
|38| enthalten ſind. Andere nicht minder lobenswerthe und von dergeographiſchen Geſellſchaft in Paris unterſtuͤtzte Verſuche ſind indem Franzoͤſiſchen Guyana unternommen worden; aber außer demVortheil eines ſuͤdlichen Ausgangspunktes hat die Beſchiffung desoberen Maroni und des oberen Oyapok den Nachtheil; daß ſie ineine Region fuͤhrt, deren Longitudo 4° oͤſtlicher iſt, als der Meri-dian des Amucu-Sees und des oberen Rupunuri. Den neuͤerenReiſen des Herrn Leprieur, Apothekers der Koͤniglichen Marine,nach Arawa (Araua) haben die Emerillau-Indianer und die Mar-ron-Neger des Maroni unuͤberſteigliche Hinderniſſe in den Weggelegt.
Der Landſtrich, dem ſich gegenwaͤrtig die direkten Erforſchun-gen zuwenden, iſt ſeit vielen Jahren der Gegenſtand meiner Unter-ſuchungen geweſen. Die neuͤen Reiſen auf dem Rupunuri nachdem Amucu-See und den Quellen des Rio Mahu in der kleinenCordillere von Pacuraina, die Herr Hillhouſe Saint-Georges-Bergenennt, beſtaͤtigen vollkommen die aus dem Studium der geographi-ſchen Mythe von dem Dorado, aus den Itinerarien von NikolasHortsmann und Don Antonio Santos, ſo wie aus den Portugie-ſiſchen Manuſcript-Karten, die man dem Aſtronomen und Geogra-phen Pontes und dem Ingenieur-Kapitain Almeida de Serra ver-dankt, entnommene Überſicht. Ein Blick auf die intereſſante Kartezu der Reiſe des Herrn Schomburgk und auf meine, im Jahre1825 entworfene und in Brue’s Atlas wiederholte Karte von Co-lumbien wird hinreichen, um das Geſagte zu beſtaͤtigen. Fuͤr denFortgang der Forſchungen, die ihrer Natur nach nur von kurzerDauer ſein koͤnnen, ſcheint es mir vortheilhaft, die Aufmerkſamkeitauf einige beſonders zweifelhafte Punkte zu lenken, z. B. auf dasGeſammt-Relief eines Landes, das ich an einem andern Orte *) als ein iſolirtes Gebirgs-Syſtem unter dem Namen „Sierra Pa-rime“ beſchrieben habe. Wie ſehr die Zufluͤſſe des Eſſequibo, Rio Branco (Rio deAguas blancas oder Rio Parime des Pater Caulin) und des Ca-roni und Paragua auch einander genaͤhert ſein moͤgen, die dreiBecken dieſer großen Stroͤme ſind voͤllig getrennt. Nur die Bifur-kation des Orenoko oder die Verbindung des Caſiquiare mit demRio Negro und die Vereinigung des Pacimoni mit dem Cababurivermittelſt eines natuͤrlich abgezweigten Kanals (Baria) **) wuͤrde,
*) Relation historique Liv. IX. chap. 26. T. III. pag. 220 — 228.(Ausgabe in 4to.)**) Corogr. Brasil. T. 2. pag. 354.
|39| auf einem ungeheuͤren Umwege von 750 Lieues, eine ununterbro-chene Schiffahrt von dem Mahu und den Quellen des Rio Brancobis zur Muͤndung des Caroni, moͤglich machen. Trageplaͤtze, welche quer uͤber die Schwellen oder Ruͤcken einer Waſſer-ſcheide (divortia aquarum) fuͤhren, periodiſche Uͤberſchwemmungen,welche in der Regenzeit die, verſchiedenen hydrauliſchen Syſtemenangehoͤrenden Zufluͤſſe vereinigen, haben die Idee von mehrerenBifurkationen und Fluß-Verbindungen veranlaßt, die niemals exi-ſtirten oder wenigſtens jetzt nicht mehr vorhanden ſind. Alle Ab-dachungen haben die Tendenz, ihre Verzweigungen zu vermindernund ihre Becken zu iſoliren. Was fruͤher nur ein Arm war, wirdder einzige Recipient; und bei Abdachungen, deren Waſſer eine ge-ringe Geſchwindigkeit hat, verſchwinden die Bifurkationen oder Ver-zweigungen zwiſchen zwei hydrauliſchen Syſtemen auf dreierleiWeiſe: entweder leitet der verbindende Kanal den ganzen ſich gabelnden Fluß (rivière bifurquée), der aus verſchiedenen,mehr oder weniger parallelen Rinnen (sillons) beſteht, in ſeinBecken hinuͤber; oder der Kanal verſtopft ſich durch Anſchwemmun-gen da, wo er von dem Hauptſtrom ausgeht; oder es bildet ſichmitten in ſeinem Laufe (wie bei dem Arno Teverino im Chia-na-Thale) ein Theilungs-Punkt, wodurch in dem oberen Theileein Gegenhang (contre-pente) entſteht, von dem die Gewaͤſſer inentgegengeſetzter Richtung abfließen. Die Savannen und großenEbenen Suͤd-Amerika’s zeigen vornaͤmlich dieſe Veraͤnderungenoder das Saͤkular-Fortſchreiten der Entwicklung der Fluͤſſe im In-nern des Landes.
Die eben angefuͤhrte Konfiguration des Bodens hat, indem ſiedie Verbindung vermittelſt Kanots oder Piroguen mit flachem Bo-den auf ungeheuͤre Entfernungen beguͤnſtigt, ſeit Jahrhunderten diefriedlichen Anwohner des Caſſiquiare und des Rio Negro den Ein-faͤllen der Voͤlker Caraibiſcher Race ausgeſetzt, deren zahlreicheStaͤmme verſchiedene Namen tragen. Dieſe Einfaͤlle von Nordund Nordoſt her (aus mehr als 200 Lieues Entfernung) hattenzugleich den Handel mit einigen Waaren und den Raub von Skla-ven zum Zweck. Die maͤchtige Nation der Caraiben, von der manirrthuͤmlich glaubte, daß ſie urſpruͤnglich nur den kleinen Antillenangehoͤre, hatte zur Zeit der Entdeckung Amerika’s einen großenTheil des Littorale der Tierra firma (Cariai und Caribana *) der
*) Caribana wurde anfaͤnglich eine Provinz genannt, die zwiſchen derMuͤndung des Rio Sinu und der des Atrato lag (Gomara, Edit. von 1553. Fol. XXX.), weil dieſer weſtliche Theil von Caſtilla de
|40| erſten Conquiſtadores), ſo wie den oͤſtlichen Landſtrich zwiſchen demOyapok, Cuyuni und Guarapiche im Beſitz. Sie machte ſich zugleicher Zeit den Bewohnern von Haiti und denen an den Zufluͤſ-ſen des oberen Orinoko furchtbar. Seitdem die Euͤropaͤiſchen Kolo-niſten an den Graͤnzen dieſes niedrigen Theiles der Parime, wel-cher (zwiſchen den Parallelen von 2° und 7°) ſich von Long. 61°bis 65° erſtreckt, feſte Niederlaſſungen gegruͤndet haben, ſind dieSpanier, auf dem Caroni und dem Paragua, der ein Nebenflußdes Caroni iſt, gegen Suͤden, die Hollaͤnder auf dem Eſſequibound dem Cuyuni gegen Weſten und Suͤdweſten und die Por-tugieſen auf dem Rio Branco, der in den Rio Negro muͤndet,vorgedrungen. Dieſer Umſtand bot natuͤrlich, bei den beſchraͤnken-den Handelsgeſetzen, die zum Theil noch heuͤte in den Kolonien gel-ten, eine große Lockung fuͤr den Schleichhandel dar. Da die Ca-raiben, durch ihre Beweglichkeit und ihre lange Erfahrung in denReiſen auf den Fluͤſſen, die einzigen Geographen des Landes wa-ren, ſo bedienten ſich ihrer die Weißen, um ihnen die Wege fuͤrdieſen heimlichen Handel zu oͤffnen. Aus den Traditionen, die ichzu Ende des vorigen Jahrhunderts habe ſammeln koͤnnen, und ausden Nachrichten, die ich in den Archiven von San Thomas denueva Guyana, gewoͤhnlich Angoſtura genannt, vorgefunden, er-giebt ſich, daß die Gouverneure bei ihren von Zeit zu Zeit wieder-holten Verſuchen, in die Terra incognita der Parime einzudringen,ſich auf drei Zwecke beſchraͤnkten. Sie wollten einmal den Raubvon Sklaven und die Angriffe der Miſſionen durch die unabhaͤngi-gen Caraiben verhindern, ſie wollten ferner die Wege und die Fluß-Verzweigungen auf denen die Kontrebande eingefuͤhrt wurde, genaukennen lernen und endlich in das reiche Goldland des Dorado vor-dringen, welches den Parime-See umgeben ſollte und das durchdie Leichtglauͤbigkeit oder durch die argliſtige Politik des Raleigh,Keymis und Maſhan ſo beruͤhmt geworden iſt. Ich habe in derThat an einem anderen Orte bewieſen, daß der Iſthmus zwiſchenden Armen des Rio Eſſequibo (Raleigh’s Deſſequebe) und des RioBranco, d. h. zwiſchen dem Rupunuri einer Seits und dem Pi-rara, Mahu oder Uraricuera anderer Seits, als der klaſſiſche Bo-den des Dorado der Parime zu betrachten iſt.
Es ſteht zu hoffen, daß der unerſchrockene Reiſende, welcherdurch ein Labyrinth von Kaskaden auf dem Maſſaruni neuͤerdingsbis in den gebirgigen Theil gelangt iſt, wo die Arthur’s-Tafel ihm
Oro einer der Hauptſitze der Caraibiſchen Voͤlkerſchaften (Caribaoder Caniba) war.
|41| 5000 — 6000 Fuß hoch zu ſein ſchien, den Mangel aſtronomiſcherBeobachtungen durch hauͤfige Angaben des Rumb und der Entfer-nungen wird erſetzt haben. „Wir haben,“ ſagt Herr Hillhouſe et-was unbeſtimmt, „von Expeditionen ſprechen hoͤren, die von Ca-yenne und Surinam abgeſandt, ſehr weit gegen Suͤdweſten vondieſen Kolonien vorgedrungen ſind, und einem Berichte zufolge ſolleine derſelben bis an den Amazonen-Strom und zwar auf einemſeiner noͤrdlichen Zufluͤſſe gelangt ſein. Allein wir kennennoch nichts von den Quellen des Eſſequibo und uͤber ſeinen Laufnach der Vereinigung mit dem Rippanuri (Rupunuri). Indem ichden Atlas des Herrn von Humboldt zu Rathe zog, uͤberzeuͤgte ichmich bald, daß der Maſſaruni (Mazaroni) zwiſchen dem Cujuni undEſſequibo fließen muͤſſe, und daß er, wenn man ihm eine ſuͤdweſtliche(oder vielmehr ſuͤdſuͤdweſtliche) Richtung anwieſe, das beruͤhmte el Do-rado oder den noch zu entdeckenden Gold-See der geographiſchen Mythe,durchfließe.“ Man ſieht, daß der Reiſende im Norden oder Nordoſtender granatiſchen Bergkette geblieben iſt, welche die Schwelle oderdie Waſſerſcheide bildet zwiſchen dem Rio Eſſequibo und dem RioBlanco (Rio Branco der Portugieſen oder Quecuene der Einge-bornen), zwiſchen dem Rio Paragua (Zufluß des Caroni) und demUraricapara, der bei der alten Spaniſchen Miſſion Santa Roſavorbeifließt. In dem Entwurf einer geologiſchen Schilderung Ame-rika’s im Norden des Amazonen-Stroms, habe ich, nach den nochnicht bekannt gemachten Dokumenten, welche ich beſitze, und die mirzur Entwerfung meiner Generalkarte von Columbien (Nr.22. meines Atlaſſes) gedient haben, jene Kette, die Bergkette Pa-caraina genannt. Raleigh kannte ſie ſchon im Jahre 1596 unterdem Namen Wacarima, und dies beweiſt, wie viel geographiſchWahres ſich in ſeinen verwirrten Berichten uͤber das Dorado vor-findet. Die Kette ſcheidet das noͤrdliche Waſſerſyſtem des Caroni undſeines Nebenfluſſes Paragua von dem ſuͤdlichen Waſſerſyſtem des RioBranco. Nach mehreren, von mir gemachten Combinationen ſcheintſie von Oſten nach Weſten, zwiſchen den Parallelen von 4° 4′ und4° 12′ zu ſtreichen und die Berggruppe des Engliſchen Guyana’smit der ausſchließlich granitiſchen und ſyenitiſchen Berg-Gruppe vonParime zu verbinden. Es iſt ein Kamm, der ſich gegen ſeine bei-den Enden hin, erweitert und die Savannen und niedrigen Ebenendes Carony und Cuyuni von denen des Rio Branco trennt. Siebildet einen der karakteriſtiſchen Zuͤge in der Topographie dieſer oͤdenGegend. Der Kapitain Antonio Santos paſſirte ſie im Jahre1778, auf ſeiner Reiſe von dem Nocoprai, einem Zufluſſe des RioParagua, im Suͤden von Gairior, nach einem Zufluſſe des Rio |42| Branco, dem Curaricara, den die Eingebornen auch Uraricaparanennen. In den Reiſe-Tagebuͤchern des Kapitain Santos findeich fuͤr die Kette, welche die Waſſer ſcheidet, den Namen Paca-raymo. Die im Jahre 1804 beendigten Manuſcript-Karten desFregatten-Kapitains Sylva Pontes Leme und des Ingenieur-Ka-pitains Almeida de Serra nennen den Kamm, den man paſſirenmuß, um von dem Araicuque (einem Zufluſſe des Uraricapara) zudem Anocapra, einem Zufluſſe des Paraguamuſſi, zu gelangen, Pacarahina. Man muß in der Synonymie dieſer barbariſchenBerg- und Fluß-Namen ſehr vorſichtig ſein, denn wenn die Kar-ten von Guyana, wie ſchon La Condamine ſagt, „von eben ſo fal-ſchen, als umſtaͤndlichen Details wimmeln,“ ſo liegt die Urſachedavon oͤfters in der auͤßerſten Ungenauigkeit der Nomenklatur undin dem Wunſche, fuͤr jeden Namen einen Fluß zu ſchaffen. Manhat Muͤhe, in dem Xia den Guaicia und in Raleigh’s Europa- Fluſſe den Rio Guarapo zu erkennen. Da die Geographen fuͤr je-den Namen dieſer Synonymen einen Fluß erfunden und dargeſtellthaben, ſo wiederholt ſich dies ſeit Jahrhunderten auf allen nach dem-ſelben Typus entworfenen Karten. Es ſcheint ein erhaltender Geiſtuͤber dieſen Irrthuͤmern fruͤherer Zeiten zu wachen.
Die Karte von Columbien, welche ich im Jahre 1825 heraus-gab, und die von Herrn Brué nach den Zeichnungen und Mate-rialien, welche ich dieſem geſchickten Geographen mittheilte, redigirtworden iſt, enthaͤlt die Fruͤchte meiner Unterſuchungen. Die oberenTheile des Laufes des Rio Branco und des Rio Caroni erſcheinenhier in einer ganz neuͤen Geſtalt. Bemuͤht, die Mythe des Doradozu enthuͤllen, welches allmaͤhlig von Weſten nach Oſten, von denQuellen des Rio Negro (Guainia), des Guape (Uaupes) und desSupura (Caqueta) zu den Quellen des Orenoko gewandert iſt,mußte ich eine große Wichtigkeit auf den Lauf des Rio Rupu-nury oder Rupunuwini (Weni oder Wini bedeuͤtet „Waſ-ſer,“ „Fluß“ in der großen Verzweigung der Maypure-, Cabre- undGuypunare-Sprachen) legen, und zwar mußte ich dies um ſomehr, als die Karten, ſeit dem Ende des 16ten Jahrhunderts, dem Parime- oder Dorado-See den Namen Rupunuwini gegebenhaben. *) Die Idee eines ungemein reichen Goldlandes, welches
*) Siehe Blatt 14. meines „geographiſchen Atlas,“ welches den Titelfuͤhrt: „Geſchichte der Geographie des Orenoko ſeit der Karte desJodocus Hondius 1599 bis zu der Karte von Buache 1798.“ DieEntſtehung der Mythe von dem Dorado findet ſich im VII. Buche,
|43| im Jahre 1535 (nach den Berichten des Don Luis Daze) ſogleichin die Berge von Neuͤ-Granada (Cundirumarca und Cundina-marca) verlegt wurde, wo „ein Herr, deſſen Koͤrper mit Goldſtaubbedeckt war *), ſeine religioͤſen Abwaſchungen in einem Alpenſeevornahm,“ iſt ſeit der Expedition des Antonio de Berrio, Schwie-gerſohn des großen Adelantado Queſada, auf dem Caſanare, Metaund Orenoko, an die Hypotheſe eines großen Binnen-Sees ge-knuͤpft worden, der ſeine Waſſer zugleich dem Eſſequibo, Rio Brancound Orenoko zuſende. Ich glaube, es iſt mir, durch eine genauereKenntniß der Örtlichkeit, durch ein langes und muͤhſames Studiumder Spaniſchen Schriftſteller, die von dem Dorado und dem Pa-rime-Meer handeln, und namentlich durch Vergleichung einergroßen Anzahl kronologiſch geordneter Karten, gelungen, die Quelledieſer Irrthuͤmer aufzufinden. Den Fabeln, welche ſich an gewiſſeLokalitaͤten knuͤpfen, liegt gewoͤhnlich etwas Wahres zum Grunde;die Fabel von dem Dorado (d. h. von dem goldenen Manne, del hombre dorado), gleicht jenen Mythen des Alterthums, die, von
Kap. 24. der Relation historique meiner Reiſe. (Th. II. pag. 674 — 712.)*) Es iſt dies derſelbe, den Oviedo, in einem an den Kardinal Bembogerichteten Briefe, zu Gonzalo Pizarro ſagen laͤßt, „daß er, vomKopf bis zu den Fuͤßen mit Goldſtaub bedeckt, a una figura d’oralavorata di mano d’un buonissimo artifice gleiche, und daß der goldene Herr (Seigneur d’oré), wegen der Unbequemlichkeit, dieihm dieſe Art von Bekleidung, zu der er verdammt ſei, ver-urſache, hauͤfige Abwaſchungen vornehme.“ Es iſt mir wahrſcheinlich,daß dieſer Ritus ſich urſpruͤnglich auf das kirchliche Oberhaupt vonCundinamarca bezog, welches in Iraca (dem heuͤtigen Sogamozo)reſidirte und eine Art von Lama der Bochica- oder Ilacanzas-Sekte war. Ich habe an einem anderen Orte unterſucht, ob dieſeAbwaſchungen in der Laguna de Tota, oͤſtlich von Tunja (dem altenHuncahua), wo das weltliche Oberhaupt von Cundinamarca reſi-dirte, oder in dem heiligen See von Guatavita, etwas ſuͤd-lich von Bogota, ſtatt fanden. Zu der Zeit, als in England mitunuͤberlegtem Eifer ſich Geſellſchaften zur Bearbeitung der BergwerkeAmerika’s bildeten, ſind einige Zeilen in meinen Vues des Cordil-lères, Pl. 67., worin die hiſtoriſche Thatſache mitgetheilt wird, „daßim 16. Jahrhundert verſucht worden ſei, den See abzuleiten, um ſichder Schaͤtze zu bemaͤchtigen, die, nach der Tradition, die Einge-bornen bei der Ankunft Queſada’s darin ſollten verborgen haben,“zu meinem groͤßten Bedauern und ohne mein Wiſſen, die Veranlaſ-ſung zu betraͤchtlichen Geld-Verluſten geworden.
|44| Land zu Land wandernd, nach und nach auf verſchiedene Gegendenuͤbertragen wurden. Um das Wahre von dem Falſchen zu unter-ſcheiden, iſt es in den Wiſſenſchaften meiſtentheils hinreichend, dieGeſchichte der Meinungen darzuſtellen und ihre allmaͤhlige Entwick-lung zu verfolgen. Die ingebornen Voͤlker ſchilderten, um ſich ihrerunbequemen Gaͤſte leichter zu entledigen, beſtaͤndig das Dorado alsleicht erreichbar und in nicht großer Entfernung. Es glich einemFantom, das vor den Spaniern zu fliehen ſchien und ſie unauf-hoͤrlich anlockte. Es liegt in der Natur des auf der Erde herum-ſchweifenden Menſchen, ſich das Gluͤck jenſeits des ihm Bekanntenzu denken. Das Dorado, aͤhnlich dem Atlas und den Hesperidi-ſchen Inſeln iſt allmaͤhlig aus dem Gebiete der Fabel in das derſyſtematiſchen Geographie uͤbergegangen.
Die große Beruͤhmtheit eines goldreichen Landes zwiſchen demCaqueta (Papamene) und dem Guaupe, einem der Zufluͤſſe des RioNegro hat die Lokalitaͤt des erſten Dorado’s, des weſtlichen, des Do-rado’s der Om — Aguas *) und Manoa beſtimmt. Ich ſehemit Vergnuͤgen, daß die Nachrichten, die ich in San Carlos delRio Negro in Bezug auf dies gebirgige und goldfuͤhrende Landgeſammelt habe, neuͤerlich durch Herrn W. Smyth, Schiffs-Lieu-tenant der Engliſchen Marine, beſtaͤtigt worden ſind. Dieſer Offi-zier hat, gemeinſchaftlich mit Herrn Lowe, faſt den ganzen Laufdes Rio Huallaga, einen Theil des Ucayali und den Amazonen-Strom von Nanta und Omaguas bis zur Muͤndung des Rio Ne-gro mit großer Genauigkeit aufgenommen. In einer Abhandlung,welche Herr Smyth in der Verſammlung der geographiſchen Geſell-ſchaft in London am 14. Dezember 1835 geleſen hat, **) verſichert
*) Die Namen drei maͤchtiger Nationen, der Om-Aguas oder Dit-Aguas oder Aguas, der Manaos oder Manoas und der Guaypresoder Uaupes laͤngs der Ufer des Uaupe, oder Guaupe ſind nochheuͤte in den Becken des Amazonen-Stroms und des Rio Negrobekannt.**) Journal of the Royal Geogr. Soc. 1836. Vol. VI. Part. I. pg. 21.Ich bedaure, daß der Lieutenant Smyth weder die aſtronomiſchenBeobachtungen, die ich an den Ufern des oberen Rio Negro und desCaſiquiare angeſtellt, noch die Karte vom Orenoko und deſſen Bifur-kation, die ich im Jahre 1814 (Atlas Nro. 6.) herausgab, kannte.Er haͤtte ohne Zweifel durch einige beſtimmtere Angaben die roheZeichnung des Caſiquiare und der Zufluͤſſe des Rio Negro, die ihmin La Barra mitgetheilt wurde, und die er ſeinem intereſſanten Werke(Narrative of a Journey from Lima to Para, 1836, pag. 293.)
|45| er, nach einem Manuſkript des Pater Andrea Fernandez de Souza,„daß die reichen Goldzierrathe, die man bei den Tarianas-India-nern finde, dieſen von dem Panenoa-Stamme zukaͤmen, der vielweiter in der Civiliſation vorgeſchritten ſei als jene und an denQuellen des Rio Uaupes (Guepe) wohne“. Jene Goldwaͤſchenzwiſchen dem Uaupes, Iguiare und dem Yurubeche *) ſind derSchauplatz der Thaten des Pedro de Urſua und Philipp von Hu-ten, eines deuͤtſchen Edelmanns, deſſen Namen die SpaniſchenSchriftſteller in Felipe de Urre und Utre verwandelt haben. In-dianer von San Joſe de Maravitanos, einem Orte 12 Seemeilenim Suͤden von San Carlos de Rio Negro, hatten dem Kapitain Poblador, Don Apollinario Diaz de la Fuente, der dieſe Uferdes oberen Orenoko, des Caſiquiare, und des Rio Negro ein halbesJahrhundert vor mir beſuchte und deſſen Reiſejournale nach Quitoich mir verſchaffte, eingeredet, „daß wenn man vierzehn Tage langauf dem Uaupes gegen Nordweſten ſchiffe, man zu einem beruͤhm-ten Goldſee gelange, der von Bergen umgeben und ſo groß ſei,daß man das gegenuͤberliegende Ufer nicht erkennen koͤnne. Diewilde Nation der Guanes dulde es nicht, daß man in dem ſandi-gen Erdreiche, welches die Ufer des Sees bilde, Gold ſammle“.Das hauͤfig uͤberſchwemmte Land zwiſchen den Quellen des Juru-beche und des Rio Marahi, eines Zufluſſes des Caqueta, wohin La
beigegeben hat, berichtigen koͤnnen. Die Verſicherung des Pater An-drea Fernando Souza, hinſichtlich der Verbindung des Uaupes (Vaupe)mit dem Auiyari (Guaviare) hat keine Wahrſcheinlichkeit fuͤr ſich.(Man vergleiche meinen Atlas Nro. 21.) Es iſt vielmehr der Ini-rida, ein Zufluß des Guaviare, der ſich durch ſeine Richtung denQuellen des Rio Negro naͤhert. Um die Verwirrung in der hydro-graphiſchen Nomenklatur dieſer Gegenden nicht zu vermehren, mußich hier bemerken, daß das Manuſkript des Pater Souza den Caſi-quiare Guxiquiare, den Tuamini Tiniuini, den Atabapo Ya-tauapu, den Pimichin Yaita, wahrſcheinlich wegen der Naͤhe derMiſſion Yavita, nennt. Da ich die genannten Fluͤſſe beſchifft habe, ſo kann ich mit einiger Sicherheit daruͤber ſprechen.*) Man hat oft die Frage aufgeworfen, welches die Fluͤſſe Jurubecheund Iquiare der Pater Acuña und Fritz ſeien. Ich glaube, ſie indem Hyurubaxi (ſprich Jurubaji mit dem Arabiſchen cha) und demIguiari der in dem hydrographiſchen Depot zu Rio Janeiro entwor-fenen Portugieſiſchen Manuſkript-Karten erkannt zu haben. Der er-ſtere ergießt ſich in den Rio Negro bei Santa Iſabella, der zweitemuͤndet in den Iſſana, einen Nebenfluß des Rio Negro.
|46| Condamine einen anderen Gold-See verlegt, den er Parahi *) (d. h. der See Waſſer!) nennt, kann, durch eine Verwechslung derLokalitaͤten zu der abgeſchmackten Erzaͤhlung von der Unermeßlichkeitdes Sees des Uaupes Veranlaſſung gegeben haben. Ich habe es immerfuͤr gewiß gehalten, daß zwiſchen den unbekannten Quellen des RioNegro und ſeinen Zufluͤſſen Xie und Uaupes (Lat. 1° — 2\( \frac{1}{2} \)° N.; Long.71\( \frac{1}{2} \) —74° W. von Paris) ein kleines Gebirgs-Plateau exiſtire,welches goldfuͤhrendes aufgeſchwemmtes Land enthalte. Die Civili-ſation wird einſt in jene Gegenden vordringen, ſei es von Oſtennach Weſten durch die Braſiliſchen Miſſionen oder durch die Co-lumbiſchen am Rio Negro und Atabapo, die heuͤt zu Tage gleichelend ſind, oder von Weſt nach Oſt durch die Miſſionen von Ca-guan und Guayavero am Fuße der Cordilleren von Cundinamarca.Man wird dann ſehen, ob jene Schichten goldfuͤhrenden Sandesder Bearbeitung werth ſind, und ob ich den geographiſchen Theildes erſten Dorado’s, des Dorado’s der Om-Aguas, das Zielaller vom Jahre 1535 bis zum Jahre 1560 unternommenen Expe-ditionen, richtig erklaͤrt habe. In dem letztgenannten Jahre nahmPedro de Urſua den ſtolzen Titel Governador del Doradoy de Omagua **) an. Er hoͤrte, daß ſein Gouvernement in par-tibus ſich uͤber eine Provinz erſtrecke, die von den Eingebornen dasLand Caricuri ***) genannt werde, und dieſer Name, deſſen Be-deuͤtung er ohne Zweifel nicht kannte, beweiſt allein ſchon die Wir-kungen der Einfaͤlle der Caraiben in dieſe weſtlichen Laͤnder. ImTamanakiſchen heißt Gold Caricuri, im Caraibiſchen Carucuru zwei Sprachen, deren Verwandſchaft ſchon durch den gelehrten Voll-ender des Mithridates, Herrn Vater, bemerkt worden iſt. Curi(Cori) iſt indeß auch das Peruaniſche (Quichua) Wort fuͤr daſ-ſelbe Metall, ſo daß wir hier eine jener eingefuͤhrten Wur-
*) Vergl. meine Karte von Columbien, Lat. 1° 5′ S.; Long. 68° 10′W. Paris. Auch der Pater Fritz hat durch eine im Jahre 1637 un-ternommene Reiſe jenes goldfuͤhrende Land beruͤhmt gemacht. Unterden im Archiv der auswaͤrtigen Angelegenheiten zu Paris aufbewahr-ten werthvollen Sammlungen d’Anville’s habe ich unter Nro. 9545eine ſehr merkwuͤrdige Manuſkript-Karte aufgefunden, worauf dieReiſe des Paters Fritz verzeichnet iſt. Sie fuͤhrt den Titel: Tabulageographica del Marañon 1690. Ich habe ſie bei meinen Unterſu-chungen uͤber die Geſchichte der Geographie Amerika’s benutzt.**) Fray Pedro Simon. Not. VI. Cap. X. pag. 348.***) A. a. O. pag. 422.
|47| zeln finden, die vermittelſt wandernder Staͤmme einen Raum von400 — 500 Lieues in der Richtung von Suͤdweſt nach Nordoſtdurchlaufen haben. Am Ende des 16. Jahrhunderts ging Antonio deBerrio, Erbe des großen Adelantado Gonzalo Ximenez de Queſada,oͤſtlich von Tunja uͤber die Cordilleren von Neuͤ-Granada (Cundi-namarca) und gelangte auf dem Caſanare, Meta und dem unterenOrenoko nach der Inſel Trinidad. Seit dieſer Zeit wurde die Mythevon dem Dorado in den oͤſtlichen Theil von Guyana, zwiſchenLong. 62 und 66°, verlegt, in eine Gegend, die ganz neuͤerdingswieder der Schauplatz nuͤtzlicher und muͤhſamer Forſchungen gewor-den iſt. Dieſelben Namen wurden an andere Lokalitaͤten geknuͤpft;die geographiſche Mythe wurde nach der Konfiguration eines, hauͤ-figen Überſchwemmungen ausgeſetzten Landes am Fuße der Pa-caraina-Kette modificirt. Da die Quellen großer Stroͤme ſtetsdie Neuͤgierde des Menſchen erregt haben, da ſie den kuͤhnſten Hy-potheſen ein weites Feld darbieten, ſo finden ſich die Fragen uͤberdie Quellen des Orenoko direkt mit der Aufſuchung des Dorado imoͤſtlichen Guyana verbunden. Die Erzaͤhlungen eines gewiſſenMartinez, die durch Raleigh verbreitet wurden und der Geſchichteder Abenteuͤer des Juan Martin de Albujar nachgeahmt waren,hatten im Jahre 1595 die Einbildungskraft Antonio’s de Berriound ſeines Maeſe de Campo, Domingo de Vera, erhitzt. JenerMartinez war von den Caraiben „von Stadt zu Stadt gefuͤhrtworden, bis er nach Manoa, der Hauptſtadt des Dorado, kam, woer einen Verwandten des Inca Atabalipa (Atahualpa) zu ſehenglaubte, den er ſchon in Caxamarca gekannt zu haben behauptete.“Da Martinez am oberen Caroni, der von der Pacaraina-Ketteherabkommt, wohnte, und da er nach einer langen Abweſenheit un-ter den Indianern, den Eſſequibo herabkommend, auf der InſelTrinidad wieder erſchien, ſo hat er ohne Zweifel dazu beigetragen,den See Manoa auf den Iſthmus des Rupunuri oder Rupunu-wini zu verlegen. Dieſer See wurde nach und nach zu einem Bin-nen-Meere (Laguna Parime oder Laguna de Roponowini des Jo-docus Hondius) vergroͤßert. In dem Jahre, wo ich dieſe Zeilenſchreibe, bewahren viele ſehr neuͤe Karten noch immer die Spurenjener alten geographiſchen Mythe, wie ſie eben ſo gewiſſenhaft dieMythe von einem großen Plateau im centralen Aſien bewahren,das ſich ununterbrochen von der Kette des Himalaya-Gebirges biszu der des Altai erſtrecken ſoll.
Das zweite Dorado, das oͤſtliche, kann man vielleicht das Dorado der Parime oder des Raleigh nennen; denn dieſergroße Mann unternahm vom Jahre 1595 bis zum Jahre 1617 vier |48| Expeditionen auf dem unteren Orenoko. Er war gewiß ſelbſt ge-tauͤſcht worden; aber als es darauf ankam, die Einbildungskraft derKoͤnigin Eliſabeth zu entflammen und die Entwuͤrfe ſeiner ehrgeizi-gen Politik auszufuͤhren, da verſchmaͤhte er keinen Kunſtgriff derausgeſuchteſten Schmeichelei. Er ſchilderte der Koͤnigin „die Ent-zuͤckung jener barbariſchen Voͤlker bei dem Anblick ihres Portraits.Er will, daß der Name der erhabenen Jungfrau, die Koͤnigreichezu erobern weiß, bis in das Land der kriegeriſchen Frauen (Amazo-nen) von Guyana dringe; er verſichert, daß man zu der Zeit, alsdie Spanier den Thron von Cuzco umſtuͤrzten, eine alte Weiſſa-gung aufgefunden habe, wonach die Dynaſtie der Incas eines Ta-ges Groß-Brittanien ihre Wiederherſtellung verdanken werde:er raͤth, unter dem Vorwande, das Land gegen auͤßereFeinde zu vertheidigen, Garniſonen von 3000 — 4000 MannEngliſcher Truppen in die Staͤdte des Inca zu legen und dieſen ſoedelmuͤthig beſchuͤtzten Fuͤrſten zu verpflichten, der Koͤnigin Eliſabetheinen jaͤhrlichen Tribut von 300,000 Pfd. Sterl. zu zahlen; endlichfuͤgt er, wie Jemand, der die Zukunft vorher ſieht, hinzu, daß allejene weiten Laͤnder Suͤd-Amerika’s eines Tages der Engliſchen Na-tion gehoͤren wuͤrden.“ *) Die oͤſtlichen Theile von Guyana erlangten eine neuͤe Beruͤhmt-heit, als, verleitet durch Indianer-Hauͤptlinge, die mit Huͤlfe derSpanier ſich an einigen feindlichen Staͤmme zu raͤchen hofften, derGouverneur Don Manuel Centurion im Jahre 1770 auf dem obe-ren Cauca neuͤe Einfaͤlle machte. Die Nation der Majenaos, wurde damals durch falſche Ausſprache in Manaos verwandelt unddieſer, durch die Expeditionen von Urre und Jorge de Eſpira (Georgvan Speier) beruͤhmt gewordene Name wurde in dem Thale desRio Branco wiedergefunden. Bis zur Haͤlfte des 18. Jahrhunderts war das weite Gebietzwiſchen den Bergen des Franzoͤſiſchen Guyana und den aus wil-den Kakaobauͤmen und der Juvia (Bertholletia excelsa) beſtehendenWaͤldern des oberen Orenoko, zwiſchen den Quellen des Rio Caroniund dem Amazonen-Strome (von Lat. 0° — 4\( \frac{1}{2} \)° N. und vonLong. 57° — 68° W. Paris) ſo wenig bekannt, daß die Geogra-phen dort nach Belieben Seen zeichnen und Fluß-Verbindungenſchaffen konnten. Heuͤtiges Tages iſt das Feld der Hypotheſen be-deuͤtend eingeſchraͤnkt. Man hat die Longitudo von Esmeralda amoberen Orenoko beſtimmt, und oͤſtlich von dieſem Punkte, mitten inden Ebenen und Savannen der Parime, iſt eine Zone von 20
*) Cayley’s Life of Raleigh. T. I. pag. 7, 17, 51 et 100.
|49| Lieues Breite von Norden nach Suͤden, laͤngs des Caroni undRio Branco, durchſtreift worden. Es iſt dies der gefahrvolle Weg,den im Jahre 1739 der Chirurgus Nikolas Hortsmann aus Hil-desheim, im Jahre 1775 der Spanier Don Antonio Santos mitſeinem Freuͤnde Nikolas Rodriguez, im Jahre 1793 der Oberſt-Lieu-tenant des erſten Linien-Regiments von Para, Don FranciscoJoſe Rodriguez Barata und nach den handſchriftlichen Noten, *) die ich dem ehmaligen Portugieſiſchen Geſandten in Paris, Cheva-lier de Brito, verdanke, mehrere Engliſche und Hollaͤndiſche Koloni-ſten, die im Jahre 1811 uͤber den Trageplatz des Rupunuri undauf dem Rio Branco von Surinam nach Para kamen, eingeſchla-gen haben. Dieſer Weg theilt die Terra incognita der Parime inzwei ungleiche Theile und bezeichnet zugleich, was fuͤr die Geogra-phie dieſer Gegenden ſehr wichtig iſt, gewiſſe Graͤnzen fuͤr die Quel-len des Orenoko, die jetzt nicht mehr unbeſtimmt gegen Oſten ver-ſchoben werden koͤnnen, ohne das Bett des Rio Branco, der vonNorden nach Suͤden fließt, das von Oſten gegen Weſten gerichteteBett des Orenoko durchſchneiden zu laſſen. Wegen der Lage vonSanta Roſa am Uraricapara, deſſen Lauf mir hinreichend durch diePortugieſiſchen Ingenieurs beſtimmt zu ſein ſcheint, koͤnnen die Quel-len des Orenoko nicht oͤſtlich vom Meridian von 65\( \frac{1}{2} \)° liegen. Diesiſt die oͤſtliche Graͤnze, uͤber die hinaus ſie unmoͤglich verlegt wer-den koͤnnen; aber indem ich mich auf den Zuſtand des Fluſſes indem Raudal der Guaharibos (oberhalb des Caño Chiguire, in demLande der Guaycas-Indianer mit eigenthuͤmlich ſchwaͤrzlicher Haut,52′ oͤſtlich von dem großen Cerro Duida) ſtuͤtze, iſt es mir wahr-ſcheinlich, daß der Orenoko ſich in ſeinem oberen Laufe hoͤchſtensbis zum Meridian von 66°\( \frac{1}{2} \) erſtreckt. Dieſer Punkt liegt, nachmeinen Combinationen, 4° 12′ weſtlicher als der kleine Amucu-See,den Herr Schomburgk neuͤerdings erreicht hat. Wenn man denRio Branco nach ſeiner ganzen Laͤnge, von den beiden Armen, dieihn bilden, dem Uraricuera und Tacutu, **) an, verfolgt, wenn
*) Die Braſilianer haben, ſeit dem Beginn des 19. Jahrhunderts, auspolitiſchen Ruͤckſichten ein lebhaftes Intereſſe fuͤr die oͤſtwaͤrts vomRio Branco ſich erſtreckenden Ebenen gezeigt. Siehe eine auf Ver-langen des Portugieſiſchen Hofes, im Jahre 1817 von mir ver-faßte Abhandlung „uͤber die Graͤnzen des Franzoͤſiſchen Guyana’s.“(Schoell, Archives politiques ou Pièces inédites. T. I. pag. 48 — 58.)**) Ihre Vereinigung geſchieht bei San Joacquim do Rio Branco;aber die Zufluͤſſe des Tacutu, die den Mahu und Xurumu, ſo wie
|50| man von der Bergkette von Pacaraina durch die ſchmale Zone kul-tivirten (oder vielmehr bewohnten) Landes, welches zur Capitaniageneral von Groß-Para gehoͤrt, herabſteigt, ſo kann man die theilseingebildeten, theils von den Geographen vergroͤßerten Seen inzwei unterſchiedene Gruppen theilen. Die erſte dieſer Gruppenumfaßt diejenigen, die man zwiſchen Esmeralda, der oͤſtlichſten Miſ-ſion des oberen Orenoko, und den Rio Branco ſetzt; zur zweitengehoͤren diejenigen Seen, die man in dem Landſtriche zwiſchen demRio Branco und dem Franzoͤſiſchen, Hollaͤndiſchen und EngliſchenGuyana annimmt. Dieſe Überſicht, welche die Reiſenden nichtaus den Augen verlieren duͤrfen, beweiſt, daß die Frage, ob außerdem Amucu-See, der von Hortsmann, Santos, dem Oberſten Ba-rata und Herrn Schomburgk geſehen worden iſt, noch ein Parime-See exiſtire, dem Problem der Orenoko-Quellen gaͤnzlich fremd iſt.Da der Name meines ausgezeichneten Freundes Don Felipe Bauza,ehmaligen Direktors des hydrographiſchen Depots in Madrid, inder Geographie von großem Gewichte iſt, ſo macht die Unpartei-lichkeit, die bei jeder wiſſenſchaftlichen Diskuſſion vorherrſchen muß,es mir zur Pflicht, hier daran zu erinnern, daß dieſer Gelehrte ei-nigermaßen geneigt war, an die Exiſtenz von Seen, weſtlich vomRio Branco, den Quellen des Orenoko ziemlich benachbart, zuglauben. Er ſchrieb mir, kurze Zeit vor ſeinem Tode, aus London:„Ich wuͤnſchte, Sie waͤren hier, damit wir die Geographie des Ore-noko, mit der Sie ſich ſo viel beſchaͤftigt haben, gemeinſchaftlich dis-kutiren koͤnnten. Ich bin ziemlich gluͤcklich geweſen, die voͤlligeVernichtung der Dokumente zu verhindern, die dem General derMarine, Don Joſe Solano, Vater desjenigen, der auf ſo traurigeWeiſe in Cadix umkam, gehoͤrten. Dieſe Dokumente beziehen ſichauf die Graͤnz-Eintheilung *) zwiſchen den Spaniern und
die Zufluͤſſe des Uraricuera, die den Parime, Mayari und Urarica-para bilden, haben ihre Quellen unmittelbar an dem Suͤd-Abhangeder kleinen Cordillere von Pacaraina, ſo daß die Waſſer des RioBranco, deſſen Zuſammenfluß mit dem Rio Negro, nach dem Aſtro-nomen und Geographen Pontes Leme, in Lat. 1° 26′ N. liegt, vonLat. 4° N. herabkommen.*) Um ſich dieſer Graͤnz-Expedition als Botaniker anzuſchließen, be-gab ſich der beruͤhmte Loͤffling, ein Schuͤler Linné’s, nach Cumana.Er ſtarb, nach dem er ſeit dem 22 Februar 1756 die Miſſionen vonPiritu und Caroni durchſtreift hatte, in der Miſſion Santa Eulaliade Murucuri, etwas ſuͤdlich von dem Zuſammenfluſſe des Orenokound Caroni.
|51| Portugieſen, womit Solano, in Verbindung mit dem Befehlshaberder Eskadre, Yturriaga, und Don Vicente Doz, ſeit dem Jahre1754 beauftragt war. Auf allen Plaͤnen und Entwuͤrfen jener Zeitſehe ich eine Laguna Parime, die bald als Quelle des Orenoko,bald gaͤnzlich von dieſen Quellen getrennt dargeſtellt wird. Sollman nun hiernach annehmen, daß es im Norden und Nordoſtenvon Esmeralda einen See giebt?“
Dieſe Dokumente, von denen Herr Bauza ſpricht, ſind dieſel-ben, welche zu der großen Karte von La Cruz Olmedilla gedienthaben, dem Urtypus aller Karten von Suͤd-Amerika, die zu Endedes vorigen Jahrhunderts in England, Frankreich und Deuͤtſchlanderſchienen ſind; ſie ſind auch bei zwei Karten benutzt worden, dieder Pater Caulin, Hiſtoriograph von Solano’s Expedition, und einungenauer Compilator, Herr von Surville, einer der Archivariendes Staats-Secretariats in Madrid, im Jahre 1756 entworfen ha-ben. Der Widerſpruch, den dieſe Karten zeigen, beweiſt, welcheWiderſpruͤche in den „Plaͤnen und Entwuͤrfen,“ die jenen Kartenzur Baſis dienten, vorhanden waren. Der Pater Caulin, Hiſtorio-graph der Expedition, entwickelt mit Scharfſinn die Umſtaͤnde, welchezu dem Maͤhrchen von dem Parime-See Veranlaſſung gegebenhaben, und die Karte Surville’s, die ſein Werk begleitet, ſtellt die-ſen See nicht nur wieder her unter dem Namen weißes Meer und Mar Dorado, ſondern enthaͤlt auch noch einen anderen,kleineren, aus dem, durch ſeitliche Filtrationen, der Orenoko, Siapound Ocamo entſtehen. Ich habe mich an Ort und Stelle von der inden Miſſionen ſehr bekannten Thatſache uͤberzeuͤgt, daß Don JoſeSolano allein die Katarakten von Atures und Maypures uͤberſchrit-ten hat, daß er aber nicht bis uͤber den Zuſammenfluß des Gua-viare und Orenoko, unter Lat. 4° 3′ N. und Long. 70° 31′ W. Pa-ris, hinaus kam, daß die aſtronomiſchen Inſtrumente *) der Graͤnz-
*) Aus dieſem Grunde bleibt die Lage des Aequators, d. h. desjenigenPunktes, wo er den Rio Negro durchſchneidet, um mehr als einenGrad falſch. Ich habe von Herrn von Bauza den aſtronomiſchenTheil des Original-Manuſcripts von Solano und Doz erhalten, denHerr Oltmann’s in den Abhandlungen der Berliner Akademie, Jahr-gang 1830, Seite 113 bekannt gemacht hat. Alle Beobachtungenſind im Norden des Raudal von Atures angeſtellt worden; man hatdie Verfinſterungen der Jupiters-Trabanten nach Delambre’s neuͤenTafeln wieder berechnet. Die Fehler in der Laͤnge verſchwandendann groͤßtentheils; ſie betrugen, nach den Reſultaten, bei denen dieGraͤnz-Expedition von 1754 — 1757, ſtehen blieb, fuͤr die Long.
|52| Expedition weder bis zu dem Iſthmus des Pimichin und des RioNegro, noch bis zum Caſiquiare und zum oberen Orenoko, ober-halb der Muͤndung des Atabapo, gebracht worden ſind. Dies weiteLand, in dem vor meiner Reiſe keine genauen aſtronomiſchen Beobach-tungen angeſtellt worden ſind, wurde zur Zeit Solano’s nur voneinigen Soldaten durchſtreift, die man auf Entdeckungen ausgeſchickthatte, und Don Apollinario de la Fuente, deſſen Tagebuͤcher ich ausden Archiven der Provinz Quixos entnommen habe, ſammelte, ohneKritik, aus den luͤgenhaften Erzaͤhlungen der Indianer Alles, wasder Leichtglauͤbigkeit des Gouverneurs Centurion ſchmeicheln konnte.Niemand von der Expedition hat einen See geſehen und DonApollinario konnte nur bis zu dem Cerro Yumariquin und zu demGehette vordringen.
Nachdem ich fuͤr die ganze Ausdehnung des Landes, auf dasman den Forſchungseifer der Reiſenden zu lenken wuͤnſcht, eineTheilungslinie feſtgeſtellt habe, die durch das Becken des Rio Brancogebildet wird, bleibt mir noch die Bemerkung uͤbrig, daß ſeit einemJahrhundert unſere geographiſche Kenntniß nicht weſtlich von die-ſem Thale, zwiſchen Long. 64° und 68°, vorgedrungen iſt. DieVerſuche, welche die Regierung des Spaniſchen Guyana’s nach undnach ſeit der Expedition von Iturria und Solano gemacht hat, umdie Bergkette von Pacaraina zu erreichen und ſie zu uͤberſteigen,haben wenig Erfolg gehabt. Indem die Spanier in den Miſſionender Cataloniſchen Kapuziner von Barceloneta, am Zuſammenfluſſedes Caroni mit dem Rio Paragua, dieſen letzteren Fluß bis zu ſei-ner Vereinigung mit dem Paraguamuſi aufwaͤrts gingen, haben ſiean dieſem Vereinigungspunkte die Miſſion von Guirion gegruͤndet,die man pomphafterweiſe La Ciudad de Guirion nannte. Ich ſetzedieſen Punkt in ungefaͤhr Lat. 4\( \frac{1}{2} \)° N. Von da ſetzte der Gouver-neur Centurion, durch die uͤbertriebenen Erzaͤhlungen zweier In-dianer-Hauͤptlinge, Paranacare und Arimuicaipi, von der maͤchti-gen Nation der Ipurucotos, zur Aufſuchung des Dorado angeregt,die damals ſogenannten geiſtigen Eroberungen noch weiterfort und gruͤndete jenſeits der Berge von Pacaraina die beiden
von Cumana 2\( \frac{1}{2} \)° und fuͤr Puerto de Eſpaña auf der Inſel Trinidad1\( \frac{3}{4} \)°. Die Tafeln von Delambre reducirten dieſe Fehler fuͤr den er-ſteren Punkt auf 15′, und fuͤr den letzteren auf 2′ im Bogen. Diesiſt ein neuͤes und ſchlagendes Beiſpiel, welchen Nutzen die Geogra-phie aus der Bekanntmachung der aſtronomiſchen Beobachtungen ſelbſtziehen kann.
|53| Doͤrfer Santa Roſa und San Bautiſta de Caudacada, das erſterean dem oberen Theile und auf dem oͤſtlichen Ufer des Uraricapara,eines Zufluſſes des Uraricuera, den ich, in dem Reiſetagebuche vonRodriguez, Rio Curaricara genannt finde; das letztere Dorf liegt6 — 7 Lieues weiter gegen O. S. O. Der Aſtronom und Geo-graph der Portugieſiſchen Graͤnz-Kommiſſion, Fregatten-KapitainDon Antonio Pires de Sylva Pontes Leme, und der Ingenieurs-Kapitain Don Riccardo Franco d’Almeida de Serra, *) die in denJahren 1787 bis 1804 mit der groͤßten Sorgfalt den ganzen Laufdes Rio Branco und ſeiner oberen Verzweigungen aufgenommenhaben, nennen den noͤrdlichſten Theil des Uraricapara das Thalder Überſchwemmung. Sie ſetzen die Spaniſche MiſſionSanta Roſa in Lat. 3° 46′ N. und geben den Weg an, der vonda gegen Norden uͤber die Bergkette zum Caño Anocapra, einemZufluſſe des Paraguamuſi, fuͤhrt, um von dem Becken des RioBranco in das des Caroni zu gelangen. Außer dem eben erwaͤhn-ten Thal der Überſchwemmung findet man noch anderegroße Suͤmpfe zwiſchen dem Rio Xurumu und dem Rio Parime. **)
*) Zwei Karten dieſer Portugieſiſchen Offiziere, die das ganze Detailder trigonometriſchen Aufnahme der Kruͤmmungen des Rio Branco,Uraricuera, Tacutu und Mahu enthalten, ſind von dem Grafen vonLinhares dem Oberſt Lapie und mir auf verbindliche Weiſe mitge-theilt worden. Dieſe werthvollen, noch nicht bekannt gemachten Do-kumente befinden ſich noch in den Haͤnden des gelehrten Geographen,der vor laͤngerer Zeit den Stich derſelben auf eigene Koſten begon-nen hat.**) Die Portugieſen nennen bald den ganzen Rio Branco, Rio Parime,bald beſchraͤnken ſie dieſen Namen auf den einzigen Zufluß des Ura-ricuera, ein wenig unterhalb des Caño Mayari und oberhalb derehemaligen Miſſion San Antonio. Da die Worte Paragua undParime zugleich Waſſer, großes Waſſer, See und Meer bedeuͤten, ſo darf es nicht uͤberraſchen, dieſelben bei den Omaguasam oberen Maranhon, bei den noͤrdlichen Guaranis und bei den Ca-riben, alſo bei den von einander entfernteſten Voͤlkern, ſo oft wie-derholt zu finden. Unter allen Zonen werden die großen Fluͤſſe vonden Uferbewohnern, ohne weiteren beſonderen Namen, der Fluß ge-nannt. Paragua, einer der Arme des Caroni, heißt bei den Einge-bornen auch der obere Orenoko. Der Name Orinucu iſt Tama-nakiſch, und Diego de Ordaz hoͤrte ihn zum erſten Male ausſpre-chen, als er im Jahre 1531 bis zur Muͤndung des Meta auf-waͤrts ging.
|54| Einer dieſer Kriks iſt ein Zufluß des Tacutu, der andere ein Zuflußdes Uraricuera. Selbſt am Fuße des Pacaraina-Gebirges ſind dieFluͤſſe großen periodiſchen Überſchwemmungen ausgeſetzt, und derAmucu-See, von dem weiter unten die Rede ſein wird, zeigt den-ſelben Karakter der Lage am Eingange der Ebenen. Die Spani-ſchen Miſſionen Santa Roſa und San Bautiſta de Caudacadaoder Cayacaya, in den Jahren 1770 und 1773 von dem GouverneurDon Manuel Centurion gegruͤndet, ſind vor dem Ende des vorigenJahrhunderts zerſtoͤrt worden, und ſeit dieſer Zeit iſt kein neuͤer Ver-ſuch gemacht, um von dem Becken des Caroni nach dem Suͤd-Abhange der Pacaraina-Kette vorzudringen.
Nur in dem, oͤſtlich von dem Thale des Rio Branco gelegenenLandſtriche ſind in den letzten Jahren gluͤckliche Forſchungen ange-ſtellt worden. Herr Hillhouſe iſt den Maſſaruni aufwaͤrts gegan-gen bis zu dem Bache Caranang, von wo, wie er ſagt, ein gebahn-ter Weg (sentier) den Reiſenden in zwei Tagen zu den Quellen desMaſſaruni und in drei Tagen zu den Zufluͤſſen des Rio Brancogefuͤhrt haben wuͤrde. Über die Kruͤmmungen des großen Maſſa-runi-Fluſſes, den Herr Hillhouſe beſchrieben hat, bemerkt er in ei-nem Schreiben, das er (aus Demerary, unterm 1. Januar 1831)an mich gerichtet hat, „daß der Maſſaruni ſich ſogleich von ſeinerQuelle an gegen Weſten wende, dann durch einen Breitengrad ge-gen Norden, dann faſt 200 (Engl.) Meilen weit oſtwaͤrts fließeund endlich eine Nord- und N. N. O.-Richtung annehme, um ſichmit dem Eſſequibo zu vereinigen.“ Da Herr Hillhouſe den Suͤd-Abhang der Pacaraina-Kette nicht erreichen konnte, ſo hat er auchkeine Kenntniß vom Amucu-See. Er erzaͤhlt ſogar in ſeiner ge-druckten Abhandlung, daß er „durch die Nachrichten, die ihmvon den Accauais mitgetheilt wurden, welche beſtaͤndig das Landzwiſchen der Kuͤſte und dem Amazonen-Strome durchziehen, dieGewißheit erlangt hat, daß in allen jenen Gegenden kein See vor-handen ſei.“ Dieſe Verſicherung uͤberraſchte mich; ſie ſtand in di-rektem Widerſpruch mit den Nachrichten, die ich uͤber den Amucu-See, aus dem der Caño Pirara entſpringt, aus den Reiſeta-gebuͤchern von Hortsmann, Santos und Rodriguez geſchoͤpft unddie mir um ſo groͤßeres Vertrauen eingefloͤßt hatten, als ſie voll-kommen mit den neuͤeren Portugieſiſchen Manuſcript-Karten uͤber-einſtimmen. Endlich nach fuͤnf Jahren hat die Reiſe des HerrnSchomburgk alle Zweifel gehoben. „Es iſt ſchwer zu glauben,“ ſagt Herr Hillhouſe in ſeiner in-tereſſanten Abhandlung uͤber den Maſſaruni, „daß der Traditionvon einem großen Binnen-See nicht etwas Wahres zum Grund |55| liegen ſollte. Was zu der Annahme des fabelhaften Parime-Seeshat Veranlaſſung geben koͤnnen, iſt meiner Anſicht nach Folgendes.In einer ziemlich großen Entfernung von dem Waſſerfalle Teboco zeigen die Waſſer des Maſſaruni nicht mehr ſichtbare Stroͤmung,als die ruhigen Waſſer eines Sees. Wenn nun in einer mehroder weniger entfernten Zeit die horizontalen Schichten der Granit-Formation von Teboco vollkommen dicht und ohne Spalten waren,ſo mußten ſie ſich wenigſtens 50 Fuß uͤber ihr jetziges Niveau er-heben, wodurch ein großer See von 10 — 12 Meilen Breite und1500 — 2000 Meilen Laͤnge gebildet wurde.“ *) Es iſt hierbeinicht allein die Ausdehnung der angenommenen Überſchwemmung,was mich verhindert, dieſer Erklaͤrung beizuſtimmen. Ich habeEbenen (Llanos) geſehen, wo zur Regenzeit die Überſchwemmungender Zufluͤſſe des Orenoko, wegen der Erhebung der Gegen-haͤnge, jaͤhrlich eine Oberflaͤche von 400 Quadrat-Lieues mitWaſſer bedecken. Das Labyrinth der Verzweigungen zwiſchen demApure, Arauca, Capanaparo und Sinaruco **) verſchwindet danngaͤnzlich, die Geſtalt der Flußbetten iſt voͤllig verwiſcht und das Ganzeerſcheint wie ein großer See. Aber die Lokalitaͤt der Mythe vondem Dorado und dem Parime gehoͤrt hiſtoriſch einer ganz anderenGegend von Guyana an, naͤmlich der Gegend ſuͤdlich von den Pa-caraina-Bergen. Es ſind, wie ich vor fuͤnfzehn Jahren dar-gethan zu haben glaube, die Glimmer-Felſen des Ucucuamo, derName des Rio Parime (Rio Branco), die Überſchwemmungen ſei-ner Zufluͤſſe und vor Allem die Exiſtenz des Amucu-Sees,der dem Rio Rupunuwini (Rupunuri) benachbart iſtund durch den Pirara mit dem Rio Parime in Ver-bindung ſteht, die zu der Fabel von dem weißen Meere und dem Dorado de la Parime Veranlaſſung gegeben haben. Ich habe die Genugthuung gehabt, zu ſehen, daß die Reiſedes Herrn Schomburgk dieſe erſten Berichte vollkommen beſtaͤtigthat. Der Theil ſeiner Karte, welcher den Lauf des Eſſequibo undRupunuri darſtellt, iſt voͤllig neuͤ und von großer Wichtigkeit fuͤr
*) Annales des Voyages, 1836, Septbr. pag. 316.**) Siehe die Karten 17 und 18 meines Atlas géographique et physi-que der kuͤrzlich in der Buchhandlung von Gide vollſtaͤndig erſchie-nen iſt und deſſen Analyſe dem Examen critique de l’historie de lagéographie du Nouveau Continent et des progrès de l’astronomienautique aux XV et XVI siècles, in Folio und in 8to beigefuͤgtworden iſt.
|56| die Geographie. Sie verzeichnet die Pacaraina-Kette von Lat.3° 52′ — 4°; ich hatte ihre mittlere Richtung von Lat. 4° — 4 10′angegeben. Die Kette beruͤhrt den Zuſammenfluß des Eſſequibound Rupunuri *) in Lat. 3° 57′ N. und Long. 60° 23′ W. Paris.Ich hatte dieſen Vereinigungspunkt einen halben Grad zu weit ge-gen Norden gelegt. Die Lage des Amucu-Sees und ſeine Bezie-hungen zu dem Mahu (Mau) und Tacutu (Takoto) ſtimmen voͤlligmit meiner im Jahre 1825 erſchienenen Karte uͤberein, und ob-gleich, den Auszuͤgen aus den Manuſcripten des Herrn Schomburgkzufolge, bei den Angaben uͤber die Grundlagen zu ſeiner Karte, diemeinige nicht genannt worden iſt, ſo zeigt doch die fluͤchtigſte Ver-gleichung, daß Alles, was dieſer Reiſende nicht ſelbſt erforſcht undwas er auf der neuͤen Karte bis zum Rio Xuruma (Zuruma) undbis San Joacquim do Rio Branco mit Punkten bezeichnet hat,von meiner im Jahre 1825 erſchienenen Karte kopirt iſt. Wir ſtim-men auch auf eine merkwuͤrdige Weiſe in der Lat. des Amucu-Sees uͤberein. Der Reiſende findet ſie zu 3° 33′ und ich habe3° 35′ annehmen zu muͤſſen geglaubt; aber der Caño Pirara (Pi-rarara), welcher den Amucu-See mit dem Becken des Rio Brancoverbindet, fließt gegen Norden und nicht gegen Weſten aus demSee. **)
Die folgenden Bemerkungen, die ich aus der Abhandlung desHerrn Schomburgk uͤberſetze, werfen einiges Licht auf den vorlie-genden Gegenſtand. „Der Amucu-See,“ ſagt dieſer Reiſende, „iſtohne Widerſpruch der Nucleus des Parime-Sees und des (angeb-lichen) weißen Meeres. Als wir ihn im Dezember und Januarbeſuchten, hatte er kaum eine Laͤnge von einer Lieue und war halbmit Schilf bedeckt (dieſe Worte finden ſich ſchon auf d’Anvil-le’s Karte vom Jahre 1748.) Der Pirara fließt gegen W. N. W.von dem Indianiſchen Dorfe Pirara aus dem See und faͤllt inden Macu oder Mahu. Dieſer letztere Fluß, der nach den von
*) Herr Schomburgk nennt dieſen Fluß, nach der Ausſprache der Ma-cuſis-Indianer, Rupununi. Er giebt als Synonyme Rupunuri,Rupunuwini und Opununy, denn die Caribiſchen Staͤmme jener Ge-genden koͤnnen das R nur mit Schwierigkeit ausſprechen.**) Der Sibarana meiner Karte, den Hortsmann bei einer ſchoͤnenMine von Bergkryſtall, ein wenig noͤrdlich vom Cerro Ucucuamo,entſpringen laͤßt, iſt der Siparuni der Karte des Herrn Schomburgk.Der Waa-Ecouru deſſelben iſt der Tavaricouru des PortugieſiſchenGeographen Pontes Leme; es iſt dies der Zufluß des Rupunuri, derſich dem Amucu-See am meiſten naͤhert.
|57| mir geſammelten Nachrichten im Norden des Pacaraina-Kammesentſpringt, der in ſeinem oͤſtlichen Theile nur 1500 Fuß hoch iſt.Die Quellen befinden ſich auf einem Plateau, wo der Fluß einenſchoͤnen Waſſerfall, la Corona genannt, bildet. Wir ſtanden aufdem Punkte, ihn zu beſuchen, als am dritten Tage unſerer Exkur-ſion in die Gebirge, das Unwohlſein eines unſerer Reiſe-Gefaͤhrtenmich zwang, nach dem Amucu-See zuruͤckzukehren. Der Mahuhat ſchwarzes (kaffeefarbiges) Waſſer und ſein Lauf iſt ſchneller,als der des Rupunuri. Zwiſchen den Bergen, durch die er ſich ei-nen Weg gebahnt hat, iſt er noch nicht 60 Yards breit und ge-waͤhrt einen ſehr maleriſchen Anblick. In dieſem Thal und an denUfern des Buroburo, eines Zufluſſes des Siparouni, wohnen dieMacouſis-Indianer. Im Monat April ſind die Savannen uͤber-ſchwemmt und bieten die eigenthuͤmliche Erſcheinung dar, daß dieWaſſer, welche zwei verſchiedenen Flußſyſtemen angehoͤren, ſich ver-miſchen. Die große Ausdehnung, welche dieſe temporaire Über-ſchwemmung einnimmt, mag zu der Fabel von dem Parima-See Anlaß gegeben haben. Waͤhrend der Regenzeit wuͤrde eineBinnen-Schiffahrt von dem Eſſequibo zum Rio Branco undGran Para eroͤffnet werden koͤnnen. Einige Baumgruppen, dieauf Sandhuͤgeln ſtehen, erheben ſich wie Oaſen in den Savannenund erſcheinen zur Zeit der Überſchwemmungen wie kleine zerſtreuͤteInſeln in einem See: dies ſind ohne Zweifel „die Ipomucena-Inſeln des Don Antonio Santos.“
Ich habe aus den Manuſcripten d’Anville’s, deren Durchſichtmir die Erben auf verbindliche Weiſe geſtatteten, erſehen, daß derChirurgus Hortsmann aus Hildesheim, der jene Gegenden mit ſogroßer Genauigkeit beſchrieben, einen anderen Alpenſee aufgefundenhat, den er zwei Tagereiſen unterhalb des Zuſammenfluſſes desMahu und Rio Parime (Tacutu?) ſetzt. Dieſer See hat ſchwar-zes Waſſer und liegt auf dem Gipfel eines Berges. Er unterſchei-det ihn ſehr wohl von dem Amucu-See, von dem er ſagt, daß er„mit Schilf bedeckt ſei.“ Die Reiſetagebuͤcher von Hortsmannund Santos, ſo wie die Portugieſiſchen Manuſcript-Karten desMarine-Depot’s in Rio Janeiro bieten keine permanente Verbin-dung zwiſchen dem Rupunury und dem Amucu-See dar. Ebenſoiſt auch die Zeichnung der Fluͤſſe auf d’Anvilles Karten vonSuͤd-Amerika in der erſten Ausgabe von 1778, die in dieſer Bezie-hung beſſer iſt als die mehr verbreitete von 1760. Die Reiſe desHerrn Schomburgk beſtaͤtigt dieſe Unabhaͤngigkeit der Becken desRupunuri und Eſſequibo, aber der Reiſende bemerkt, daß „waͤh- |58| rend der Regenzeit der Waa-Ecouru ein Zufluß des Rupunuri,mit dem Caño Pirara communicirt.“ Dies iſt der Zuſtand jenerwenig entwickelten Flußbecken, denen es faſt an den trennendenSchwellen (seuils, arètes) fehlt. Von dem Rupunuri und dem Dorfe Annay (Lat. 3° 56′ N.und Long. 60° 56′ W. Paris) weiß man jetzt, daß ſie in jenenoͤden Gegenden die politiſche Graͤnze zwiſchen dem Engliſchen undBraſiliſchen Gebiete bilden. Herr Schomburgk wurde durch eineſchwere Krankheit genoͤthigt, laͤngere Zeit in Annay zu verweilen.Er gruͤndet die chronometriſche Beſtimmung des Amucu-Sees aufdas Mittel aus den, waͤhrend ſeines Aufenthalts in Annay (oͤſtlichund weſtlich) beobachteten Monds-Diſtanzen. Die Laͤngen dieſesReiſenden ſind im Allgemeinen fuͤr dieſe Punkte der Parime mehrals einen Grad oͤſtlicher, als die Laͤngen auf meiner Karte von Co-lumbien. Es iſt keinesweges meine Abſicht, Zweifel uͤber die Re-ſultate der Monds-Diſtanzen von Annay zu erheben; doch mußich bemerken, daß die Berechnung dieſer Diſtanzen von Wichtig-keit wird, wenn man die Zeituͤbertragung von dem Amucu-Seenach Esmeralda, deſſen Long. ich zu 68° 23′ 19″ gefunden habe,vornehmen will. Es hat Herrn Schomburgk uͤberraſcht, an den Ufern des Eſſe-quibo, weit oberhalb ſeiner Vereinigung mit dem Rupunuri, inLat. 3° 50′ N., bei dem Inlet Primoſo, *) die Spuren einer Hol-laͤndiſchen Niederlaſſung zu finden. Dieſer Poſten wurde ehemalsgegen die Einfaͤlle der Caraiben befeſtigt. Es iſt nicht ohne In-tereſſe, daß Don Antonio Santos in ſeinem im Jahre 1775 ge-ſchriebenen Reiſetagebuche von derſelben Hollaͤndiſchen An-ſiedlung ſpricht. Die Euͤropaͤiſchen Niederlaſſungen waren da-mals weiter gegen Suͤden und Weſten vorgedrungen, als jetzt.Man findet zu jener Zeit drei Landwege aus dem Baſſin des RioBranco nach dem Demerari angegeben: einmal vom Mahu uͤberdas Gebirge zum Benamo, einem Zufluſſe des Cuyuni; dann vomCaño Pirara zum Tavaricouru (Waa-Ecouru); und endlich derWeg vom Sarauru, der in den Tacutu faͤllt, zum Rupunuri, et-was ſuͤdlich von den Cumucumu-Bergen, der Cuesta de PontesLeme, die vielleicht mit den Conocon-(Conoconu) Bergen der Kartedes Herrn Schomburgk identiſch ſind.
*) Journal of the geograph. Soc. Vol. VI. P. I. pag. 263.
|59| Das große Parime-Meer, welches ſo ſchwer von unſerenKarten zu verbannen iſt, und dem man, bei meiner Ruͤckkehr ausAmerika, noch eine Laͤnge von 40 Lieues gab, iſt nun durch neuͤereForſchungen auf den Amucu-See *) reducirt, der zwei bis dreiLieues Umfang hat. Tauͤſchungen, die faſt zwei Jahrhunderte waͤhr-ten (eine letzte Spaniſche Expedition, die im Jahre 1775 zur Auf-ſuchung des Dorado unternommen wurde, koſtete mehreren hun-dert Menſchen das Leben) haben zuletzt der Geographie einigeFruͤchte getragen. Im Jahre 1512 kamen bei der Expedition, diePonce de Leon unternahm, um die Verjuͤngungs-Quelle auf einer kleinen Bahama-Inſel, die Bimini heißt und ſich kaumauf unſeren Karten findet, zu entdecken, Tauſende von Soldatenum. Dieſe Expedition fuͤhrte zur Eroberung Florida’s und zurKenntniß des unter dem Namen Golf-Strom bekannten großenMeeres-Stromes, der aus dem Bahama-Kanal herausfließt. DerDurſt nach Reichthuͤmern und der Wunſch, ſich zu verjuͤngen, dasDorado und eine Verjuͤngungs-Quelle, haben faſt gleichzeitig dieVolksleidenſchaften aufgeregt. In der Sitzung der Geſellſchaft der Alterthumsforſcher in Lon-don, am 17. November 1836, wurde eine Abhandlung des HerrnSchomburgk uͤber die religioͤſen Traditionen der Macuſis-Indianervorgeleſen, die den oberen Mahu und einen Theil des Pacaraina-Gebirges bewohnen, die alſo ſeit einem Jahrhundert (ſeit der Reiſedes unternehmenden Hortsmann) ihre Wohnſitze nicht veraͤnderthaben. „Die Macuſis,“ ſagt Herr Schomburgk, „glauben, daßder einzige Menſch, welcher eine allgemeine Überſchwemmung uͤber-lebt hat, die Erde dadurch wieder bevoͤlkerte, daß er die Steine inMenſchen verwandelte.“ Wenn dieſe Mythe, die Frucht der leb-haften Einbildungskraft der Voͤlker, an Deukalion und Pyrrha er-innert, ſo erſcheinen ſie bei den Tamanaken des Orenoko in etwasveraͤnderter Geſtalt. Wenn man ſie fragt, wie das menſchliche Ge-
*) Die Wichtigkeit, welche die Voͤlker ſeit dem Alterthum den Quellender Fluͤſſe oder den aus einem See entſpringenden Fluͤſſen beigelegthaben, iſt ſo groß, daß ſchon waͤhrend meines kurzen Aufenthaltsim Fort San Carlos del Rio Negro, ein farbiger Bewohner vonBarcelos, mir „einen kleinen See bezeichnete, aus dem der Rio Ta-cucu (Tacutu) entſpringe und mit einem anderen Fluſſe (Uraricuera)den Rio Branco bilde.“ Er verwechſelte bloß den Tacutu mit demMahu und betrachtete den Pirara als den Anfang des Mahu.
|60| ſchlecht dieſen großen Kataklysmus, das Zeitalter der Waſſer derMejikaner hat uͤberleben koͤnnen, ſo antworten ſie ſogleich, „daß einMann und eine Frau ſich auf den Gipfel des hohen Berges Tamanacu,der an den Ufern des Aſiveru liege, gerettet haͤtten, und indem ſie dieFruͤchte der Mauritia-Palme uͤber ihren Kopf hinter ſich geworfen,aus den Kernen dieſer Fruͤchte Menſchen haͤtten entſtehen ſehen, welchedie Erde wieder bevoͤlkerten.“ Einige Lieues von dem Encaramadaerhebt ſich mitten in den Savannen ein Felſen, Tepu-Mereme, d. h. bemalter Fels, genannt. Er zeigt Figuren von Thieren undſymboliſche Zeichen, aͤhnlich denen, die wir in geringer Entfernungoberhalb des Encaramada bei Caycara (Lat. 7° 5′ — 7° 40′ N.; undLong. 68° 50′ — 69° 45′ W. Paris) geſehen haben. Mit eben ſol-cher Bildhauer-Arbeit verzierte Felſen finden ſich zwiſchen demCaſiquiare und Atabapo (Lat. 2° 5′ — 3° 20′ N.; Long. 69° 70′W. Paris) und was am meiſten auffaͤllt, 140 Lieues weiter oͤſt-lich, in der Einoͤde derſelben Parime, welche der Gegenſtand dieſerAbhandlung iſt. Dieſe letztere Thatſache habe ich in dem Tage-buche des Chirurgus Nikolas Hortsmann, wovon ich eine Kopievon der Hand des beruͤhmten d’Anville vor mir hatte, aufgefunden.Dieſer einfache und beſcheidene Reiſende beſchreibt Tag fuͤr Tag,an Ort und Stelle, was ihm bemerkenswerth erſchien. Er verdientum ſo mehr Vertrauen, als er, mißmuthig uͤber das Mißlingenſeiner Nachforſchungen nach dem Dorado-See, dem gediegenenGolde und einer Diamanten-Grube, worin er nur ſehr durchſich-tige Bergkryſtalle fand, Alles, was ihm auf ſeinem Wege vorkam,mit einer Art Geringſchaͤtzung betrachtete. Indem er den Rupu-nuri aufwaͤrts verfolgte, fand er am 16. April 1749 da, wo derFluß, mit kleinen Waſſerfaͤllen erfuͤllt, ſich zwiſchen den Macarana-Bergen hindurchwindet, vor ſeiner Ankunft in den Umgebungendes Amucu-Sees, „Felſen mit Figuren bedeckt,“ oder wie er aufPortugieſiſch ſagt: „de varias letras.“ Man zeigte uns auch andem Felſen Culimacari an den Ufern des Caſiquiare Zeichen, dieman Caractères alignés nannte; es waren jedoch nur rohe Figuren,die Himmelskoͤrper, Krokodile, Boas-Schlangen, und Werkzeuͤgezur Bereitung des Manioc-Mehles darſtellten. Ich habe in dieſen bemalten Felſen (Piedras pintadas) keine ſymmetriſche Anord-nung oder in regelmaͤßigen Abſtaͤnden geſtellte Karaktere erkannt.Das Wort letras in dem Tagebuche des Deuͤtſchen Wundarztesdarf daher, wie es mir ſcheint, nicht in ſeiner eigentlichen Bedeuͤ-tung genommen werden.
Herr Schomburgk iſt nicht ſo gluͤcklich geweſen, die von Horts- |61| mann geſehenen, mit Skulpturen bedeckten Felſen, wieder aufzufin-den; aber er beſchreibt andere am Ufer des Eſſequibo bei dem Waſ-ſerfalle Warapouta. „Dieſer Waſſerfall,“ ſagt er, „iſt nicht nurberuͤhmt wegen ſeiner Hoͤhe, ſondern auch wegen der großen Mengeder in den Felſen gehauenen Figuren, welche denen gleichen, die ichauf St. John, einer der Virginiſchen Inſeln geſehen habe, unddie ich fuͤr das Werk der Caraiben halte, die ehemals dieſen Theilder Antillen bewohnten. Ich that alles Moͤgliche, um einen vonden Steinen, welche Inſchriften trugen, zu zerbrechen und ihn mitmir zu nehmen; aber das Geſtein war zu hart und das Fieberhatte mir alle Kraͤfte geraubt. Weder Drohungen noch Verſpre-chungen konnten die Indianer bewegen, gegen jene Steinmaſſen,die ehrwuͤrdigen Denkmaͤler der Intelligenz und hoͤheren Bildungihrer Voraͤltern, einen einzigen Hammerſchlag zu fuͤhren. Sie hal-ten dieſelben fuͤr das Werk des großen Geiſtes, und die ver-ſchiedenen Staͤmme, die wir angetroffen haben, kannten ſie un-geachtet der großen Entfernung. Das Entſetzen malte ſich auf denGeſichtern meiner Indianiſchen Gefaͤhrten. Sie ſchienen zu er-warten, daß das Feuͤer des Himmels auf mein Haupt herabfalle.Da ich ſah, daß ich keinen dieſer mit Skulptur bedeckten Steinezerbrechen konnte, ſo mußte ich mich damit begnuͤgen, ſie vollſtaͤndigabzuzeichnen.“ Dies Letztere war offenbar das Kluͤgſte, und derHerausgeber des Engliſchen Journals bemerkt zu meiner großenFreuͤde in einer Note: „Es iſt zu hoffen, daß andere Reiſende nichtgluͤcklicher ſein werden, als Herr Schomburgk und daß kein Reiſen-der, der einer civiliſirten Nation angehoͤrt, an jene Monumenteder ungebildeten Indianer (untutored Indian) die Hand derZerſtoͤrung legen wird.“ Ungeachtet der weiten Ausdehnung der Streifzuͤge CaraibiſcherVolksſtaͤmme uud der ehemaligen Macht dieſer ſchoͤnen Menſchen-Race, kann ich doch nicht glauben, daß jene große eben angegebene Zone mit Skulpturen verſehener Felſen, die einen gro-ßen Theil Suͤdamerika’s von Weſten nach Oſten durchzieht, dasWerk der Caraiben ſei. Es ſind Spuren einer alten Civiliſation,die vielleicht einer Epoche angehoͤrt, wo die Racen, die wir jetzt un-terſcheiden, dem Namen und der Abſtammung nach unbekannt wa-ren. Selbſt die Achtung, welche dieſen rohen Bildwerken der Vor-fahren gezollt wird, beweiſt, daß die heuͤtigen Indianer keine Ideevon der Ausfuͤhrung aͤhnlicher Werke haben. Ja, noch mehr. Zwi-ſchen dem Encaramada und Caycara, an den Ufern des Orenoko,ſind die hieroglyphiſchen Figuren hauͤfig an den Felswaͤnden in ei-ner großen Hoͤhe angebracht, die jetzt nur vermittelſt ungemein ho- |62| her Geruͤſte erreichbar waͤre. Fragt man die Eingebornen, wie dieſeFiguren haͤtten in den Fels gehauen werden koͤnnen, ſo erwiedernſie laͤchelnd, als ob ſie eine Thatſache berichten, die nur einem Wei-ßen unbekannt ſein kann, „daß dies zur Zeit der großen Waſſergeſchehen ſei, als ihre Vaͤter in jener Hoͤhe in Kanots ſchifften.“ *) Es iſt dies ein, an die Loͤſung eines Problems einer ſehr alten Ci-viliſation geknuͤpfter geologiſcher Traum.


*) Anſichten der Natur.

Abbildungen