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Alexander von Humboldt: „Ueber einige wichtige Punkte der Geographie von Guyana“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1837-Sur_quelques_points-3-neu> [abgerufen am 25.04.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1837-Sur_quelques_points-3-neu
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Titel Ueber einige wichtige Punkte der Geographie von Guyana
Jahr 1837
Ort Berlin
Nachweis
in: Journal für die neuesten Land- und Seereisen und das Interessanteste aus der Völker- und Länderkunde für gebildete Leser aus allen Ständen 2 [= 86] (1837), S. 186–209.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: V.63
Dateiname: 1837-Sur_quelques_points-3-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 24
Zeichenanzahl: 62319

Weitere Fassungen
Sur quelques points importans de la géographie de la Guyane (Paris, 1837, Französisch)
Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyana’s (Berlin, 1837, Deutsch)
Ueber einige wichtige Punkte der Geographie von Guyana (Berlin, 1837, Deutsch)
Uber einige wichtige Punkte der Geographie Guyana’s (Leipzig, 1841, Deutsch)
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A. v. Humboldt. Ueber einige wichtige Punkte der Geo-graphie von Guyana. *)

Das weite Gebiet zwiſchen den drei Stromſyſtemen des Rupunuri,Caroni und Rio Branco, das heißt den Zuflüſſen des Eſſequibo, unterenOronoko und Amazonenſtroms hat glücklicherweiſe ſeit ſechs Jahren dieAufmerkſamkeit der Geographen aufs Neue erweckt. Arbeiten, die ſichauf aſtronomiſche Ortsbeſtimmungen ſtützen, werden nach und nach dieauf ungenaue Wegeangaben gegründeten Berechnungen erſetzen. Im J.1831 hat Hr. William Hillhouſe, von einem uneigennützigen Eifer be-ſeelt, den Lauf des Maſſeruni verzeichnet. Der Capitän Owen verſchaffte,als er im J. 1833 den Demerari bis zu dem Punkte hinaufſtieg, wodieſer Fluß, nahe dem großen Waſſerfalle, unter 5° 25′ n. B., im We-ſten der Yeya Hügel ſich dem Eſſequibo bis auf vier Meilen nähert, derErdkunde durch Mittel, welche das höchſte Vertrauen verdienen, in dieſenwilden Gegenden eine Längenbeſtimmung, deren ſich diejenigen Reiſenden,welche, nach Weſten und Südweſten vordringend, bei ihren Arbeiten Chro-nometer benutzen, als Ausgangspunkt bedienen können. Zu Ende 1834ſchlug die königl. geogr. Geſ. zu London der Regierung eine Ausrüſtungvor, deren doppelter Zweck ſein ſollte, das Innere des engliſchen Guyanain geographiſcher und allgemein phyſikaliſcher Hinſicht zu erforſchen undaſtronomiſche Verbindungen zwiſchen genau beſtimmten Punkten in denbritiſchen Beſitzungen und dem öſtlichen Theile des oberen Oronoko in derNähe der Miſſion de l’Esmeralda und des Cerro-Duida zu ſchaffen **),wohin ich ſelbſt meine Inſtrumente im Laufe einer über 480 Lieues lan-gen Flußſchifffahrt zu bringen vermochte ***) . Von höchſter Bedeu-
*) Nouv. Ann. des voy. 1837. Mai, Juin). **) Journ. of the roy. geograph. society vol. 6, p. II, p. 7 und 10 inden Zuſätzen. Die von dem Secretair der Geſellſchaft, Capit. Maconochieder ſich jetzt in der Station von Vandiemensland befindet, redigirte In-ſtruktion beſagt, „daß der Reiſende, ſtatt die Miſſion Esmeralda durch Hin-abfahren des Rio Branco in den Rio Negro und Auffahrt aus dieſem inden Siapa oder Caſſiquiare zu erreichen (Hr. Schomburgk hatte den Pa-dariri aus Verwechſelung mit dem Siapa oder Idapa vorgeſchlagen), verſu-chen ſolle, den Oronoko von ſeinem Urſprunge bis nach Esmeralda hinun-ter zu kommen, da der Hauptzweck der Unterſuchung dahin gehe, die öſt-lichſten Punkte der Arbeiten des Hrn. v. Humboldt mit denen am Eſſe-quibo zu verbinden.***) Lieues, 20 auf einen Grad; es iſt dies die Schifffahrt auf dem Apure,Oronoko, Atabapo, Temi, Tuamini, Rio Negro und Caſſiquiare, welche, mit
|187| tung für die aſtronomiſche Erdkunde iſt es, die Grundlinien, worauf ſichdas Netz der Karten des ſüdlichen Amerikas nördlich vom Amazonenfluſſebezieht, nicht aus dem Geſichte zu verlieren. Wenn man durch gute Beob-achtungen, deren Details bekannt gemacht ſein müßten, die Länge des Zu-ſammenfluſſes des Oronoko und Caſſiquiare (bei der Miſſion Esmeralda)vom engliſchen Guyana ausgehend, nahe an 68° 37′ weſtl. von Parisfände, ſo würde man, da der Felſen der Geduld (piedra de la paciencia) naheder Mündung des Rio Meta im Jahre 1824 chronometriſch auf S. Fé de Bogota bezogen worden iſt, (Oltmanns aſtron. und hypſ. Grundl. derErdbeſchr. 1831, Th. I, S. 290) hierdurch allein ſchon durch das In-nere des Landes hindurch Guayaquil, einen Hafen des ſtillen Meeres, mitder Hauptſtadt des engliſchen Guyana an den Küſten des atlantiſchenverbunden haben. Die Längenverſchiedenheit dieſer beiden Punkte be-trägt 21° 46′; denn die Hauptſtadt des engliſchen Guyana (GeorgesTown am rechten Ufer der Mündung des Demerari) liegt, nach Capit.Owen, unter 60° 31′ 54″ L. und für Guayaquil *) habe ich, geſtütztauf meine Beobachtungen zu Callao de Lima und auf die neubeſtimmteLage von Quito 82° 18′ 10″ gefunden.
Auf einem Feſtlande, von welchem nur die Umriſſe durch Umſchif-
Ausnahme des Trageplatzes von Jarita ununterbrochen fortläuft; dieſe großeLinie chronometriſch verbundener Ortslagen iſt durch die Reiſe der HHBouſſingault und Roulin auf dem Meta und durch die Zeitvergleichungzwiſchen Bogota und dem Einfluß des Meta in den Oronoko mit dem Sy-ſteme der Ortslagen von Neugranada verbunden worden.*) Die in den Jahren 1825 bis 1836 bei der Expedition der Adventure unddes Beagle (Capit.’s King, Stokes und Fitz-Roy) ausgeführten großenArbeiten beſtätigen bis auf etwa 4 Meilen dieſe Länge von Guayaquil, überwelche man Zweifel erhoben hatte. Die Tafel des Beagle (Journ. of thegeogr. soc. a. a. O. S. 342) giebt 0° 32′ 48″ weſtlich von Balparaiſo,folglich 82° 13′ 40″ w. von Paris, da Balparaiſo durch die Expeditiondes Beagle 74° 1′ 39″, durch frühere Berechnungen des Hrn. Oltmanns74° 2′ 0″, von Hrn. Lartigue 74° 0′ 47″ gefunden worden iſt. Die-ſelbe engliſche Expedition giebt für Callao die Beſtimmung 5° 18′ 15″.Der Durchgang des Mercur vor der Sonne am 9. Nov. 1802 ergab mirdurch die äußere Berührung (welche die ſicherſte iſt) 5° 18′ 18″, als Mit-tel beider Berührungen 5° 18′ 16″. Von dem Grade der Genauigkeit,welchen die eben verglichenen Beſtimmungen erlangen, hängt die GeſtaltSüdamerikas in ſeiner Breite zwiſchen Demerari und den Küſten von Quitoab. Die allgemeinen Linien dieſer Bildung eines Feſtlandes genau feſtzu-ſtellen, iſt ganz beſonders wichtig.
|188| fungen und Seefahrten beſtimmt worden ſind, iſt es von hoher Wichtig-keit, die Ortslagen im Innern (Fluß- oder Bergſyſteme) zugleich aufbeide entgegengeſetzte Küſten zu ſtützen. Die geogr. Geſellſchaft zu Lon-don ſammelt bereits die Erſtlinge jener Ermuthigungen ein, welche ſieder Unerſchrockenheit der Reiſenden zu Theil werden läßt. Sie hat inHrn. Schomburgk, dem wir bereits eine anziehende Arbeit über die Jung-ferninſeln verdanken, Beides, Eifer und Scharfſinn gefunden. Die zweiBerichte, welche dieſer Reiſende bekannt gemacht hat, ſind um ſo anzie-hender, da ſie zugleich die Bemerkungen des Dr. Hancock über die Ve-getation des Landes enthalten. Andere, nicht weniger des Lobes undder Unterſtützung durch die geogr. Geſ. zu Paris würdige Verſuche ſindvom franzöſiſchen Guyana aus angeſtellt worden; aber abgeſehen vondem Vortheile eines ſüdlicheren Ausgangspunktes haben die Schifffahrtenauf dem oberen Maroni und Oyapuk den Nachtheil, in eine Gegend hin-zuführen, welche um 4° öſtlicher liegt, als der Mittagſtrich des SeesAmucu und des oberen Rupunuri. Die neuen Unternehmungen des Hrn.Leprieur, Pharmaceuten der königl. Marine, nach dem Arawa, den Eme-rillo-Indianern und den Marrons-Negern des Maroni haben unüber-ſteigliche Schwierigkeiten dargeboten.
Das Gebiet, wohin gegenwärtig directe Erforſchungsverſuche gerich-tet werden, iſt ſeit langen Jahren Gegenſtand meiner Unterſuchungen ge-weſen. Die neuen Expeditionen, auf dem Rupunuri nach dem SeeAmucu und den Quellen des Rio Mahu in der kleinen Cordillere vonPacuraina, welche Hr. Hillhouſe St. Georgsberge nennt, beſtätigen durch-aus die aus der geographiſchen Sage vom Lande Dorado, aus den Reiſe-tagebüchern Nicolas Hortsmanns und des Don Antonio Santos undaus den handſchriftlichen Karten der Portugieſen, Aſtronom-GeographPontes und Ingenieur-Capitän Almeida de Serran gezogenen Winke.Schon ein Blick auf die anziehende Karte der Schomburgkſchen Expedi-tion und auf meine im J. 1826 verfaßte Karte der Republik Colum-bien, die im Brueſchen Atlas wieder gedruckt iſt, reicht zum Beweiſedieſer Behauptung hin. Für die Fortſchritte der nothwendig kurzen Un-terſuchungen ſcheint es mir nützlich, die Aufmerkſamkeit auf einige ganzbeſonders zweifelhafte Punkte zu lenken; wie z. B. auf die Geſammter-hebung des ganzen Landes, welches ich in dem hiſtoriſchen Berichte mei-ner Reiſe (Buch 9, Cap. 26) als ein abgeſondertes Bergſyſtem unterdem Namen der Sierra Parime beſchrieben habe. Wie nahe ſich auchdie Zuflüſſe des Eſſequibo, Rio Branco (Rio de Aguas blancas oder Rio |189| Parime des B. Caulin) und des Caroni und Paragna ſein mögen, ſoſind doch die drei Becken dieſer großen Flüſſe vollſtändig getrennt. Nurvermittelſt der Gabeltheilung des Oronoko oder der Verbindung des Caſ-ſiquiare mit dem Rio Negro und der Vereinigung des Pacimoni mitdem Cababuri durch einen natürlichen Ableitungscanal (den Baria) könnte,auf einem ungeheuern Umwege von 750 Lieues, eine ununterbrocheneSchifffahrt vom Mahu und den Quellen des Rio Branco bis zur Mün-dung des Caroni möglich werden. Trageplätze, welche über die Schwel-len oder Gräten der Waſſertheilung (divortia aquarum) hinführen, pe-riodiſche Ueberſchwemmungen, welche in der Regenzeit die zu verſchiede-nen hydrauliſchen Syſtemen gehörigen Zuflüſſe verbinden, haben die Vor-ſtellung von mehreren Gabeltheilungen und Flußverbindungen erzeugt,die niemals exiſtirt haben, oder welche wenigſtens gegenwärtig nicht vor-handen ſind. Alle Ströme beſitzen ein Streben, ihre Verzweigungen zuvermeiden und ihre Becken abzuſondern. Was früher nur ein Arm war,wird dann das ausſchließliche Sammelbett und bei Strömen von gerin-ger Geſchwindigkeit verſchwinden die Gabelungen oder Verzweigungenzwiſchen zwei hydrauliſchen Syſtemen auf drei verſchiedene Arten, entwe-der indem das Ableitbett oder der verbindende Kanal den ganzen Ga-belfluß in ſeinen Lauf hineinzieht, welcher aus verſchiedenen, mehr oderweniger parallelen Furchen beſteht, oder indem der Kanal ſich durch Aus-ſpülungen an der Stelle verſtopft, wo er das Hauptbett verläßt, oderendlich, indem ſich (wie bei dem Arno Taverino des Thales von Chiana)in der Mitte ſeines Laufes ein Theilungspunkt bildet, welcher dem obe-ren Theile einen Gegenhang verſchafft und das Waſſer in entgegengeſetz-ter Richtung zurückſtrömen läßt. Die Savannen und großen EbenenSüdamerikas bieten vornämlich dieſe Veränderungen oder hundertjährigenFortſchritte der Entwickelung in dem Syſteme der inneren Ströme dar. Dieſe Bildung des Bodens hat, weil ſie die Verbindungen in Ca-nots oder Piroguen mit flachem Boden auf ungeheure Entfernungen be-günſtigt, die friedlichen Einwohner am Caſſiquiare und Rio Negro ſeitJahrhunderten den Anfällen der Völker karaibiſcher Abkunft ausgeſetzt,deren zahlreiche Stämme mancherlei Namen führen. Dieſe von Oſtenund Nordoſten (auf mehr als 200 Stunden weit) herkommende Einfällehatten den doppelten Zweck des Handels und Sclavenraubs. Das mäch-tige Volk der Caraiben, von dem man irrthümlicher Weiſe angenommenhat, daß es urſprünglich nur den kleinen Antillen zugehöre, beſaß zurZeit der Entdeckung Amerikas einen großen Theil des Ufergebiets vom |190| Feſtlande (die Carioni und die Caribana der erſten Conquiſtadores), ſowie das öſtliche Gebiet zwiſchen dem Ayaput, dem Cuyuni und Guara-piche. Es machte ſich gleichzeitig den Einwohnern Haitis und denen derUfer des oberen Oronoko furchtbar. Seitdem die europäiſchen Anbauerfeſte Niederlaſſungen an den Grenzen dieſes unteren Theils der Parimeerrichtet haben, welcher (zwiſchen den Parallelen von 2 und 7°) ſich vom61 bis 65° L. ausdehnt, iſt es den Spaniern gelungen, an dem Ca-roni und Paragua, der ein Zufluß von jenem iſt, weſtlich und ſüdweſt-lich vorzudringen, wie den Holländern am Eſſequibo und Cuyuni undden Portugieſen am Rio Branco, der in den Rio Negro mündet. Die-ſer Umſtand war offenbar, bei den beſchränkenden Handelsgeſetzen, welchenoch heute in den Colonien gelten, ſehr verführeriſch für den Schleich-handel. Da die Caraiben, vermöge ihrer Beweglichkeit und ihrer langenErfahrung bei Flußſchifffahrten, die einzigen Landeskundigen waren, ſobedienten ſich die Weißen ihrer zur Eröffnung heimlicher Handelswege.Nach den Ueberlieferungen, die ich am Ende des vorigen Jahrhundertsſammelte und nach den Aufklärungen, welche ich in den Archiven zu St.Thomas de la Nouvelle Guyana gefunden habe, waren es vorzüglichdrei Umſtände, welche die ſpaniſchen Gouverneure zu Verſuchen, in die terra incognita einzudringen, bewogen. Sie wollten die Entführungvon Sclaven und die Angriffe der Miſſionen von Seiten der unabhän-gigen Caraiben verhindern, mit Genauigkeit die Wege und Verzweigun-gen der Flüſſe kennen lernen, durch welche die Contrebande eingeführtwurde und endlich bis in jenes reiche Gebiet des Goldlandes gelangen,welches rundum die durch die Leichtgläubigkeit oder hinterliſtige Politikder Ralegh, Keymis und Maſchan ſo berühmt gewordene Laguna deParime liegen ſollte. Ich habe auch anderwärts wirklich bewieſen, daßes die Landenge zwiſchen den Zweigen des Eſſequibo (oder DeſſequeboRalegh’s) und des Rio Branco, das heißt: zwiſchen dem Rupunuri ei-nerſeits und dem Pirara, Mahu oder Uraricuera andererſeits iſt, dieman als den klaſſiſchen Boden des Dorado de Parime zu betrachten hat. Es iſt zu hoffen, daß der kühne Reiſende, welcher jüngſthin, durchein Labyrinth von Waſſerfällen, auf dem Maſſarcuni ſchiffend bis zudem bergigen Theile gelangt iſt, wo die Arthurstafel ſich vor ihmbis zu einer Höhe von 5- 6000 Fuß zu erheben ſchien, den Mangelaſtronomiſcher Beobachtungen durch häufige Angaben von Entfernungenhabe erſetzen können. „Wir haben,“ ſagt Hr. Hillhouſe etwas unbe-ſtimmt, „von aus Cayenne und Surinam abgeſchickten Ausrüſtungen |191| ſprechen hören, die ſehr weit in den Südweſten dieſer Colonien vorge-drungen ſind und wie man berichtet, ſoll wenigſtens eine derſelben bisan den Amazonenſtrom gelangt ſein, vermittelſt eines ſeiner nördlichenNebenflüſſe. Aber wir ſind noch ohne Nachrichten über die Quellen desEſſequebo und ſeinen Lauf nach der Vereinigung mit dem Rippanouni(Rupunuri). Als ich den Atlas des Hrn. v. Humboldt zu Rathe zog,ward ich bald überzeugt, daß der Maſſarount (Mazaroni) zwiſchen demCuyuni und Eſſequebo fließen müßte und daß, wenn man ihm eine ſüd-weſtliche Richtung zuſchriebe, (eigentlich eine ſüdſüdweſtliche) er auch durchjenen berühmten El Dorado oder den großen Goldſee der geographiſchenFabel fließen müſſe, der noch zu entdecken iſt.“ Man ſieht, daß dieſerReiſende im Norden und Nordoſten der Granitgebirgskette geblieben iſt,welche eine Schwelle oder Waſſerſcheide zwiſchen dem Rio Eſſequibo unddem Rio Blanco (Branco der Portugieſen, Quecuene der Indianer)bildet; nämlich zwiſchen dem Rio Paragna (Zuſtrom des Caroni) unddem Uraricapara, der bei der alten ſpaniſchen Miſſion Santa Roſa vor-übergeht. In dem Entwurfe eines geologiſchen Gemäldes Amerikas nörd-lich vom Amazonenſtrome, habe ich dieſe Kette nach ungedruckten Papie-ren, welche ich beſitze und die mir zur Herausgabe der allgemeinen Kartevon Columbia (N. 22. meines Atlas) gedient haben, Pararaina-Kettegenannt. Bereits Ralegh kannte ſie im J. 1596 unter dem NamenWacarinna, woraus erhellt, wie viel geographiſche Wahrheiten ſein ver-wirrter Bericht vom Dorado einſchließt. Die Kette theilt das nördlicheWaſſerſyſtem des Caroni und ſeines Nebenfluſſes Paragna von dem ſüd-lichen des Rio Branco. Nach mehren Umſtänden ſchließe ich, daß ſievon O. nach W. zwiſchen den Parallelen 4° 4′ und 4° 12′ verlaufe,indem ſie die Berggruppen des holländiſchen und engliſchen Guyana mit derbloß granitiſchen und ſyenitiſchen von Parime verknüpft. Es iſt diesein Grat, der ſich nach beiden Enden erweitert und die Savannen undNiederebenen des Caroni und Cuyuni von denen des Rio Branco trennt.Er bildet einen der am meiſten characteriſtiſchen Züge der Topographiedieſer Wüſten. Der Capit. Autonio Santos hat ihn 1778 überſchritten,als er vom Nocaprai, einem Nebenfluſſe des Paragua, im Süden vonGuirier, zum Curaricara, einem Beiſtrome des Rio Branco, den die Ein-gebornen auch Uraricapara nennen, überging. In Santos Tagebüchernfinde ich den Namen Pacaraymo für die Kette, welche die Waſſer theilt.Die handſchriftlichen Karten des Fregattencapitains Sylva Pontes Lemeund des Jugenieurcapitains Almeida de Serra, welche 1804 vollendet |192| wurden, nennen Sierra Pacarahina denjenigen Grat, den man überſchrei-tet, um vom Araicuque zum Anocapra zu gelangen, deren erſterer alsNebenfluß dem Uraricapara, letzterer dem Paraguamuſſo angehört. Manmuß in dieſen barbariſchen Namen ſehr genau ſein, denn wenn die Kar-ten von Guyana, wie bereits la Condamine ſagte „von eben ſo fal-ſchen als umſtändlichen Einzelnheiten wimmeln,“ ſo rührt dies meiſt vonder außerordentlichen Ungenauigkeit der Nomenclatur und dem Wunſcheher, für jeden Namen einen Fluß zu ſchaffen. Man hat Mühe, denGuaicia in dem Sia und den Rio Guarapo in dem Fluße Europa desRalegh wieder zu erkennen. Sobald die Geographen für jedes dieſerSynonyme einen Fluß erfunden und gegeben haben, wiederholt ſich derIrrthum Jahrhunderte lang, auf allen, gleicherweiſe angelegten Karten.Ein conſervativer Geiſt gefällt ſich, die Irrthümer der Vergangenheit dau-ernd zu erhalten. Die Karte von Columbien, welche ich im Jahre 1825 herausgegebenhabe und die durch Herrn Brue nach ſämmtlichen Zeichnungen und Ma-terialien, welche ich dieſem geſchickten Geographen liefern konnte, ausge-arbeitet worden iſt, bildet die Frucht meiner Unterſuchungen. Die oberenTheile des Laufes des Rio Branco und Rio Caroni haben dort ein durch-aus neues Anſehn. Da ich mir vorgenommen, die Sage vom Goldlandeaufzuklären, das man immer fortſchreitend von Weſten nach Oſten weiterverlegte, von den Quellen des Rio Negro (Guainia), des Guapa (Uan-pès) und Supura (Caqueta) bis zu denen des Oronoko, mußte ich großesGewicht auf den Lauf des Rupunurifluſſes oder Rupunuwini legen, (wenioder wini bedeutet in den großen Zweigen der Maypure-, Cabre- undGuypunare-Sprachen Waſſer oder Fluß) und dies um ſo mehr, als dieKarten ſeit Anfange des 16. Jahrhunderts den Namen Rupunuwini demParime- oder Dorado-See beigelegt hatten. *) Die Vorſtellung von einemäußerſt goldreichen Gebiete, das man anfänglich um 1535 (nach den Er-zählungen Don Luis Dayn’s) in die Berge von Neugranada (Cundiru-marca oder Cundinamarca) verlegte, wo ein Herrſcher, deſſen Leib mit
*) Vergl. Taf. 14 meines geogr. Atlas unter den Titel: Histoire de la Géogr.de l’Orénoque depuis la carte de Jodocus Hondius de 1599 jusqu’ àla carte de Buache de 1798. Der Urſprung der Mythe vom Dorado iſtim 7 Buch und 24 Cap. der Geſchichtserzählung meiner Reiſe auseinan-dergeſetzt.
|193| Goldſtaub bedeckt war, *) in einem Alpenſee ſeine religiöſen Waſchungenvornahm, wurde ſeit der Expedition Antonio de Berrio’s, des Schwieger-ſohnes des großen Adelantado Queſada, auf dem Caſanar, Meta undOronoko, mit der Vorausſetzung eines großen Binnenſees verbunden, derſein Waſſer zugleich in den Eſſequibo, den Rio Branco und Oronoko er-göſſe. Ich glaube, vermöge einer genaueren Ortskenntniß, durch ein lan-ges und mühſames Studium der ſpaniſchen Schriftſteller, welche von demDorado und dem Meere Parime ſprechen, ſo wie vorzüglich durch die Ver-gleichung einer großen Anzahl in chronologiſcher Reihe geordneter Kartendie Quellen dieſer Irrthümer entdeckt zu haben. Die Fabeln, welche angewiſſen Oertlichkeiten haften, haben in der Regel irgend einen wahrhaf-ten Grund; die vom Dorado (d. h. vom hombre dorado, dem vergol-deten Manne), gleicht jenen Mythen des Alterthums, die, von Land zuLand reiſend, nach und nach verſchiedenen Orten angepaßt wurden. UmWahrheit und Irrthum zu ſcheiden, reicht es in den Wiſſenſchaften ge-wöhnlich hin, die Geſchichte der Meinungen aufzuzeichnen und ihre allmä-lige Entwickelung zu verfolgen. Die eingebornen Völker ſchilderten, umſich der unbequemen Gäſte leichter zu entledigen, den Dorado ſtets als ſehrleicht erreichbar und in unbeträchtlicher Entfernung. Er glich einem Luft-bild, das ſtets vor den Spaniern entwich und ſie immer nachlockte. Esliegt im Weſen des Menſchen, wenn er über die Erde hinirrt, ſich das
*) Dieſe Perſon iſt es, von welcher Oviedo in einem Briefe an den CardinalBembo den Gonzale Pizarro ſagen läßt: „daß er, vom Fuß bis zum Kopfemit Goldſtaub bedeckt, einer goldenen Bildſäule aus den Händen des beſtenKünſtlers gliche, und daß der vergoldete Herr öfters Abwaſchungen vornähme,wegen der Unbequemlichkeit, welche ihm dieſe Art der Bekleidung, wozu erverdammt ſei, verurſache.“ Es iſt mir wahrſcheinlich, daß dieſer Gebrauchſich urſprünglich auf den kirchlichen Oberherrn von Cundinamarca bezog, derſeinen Sitz zu Iraca (jetzt Sogamozo) hatte und eine Art Lama der Sectevon Bahica oder Ilacanzas war. Anderwärts habe ich erörtert, ob die Wa-ſchungen in der Laguna de Tota, öſtlich von Tuuja (dem alten Huncahua)Statt fanden, wo der weltliche Oberherr von Cundinamarca wohnte, oderin dem heiligen See von Guatavita, etwas ſüdlich von Bogota. Zu derZeit, wo man mit ſo unklugem Eifer in England Bergwerksgeſellſchaftenerrichtete, ſind einige Zeilen aus andern Anſichten der Cordilleren, welche diegeſchichtliche Thatſache erwähnen: „daß man im 16. Jahrhunderte eine Spren-gung verſucht habe, um den See auszutrocknen und die Schätze zu gewin-nen, welche nach der Ueberlieferung von den Eingeborenen dort bei derAnkunft Queſada’s verſenkt worden ſeien,“ ohne mein Wiſſen und zu meinemgroßen Bedauern, Urſache großer Geldverluſte geworden.
|194| Glück jenſeit des Bekannten zu denken. Der Dorado, ähnlich dem Atlasund den hesperiſchen Inſeln, iſt nach und nach aus dem Gebiete derDichtungen herausgetreten, um in das der ſyſtematiſchen Erdkunde einzu-gehen. Der große Ruf, welcher einem goldtragenden Gebiete zwiſchen demCaqueta (Pepamene) und Guaupa, einem Nebenfluſſe des Rio Negro, zuTheil war, beſtimmte die Lage des erſten Dorado, desjenigen des Weſtens:Dorado der Om-aguas- und der Manoa-Stämme. *) Ich ſehe mit Ver-gnügen, daß die Bemerkungen, welche ich zu San-Carlos del Rio Negrobezüglich auf dieſes bergige Goldgebiet geſammelt habe, neuerdings durchHerrn W. Smyth, Linienſchiffslieutenant von der engliſchen Flotte be-ſtätigt worden ſind. Dieſer Officier hat, in Verbindung mit Herrn Lowe,mit großer Genauigkeit faſt den ganzen Lauf des Rio Huallaga, einenTheil des Uyuculi und Amazonenſtroms von Nanta und Omaguas biszur Mündung des Rio Negro aufgenommen. In einer am 14. Decem-ber 1835 geleſenen Denkſchrift an die königl. geographiſche Geſellſchaftzu London **) verſichert Hr. Smyth, nach einer Handſchrift des VatersAndreas Fernando de Souza, daß die reichen Goldverzierungen, welcheman bei den Tariana-Indianern findet, von einem Stamme, dem der Pa-
*) Die Namen der drei mächtigen Völker Om-Aguas, Dit-Aguas oder AguasManaos oder Manoas und Guayprès oder Uaupès längs der Ufer desUaupe oder Guaupe ſind noch heute um die Flußbecken des Amazonenſtromsund Rio Negro bekannt.**) Journ. of the roy. Geogr. soc. 1836, Bd. 6, Th. I., S. 21. Ich bedaure,daß Lieut. Smyth weder meine aſtronomiſchen Beobachtungen an den Uferndes oberen Rio Negro und Caſſiquiare, noch die Reiſekarte des Oronoko undſeiner Gabelung gekannt hat, die ich 1814 herausgegeben habe. (Atlas Ur. 6).Er würde ſonſt ſicher durch einige richtige Angaben die wilde Zeichnung ver-beſſert haben, welche ihm Barra von dem Caſſiquiare und den Zuflüſſen desRio Negro gegeben, und die er in ſeinem anziehenden Werke hat ſtehen laſſen.(Narrat. of a journey from Lima to Para, 1836). Die Verſicherung desVaters Andreas Fernando de Souza rückſichtlich der Verbindung des Uau-pès (Baupé) mit dem Auiyari (Guaviare) hat keine Wahrſcheinlichkeit.(Vgl. m. Atlas Nr. 21). Es iſt wohl eher der Inirida, Nebenſtrom desGuaviare, welcher ſich durch ſeine Richtung den Quellen des Rio Negronähert. Um die Verwirrung der hydrogaphiſchen Nomenclatur dieſer Gegen-den nicht zu ſteigern, muß ich hier bemerklich machen, daß die Handſchriftdes Vater Souza den Caſiquiare Guxiquiari, den Tuamini Tiniuini, den Atabapo Yatabuapu, und den Pimichin, wahrſcheinlich wegen ſeinerNähe bei der Miſſion Savita, Yaita, nennt. Da ich auf den genannten Flüſ-ſen geſchifft habe, kann ich davon mit einiger Zuverſicht ſprechen.
|195| nöa, herkommen der, ihnen an Geſittung weit überlegen, um die Quellendes Rio Naupès (Guape) wohne. Dieſe Goldwäſchen zwiſchen demNaupès, dem Iguiaure und dem Yurubache*) ſind der Schauplatz derThaten Pedro de Urſuas und Philipps von Hutten, eines deutſchen Her-ren, deſſen Namen die Spanier in Felipe de Urre und Utre verſtümmelthaben. Von den Indianern von S. Joſe de Maravitanos, einem Orte10 Lieues im Süden von San Carlos vom Rio Negro gelegen, wurdedem Capitain-Poblador Don Appollinario Diaz de la Fuente, welcherdieſe Ufer des oberen Oronoko, des Caſiquiare und Rio Negro ein hal-bes Jahrhundert vor mir beſucht hat, und deſſen Reiſebuch nach Quitoich mir verſchafft habe, eingeredet, daß, wenn man 15 Tage lang auf demUaupès nach Weſten ſchiffe, man zu einer berühmten Lagune de Oro ge-lange, die von Bergen umgeben und ſo groß ſei, daß man das jenſei-tige Ufer nicht erblicke. Der wilde Volksſtamm der Guanés erlaube nicht,das Gold aus dem Sandboden zu ſammeln, welcher die Ufer des Seesbildet. Das ſo oft überſchwemmte Land zwiſchen den Quellen des Yuru-bache und des Rio Marahi, Nebenfluſſes des Caqueta, wohin La Conda-mine einen anderen Goldſee verſetzt, den er Parahi nennt (d. h. der SeeWaſſer**) kann, durch Verwechſelung der Lagen, Veranlaſſung zu der när-riſchen Erzählung von der Unermeßlichkeit des Sees des Uaupès gegebenhaben. Gewiß ſcheint es mir, daß zwiſchen den unbekannten Quellen desRio Negro und ſeinen Zuflüſſen Xié und Uaupes (1 — 1½° RB., 71½bis 74° L.) ein kleines Bergplateau liege, welches Lager von goldhaltigemAufgeſchwemmten enthalte. Die Sittigung wird einſt in dieſe Gegendendringen, ſei es von Oſten nach Weſten aus den braſiliſchen oder colum-
*) Man hat ſich ſehr viel um die Frage bewegt, was eigentlich die Flüſſe Juru-bache und Squiare der Väter Acunna und Fritz ſeien. Ich glaube, ſie indem Hyurubaxi (ſpr. Churubachi) und dem Iguiari der portugieſiſchen hand-ſchriftlichen Karten in dem hydrographiſchen Depot von Rio Janeiro wieder-erkannt zu haben. Erſterer ergießt ſich bei St. Iſabelle in den Rio Negro,Letzterer in den Iſſana, Nebenfluß des Negro.**) Vergl. m. Karte von Columbia 1° 5′ SB., 68° 10′ L. Auch der PaterFritz hat, durch eine Reiſe im Jahre 1657 dieſes goldtragende Gebiet be-rühmt gemacht. Unter den koſtbaren Sammlungen d’Anville’s, welche inden Archiven für auswärtige Angelegenheiten zu Paris unter der Nummer9545 aufbewahrt werden, habe ich eine handſchriftliche Karte gefunden, welcheſehr merkwürdig iſt und die Reiſe des Vater Fritz verzeichnet. Sie führtdie Aufſchrift: tabula geografica del Marannon, 1690. Ich habe dieſelbefür meine Unterſuchungen über die Geſchichte der Geographie Amerikas benutzt.
|196| biſchen Miſſionen am Rio Negro und Atabapo, die ſich gegenwärtig ingleich erbärmlichem Zuſtande befinden, ſei es von Weſten nach Oſten vonden Miſſionen von Caguan und dem Guayavero am Fuße der Cordille-ren von Cundinamarca her. Dann wird man ſehen, ob dieſe goldhalti-gen Sandlager werth ſind, ausgewaſchen zu werden und ob ich die geo-graphiſchen Verhältniſſe des erſten Dorado, deſſen der Om-aguas, richtigausgelegt habe, wohin ſich alle von 1535—1560 unternommene Rüſtungenrichteten. In dieſem letzteren Jahre nahm Pedro de Urſua den prächtigenTitel an: Governador del Dorado y de Omagua. Er meinte, daßſein Gouvernement a partibus ſich über eine Provinz erſtrecke, welche dieEingeborenen unter dem Namen des Landes Caricuri bezeichneten undſchon dieſer Name, deſſen Bedeutung er ohne Zweifel nicht kannte, erweiſtdie Folgen der caraibiſchen Einfälle in dieſe Gegend. Gold heißt in derTamanaka-Sprache Caricuri, auf caraibiſch Carücürü und bereits der ge-lehrte Fortſetzer des Mithridat, Herr Vater, hat die Verwandtſchaft dieſerbeiden Sprachen bemerkt. Jedoch iſt Curi (Cori) auch das peruaniſcheWort (Quichua) für daſſelbe Metall, ſo daß wir hier eine der eingeführ-ten Wurzeln finden, die durch wandernde Stämme 4 — 500 Stundenweit von Südweſten nach Nordoſten verbreitet wurden. Zu Ende des16. Jahrhunderts überſchritt Antonio de Berrio, der Erbe des großen Ade-lantado Gonzalo Ximenez de Queſada, die Cordilleras von Neugranada (Cun-dinamarca), öſtlich von Tunja und kam über den Rio Caſanare, den Metaund unteren Oronoko nach der Dreieinigkeitsinſel. Da erſt ſtellte ſich dieSage vom Dorado im öſtlichen Theile von Guyana, zwiſchen 62 und 66°der Länge in jener Gegend feſt, welche neuerdings wieder Gegenſtand nütz-licher und mühſamer Forſchungen geworden iſt. Dieſelben Namen wur-den nun auf andere Stellen übertragen, der geographiſche Mythus nachder Bildungsfläche eines, am Fuße der Pacarainakette häufigen Ueber-ſchwemmungen ausgeſetzten Landes gemodelt. Da die Quellen der großenStröme ſtets die Forſchbegier der Menſchen erregt haben, indem ſie dengewagteſten Vorausſetzungen ein weites Feld darbieten, ſo wurden die Fra-gen nach den Quellen des Oronoko in enger Verbindung mit dem Suchennach dem Dorado in Oſtguyana befunden. Die von einem gewiſſen Mar-tinez verfaßten, von Ralegh verbreiteten und der Geſchichte der AbenteuerJuan Martin’s de Albujar einverleibten Geſchichten hatten die Einbil-dungskraft des Antonio de Berrio und ſeines Manſe de Campo Domingode Vera (1595) entflammt. Dieſer Martinez war von den Caraiben„von Stadt zu Stadt geſchleppt worden, bis er nach Manoa, der Haupt- |197| ſtadt des Dorado, gelangte, wo er einen Verwandten des Inca Atabalipa(Atahualpa) zu ſehen glaubte, den er bereits zu Caxamarca gekannt ha-ben wollte. Da Martinez am obern Carani wohnte, der von der Pa-caraina-Bergkette herabkömmt, und da er, nach langer Abweſenheit, denRio Eſſequibo heraus bei den Indianern der Dreieinigkeitsinſel wiederzum Vorſchein kam, ſo hat er ohne Zweifel dazu beigetragen, den SeeManoa an den Iſthmus des Rupunuri oder Rupunuvini zu verſetzen.Dieſer See ward allmälig zu einem inneren Meere vergrößert (LagunaParime oder von Roponowini des Jodocus Hondius). In dem Jahre,wo ich dieſe Zeilen ſchreibe, bewahren noch viele neuere Karten dieſe altegeographiſche Sage, wie’ſie ebenfalls ſorgfältig die Sage von einer gro-ßen Hochebene Mittelaſiens bewahren, welche ſich von der Kette des Hima-laya bis zu der des Altai erſtrecken ſoll.
Der zweite Dorado, der des Oſtens, kann mit dem Namen Doradode la Parime oder das Ralegh belegt werden, denn dieſer große Mannunternahm vier Züge nach dem niedern Oronoko von 1597 — 1617. Ge-wiß war er ſelbſt getäuſcht, aber als es ſich darum handelte, die Einbil-dungskraft der Königin Eliſabeth zu entzünden und die Entwürfe ſeinerehrſüchtigen Staatskunſt auszuführen, vernachläſſigte er keinen Kunſtgriffder ausgeſuchteſten Schmeichelei. Er ſchilderte der Königin „das Entzük-ken dieſer barbariſchen Völker beim Anblicke ihres Bildes: er will, daßder Name der erhabenen Jungfrau, welche Reiche zu erobern weiß, bis zuden kriegeriſchen Frauen (Amazonen) Guyanas gelange; er verſichert, daßman zu der Zeit als die Spanier den Thron von Cuzco ſtürzten, einealte Weiſſagung aufgefunden habe, derzufolge der Herrſcherſtamm der In-cas einſt Großbritannien ſeine Wiedereinſetzung danken ſolle; er räth, Be-ſatzungen von 3 — 4000 Engländern, unter dem Vorwande, das Gebietgegen äußere Feinde zu vertheidigen, in die Städte des Inca zu legenund zugleich dieſen ſo großmüthig beſchützten Fürſten zur Zahlung einerjährlichen Steuer von 300,000 Lſt. an die Königin Eliſabeth anzuhal-ten; endlich ſetzt er, wie ein Mann, welcher die Zukunft vorausſteht,hinzu, daß alle dieſe weiten Gebiete Südamerikas einſt dem engliſchenVolke gehören würden. Die öſtlichen Theile Guyanas erlangten eine neue Berühmtheit, alsder Gouverneur Don Manuel Centurion, verführt durch indianiſche Häupt-linge, die ſich mit Hülfe der Spanier an einem feindlichen Stamme zurächen hofften, im Jahre 1770 neue Einfälle am obern Cauca unternahm.Das Volk der Majenaos ward, durch ungenaue Ausſprache, damals in |198| Manaos umgetauft und dieſer, durch den Zug Urre’s und Jorge’s d’Es-pira (Georgs von Speier) berühmte Name nun in der Ebene des RioBranco wiedergefunden. Bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts war das geſammte Gebietzwiſchen den Bergen des franzöſiſchen Guyana und den Wäldern vonwilden Cacaobäumen und Juvien (Bertholletia excelsa) am oberen Oro-noko, zwiſchen den Quellen des Rio Caroni und dem Amazonenfluſſe (von0° — 4½° RB. und von 57° — 58° L.) ſo wenig gekannt, daß die Erd-beſchreiber dorthin nach Gutdünken Seen verſetzen und Flußverbindungenerſchaffen konnten. Gegenwärtig iſt das Feld der Vermuthungen beträcht-lich verengert. Die Länge von Esmeralda am Oberoronoko iſt beſtimmtworden; im Oſten von dieſem Punkte hat man mitten durch die Ebenenund Steppen der Parime einen Streifen von zwanzig Stunden Breitelängs der Ufer des Caroni und Rio Branco von Norden nach Südendurchlaufen. Dies iſt der gefährliche Weg, welchen im J. 1739 derWundarzt Nicolas Hortsmann aus Hildesheim, 1775 der Spanier DonAntonio Santos mit ſeinem Freunde Nikolas Rodriguez, 1793 der Obriſt-lieutenant vom erſten Linieuregimente von Para, Don Francisco JoſeRodriguez Barete und, nach handſchriftlichen *) Bemerkungen, welche ich demHerrn Ritter de Brito, ehemaligem portugieſiſchen Geſandten zu Parisverdanke, mehre engliſche und holländiſche Anſiedler genommen haben, welcheim Jahre 1811 über den Trageplatz des Rupunuri und den Rio Brancovon Surinam nach Para gingen. Dieſer Weg theilt die terra incog-nita der Parime in zwei ungleiche Theile und er bezeichnet zugleich, wasein wichtiger Punkt für die Feſtſtellung von Tagen in dieſen Gegendeniſt, Grenzen für die Quellen des Oronoko, die nicht fürder ins Unendlichenach Oſten zurückverlegt werden können, wenn man nicht das Bett desRio Branco, welcher von Norden nach Süden fließt, von dem Bette desOronoko, deſſen Richtung von Oſten nach Weſten geht, durchſchneiden laſ-ſen will. Wegen der Lage von Santa Roſa am Uraricapara, deſſenLauf mir durch die portugieſiſchen Ingenieure wohl beſtimmt ſcheint, kön-nen die Quellen des Oronoko nicht öſtlich von dem 65½ Meridiangrade
*) Die Braſilianer haben ſeit dem Anfange des 19. Jahrhunderts, aus politi-ſchen Beweggründen, ein lebhaftes Intereſſe für die Ebenen gezeigt, welcheſich öſtlich vom Rio Branco hinſtrecken. Vergl. eine von mir auf Veran-laſſung des portugieſiſchen Hofes im Jahre 1817 verfaßte Denkſchrift „überdie Grenzen des franzöſiſchen Guyana.“ (Schöll, Archives politiques onpièces inédites t I, p. 48—58).
|199| liegen. Dies iſt die öſtliche Grenze, über die man ſie unmöglich hinaus-ſetzen darf; aber mir ſcheint es, wenn ich das Verhalten des Fluſſes indem Raudal der Guaharibos (über dem Canno Chiguire im Lande derſo ſehr weißhäutigen Guaycas-Indianer 52′ im Oſten des großen CerroDuida) bedenke, wahrſcheinlich, daß der Oronoko in ſeinem oberen Laufehöchſtens den Meridian des 66½ Grades erreiche. Dieſer Punkt liegt nachmeinen Schlüſſen um 4° 12′ öſtlicher, als der kleine See Amucu, wohinHerr Schomburgk neuerdings gelangt iſt. Verfolgt man den Lauf desRio Branco ſeiner ganzen Länge nach, von den beiden ihn zuſammenſetzen-den Strömen Uraricuera und Tacutu aus*) und ſteigt man von der Berg-kette von Pacaraine durch den ſchmalen Streifen angebauten (oder viel-mehr bewohnten) Landes, der zur Geueralcapitanie von Großpara gehört,hinab, ſo kann man die, theils erſonnenen, theils von den Erdbeſchreibernvergrößerten Seen in zwei getrennte Gruppen theilen. Die erſte derſel-ben umfaßt diejenigen, welche man zwiſchen Esmeralda, die öſtlichſte Miſ-ſion des oberen Oronoko und Rio Branco verſetzt; zur zweiten gehörendie Seen, welche man in dem Gebiete zwiſchen dem Rio Branco unddem franzöſiſchen, holländiſchen und engliſchen Guyana annimmt. DieſeUeberſicht, welche von den Reiſenden nicht aus den Augen geſetzt werdendarf, beweiſt, daß die Frage, ob ein, von dem durch Hortsmann, San-tos, Obriſt Barata und Herrn Schomburgk geſehenen See Amucu verſchie-dener See Parime im Oſten des Rio Branco beſteht, ganz verſchiedenvon dem Probleme der Quellen des Oronoko iſt. Da der Name meinesberühmten Freundes Don Felipe Bauza, ehemaligen Directors des hydro-graphiſchen Depots zu Madrid, in der Erdkunde von großem Gewichteiſt, ſo verpflichtet mich hier die Unparteilichkeit, welche jede wiſſenſchaftlicheErörterung leiten ſoll, zu der Erinnerung, daß dieſer Gelehrte einigermaa-ßen geneigt war, an das Vorhandenſein von Seen im Weſten des RioBranco, ganz nahe bei den Quellen des Oronoko, zu glauben. KurzeZeit vor ſeinem Tode ſchrieb er mir von London: „Ich wünſchte, Siewären hier, damit wir gemeinſchaftlich die Geographie des oberen Oronoko
*) Sie vereinigen ſich zu St. Joacquim do Rio Branco; aber die Neben-flüſſe des Tacutu, welche den Mahu und Xurumu bilden, mit den Zuſtrö-mungen des Uraricuera, welche den Parime, Mayari und Uraricapara aus-machen, entſpringen unmittelbar am Sübabhange der kleinen Cordillern vonPacaraina, ſo daß die Waſſer des Rio Branco, deſſen Zuſammenfluß mitdem Rio Negro nach dem Aſtronomgeographen Pontes Leme unter 1° 26′SB. ſtattfindet, aus 4° NB. herkommen.
|200| erörtern könnten, welche Sie ſo ſehr beſchäftigt hat. Ich bin ſo glücklichgeweſen, die Aktenſtücke, welche dem Marinegeneral Don Joſe Solano,Vater desjenigen, der zu Cadix ein ſo trauriges Ende nahm, gehört haben,von einer gänzlichen Zerſtörung zu retten. Dieſe Actenſtücke beziehen ſichauf die Grenztheilung*) zwiſchen den Portugieſen und Spaniern, womitSolano zugleich mit dem Geſchwaderführer Yturriaga und Don VicenteDoz ſeit dem Jahre 1754 beauftragt war. Auf allen damaligen Plänenund Entwürfen ſehe ich eine Laguna Parime, bald als Quelle des Oro-noko, bald ganz abgeſondert dargeſtellt. Soll man alſo wohl annehmen,daß es einen See dort im Oſten und Nordoſten von Esmeralda gebe?“
Die Aktenſtücke, ven denen Hr. Bauza hier ſprach, ſind dieſelben,welche zu der großen Karte von la Cruz Olmedilla gedient haben, dieallen zu Ende des vorigen Jahrhunderts in England, Frankreich undDeutſchland erſchienenen Karten von Südamerika zu Grunde liegt; ſiehaben auch für zwei im Jahre 1756 von dem Vater Caulin, Geſchicht-ſchreiber des Solanoſchen Zuges und von einem ungeſchickten CompilatorHrn. v. Surville, einem der Archivbeamten des Staatsſekretariats zuMadrid, herausgegebene Karten gedient. Der Widerſpruch, welcher indieſen Karten erſcheint, iſt beweiſend für denjenigen in den „Plänen undEntwürfen,“ welche ihnen zu Grunde lagen. Noch mehr: der VaterCaulin, Geſchichtſchreiber des Zuges, entwickelt ſcharfſinnig die Umſtände,welche Veranlaſſung zu der Fabel vom See Parime gegeben haben unddie Survilleſche Karte, welche deſſen Werk beiliegt, ſtellt nicht allein die-ſen See unter dem Namen „weißes Meer und Mar dorado“ wieder her,ſondern bildet auch noch einen kleinern ab, woraus, zum Theil durchSeitenſickerungen, der Oronoko, Siapa und Ocamo entſpringen. Ich habemich an Ort und Stelle von der in den Miſſionen ganz bekannten That-ſache unterrichten können, daß der Joſé Solano allein über die Waſſer-fälle von Aturès und Maypure heraus, aber doch nicht jenſeits des Zu-ſammenfluſſes des Guaviare und Oronoko, unter 4° 3′ Br. und 70° 31′L. gekommen iſt und daß die aſtronomiſchen Werkzeuge **) der Grenz-
*) Der berühmte Löffling, Schüler Linnés, kam, um Botaniker dieſer Expedi-tion zu werden, nach Cumana. Er ſtarb, nachdem er die Miſſionen vonPiritu und Caroni durchreiſt hatte, am 22. Februar 1756, in der MiſſionSta Eulalia de Murunuri, etwas ſüdlich von dem Einfluſſe des Caroni inden Oronoko.**) Aus dieſem Grunde iſt die Lage des Gleichers, d. h. der Punkt, wo erden Rio Negro ſchneidet, um mehr als einen Grad verfälſcht. Ich habe
|201| expedition weder bis an den Iſthmus des Pimichin und Rio Negro,noch an den Caſtquiare und den Oberoronoko oberhalb der Mündung desAtabapo gebracht worden ſind. Dieſes große Land, wo vor meiner Reiſekeine aſtronomiſche Beobachtung verſucht worden war, ward zu SolanosZeit nur von einigen auf Entdeckungen ausgeſchickten Soldaten durchzo-gen und Don Apollinario de la Fuente, deſſen Tagebücher ich aus demArchive der Provinz Quixos hervorgeſucht habe, ſammelte ohne Kritikaus den lügenhaften Erzählungen der Indianer Alles, was der Leicht-gläubigkeit des Gouverneurs Centurion ſchmeicheln konnte. Keine derzu der Ausrüſtung gehörigen Perſonen hat einen See geſehen und DonApollinario konnte nur bis zum Cerro Yumariquin und bis nach Ge-hette gelangen.
Nachdem ich, in der ganzen Ausdehnung des Landes, wohin manden Forſchungseifer der Reiſenden zu richten wünſcht, eine Theilungs-linie aufgeſtellt habe, die durch das Becken des Rio Branco gebildetwird, bleibt mir noch übrig, anzudeuten, daß unſere geographiſchen Kennt-niſſe im Weſten dieſes Theiles zwiſchen dem 64. und 68. Grade nichtim Geringſten vermehrt worden ſind. Die Verſuche, welche die Regie-rung des ſpaniſchen Guyana fortſchreitend ſeit den Zügen von Iturriaund Solano unternommen hat, um die Bergkette von Pacaraina zu er-reichen und zu überſchreiten, haben wenig Erfolg gehabt. Die Spanierhaben, indem ſie in den Miſſionen der cataloniſchen Capuziner von Bar-cellonetto am Zuſammenfluſſe des Caroni mit dem Rio Paragna, dieſenletzteren Fluß ſüdwärts bis herauf zu ſeiner Vereinigung mit dem Pa-raguamuſi verfolgten, an der Stelle dieſer Vereinigung die MiſſionGuirion errichtet, welche anfänglich den ſtolzen Namen Ciudad de Gui-
durch Hrn. Bauza den aſtronomiſchen Theil der Urhandſchrift von Solanound Doz erhalten, der von Hrn. Oltmanns in den Denkſchriften der Akad.d. W. zu Berlin für 1830 veröffentlicht worden iſt (S. 113). Alle Be-obachtungen treffen nördlich vom Raudal d’Atures; man hat die Verfin-ſterungen der Jupitertrabanten wieder berechnet, indem man Delambres neueTafeln benutzte. Die Fehler in der Länge verſchwinden dann größtentheils;ſie waren, nach den Reſultaten, wobei die Grenzexpedition in den Jahren1754 — 57 ſtehen blieb, für die Länge von Cumana 2½°, für den portd’Espagne auf der Inſel de la Trinité 1¾°. Die Delambreſchen Tafelnverringern dieſe Irrthümer für den erſteren Punkt auf 15′, für den zwei-ten auf 2′ im Bogen. Dies iſt ein neues und ſchlagendes Beiſpiel für denNutzen, welchen die Erdbeſchreibung aus der Bekanntmachung der aſtrono-miſchen Beobachtungen ſelbſt ziehen kann.
|202| rion empfing. Ich ſchätze ſie auf etwa 4½° B. Von dort aus triebder Gouverneur Centurion, aufgeregt zur Erforſchung des Dorado durchdie ausſchweifenden Berichte zweier Indianerhäuptlinge Paranacare undArimuicaip, von dem mächtigen Volke der Ipurucotos, dasjenige, wasman damals geiſtliche Eroberung nannte, immer weiter und errich-tete jenſeits der Berge von Pacaraina die beiden Dörfer Santa Roſaund San Baptiſta de Caudacada, erſteres in dem obern Theile und amöſtlichen Ufer des Uraricapara, Nebenfluß des Uraricuera, den ich in demReiſetagebuche von Rodriguez Rio Curaricara genannt ſehe; letzteres 6 —7 Stunden weiter nach O. S. O. Der Aſtronomgeograph der portugieſi-ſchen Grenzcommiſſion, Fregattencapitain Don Antonio Peres da SylvaPontes Leme und der Jugenieurcapitain Don Riccardo Franco d’Al-meida da Serra *); welche von 1787—1804 mit größter Sorgfalt denganzen Lauf des Rio Branco und ſeiner oberen Verzweigungen erforſchthaben, nennen den nördlichſten Theil des Uraricapara das Thal derUeberſchwemmung. Sie ſetzen die ſpaniſche Miſſion Santa Roſa unter3° 46′ Br. und bezeichnen den Weg, welcher von da nach Norden, in-dem er die Bergkette überſchreitet, zum Canno Anocapra, einem Zufluſſedes Paraguamuſi führt, um ſo aus dem Becken des Rio Branco in dasdes Caroni zu gelangen. Außer dem Thale der Ueberſchwemmung fin-det man noch andere große Moräſte zwiſchen dem Rio Xurumi unddem Parime **) . Einer dieſer Creeks iſt Nebenfluß des Tacutu, derandere des Uraricuera. Am Fuße der Pacarainaberge ſelbſt ſind die
*) Zwei Karten dieſer portugieſiſchen Offiziere, welche das ganze Detail dertrigonometriſchen Aufnahme der Windungen des Rio Branco, des Urari-cuera, Tacutu und Mahu enthalten, ſind Hrn. Obriſt Lapin und mir eine durchden Hrn. Grafen Linhares gefällig mitgetheilt worden. Dieſe koſtbaren, nichtveröffentlichten Aktenſtücke, welche ich benutzt habe, befinden ſich noch inden Händen des gelehrten Geographen, welcher vor längerer Zeit ihren Stichauf ſeine Koſten hat beginnen laſſen.**) Die Portugieſen nennen bald den ganzen Rio Branco, Rio Parime, baldbeſchränken ſie dieſe Benennung blos auf den Nebenſtrom des Uraricuera,etwas unter dem Canno Mayari und über der ehemaligen Miſſion SanAntonio. Da die Worte Paragua und Parime gleichmäßig Waſſer, großesWaſſer, See und Meer bezeichnen, muß man ſich nicht wundern, ſie ſo oftbei den Omaguas des oberen Marannon, bei den nördlichen Guaranis undden Caraiben, alſo ſehr weit von einander entfernten Völkern anzutreffen.Unter allen Zonen werden die großen Flüſſe von den Uferbewohnern kurz-weg der Fluß genannt. Paragua, einer der Zweige des Caroni, iſt der-ſelbe Name, welchen die Eingeborenen dem oberen Oronoko geben. Der
|203| Flüſſe großen periodiſchen Austretungen unterworfen und der See Amu-cu, von welchem weiter unten geſprochen werden ſoll, zeigt denſelbenCharacter der Lage am Eingange der Ebenen. Die ſpaniſchen MiſſionenSanta Roſa und San Baptiſta de Caudacada oder Cayacaya, in denJahren 1770 und 73 von dem Gouverneur Don Manuel Centurion ge-gründet, wurden vor Ende des letzten Jahrhunderts zerſtört und ſeit die-ſem Zeitraume iſt kein neuer Verſuch gemacht worden, um von dem Be-cken des Caroni gegen den ſüdlichen Abhang der Pacaraina-Kette vor-zudringen.
Nur das Land im Oſten der Ebene Rio Branco hat in dieſen letz-ten Jahren glückliche Nachforſchungen veranlaßt. Hr. Hillhouſe iſt denMaſſeruni bis zum Creek von Caranany hinaufgeſtiegen, von wo ein Fuß-ſteig den Reiſenden, wie er ſagt, in zwei Tagen bis zu der Quelle desMaſſeruni und in drei Tagen zu den Nebenflüſſen des Rio Brancogeführt habe. Die Windungen des großen Fluſſes Maſſeruni, welchenHr. Hillhouſe beſchrieben hat, angehend, bemerkt er in einem, unterm 31.Dec. 1831 aus Demerari an mich gerichteten Schreiben, „daß der Maſ-ſeruni von den Quellen aus erſt nach Weſten, hernach auf einen Brei-tengrad nördlich, dann nahe an 200 engliſche Meilen weit nach Oſtenund endlich nach Norden und Nordnordoſten zum Eſſequibo fließt.“ DaHr. Hillhouſe den Südabhang der Pacaraina-Kette nicht hat erreichenkönnen, ſo hat er auch nichts über den See Amucu erfahren und er-wähnt ſogar in ſeiner gedruckten Denkſchrift, „daß es nach den Nachrich-ten, welche ihm von dem, das Land zwiſchen dem Ufergebiete und demAmazonenſtrome fortwährend durchziehenden Stamme der Accawäs zu-gekommen wären, gewiß ſei, daß in allen dieſen Bezirken kein See ge-funden werde.“ Dieſe Verſicherung hatte für mich etwas Ueberraſchen-des, ſie war in gradem Widerſpruche mit den Nachrichten, welche ich überden See Amucu geſammelt hatte, aus dem der Canno Pirara nach denTagebüchern Hortsmann’s, Santo’s und Rodriguez entſpringt; Tage-bücher, welche mir um ſo mehr Vertrauen eingeflößt hatten, weil ſie ſovollſtändig mit den portugieſiſchen Handzeichnungen übereinſtimmten. Nachfünfjährigem Harren hat endlich Hrn. Schomburgks Reiſe den Zweifelzerſtreut. „Es iſt ſchwer zu glauben,“ ſagt Hr. Hillhouſe in ſeiner anziehenden
Name Orinune iſt tamanakiſch und ward zuerſt im Jahre 1531 von Diegode Ordaz gehört, als dieſer bis zur Mündung der Meta hinaufdrang.
|204| Denkſchrift über den Maſſeruni, „daß die Ueberlieferung von einem gro-ßen Binnenſee gar keinen Grund habe. Das Folgende mag, wie ichvermuthe, zur Exiſtenz des fabelhaften Parime-Sees Veranlaſſung gege-ben haben. In ziemlich bedeutender Entfernung von dem Taboco-Waſ-ſerfalle haben die ruhigen Waſſer des Maſſeruni keinen größeren ſichtba-ren Fall, als die eines Sees. Wenn in einer näheren oder entfernterenEpoche die horizontalen Lagen der granitiſchen Bildung von Taboco voll-kommen dicht und ſpaltenlos geweſen ſind, ſo hat ſich das Waſſer wenig-ſtens 50 Fuß über ſeine gegenwärtige Ebene erhoben und einen See von10—12 Meilen Breite auf 1500—2000 Meilen Länge bilden müſſen.Es iſt nicht blos die Ausdehnung der vorausgeſetzten Ueberſchwemmung,welche mich hindert, dieſe Erklärung anzunehmen. Ich habe Ebenen(Lanos) geſehen, wo zu der Zeit des Regens die Ueberſchwemmungen derNebenflüſſe des Oronoko in Folge des Aufſteigens der Gegengehänge desBodens, jährlich eine Oberfläche von faſt 400 Quadratſtunden mit Waſ-ſer bedecken. Die verſchlungenen Verzweigungen zwiſchen dem Apure,dem Arauca, dem Capanaparo und dem Sinaruco verſchwinden dannvollſtändig, die Form der Flußbetten iſt verwiſcht und das Ganze erſcheintals ein großer See. Aber die Oertlichkeit der Sage vom Dorado undParime gehört geſchichtlich einer ganz andern Gegend Guyana’s, dem Südender Pacaraina-Berge, an. Es ſind, wie ich anderwärts vor funfzehnJahren ſchon bewieſen zu haben glaube, die Glimmerfelſen des Ucucuamo,der Name des Rio Parime (Rio Branco), die Ueberſchwemmungen ſei-ner Nebenflüſſe und vorzüglich das Beſtehen des Sees Amucu in derNachbarſchaft des Rupunuwini (Rupunuri) und vermittelſt des Pirarain Verbindung mit dem Rio Parime, welche die Sage vom weißenMeere und vom Dorado de la Parime veranlaßt haben.“
Mit Befriedigung habe ich geſehen, wie die Reiſe des Hrn. Schom-burgk dieſe erſten Bemerkungen vollkommen beſtätigt hat. DerjenigeTheil ſeiner Karte, welcher den Lauf des Eſſequibo und Rupunuri dar-ſtellt, iſt durchaus neu und für die Erdkunde von größter Wichtigkeit.Er ſtellt die Pacarainakette von 3° 52′ bis 4° Breite dar; ich hatteſeine mittlere Richtung von 4° bis 4° 10′ angegeben. Die Kette er-reicht den Zuſammenfluß des Eſſequibo und Rupunuri unter 3° 57′ B.und 60° 23′ L. Ich hatte dieſen Einfluß um einen halben Grad zuweit nach Norden verſetzt. Die Lage des Sees Amucu und ſeine Ver-bindungen mit dem Mahu und dem Tacutu (Tacoto) ſtimmen ganz mitmeiner Karte von Columbia 1825 überein und obgleich, nach den Aus- |205| zügen der Handſchriften des Hrn. Schomburgk bei der Anzeige der Quel-len ſeiner Karte die meinige ſich nicht genannt findet, zeigt doch die ober-flächlichſte Vergleichung, daß Alles was dieſer Reiſende nicht durchreiſthat und was in punktirten Linien in der neuen Karte bis zum Rio Xu-ruma (Zuruma) und nach St. Joacqim de Rio Branco verzeichnet iſt,von der von 1825 entnommen iſt. Auch ſtimmen wir Beide höchſtauffallend über die Breitenlage des Sees Amucu zuſammen. Der Reiſendefindet ſie unter 3° 33′, ich hatte geglaubt, ſie auf 3° 35′ feſtſetzen zumüſſen; aber der Canno Pirara (Pirarara), welcher den Amucu mit demBecken des Rio Branco verbindet, tritt im Norden und nicht im We-ſten aus dem See. Die folgenden Vemerkungen, welche ich aus der Denkſchrift des Hrn.Schomburgk überſetze, werfen auf dieſen Gegenſtand einiges Licht. „DerSee Amucu, ſagt dieſer Reiſende, iſt ohne Widerſpruch der Kern (nu-cleus) des Sees Parime und des vorgeblichen weißen Meeres. Im Mo-nate December und Januar, als wir ihn beſuchten, hatte er kaum eineStunde Länge und war zur Hälfte mit Binſen bedeckt. (Dieſer Aus-druck findet ſich ſchon auf der d’Anvilleſchen Karte von 1748). Der Pi-rara entſpringt aus dem See weſtnordweſtlich von dem indianiſchen DorfePirara und geht in den Mau oder Mahu. Letzterer Fluß entſpringt,nach den Nachrichten, welche ich einziehen konnte, im Norden der Paca-rainakette, welche in ihrem öſtlichen Theile nur 1500 Fuß Höhe hat. DieQuellen finden ſich auf einer Hochebene wo der Fluß einen ſchönen Waſ-ſerfall, la Corona genannt, bildet. Wir waren auf dem Punkte ihn zubeſuchen, als am dritten Tage dieſes Ausſlugs in die Berge das Unwohl-ſein eines unſerer Gefährten mich zwang, zur Station des Sees Amucuzurückzukehren. Der Mahu hat ſchwarzes (kaffefarbenes) Waſſer und ſeinStrom iſt reißender, als der des Rupunuri. In Mitten der Berge,durch welche er ſich einen Weg bricht, hat er noch nicht 60 Yards Breiteund iſt von ſehr maleriſchem Anblicke. Dieſes Thal und die Ufer desBuroturo, Nebenfluſſes des Siparuni, werden von den Macuſi-Indianernbewohnt. Im Monat April ſind die Savannen überſchwemmt und ha-ben dies Eigne, daß die Waſſer aus zwei verſchiedenen Flußſyſtemen ſichauf ihnen vereinigen. Die große Fläche, welche von dieſer vorübergehen-den Ueberſchwemmung bedeckt wird, kann zu der Fabel vom See ParimeVeranlaſſung gegeben haben. Während der Regenzeit könnte eine Waſ-ſerverbindung im Innern des Landes hergeſtellt werden, die den Eſſequibo,Rio Branco und Grand-Para vereinigte. Einige Baumgruppen auf |206| Sandhügeln erheben ſich vaſengleich in den Savannen und erſcheinen zurZeit der Ueberſchwemmungen wie Eilande in einem großen See; diesſind ohne Zweifel die Ipomucena-Inſeln von Don Antonio Santos.“ Ich habe in d’Anville’s Handſchriften, deren Unterſuchung die Erbenmir freundlich erlaubten, gefunden, daß der Wundarzt Hortsmann ausHildesheim, welcher dieſe Gegenden ſo ſorgfältig beſchrieben hat, einenzweiten Alpenſee kannte, den er auf zwei Tagereiſen von dem Zuſam-menfluſſe des Mahu und Rio Parime (Tacutu?) entfernt ſetzt. Es iſtein See mit ſchwarzem Waſſer auf dem Gipfel eines Berges. Er un-terſcheidet ihn ſehr genau vom See Amucu, den er „mit Binſen bedeckt“nennt. Die Tagebücher von Hortsmann und Santos, ſowie die portu-gieſiſchen Handzeichnungen des Marinedepots zu Rio Janeiro zeigen keinedauernde Communication zwiſchen dem Rupunuri und dem See Amucu.So iſt auch auf den d’Anvilleſchen Karten der Flußlauf nach der erſtenAusgabe von Südamerika aus den Jahren 1748 verzeichnet, welche derverbreiteteren von 1760 in dieſer Beziehung voranſteht. Die Reiſe desHrn. Schomburgk beſtätigt dieſe Unabhängigkeit des Rupunuri- und Eſſe-quibo-Bettes, aber der Verfaſſer macht bemerklich, daß „während der Re-genzeit der Fluß Waa Ecuru, Nebenfluß des Rupunuri, mit dem CannoPirara zuſammenhängt.“ Dies iſt der Zuſtand jener ſo wenig entwickel-ten und der trennenden Grate faſt entbehrenden Flußbetten. Der Rupunuri und das Dorf Annay (3° 56′ Br., 60° 56′ L.)werden gegenwärtig als die Grenzen der engliſchen und braſiliſchen Be-ſitzungen in dieſen Wüſten bezeichnet. Hr. Schomburgk ward von ernſt-hafter Krankheit, gezwungen, lange Zeit zu Annay zu verweilen; er gründet diechronometriſche Lage des Sees Amucu auf das Mittel der während ſei-nes Aufenthalts zu Annay (im Oſten und Weſten) genommenen Mond-abſtände. Die Längen dieſes Reiſenden ſind für dieſe Punkte von Pa-rime meiſt um einen Grad öſtlicher, als auf meiner columbiſchen Karte.Weit entfernt, Zweifel auf das Ergebniß der Mondabſtände von Annayzu werfen, muß ich doch bemerklich machen, daß die Berechnung dieſerAbſtände wichtig wird, wenn man die Zeiten vom See Amucu auf Es-meralda übertragen will, deſſen Länge ich 68° 23′ 19″ fand. Hr. Schomburgk iſt erſtaunt geweſen, die Spuren einer holländiſchenNiederlaſſung an den Ufern des Eſſequibo, weit über ſeinem Zuſammen-fluſſe mit dem Rupunuri, unter 3° 50′ Br., nahe dem Inlet Primoſozu finden. Dieſer Poſten war bereits früher gegen die Einfälle der Ca-raiben befeſtigt. Es iſt nicht ohne Intereſſe, zu erfahren, daß Don An- |207| tonio Santos in ſeinem 1775 verfaßten Reiſetagebuche von eben dieſer holländiſchen Wohnung am obern Eſſequibo ſpricht. Damals gin-gen die europäiſchen Niederlaſſungen weiter nach Süden und Weſten, alsjetzt. Man findet für jene Zeit drei Landwege aus dem Becken desRio Branco nach Demerari angezeigt; den am Mahu über die Bergeam Branco, Nebenfluß des Cuyuni; den vom Canno Pirara zum Tava-ricuru (Wen Ecuru) und den Weg vom Sarauru, der in den Taeutufällt, zum Rupunuri, etwas ſüdlich von den Cumucumu-Bergen auf derSeite von Pontes Leme, die vielleicht mit den Conocon- (Conoconu) Ber-gen der Schomburgkſchen Karte identiſch ſind. So alſo iſt, nach den neueſten Forſchungen, jenes große Meer dela Parime, das ſchwer aus unſern Karten zu bringen iſt und dem man,bei meiner Rückkehr aus Amerika, noch 40 Stunden Länge gab, jetzt aufden See Amucu und 2 — 3 Stunden Umkreis beſchränkt. Mehr alszweihundert Jahre lang unterhaltene Täuſchungen (die letzte ſpaniſche Rü-ſtung zur Aufſuchung des Dorado im Jahre 1775 koſtete mehreren hun-dert Menſchen das Leben) haben endlich der Erdkunde einige Früchte ge-bracht. Im Jahre 1512 gingen Tauſende von Soldaten bei der Expe-dition unter, welche Ponce de Leon unternahm, um die Quelle der Ju-gend auf einer kleinen Bahama-Inſel, Namens Bimini, die man kaumauf unſern Karten findet, zu entdecken. Dieſe Fahrt veranlaßte die Er-oberung Floridas und die Kenntniß des großen Golfſtroms, welcher ausder Bahama-Straße ausläuft. Der Durſt nach Reichthümern und derWunſch, jung zu werden, der Dorado und eine Jugendquelle, haben faſtgleichzeitig die Leidenſchaften erregt. In der Sitzung der Geſellſchaft derAlterthumsforſcher vom 7. Nov. 1836 wurde eine Denkſchrift des H. n.Schomburgk über die religiöſen Ueberlieferungen der Macuſi-Indianerverleſen, welche Nation am oberen Mahu und einem Theil der Bergevon Pacaraina wohnt und alſo ſeit einem Jahrhunderte (ſeit der Reiſedes unternehmenden Hortsmann) ihre Sitze nicht verändert hat. „DieMacuſis,“ ſagt Hr. Schomburgk, „glauben, daß ein einziger Mann, dereine allgemeine Ueberſchwemmung überlebt hatte, die Erde durch Verwand-lung von Steinen und Menſchen wieder bevölkerte.“ Wenn dieſe Sage,Frucht der beweglichen Einbildungskraft der Völker, an Deukalion undPyrrha erinnert, ſo wiederholt ſie ſich unter etwas abweichender Geſtaltbei den Tamanakas des Oronoko. Fragt man dieſe, wie die Menſchheitder großen Fluth entkommen ſei, welche das „Zeitalter des Waſſers“ derMexikaner iſt, ſo antworten ſie ohne Zögern: „daß ein Mann und eine |208| Frau ſich auf den Gipfel des hohen Berges Tamanacu am Ufer desAſiveru gerettet hätten, und daß ſie, indem ſie die Früchte der Mauri-tiuspalme hinter ſich warfen, aus ihren Kernen Menſchen und Frauenhätten entſtehen ſehen, welche die Erde neu bevölkerten.“ Einige Stun-den von Encaramada erhebt ſich in Mitten der Savanne ein Felſen, TapuMereme, das heißt der gemalte Felſen, genannt; er zeigt Geſtalten vonThieren und ſymboliſche Zeichen, gleich denen, welche wir in geringerEntfernung unterhalb Encaramada nahe bei Caycara (7° 5′ bis 7° 40′Br., 68° 50′ — 69° 45′ L.) geſehen hatten. Eben ſolche behauene Fel-ſen finden ſich zwiſchen dem Caſſiquiare und Atabapo (2° 5 — 3° 20′Br., 69° 70′ L.) und was noch auffallender iſt, noch 140 Stundenweiter öſtlich in den Oeden derſelben Parime wieder, welche Gegenſtanddieſes Aufſatzes iſt. Ich habe die letztere Thatſache aus dem Tagebuchedes Wundarztes Nicolas Hortsmann beſtätigt, welches in einer Abſchriftvon der Hand des berühmten d’Anville vor mir lag. Dieſer einfacheund beſcheidene Reiſende ſchrieb Tag für Tag an Ort und Stelle auf,was ihm bemerkenswerth ſchien. Er verdient um ſo mehr Vertrauen,als er, unzufrieden, den Zweck ſeiner Nachforſchungen, den See Dorado,die Goldwäſchen und ein Diamantenbergwerk, welches ihm nur ſehr durch-ſichtige Bergkryſtalle lieferte, nicht erreicht zu haben, Alles, was ihm un-terwegs aufſtieß, mit einer Art Geringſchätzung betrachtet. Als er amRupunuri hinaufſtieg, da wo der von kleinen Waſſerfällen erfüllte Flußzwiſchen den Bergen von Macarana ſich hinwindet, fand er am 16. April1749 ehe er die Umgebungen des Amucu-Sees erreichte, „mit Figuren, oder,wie er portugieſiſch ſagt: de varias letras bedeckte Felſen.“ Man hatuns auch nahe bei dem Felſen von Culimacari, am Ufer des Caſſiquiare,Züge gezeigt, die man für Schrift erklärte, aber es waren nur ungeſtalteBilder, die Himmelskörper, Crocodile, Rieſenſchlangen und Werkzeuge zurBereitung des Maniocmehls darſtellend. Ich habe auf dieſen gemaltenFelſen (piedras pintadas) keine ſymmetriſche Anordnung oder regelmäßigabgeſetzte Zeichen erkannt. Das Wort letras in dem Tagebuche desWundarztes darf alſo wohl nicht im ſtrengen Sinne genommen werden.Herr Schomburgk iſt nicht ſo glücklich geweſen, die von Hortsmann ge-ſehenen Bilder wiederzufinden, aber er beſchreibt andere dergleichen andem Ufer des Eſſequibo beim Waſſerfalle Waraputa. „Dieſer Waſſerfall,ſagt er, iſt nicht allein wegen ſeiner Höhe, ſondern auch wegen der gro-ßen Zahl in Stein gehauener Geſtalten berühmt, wie ich ſie zu St.John, einer der Jungferninſeln geſehen habe und die ohne Zweifel ein |209| Werk der Caraiben ſind, welche ehemals dieſen Theil der Antillen bevöl-kerten. Ich that mein Möglichſtes um einen der Steine, welcher In-ſchriften trägt, zu zerbrechen und mitzunehmen; aber er war zu hart undich zu ſchwach vom Fieber. Weder Drohungen noch Verſprechungen konn-ten die Indianer bewegen, einen einzigen Hammerſchlag gegen dieſe Fel-ſen zu thun, die ſo ehrwürdige Denkmale der Intelligenz und Kunſtfer-tigkeit ihrer Ahnen ſind. Sie halten dieſelben für das Werk des großenGeiſtes und die verſchiedenen Stämme, welche wir antrafen, kannten ſiealle, trotz der Entfernungen. Schrecken war auf den Geſichtern meinerindianiſchen Gefährten gemalt. Sie ſchienen zu erwarten, daß das Feuerdes Himmels auf mich falle. Als ich ſah, daß ich keinen dieſer Steinezerbrechen könne, begnügte ich mich mit einer vollſtändigen Zeichnung.“Dies war offenbar das Klügſte und der Herausgeber des engliſchen Jour-nals bemerkt hiezu zu meiner großen Genugthuung: „es iſt zu hoffen,daß Andre keinen beſſeren Erfolg haben werden, als Hr. Schomburgkund daß kein Reiſender einer geſitteten Nation mehr die Hand zur Zer-ſtörung dieſer Denkmale of the untutored Indian anlegen werde.“ Trotzder Ausdehnung der Einfälle der alten Caraiben und der ehemaligen Machtdieſes ſchönen Volksſtammes kann ich doch nicht glauben, daß dieſer großeGürtel von behauenen Felſen, der, wie angedeutet, einen großen TheilSüdamerika’s von O. nach W. durchzieht, das Werk der Caraiben ſei.Es ſind vielmehr Spuren einer alten Sittigung, die vielleicht einem Zeit-raum angehört, wo Name und Abſtammung der heute unterſchiedenenStämme noch unbekannt waren. Selbſt die Ehrfurcht, welche man die-ſen groben Arbeiten überall widmet, zeigt, daß die heutigen Indianerkeine Vorſtellung von Ausführung ähnlicher Werke haben. Noch mehr!Zwiſchen Encaramada und Caycaro, am Ufer des Oronoko, finden ſichdieſe Hieroglyphen oft ſehr hoch an Felſenmauern, die nur durch Gerüſtevon ungemeiner Höhe zugänglich ſein würden. Fragt man die Eingebor-nen, wie dieſe Figuren hätten ausgehauen werden können, ſo antwortenſie lächelnd, als erzählten ſie etwas, was nur ein Weißer nicht wiſſenkönne: „daß es in dem Tage der großen Waſſer geweſen ſei, wo ihreVäter in Kähnen auf dieſer Höhe geſchifft hätten.“ Dies iſt ein geolo-giſcher Traum zur Löſung eines Problems über eine ſehr alte Civiliſation.