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Betrachtungen uͤber die Temperatur und den
hygro-metriſchen Zuſtand der Luft in einigen Theilen
vonAſien. Von dem Herrn Alexander von Humboldt.(Aus der franzoͤſiſchen
Urſchrift uͤberſetzt.)
1.Hypſometriſche Umriſſe der
belgiſchen, ſarmatiſchen und ſibiriſchen
Ebenen,die ſich oſt- und weſtwaͤrts der
Ural-Kette, von der Muͤndung derSchelde bis zu der der Lena
erſtrecke. — Kulminationspunkte des Wal-dai und des
Plateau von Osmana. — Plateaus verſchiedener Ord-nung.
— Zweifel uͤber die Exiſtenz eines
Central-Plateausder Tatarei.
Da in dem gegenwaͤrtigen Zuſtande unſerer
Kenntniſſe, dieGeſtalt der Laͤnder, die
Konfiguration des Bodens nach ſeiner ho-rizontalen Ausbreitung oder
nach der Ungleichfoͤrmigkeit der Kruͤm-mung ſeiner
Oberflaͤche betrachtet, die relative Stellung der
undurch-ſichtigen (kontinentalen) Maſſen und der
durchſichtigen und
fluͤſſigen(pelagiſchen) Maſſen,
die Richtung der großen Gebirgsſyſteme unddas relative
Uebergewicht gewiſſer, durch die waͤrmeerregenden
(ab-ſorbirenden oder ausſtoßenden) Kraͤfte der
Erdhuͤlle beſtimmter Windeals die Haupturſachen des
Unterſchiedes der Klimate anerkannt ſind:ſo
koͤnnen nur allein großartige Anſichten als Leitſtern
dienen beiden Unterſuchungen uͤber die Temperatur von
Aſien. Indem mandie ſchnelle Zunahme der Winterſtrenge
erblickte, nach Maaßgabedaß man auf demſelben Parallel aus dem
weſtlichen Europa nachdem Oſten vorſchreitet, hat man
dieſe Erſcheinung lange Zeit durchein allmaͤhliges
Hoͤherwerden des Bodens zu gerauͤmigen Hochebenen|138| erklaͤrt; man
hat einer einzigen kaͤlteerregenden Urſache und
einerUrſache, die irriger Weiſe als von ungeheurer Ausdehnung
ſeiendangenommen worden iſt, das zugeſchrieben, was
mehrern Urſachenzu gleicher Zeit angehoͤrt, naͤmlich
insbeſondere dem gleichfoͤrmigenBreiterwerden des alten
Kontinents, der Entfernung von den weſt-lichen
Kuͤſten, d. h. von einem in Weſten liegenden Meerbecken,
demBehaͤlter einer wenig veraͤnderlichen Waͤrme; den
weſtlichen Winden,welche fuͤr den Oſten
Europa’s und ganz Aſien Landwinde ſind, dieim Norden
des Wendekreiſes dominiren. Genaue Barometer-Meſſungen
haben die Anſichten, welche man ſich von der Erhoͤhungdes Bodens in
dieſem Theile der Welt gebildet hatte, durchaus ver-aͤndert.
Die Schwelle, oder der Kulminationspunkt, zwiſchen
demſchwarzen Meer und dem finniſchen Meerbuſen
erreicht im Waldaikaum 170 Toiſen Hoͤhe uͤber dem
Niveau des Oceans. Die Quel-len des Wolga-Stroms, etwas weſtlich vom
Seliger See ,
habennoch nicht 140 Toiſ. abſolute Hoͤhe, nach einem
Stationen-Nivellementvon Hrn. Helmerſen. Man gab ehemals,
— und der AbbéChappe ruͤhmte
ſich einer Gewißheit bis auf 2 Toiſen, — der
StadtMoskau, im Niveau des Fluſſes Moskwa, eine Hoͤhe
von 269Toiſen; allein dieſer Punkt, welcher zwiſchen
der Obern Wolgaund dem Oka-Becken liegt, folglich
auf der ſuͤdlichen Abdachungdes Kontinents, die von der Schwelle oder der Waſſerſcheidedes Waldai gegen das
ſchwarze und das kaspiſche Meer immerniedriger wird, hat nur
76 Toiſen Hoͤhe. Kaſan, ungefaͤhr imMittellauf der Wolga, hat ſogar nur 45
Toiſen Hoͤhe uͤber demNiveau des Oceans (nicht
uͤber dem des kaspiſchen Sees), wennman die mittlere
oceaniſche auf die Temperatur des Gefrierpunktsreduzirte
Barometerhoͤhe, mit Herrn Arago zu 760mm,85
an-nimmt.
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Die geringe Hoͤhe zu der dieſe kontinentalen Maſſen
im Oſten Eu-ropas gehoben worden ſind, iſt ſehr
der Aufmerkſamkeit werth, wennman dieſes Phaͤnomen
unter dem Geſichtspunkt des mittlern
Re-liefs der Kontinente betrachtet, und das partielle und neuere
Phaͤ-nomen der Gebirgsketten und der oͤrtlichen
Aufſchwellungen außerAcht laͤßt, welche der Boden der Ebenen
in der Nachbarſchaft derKetten zuweilen darbietet. Moskau und
Kaſan, wo die HerrenPerewoſtſchikow, Simonoff und
Lobatſchefsky eine ſo große Anzahlvortrefflicher
Barometer-Beobachtungen mit Inſtrumenten angeſtellthaben, die
unter ſich und mit den fortinſchen Barometern auf
derSternwarte zu Paris verglichen ſind, liegen mitten in
gerauͤmigen,von tertiaͤren und zum Theil
ſekondaͤren Formationen bedecktenLandflaͤchen, in der
großen Entfernung von 230 oder 250 Meilen (25 auf einen
Aequators Grad) vom kaspiſchen See, vom aſoff-ſchen
Meer und dem finniſchen Golf. Eine gleich ſchwache
Rund-erhabenheit findet ſich auch in dem neuern Theil von Polen,
wo,nach Hrn. Eichwald die Meierei von
Belin, bei Pinsk, nur 68Toiſen, und das Plateau von Osmana 147
Toiſen hoch liegen, wasmit den Hoͤhen von Moskau und dem
Gipfel des Waldai kor-respondirt.
Die baltiſchen und ſarmatiſchen Ebenen des Oſtens von
Eu-ropa ſind von den ſibiriſchen Flaͤchen des
Nordweſtens von Aſiengetrennt durch die Kette des Ural, der,
vom 54ſten bis 67ſten Gradder Breite, vom Iremel und
Groß-Taganaï bis zum KonjekowskiiKamen
und dem Parallel von Obdorsk, Gipfel von ſechs bis acht-hundert
Toiſen Hoͤhe enthaͤlt, und der in ſeiner Kammlinie
ver-gleichbar iſt mit den wenig erhabenen Ketten der Vogeſen,
des Jura,der Gates und der gold- und platinahaltigen Cordillere von
Villa-rica in Braſilien. Der Ural feſſelt
unſere Aufmerkſamkeit wegenſeiner Ausdehnung und der
Beharrlichkeit ſeiner Richtung vom Uſt-Urt im Truchmenen
Iſthmus, zwiſchen dem Kaspi und dem Aral,bis jenſeits
des Polarkreiſes, wo, jenſeits des Obi, Hr. Adolph Er-man
einige ſeiner Spitzen von mehr als 660 Toiſen Hoͤhe
uͤberdem Niveau des Meeres gemeſſen hat. Im mittlern
Theile, unter56 49′, etwas weſtlich von der Stadt
Jekaterinburg, hat dieſerGuͤrtel
(Poyas) oder dieſe Felsmauer, in welcher die Formationen|140| von Diorit (Gruͤnſtein), Serpentin und
Talkſchiefer, eng verbun-den, vorherrſchen,
Paͤſſe, deren abſolute Hoͤhe kaum die
Hoͤhe derStaͤdte Genf und Regensburg
uͤberſteigt.
Von den Haideflaͤchen des noͤrdlichen Brabants kann manvon
Weſten nach Oſten bis zu den aſiatiſchen Steppen,
welche dasweſtliche Gehaͤnge der Altaï-Berge umgeben, und bis zur chineſi-ſchen
Dzungarei, auf einer Linie von 80 Laͤngegraden reiſen,
ohneeine Hoͤhe von zwoͤlf- oder dreizehnhundert Fuß zu
uͤberſteigen.Ich karakteriſire hiermit die
Konfiguration des europaͤiſchen undaſiatiſchen
Bodens zu einer Zentralzone (des Innern des altenKontinents), einer Zone,
deren Endpunkte, Breda und Semipola-tinsk, oder der
chineſiſche Poſten Kh onima ilakhou, zwiſchen 51
35′und 48° 57′ der Breite gelegen ſind, eine
Diſtanz, welche ich aufverſchiedenen Reiſen mit
Barometern verſehen, zu durchlaufen Ge-legenheit gehabt habe und die
faſt das dreifache des Laufs des Ama-zonen-Stroms quer durch die
Ebenen von Suͤdamerika betraͤgt.Wollte man annehmen, es ginge
von den Blachfeldern Brabantsnach den Steppen Aſiens ein Weg durch
hohe Breiten, jenſeitsdes 60ſten und 65ſten Grades,
ſo wuͤrde man eine ununterbrocheneEbene finden, deren
Laͤnge faſt dem halben Umfange der Erdegleich iſt.
Es iſt alſo nicht die Erhoͤhung des Bodens, welche die
Beu-gung der iſothermiſchen Linien zum konkaven Gipfel
verurſacht, dieAbnahme der mittlern Jahrestemperatur, wenn innere
Gegendenvon Europa einem naͤmlichen Parallel gegen Oſten
gefolgt ſind.Von der geringen Hoͤhe des Landes um Tobolsk,
das mehr als 240Meilen vom Eismeere entfernt iſt,
uͤberraſcht, war der Abbé Chappeder
erſte, welcher ſich ſeit dem Jahre 1768 mit aller Kraft der
all-gemeinen Anſicht von jener Erhoͤhung widerſetzte.
Trotz der ge-ringen numeriſchen Beſtimmtheit, welche
ſeine in Landſchafts-form gezeichneten Profile darbieten, hat
dieſer Gelehrte, deſſenBeobachtungen ich in Mexiko wie
in Sibirien zu wiederholen Ge-|141| legenheit gehabt
habe, das unbeſtreitbare Verdienſt, im allgemeinenerkannt zu
haben, daß bis zu dem 66ſten Grad der Laͤnge und
zwi-ſchen 57° und 58° der Breite, die Winterkaͤlte des
Nordens vonAſien ihre erſte Urſache nicht in der
Hoͤhe des Bodens habe.
Seit ſehr wenigen Jahren ſind Barometer-Beobachtungen,mit
Sorgfalt angeſtellt, an den Graͤnzen der
chineſiſchen Dzungareiund am Ober-Irtyſch, in den
Ebenen, welche mit denen des Dzai-ſang Sees in Verbindung
ſtehen, unter dem Parallel von 49° undin einer Laͤnge von 16°
\( \frac{1}{2} \) oͤſtlich von
Tobolsk, gemacht worden.Das Mittel der Beobachtungen, welche die Herren
Ledebour,Bunge, Hanſteen, Guſtav Roſe und ich in
verſchiedenen Jahreszei-ten angeſtellt haben, geben
dieſem Lande, und einem großen Theileder
Kirghiſenſteppe, kaum eine Hoͤhe von 200 bis 250
Toiſen uͤberdem Waſſerſpiegel des
Oceans.
Die Lage der verſchiedenen Gebirgs-Syſteme, (ſei es in
fort-laufenden Ketten, oder in iſolirten oder ſporadiſchen Gruppen), unddas Verhaͤltniß dieſer Syſteme
zu den mehr oder minder erhabenenEbenen, uͤben einen großen Einfluß
auf die Vertheilung der Tempe-raturen und ihre, durch die
atmoſphaͤriſchen Stroͤmungen bewirkteVermengung
aus. Es wuͤrde fuͤr die Klimatologie vom
groͤßtenIntereſſe ſein, den
Flaͤcheninhalt des Berglandes und des Flachlan-des von Aſien,
wenigſtens auf annaͤhernde Weiſe, zu kennen,
alleindieſe Schaͤtzungen ſind bisher wenig diskutirt
worden und ſehrmangelhaft. Ich habe fuͤr Suͤdamerika,
uͤber das ich hinreichendgenaue Data beſitze, das
Verhaͤltniß der Berg-Region zu der derEbenen wie 1:4 gefunden; und
in dieſem Theile der neuen Weltnimmt der
hauptſaͤchlichſte Gebirgszug, die Cordillere der
Andes,welcher wie auf einer Spalte von geringer Breite gehoben iſt,
trotzſeines Umfangs von 1280 Seemeilen, kaum ein ſo großes
Arealwie das der wenig hohen Gruppen oder
Maſſen (massifs) vonParime und
Braſilien ein. In
Suͤdamerika wie in Europaund Aſien iſt die Linie der
hoͤchſten Kammhoͤhe (die der Andes, desHimalaya und
der Alpen), weit davon entfernt central zu ſein,Seiten
genaͤherter welche denjenigen entgegengeſetzt ſind, gegen
dieſich die ausgebreiteſten Flaͤchen
verlaͤngern.
Die niedrigen Regionen im Norden des alten Kontinents,von der Schelde bis
zum Jeniſſei, Regionen deren mittlere Hoͤhe40 bis 50
Toiſen nicht uͤberſteigt, ſtehen im Suͤden
des 51°\( \frac{3}{4} \) derBreite im Parallel
von Orenburg und Saratow, mit der großen|142|
Hoͤhlung oder Senkung des
Weſtens von Aſien, um den Aralund Kaspi, in Verbindung; ein
Depreſſions-Phaͤnomen welchesſich auf mehreren
Punkten im Innern der Kontinente wiederholenwuͤrde, wenn man aus dem
Grunde der Becken kriſtalliniſcher
oderſekondaͤrer Geſteine die tertiaͤren
Bedeckungen und Alluvions-Nie-derlagen hervorheben koͤnnte. Im
Weſten des Urals neigen ſichdie Ebenen des
ſuͤdlichen Rußlands, im alten Kaptſchak, nach
demKaspi-Schlund und bilden laͤngs des Jaik, zwiſchen Uralsk
undGurief, wie laͤngs der Wolga, zwiſchen Sarepta und
Aſtrakhan ſei-nen noͤrdlichen Hang. Der Zug des Obſchtſcheï
Syrt, derauf unſern Karten ſo verworren
dargeſtellt iſt, unterbricht dieſeVerbindung
zwiſchen dem Becken des Kaspi und den Ebenen vonSimbirsk auf einer
kurzen Strecke. Er loͤſt ſich (als Kette)
vombaſchkiriſchen Ural im Suͤden des Berges Iremel,
da, wo in derNaͤhe von Belorezk die Belaja (Zufluß der Kama) die Kette durch-bricht. Im
Oſten des Urals, oder vielmehr ſeiner
oͤſtlichſten Kette,die Berge von Ilmen, Djambu
Karagaï und Kara Edir Tau ge-nannt,
neigen ſich die großen ſibiriſchen Steppen des Tobol
undIſchim ebenfalls in einer ſuͤdlichen Richtung (wie
die gerauͤmigeKirghiſen Steppe, laͤngs der
Fluͤſſe Turgay und Saraſu, in
einerweſtlichen Direction, gegen das Krater-Land, vom Aral und Si-hun. Dieſe Senkung des
Bodens, die Wirkung des Einbruchsoder Einſinkens eines
Gewoͤlbes (welches wahrſcheinlich vor der|143| Erhebung der verſchiedenen
Gebirgsſyſteme Statt fand, und mitdem Aufſchwellen der
großen Hochebenen koinzidirt), verlaͤngert,|144| zwiſchen dem
45ſten und 65ſten Grad der Laͤnge, die belgiſchen,
ſar-matiſchen und ſibiriſchen Ebenen bis zum
Fuß des Hindu-Koh und der Gebirgsgruppe am obern Oxus,
waͤhrend ſie ſich weitergegen Oſten, im
Suͤden des Parallels von 55°, durch den Altaïund den Tungnu ſchon begraͤnzt finden. Die
Vertiefung des Kaspi,Aral und Maweralnahars iſt nicht
betraͤchtlich genug (denn ihrGrund iſt nur zwei bis
dreihundert Fuß unter dem normalenStand des Oceans und fuͤnf bis
ſechshundert Fuß unter den Ebe-nen von Kaſan und Tobolsk) um,
vermittelſt der Depreſſion allein,auf eine merkliche
Weiſe auf die Abnahme der mittlern Temperaturzu wirken; aber ihre
eigenthuͤmliche Eingeſchloſſenheit giebt ihr,
ſuͤd-lich vom Aral und der Wuͤſte von
Kiſil-Kum, ein Klima, welchesdem der benachbarten Gegenden nicht
aͤhnlich iſt. ManchfaltigeGeſtalten und
zwiſchen den Ufern des Jaxartes und Oxus in meh-rere kleine
Baſſins getheilt, zeigt der trocken gebliebene Boden
dieſerkontinentalen Einſenkung, ſeit den Zeiten der
aͤlteſten Voͤlkerwande-rungen, einen ſehr
merkwuͤrdigen Karakter politiſcher
Individualitaͤt.Dort, und am Suͤdoſt-Rande der
Senkung, haben ſich Jahrhun-derte hindurch (wie einſt in
Deutſchland, am Ende des Mittelal-ters) eine große Menge kleiner
Geſellſchaften unabhaͤngig, ich
koͤnnteſagen ſtereotyp
erhalten, die wir heute unter dem Namen derStaaten von Khiwa, Bokhara,
Samarkand, Schehrſabez, Kokanund Taſchkend kennen.
Im Oſten des Meridians vom Bolor, zwiſchen dem Altaï undder Kette des Himalaya exiſtirt
kein Central-Plateau der Ta-tarei, ſo groß
wie Neu Holland. Der Zuſammenhang und dieuralte Ziviliſation
dieſes Plateaus, welche von den Geographen
undGeſchichtſchreibern des vorigen Jahrhunderts
verkuͤndigt wurden,muͤſſen ebenfalls in Zweifel
gezogen werden. Man kann in derSprache der
wiſſenſchaftlichen Geologie, nach einem
gewiſſen Hoͤhen-maaßſtab, verſchiedene
Plateau-Ordnungen
abfaſſen; dasPlateau von Schwaben hat
150 Toiſen; das von Baiern oder derSchweiz zwiſchen den Alpen
und dem Jura 260 bis 270 Toiſen;das Plateau von Spanien hat 350
Toiſen; das von Myſore 380bis 420 Toiſen; die Plateaus
von Perſien, Mexico, Bogota, Quitound Caxamarca, von Antiſana
und Titicaca haben 650, 1168, 1370,1490, 2000 bis 2100 Toiſen
Hoͤhe uͤber dem Niveau des Oceans.In der Sprache des gemeinen
Lebens wendet man das Wort Pla-|145|
teau (Tafelland) nur auf Anſchwellungen des
Bodens an, dieauf die Rauhigkeit des Klimas merklich einwirken, folglich
auf Hoͤ-hen von mehr als drei- bis vierhundert Toiſen; und
wenn Strah-lenberg geſagt hat, daß die ſibiriſchen
Ebenen jenſeits des Ural, dener die ripheiſchen Berge nennt,
„im Vergleich mit den europaͤiſchenEbenen einer Tafel gleich ſind, welche man mit dem Fußboden
ver-gleicht, auf dem ſie ſteht,“ ſo hat er
gewiß nicht vermuthet, daß dieinnern Ebenen der chineſiſchen
Dzungarei kaum eine Hoͤhe wie diedes Bodenſees oder der Stadt
Muͤnchen haben; die Ebenen, in denenich vor zwei Jahren im Norden
des Dzaiſang Sees geweſen bin,ſtehen, indem ſie
den Tarbagatai umgeben, mit denen der ProvinzIli, mit den Seen Alaktugul
und Balkaſchi und den Ufern desTſchui in Verbindung. In dem
Baſſin zwiſchen dem Muztagh(Himmels Gebirge) und dem
Kuͤen luͤn (Nordkette von Tuͤbet), einBecken, welches
gegen Weſten von der Querkette des Bolor
geſchloſ-ſen iſt, zeigt eine Vergleichung der
Breiten und gewiſſer Kulturendie geringe Erhoͤhung des
Plateaus auf großen Strecken. InKhaſchgar, Khoten, Akſu und
Kutſche, im Parallelkreiſe von Sar-dinien, baut man den
Baumwollenſtrauch; in den Ebenen von Kho-ten, unter einer
Polhoͤhe, die nicht ſuͤdlicher als Sizilien iſt,
genießtman eines außerordentlich milden Klimas, und man erzieht
einegroße Menge Seidenwuͤrmer. Weiter gegen Norden, in
Jarkend,Hami, Kharaſchar und Kutſche iſt die Kultur
der Weintraube undder Granataͤpfel beruͤhmt ſeit dem
hoͤchſten Alterthum. Die
Abſchuͤſ-ſigkeit, welche der Boden
dieſes geſchloſſenen Beckens annimmt,
ſteht,(was ziemlich merkwuͤrdig iſt,) im
Gegenſatz mit der des offenenBaſſins der Provinz Ili
oder des Thianſchan-Pelu. Selbſt imOſten des Tangut
ſcheint das hohe Plateau (oder die ſteinige
Wuͤſte)der Gobi eine betraͤchtliche Furche und Senkung
zu haben; dennes berichten, Hrn. Klaproth zufolge, alte
chineſiſche Sagen, daß derTarim, welcher ſich heute in
dem Lop See verliert, dieſen See einſtdurchſchnitt und
ſeine Waſſer mit denen des gelben Fluſſes
vereinigte,ein Phaͤnomen, welches die Bildung einer Waſſerſcheide
(arrêtede partage) durch
progreſſive Anhauͤfungen beweiſ’t, und
ſich anandere Erſcheinungen vergleichender
Hydrographie knuͤpft,die ich im hiſtoriſchen
Bericht meiner Reiſe nach den Aequinoctial-Regionen der neuen Welt
entwickelt habe.
Aus dem Ganzen dieſer Betrachtungen uͤber die Konfigurationdes
Bodens von Aſien geht hervor, daß der innere, von den Paral-lelen des 30° und 50°
und von den Meridianen des Bolor oder von|146|
Kaſchmir und des Baïkal Sees oder der
großen Kruͤmmung des gel-ben Stroms,
eingeſchloſſene Theil ein Land von ſehr
verſchiedenemNiveau iſt, zum Theil
uͤberſchwemmt, und große Landſtrecken ent-haltend,
deren Hoͤhe wahrſcheinlich die der Plateaus einer unternOrdnung iſt, analog den Plateaus von
Spanien, Baiern oderMyſore. Man hat Grund zu vermuthen, daß
Aufſchwellungendes Bodens, welche mit den hohen Ebenen von Quito und
Titicaca(1500 — 2000 Toiſen) vergleichbar ſind,
hauptſaͤchlich nur zwiſchender gabelfoͤrmigen Theilung der Kette des Hindu-Koh,
deſſenZweige unter den Namen des Himalaya und Kuͤen
luͤn bekanntſind, folglich in dem Lande Ladak, Tuͤbet
und Katſchi; ſo wie in demGebirgsknoten um den Khuku-Noor und
Gobi, nordweſtlich vomInſchan vorkommen.
Wir haben alſo geſehen, daß Aſien, von Gebirgsketten
ver-ſchiedener Richtung und verſchiedenen Alters in Becken
getheilt, derEntwickelung des organiſchen Lebens und der Einrichtung
menſch-licher Geſellſchaften von Jaͤgern
(Sibirier), Hirten, (Kirghiſen undKalmuͤcken),
ackerbautreibenden Voͤlkern (Chineſen) und
Moͤnchsvoͤl-kern (Tuͤbeter) eine Manchfaltigkeit von
Ebenen, Terraſſen undHochgruͤnden
(haut-fonds) im Luft-Ocean darbietet, welchedie
Temperaturen und Klimate auf eine außerordentliche Weiſe
mo-difiziren. Eine traurige Einfoͤrmigkeit herrſcht in den
Steppen zwi-ſchen den Ufern des Sihun (Jaxartes) und der kleinen
Kette desAlatau bis zum Eismeer; aber jenſeits des
Jeniſſei, im Oſten desMeridians von Sayansk und des
Baikal-Sees, nimmt Sibirienſelbſt einen Bergkarakter an.
2.Konſiguration von Europa, das nur eine
peninſulare Verlaͤngerung vonAſien iſt, in
ſeinen klimatiſchen Kontraſten verglichen mit der
Geſtaltungvon Aſien. — Karakter-Aehnlichkeit der
Klimate der Vereinſtaaten vonNord-Amerika und des
noͤrdlichen und mittlern Theils von Aſien.
—Klimate, von Mairan und Buͤffon exceſſife
genannt. — Mittlere Jah-restemperaturen, und Vertheilung
dieſer Temperatur zwiſchen die ver-ſchiedenen
Jahreszeiten, in St. Petersburg, Tobolsk, Kaſan, Pekin,Macao und
Benares. — Neun Punkte der heißen Zone von Aſien
ver-glichen mit den waͤrmſten Klimaten von Afrika und
Amerika.
Die erſte Grundlage der Klimatologie iſt die genaue Kennt-niß
der Unebenheiten des Bodens eines Veſtlandes. Ohne dieſehypſometriſche Kenntniß wuͤrde man
der Erhoͤhung des Bo-dens das zuſchreiben, was der Effekt
anderer Urſachen iſt, die in|147| den
niedern Regionen (auf einer Oberflaͤche welche mit der
Ober-flaͤche des Oceans gleiche Kruͤmmung hat) auf die
Beugung deriſothermiſchen Linien von Einfluß ſind.
Schreitet man von demNordoſten Europa’s nach dem Norden von
Aſien jenſeits des 46°oder 50° der Breite vor, ſo
findet man zu gleicher Zeit eine Ver-minderung der mittlern Temperatur des
Jahres und eine viel un-gleichfoͤrmigere Vertheilung dieſer
Temperatur zwiſchen die verſchie-denen Jahreszeiten, eine
Vertheilung, welche aus der kontinentalenGeſtalt von Aſien
(einer wenig gekruͤmmten Maſſen-Form),
undſeiner eigenthuͤmlichen Stellung zum Aequator, dem
Polareiſe unddem Einfluß der weſtlichen Winde hervorgeht. In
Beziehung aufdieſe Verhaͤltniſſe zeigen Europa
und Aſien folgende Kontraſte:
Europa, — von gekruͤmmter Geſtalt, unterbrochen durch
Meer-buſen und Meerarme, von Raum zu Raum verengt, gleichſam
ar-tikulirt, — bildet den
weſtlichen Theil des alten Kontinents: esiſt nichts als eine
halbinſelfoͤrmige Verlaͤngerung von Aſien,
wasdie Bretagne mit ihren milden Wintern und wenig heißen Som-mern
fuͤr den uͤbrigen Theil von Frankreich iſt. Europa
empfaͤngtals vorherrſchende Winde die weſtlichen
Winde, welche fuͤr die weſt-lichen und innern Gegenden
Meer-Winde ſind, Stroͤmungen,welche mit einer
Waſſermaſſe im Kontakt geweſen ſind,
deren Tem-peratur an der Oberflaͤche, ſelbſt im Monat
Januar, nicht unter10°,7 und 9° Cent. (im 45° und 50 der Breite)
herabſinkt. Eu-ropa genießt des wohlthaͤtigen
Einfluſſes einer großen
terreſtriſchenTropen-Zone (der von Afrika und Arabien), die
zwiſchen den Me-ridianen von Liſſabon und Kaſan
liegend, durch das taͤgliche Strah-len an ſeiner
Oberflaͤche ganz anders ſich erwaͤrmt als eine
oceani-ſche Tropen-Zone und durch den Effekt aufſteigender
StroͤmungenMaſſen heißer Luft auf die Laͤnder
wirft, welche dem Nordpol naͤ-her liegen. Andere, bis jetzt nicht
hinreichend beurtheilte Vortheileſind fuͤr Europa, —
ſeine allgemeine Konfiguration als eine
weſt-peninſulare Verlaͤngerung von Aſien
betrachtet, — ſeine geringereund ungleichfoͤrmige
Kontinental-Entwickelung gegen Norden hin,ſeine ſchiefe
Geſtalt, ſeine Richtung von Suͤdweſt nach
Nordoſt.Der kontinentale Theil von Europa, faſt in dem ganzen
weſtli-chen erſten Drittel ſeiner Laͤnge,
erhebt ſich nicht uͤber den Paralleldes 52ſten Grades.
Ein anderes mehr centrales Drittel, welchesdurch Skandinavien
vergroͤßert iſt, wird vom Polarkreiſe
durchſchnit-ten. Im oͤſtlichſten Drittel, im
Oſten des Meridians von St. Pe-tersburg, wo das erweiterte Kontinent
ganz den Karakter einesaſiatiſchen Klimas angenommen hat,
ſtreift nur der Polarkreis dienoͤrdliche
Kuͤſte; aber dieſe Kuͤſte iſt von
einer Zone des Eismeeres|148| beſpuͤlt,
deren Wintertemperatur ſehr verſchieden iſt von der,
welchedaſſelbe Meer im Weſten des Nordkaps darbietet.
Die Richtungdes großen oceaniſchen Thals, welches Europa von Amerika
ſcheidet,und die Exiſtenz jenes Stromes warmen
Waſſers (des GolfStroms) der es
zuerſt von SSW. nach NNO., dann von W.nach O.,
durchſchneidet, und der laͤngs der Kuͤſten von
Norwegenzieht, wirken maͤchtig auf die Graͤnzen des
Polareiſes, auf die Kon-turen dieſes Guͤrtels
gefrornen und veſten Waſſers, der
zwiſchenOſtgroͤnland, der Baͤren-Inſel
und dem Nordende der ſkandinavi-ſchen Halbinſel den
fluͤſſigen Waſſern einen gerauͤmigen
Golf oͤffnet.Europa genießt des Vortheils, dieſem
Buſen gerade gegenuͤber zu lie-gen, folglich von dem
Polareis-Guͤrtel durch ein freies Meer ge-trennt zu ſein. Im
Winter ſchreitet dieſer Guͤrtel bis zum Parallelvon
75° zwiſchen Nowa Zembla, der Muͤndung der Lena und
derKnochen-Meerenge, in der Naͤhe von Neu-Sibirien, vor;
imSommer zieht er ſich, im Meridian des Nordkaps, und weiter
ge-gen Weſten zwiſchen Spitzbergen und
Oſtgroͤnland, nordwaͤrts biszum 80ſten und
81ſten Grad der Breite zuruͤck. Noch mehr: diewinterliche Graͤnze der
Polar-Eismaſſen, die Linien naͤm-lich auf welcher
ſich das Eis im Winter dem kontinentalen Europaam meiſten
naͤhert, umwickelt nicht einmal die Baͤren-Inſel,
undman kann in der kaͤlteſten Jahreszeiten frei vom Nordkap
bis zurSuͤdſpitze von Spitzbergen ſchiffen, durch ein
Meer deſſen Tempe-ratur durch die
ſuͤdweſtlichen Waſſerſtroͤme
erhoͤht iſt. Das Po-lareis nimmt uͤberall ab, wo
ſie einen freien Ausweg gegen denPolarkreis finden, wie dies in der
Baffins-Bai und zwiſchen Is-land und Spitzbergen der Fall
iſt. Kapitain Sabine hat unterdem 65° und 70° der
Breite die mittlere Temperatur des atlanti-ſchen Oceans 5°,5 Cent.
gefunden, waͤhrend auf dem europaͤiſchenKontinent
unter denſelben Breiten die mittlere Temperaturen desJahres bereits
mehrere Grade unter dem Gefrierpunkt ſtehen. Ueberfluͤſſig wuͤrde es ſein
hier daran zu erinnern, welche Waͤrme-Modifikationen die
noͤrdlichen Winde durch dieſe gegenſeitige
Konfi-guration der Land- und Polareis-Maſſen erleiden
muͤſſen, wennſie nach dem Norden und
Nordweſten von Europa gelangen.
Das Kontinent von Aſien erſtreckt ſich von Oſt nach
Weſt,jenſeits des Parallels von 70°, auf einer Laͤnge,
welche dreizehn|149| Mal groͤßer iſt
als Europa: zwiſchen den Muͤndungen des
Jeniſſeiund der Lena erreicht es ſogar den 75°,
naͤmlich die Breite derBaͤren-Inſel. Ueberall
beruͤhren ſeine noͤrdlichen Kuͤſten die
Win-ter-Graͤnze des Polareiſes; die Sommer-Graͤnze
dieſer Eismaſſenentfernt ſich von den
Kuͤſten nur auf einigen Punkten und waͤh-rend eines
kurzen Zeitraums. Die Nordwinde, deren Gewalt inden offnen Ebenen,
weſtlich vom Meridian des Baikal-Sees biszum 52°, weſtlich
vom Meridian des Bolor bis zum 40° der Breite,durch keine Bergkette
gemildert wird, durchſchneiden ein eiſiges, mitSchnee
bedecktes Tafeltuch, welches das Kontinent gleichſam
fort-ſetzt, nordwaͤrts bis zum Pol, gegen Nordoſt bis
zur Region desMaximums der Kaͤlte, von
welcher die engliſchen Seefahrerglauben, daß ſie in dem
Meridian der Behringsſtraße unter dem80° und 81° der Breite gelegen
ſei. Das kontinentale Aſienbietet den
ſolaren Strahlen nur einen ſehr kleinen Theil Landesdar,
welches unter der heißen Zone gelegen iſt. Zwiſchen den
Me-ridianen, die ſein Oſt- und Weſtende bezeichnen,
die des KapsTſchukotski und des Urals, (auf einem ungeheuern Raum
von 118Laͤngengraden), durchſchneidet der Aequator den Ocean;
mit Aus-nahme eines kleinen Theils der Inſeln Sumatra, Borneo,
Celebesund Gilolo iſt in jenen Meergegenden kein Land vorhanden,
welchesunter dem Aequator gelegen ſei. Der kontinentale Theil von
Aſienin der gemaͤßigten Zone genießt folglich nicht des
Effekts der auf-ſteigenden Stroͤmungen, welche die Lage von
Afrika ſo wohlthaͤtigfuͤr Europa machen. Andere
kaͤlteerzeugende Urſachen von Aſien(und immer auf
allgemeine Betrachtungen, auf das uns beſchraͤn-kend was das Klima des
Kontinents von Aſien im Großen karakte-riſirt) ſind
ſeine Geſtaltung im wagerechten Sinn, oder die
Formſeiner Konturen, die Ungleichheiten ſeiner
Oberflaͤche im aufrechtenSinn, und beſonders ſeine
oͤſtliche Stellung in Beziehung auf Eu-ropa. Aſien
zeigt eine Anhauͤfung von Land in zuſammenhangen-den
Maſſen, ohne Meerbuſen und ohne bedeutende
peninſulare Ver-laͤngerungen, im Norden des Parallels von
35°. Große, von Oſtnach Weſt gerichtete
Gebirgsſyſteme, deren hoͤchſte Ketten die,
derheißen Zone am naͤchſten liegenden Regionen zu
beruͤhren ſcheinen,ſtellen ſich auf große
Strecken dem Zugange der ſuͤdlichen Winde|150| entgegen. Hoch erhabene Plateaus, die, mit Ausnahme
vonPerſien, bei weitem weniger zuſammenhangend ſind,
als man esgemeiniglich darſtellt, finden ſich verbreitet von
dem GebirgsknotenKaſchmir’s und Tuͤbets bis zu den
Quellen des Orkhon, auf einerunermeßlichen Laͤnge von SW. nach NO.,
ſie kreuzen oder begraͤn-zen tiefe Regionen, hauͤfen
Schneefelder auf und bewahren ſie bisin die Mitte des Sommers und
wirken durch niederſteigende Stroͤ-mungen auf die
benachbarten Landſchaften deren Temperatur ſie er-niedrigen.
Sie veraͤndern und individualiſiren die
Klimateim Oſten der Oxus-Quellen, des Alatau und des Tarbagatai
imcentralen Aſien, zwiſchen den Parallelen des Himalaya und
Altaï.Endlich, ſo iſt
Aſien durch die ganze Laͤnge Europas getrennt voneinem gegen
Weſten gelegenen Meere, oder mit andern Worten, eshat keine
weſtlichen Kuͤſten, die in der gemaͤßigten Zone
immerwaͤrmer ſind als die oͤſtlichen
Kuͤſten eines Kontinents. Die außer-ordentliche Erweiterung
unſeres Kontinents vom Hintergrunde desfinniſchen
Meerbuſens an, traͤgt zur kaͤlteerregenden
Thaͤtigkeit dervorherrſchenden Weſtwinde bei, die
fuͤr die alte Welt, oͤſtlich der we-nig erhabenen
Mauer des Urals, Landwinde ſind.
Die Kontraſte zwiſchen Europa und Aſien, die ich hier
auf-gezaͤhlt habe, bilden das Ganze der Urſachen, welche
gemeinſchaft-lich einwirken auf die Beugung der Linien gleicher
jaͤhrlicher Waͤrmeund auf die ungleichfoͤrmige
Vertheilung dieſer geringſten Waͤrmezwiſchen
die verſchiedenen Jahreszeiten, Erſcheinungen, welche
vor-zuͤglich merklich werden im Oſten des Meridians von St.
Peters-burg, da wo das Kontinent von Europa ſich an das
noͤrdliche Aſienauf einer Laͤnge von 20 Breitengraden,
anſchließt. Der Oſten vonEuropa und ganz Aſien
(letzteres noͤrdlich vom Parallel von 35°)haben ein im
hoͤchſten Grad kontinentales Klima, wenn
mandieſen Ausdruck als Gegenſatz zu dem von Klima der Inſelnund der weſtlichen Kuͤſten gebraucht; ſie haben
wegen ihrer Ge-ſtalt und ihrer Stellung im Verhaͤltniß zu den
Weſt- und Suͤd-weſt-Winden ein exceſſives Klima, aͤhnlich dem der
vereinigtenStaaten von Nordamerika, es folgen naͤmlich ſehr
heiße Sommerauf außerordentlich ſtrenge Winter. Nirgends in der
Welt, nichtein Mal in Italien oder auf den oceaniſchen
Inſeln, habe ich ſchoͤ-nere Weintrauben reifen
ſehen als in Aſtrakhan unfern der Kuͤſtendes
kaspiſchen Sees; und dennoch ſieht man an dieſem
ſelbenOrte, und noch weiter gegen Suͤden, in Kislar an der
Muͤndungdes Terek (in der Breite von Avignon und Rimini) des
Centeſimal-Thermometer im Winter oft bis auf 28° und 30° unter den
Ge-frierpunkt herabgehen. Auch iſt man in Aſtrakhan, wo,
waͤhrend|151| des Sommers, der
gluͤhender als in der Provence und der Lom-bardei iſt, die
Kraft der Vegetation durch die kuͤnſtliche
Bewaͤſſerungeines mit Salz
geſchwaͤngerten Bodens erregt wird, genoͤthigt,
dieReben bis zu einer großen Tiefe zu vergraben. Dieſelbe ſo
un-gleiche Vertheilung der Jahreswaͤrme unter die
verſchiedenen Jah-reszeiten iſt es, welche die Kultur des
Weinſtocks, oder, um michrichtiger auszudruͤcken, die
Produktion eines trinkbaren Weins, inden vereinigten Staaten von
Nordamerika, noͤrdlich vom Paralleldes 40ſten Grades, bisher
ſo ſchwierig gemacht hat. In dem Sy-ſtem der
europaͤiſchen Klimate bedarf es, um trinkbaren Wein imGroßen
zu erzeugen, nicht allein einer mittlern Temperatur desJahres, die
ſich auf 8°,7 oder 9° erhebt, ſondern eines Winters,der nicht
unter + 1° herabfaͤllt, eines Sommers, der zum wenig-ſten
18°,5 erreicht. Dieſes veſte Verhaͤltniß in der Vertheilung
derWaͤrme beſtimmt den Cyklus der Vegetation ſowohl
unter denPflanzen, die, ſo zu ſagen, in winterliche Lethargie
verfallen undwaͤhrend dieſer Zeit nur auf ihre Axe reducirt
leben, als auch un-ter denen, welche (wie der Oelbaum) waͤhrend des
Winters ihrappendikulaͤres Syſtem, die Blaͤtter,
behalten. Die folgenden nume-riſchen Elemente vergleichender Klimatologie werden auf dieberuͤhrten
Kontraſte einiges Licht werfen:
Sankt-Petersburg (Lat. 59° 56′, Long. 27°
58′ O.),mittlere Temperatur des Jahres + 3°,8 Cent.; des Winters
— 8°,3;des Sommers + 16°,7.
Tobolsk (Lat. 58° 12′, Long. 65° 58′) in
einem Jahre (demvon 1826) berechnet von Hrn. Adolf Erman nach den
meteorologi-ſchen Beobachtungen des Hrn. Albert; mittlere Temperatur
— 0°,63;wenn, weiter gegen Weſten, an den
oͤſtlichen Kuͤſten von Finland,in Uleo (Lat.
65° 3′ Long. 23° 6′) mittlere Temperatur des Jahres+ 6°,0;
des Winters — 1°,8; des Sommers + 17°,0.
Kaſan (Lat. 55° 48′, Long. 46° 44′).
Ich beſitze fuͤr diezwoͤlf Monate des Jahres 1828, die
Mittelzahlen von 9 Uhr Mor-gens und Abends, vom Mittage und 3 Uhr
Nachmittags, nach den,von Hrn. Simonoff mit der groͤßten Sorgfalt
angeſtellten Beobach-tungen. Ich finde fuͤr die einzigen
Beobachtungen von 9 Uhr Mor-gens und fuͤr die homonymen Stunden des
Morgens und Abends(indem ich zwei Methoden anwende, welche die mittlere
Jahreswaͤrmeapproximativ geben) + 1°,3 und + 1°,2 Cent. ; fuͤr den
Winter|152| allein — 18°,4 und 17°,8;
fuͤr den Sommer allein + 17°,4 und+ 16°,0. Der
waͤrmſte Monat des Jahres (Juni) hatte eine Tem-peratur von +
19°,4 oder + 18°,5; der kaͤlteſte (Januar) — 22°,7oder
— 21°,8. Man ſieht, daß die Reſultate der beiden
Methodenviel weniger unter ſich abweichen, als die Mittelzahlen
mehrererGruppen von Jahren verſchieden ſein wuͤrden.
Ein Theil des Fruͤh-lings und des Sommers ſind in
Kaſan eben ſo warm als in Paris,obwohl dieſe
Hauptſtadt 7° ſuͤdlicher liegt als Kaſan und die
mittlereTemperatur des ganzen Jahres daſelbſt um 9°,4
hoͤher iſt.
Kaſan.(Lat. 55° 48′) |
Paris.(Lat. 48° 50′) |
Maͤrz — 2°,1 |
+ 6°,5 |
April + 10,3 |
+ 9,5 |
Mai + 15,5 |
+ 14,5 |
Juni + 18,9 |
+ 16,9 |
Juli + 18,2 |
+ 19,6 |
Auguſt + 14,2 |
+ 18,4 |
September + 5,6 |
+ 15,7 |
Oktober + 0,6 |
+ 11,3 |
November — 10,7 |
+ 6,7 |
Das iſt, nach Reſultaten, welche Vertrauen verdienen und die ich
ineinem andern Werke, das ich vorbereite, vervielfachen werde, die
pe-riodiſche Bewegung der Waͤrme an zwei Orten, die um mehr
als700 Meilen von Oſten nach Weſten von einander entfernt
ſind, abernahe auf einer und derſelben iſotheriſchen Linie liegen, waͤhrenddie
mittlere Temperaturen ihrer Winter um 21°,5 verſchieden
ſind.In dieſem Klima des Nordens (Kontinental-Klima, und
folglich einexceſſives) haben die Bewohner
A sofferir tormenti caldi e geli.
In der Breite von Paris zeigen zwei auf einander folgende Mo-nate kein
Wachsthum der Temperatur, welches uͤber 4 oder 5 Gradbetrage. Von
dem Parallel von Rom bis zu dem von Stockholm,zwiſchen den
iſothermiſchen Kurven von 16° bis 5°, iſt die
Diffe-|153| renz der Monate April und Mai
uͤberall 5° bis 7°; und von al-len Monaten die unmittelbar auf
einander folgen, ſind ſie es (indem Klimaten-Syſtem
von Central-Europa) welche auch das Ma-ximum des
Wachsthums der Waͤrme ausdruͤcken. Im Nordoſtenvon
Europa und im Nordweſten von Aſien erhebt ſich im
Gegen-theil die Zunahme der zwei Nachbar-Monate auf 12° und gehet,wie
das Maximum der Waͤrme, der Epoche derſelben
Wachsthums-Phaͤnomene in Europa vorher. Dieſe augenblickliche
Schnelligkeitder aufſteigenden Bewegung der Waͤrme iſt
es, welche das Erwa-chen der Natur karakteriſirt, welche die
ſchoͤne Fruͤhlings-Entwicke-lung der
Tulipacaͤen, Iridaͤen und Roſacaͤen in den
ſibiriſchen Flaͤ-chen erklaͤrt. Die große und
ſchnelle Zu- und Abnahme der Waͤrmeerfolgt
daſelbſt vom Maͤrz zum April und vom Oktober zum
November.Man wuͤrde erſtaunt ſein uͤber die
Sommerhitze in Tobolsk, Tara,Kainsk, Krasnoyarsk und Barnaul, indem man
uͤber das Eis nach-denkt, welches die moraſtigen Tundra zwiſchen dem Obi und
demJeniſei, zwiſchen Bereſow und Turukhansk ſo
lange behalten, wennman nicht den Einfluß der gluͤhenden, aus den
oͤden Steppen Cen-tral-Aſiens wehenden S. und SW.-Winde
kennte.
Pekin (Lat. 39° 54′, Long. 114°7′),
mittlere Temperaturdes Jahres 12°,7; des Winters — 3°,2; des Sommers
+ 28°.Der Sommer in dieſem oͤſtlichſten Theile
von Aſien korrespondirtmit dem Sommer von Neapel; aber drei Monate
des Wintersſind unter dem Nullpunkt, wie in Kopenhagen, das 16°
noͤrdlicherliegt, und deſſen mittlere Jahrestemperatur
um 5° kleiner iſt. DerUnterſchied des
Klimatenſyſtems von Weſt-Europa iſt von der
Art,daß man an den Kuͤſten Frankreichs, zwiſchen
Nantes und St-Malo, unter 47° und 48°\( \frac{1}{2} \) der Breite, die jaͤhrliche Waͤrme
vonPekin wieder findet; indeß dieſe Kuͤſten auf
Parallelen liegen, die|154| 7 bis 8 Grade
noͤrdlicher liegen und Winter haben, welche um 8°gemaͤßigter
ſind.
Waͤhrend meiner letzten Reiſe habe ich ſorgfaͤltig
verglicheneThermometer auf mehreren Punkten Sibiriens in den Haͤnden
vonPerſonen zuruͤckgelaſſen, die im Stande
ſind, einen vortrefflichenGebrauch davon zu machen, indem ſie
an den Stunden beobachten,welche die Mittelzahl der Temperaturen der Tage,
Monate und desJahres kennen lehren. Ich habe bereits mehrere Reihen
intereſſan-ter Beobachtungen aus Bogoslawsk, im Norden des
Urals, erhal-ten, wo ſich eifrige und unterrichtete Bergbeamte
dieſer Art vonUnterſuchungen mit Luſt und Liebe
hingegeben haben. Da alleswas man in Aſien uͤber die
Kaͤltegrade weiß, die hoͤher ſind als derGrad des
Queckſilber-Gefrierens, noch ſehr ungewiß iſt, ſo
habe ichdem Hrn. Dr. Albert, der uns in Tobolsk
aufs freundlichſte auf-genommen hat, und zuweilen
Dienſtreiſen nach den Polarregionenvon Bereſow und
Obdorsk unternimmt, ein Weingeiſt-Thermome-ter uͤbergeben,
deſſen Theilung, die von Hrn. Gay-Luſſac auf
demGlaſe ſelbſt mit großer Sorgfalt
eingeſchnitten iſt, bis — 60° Cent.genau iſt;
doch die groͤßten Fortſchritte, welche die Meteorologie,und
insbeſondere die Theorie der iſothermiſchen Linien, jemals
zuerwarten hat, wird man der kaiſerlichen Akademie zu
Sankt-Pe-tersburg verdanken, wenn ſie dabei beharrt, nach den
Planen,welche wir, mein gelehrter Freund, Hr. Kupfer, und ich ihr
vorge-legt haben, uͤber den ganzen Umfang des
ruſſiſchen Reichs (vonArmenien, Semipolatinsk und
Irkuzk bis Kola, Kamtſchatka undder Inſel Kodiak) ein
regelmaͤßiges Syſtem von Beobachtungeuausfuͤhren zu
laſſen, die ſich uͤber die
ſtuͤndlichen Variationen desBarometers, Thermometers und
Hygrometers, uͤber die Temperaturdes Bodens, die Richtung der Winde
und die Quantitaͤt Waſſersund Schnees, welche die
Atmoſphaͤre niederſchlaͤgt, verbreiten.
DieGleichzeitigkeit dieſer Veraͤnderungen im Druck, in der
Temperatur,Feuchtigkeit, Direktion und Praͤdominenz der Winde auf
einer kon-tinentalen Oberflaͤche, die groͤßer
iſt als der ſichtbare Theil desMondes, wird, nach einer
kritiſchen Vergleichung der numeriſchenElemente,
Geſetze ergeben, die uns bis jetzt noch unbekannt ſind.Große
Intereſſen des agrikolen und induſtriellen Lebens der
Voͤlker,welche das europaͤiſche,
aſiatiſche und amerikaniſche Rußland be-wohnen,
ſind an die Intereſſen der allgemeinen Klimatologie
ge-|155| knuͤpft, deren Sache zu
fuͤhren mir obliegt. Die Einrichtung ei-nes phyſikaliſchen Obſervatoriums in
Sankt-Petersburg,wo man ſich mit Berichtigung und Vergleichung der
Inſtrumente,der Wahl der Orte, deren aſtronomiſche
Lage gut beſtimmt iſt, derLeitung der magnetiſchen und
meteorologiſchen Beobachtungen, derBerechnung und Bekanntmachung der
mittlern Reſultate, beſchaͤfti-gen wird, wird von der
ſpaͤteſten Nachwelt unter die großen
Dienſte,gerechnet werden, welche jene beruͤhmte Akademie
ſeit der Mitte desachtzehnten Jahrhunderts fuͤr die
phyſikaliſche Kenntniß der Erde,und fuͤr die
beſchreibende Botanik und Zoologie geleiſtet hat.
In Aſien, wie in der neuen Welt, bemerkt man, daß die
iſo-thermiſchen Linien nach und nach parallel werden dem
Aequator,wenn man in die heiße Zone tritt. Dieſes Reſultat
wird durch diemittlere Temperaturen der Monate beſtaͤtigt,
welche ich aus mehrdenn zwoͤlfhundert ſehr genauen
Beobachtungen abgeleitet habe, derenMittheilung ich dem Hrn. Abbé Richenet verdanke. Anziehend iſt es,die
Klimate der Havanna, von Macao und Rio-Janeiro zu ver-gleichen, indem die
beiden erſten Orte am Rande der noͤrdlichenheißen Zone und in der Naͤhe
oͤſtlicher Kuͤſten, der letzte am Randeder ſuͤdlichen heißen Zone gelegen
ſind. Ich habe ſchon an einemOrte
die folgende Ueberſicht mitgetheilt, der ich die mittlere
Tem-peraturen der drei heißeſten und drei kaͤlteſten
Monate des Jahreshinzufuͤgen will:
|
Macao.(Lat. 22° 12′ N.) |
Havanna.(Lat. 23° 9′ N.) |
Rio-Janeiro.(Lat. 22° 54′
S.) |
Mittlere Temperatur desJahres .. |
23°,3 |
25°,7 |
23°,5 |
Vom Dezemb. — Febr. |
18,2 |
28,0 |
26 |
Vom Juni — Auguſt . |
28,0 |
28,6 |
20,3 |
Kaͤlteſter Monat .. |
16,6 |
21,1 |
19,2 |
Waͤrmſter Monat . |
28,4 |
28,8 |
27,3 |
Der kaͤlteerregende Einfluß der Konfiguration und Stellung
vonAſien giebt ſich in Macao und Canton noch mehr kund, wenn
dieweſtlichen und nordweſtlichen Winde ein großes mit Schnee
und Eisbedecktes Veſtland beruͤhren; doch ſind die
Kontraſte der Vertheilungder Waͤrme zwiſchen die
verſchiedene Jahreszeiten in den Hoͤhen
desſuͤdlichen China weit weniger merklich, als in Pekin.
Waͤhrend neunJahre, von 1806 bis 1814, hat der Abbé Richenet, der ſich einesvortrefflichen
Six-Thermometers nach Maxima und Minima be-diente, es in Macao
ſelten bis auf 3°,3 Cent., oft bis 5° herabſin-|156| ken ſehen. In Canton erreicht das Thermometer
zuweilen faſt denGefrierpunkt, und man findet
daſelbſt, als Effekt der Strahlung ge-gen einen
wolkenloſen Himmel, Eis auf den Terraſſen der
Hauͤſer,an Stellen, die von Palmen und Bananen eingefaßt
ſind. Eben ſofaͤllt die Waͤrme in Benares
(geogr. Breite 25° 20′, iſotherm. Breite35°,2 Cent.), nachdem
ſie im Sommer oft 44° erreicht hat, im Win-ter auf 7°,2.
Weiter im Suͤden, zwiſchen dem Wendekreis und dem
Gleicher,insbeſondere zwiſchen 0° und 15° der Breite,
ſind die mittlern Tem-peraturen des kontinenealen Luftkreiſes
in beiden Welten merklichdieſelben. Die genaueſten und
neueſten aſiatiſchen Beobachtungengeben:
- Bombey ... 26°,7
- Manila ... 25,6
- Madras ... 26,9
- Pondichery ... 29,6
- Batavia ... 27,7
- Inſel Ceylon:
- In Trinconomale .. 26,9
- In Point de Galle . 27,2
- In Colombo .. 27,0
- In Kandy ... 25,8
Die mittlere Temperatur der eigentlichen Aequatorial-Zone von 0°bis 10° oder
15° der Breite, iſt bisher ſonderbarer Weiſe
uͤbertrie-ben worden; ſie ſcheint mir 27°,7 nicht zu
uͤberſteigen. Das Klimavon Pondichery kann, wie ich an einen
andern Ort bemerkt habe,nicht mehr dazu dienen, die ganze Aequatorial-Zone
zu karakteriſi-ren, eben ſo wenig als die Oaſe von
Murzuk, wo der ungluͤcklicheRitchie und Kapitain Lyon das
Centeſimal-Thermometer (vielleichtwegen des in der Luft verbreiteten
Sandes) auf einem Standezwiſchen 47° und 53°,7 geſehen haben,
das Klima der temperirtenZone von Nordafrika karakteriſirt. Die groͤßte Maſſe der
Tropen-laͤnder liegt zwiſchen dem 18° und 28°
noͤrdliche Breite, und uͤberdieſe Zone iſt es
auch, daß wir, Dank ſei es der Errichtung ſo vie-ler reichen
Handelsſtaͤdte, die meiſten meteorologiſchen
Kenntniſſe be-|157| ſitzen.
Dagegen ſind die vier Grade, welche dem Aequator am
be-nachbarteſten liegen, noch heutiges Tages, wie vor
ſiebenzig Jahren,eine terra incognita
fuͤr die poſitive Klimatologie. Wir kennennicht die mittleren
Temperaturen des Jahres und der Monate inGran Para, in Guayaquil, und (man
muß ſich faſt ſchaͤmen eseinzugeſtehen)
in Cayenne!
Betrachtet man nur die Waͤrme, welche ein gewiſſer
Theildes Jahres erreicht, ſo findet man in der noͤrdlichen
Hemiſphaͤredie gluͤhendſten
Klimate theils unter dem Wendekreis desKrebſes
ſelbſt, theils 4° oder 5° noͤrdlich von dieſem
Tropikus, indem ſuͤdlichſten Theil der torriden Zone.
In Perſien, in Abuſcherz. B. unterm Parallel von 28° \( \frac{1}{2} \), erreicht die mittlere
Temperaturdes Juli 34°; waͤhrend die heißeſten Monate in der
heißenZone, in Cumana 29°,2; in Vera Cruz 28°,8 haben. Auf demrothen
Meere ſieht man das Centeſimal-Thermometer im Mittagauf 44°,
Nachts auf 34° \( \frac{1}{2} \) ſtehen. Die
extreme Waͤrme, welcheman in dem ſuͤdlichen Theil des
gemaͤßigten Erdguͤrtels, zwiſchenAegypten, Arabien und
dem perſiſchen Golf bemerkt, iſt der
gemein-ſchaftliche Effekt der geringen Zeit, welche unter
dieſer Breite zwi-ſchen den beiden Durchgaͤngen der
Sonne durchs Zenith verfließt,des langſamen Gangs des
Geſtirns, wenn es ſich den Tropen naͤ-hert, der
Tagesdauer, welche mit den Breiten zunimmt, der Geſtal-tung der
umgebenden Laͤnder, des Zuſtandes ihrer Oberflaͤche,
derkonſtanten Durchſichtigkeit der von
waͤſſrigen Duͤnſten faſt
ganzentbloͤßten kontinentalen Luft, der Richtung der Winde und
derMenge Staub (erdige Kuͤgelchen, welche ſich durch
Irradiation er-hitzen und durch ihre Oberflaͤche, eines gegen das
andere, ſtrahlen)die von jenen Winden erhoben und in der Luft
ſchwimmend erhal-ten werden.
3.Graͤnze des ewigen Schnees im Kaukaſus,
Altaï und Himalaya.
Der Karakter eines exceſſiven Klimas
(vorzugsweiſe kon-tinentalen) zeigt ſich in Aſien auch
durch die Graͤnze des ewi-gen Schnees, d. h.
durch die Hoͤhe, bei der ſich jene
Graͤnze,abgeſehen von ihren Oscillationen, im Sommer erhaͤlt. Ichhabe ſchon in
einer andern Denkſchrift entwickelt, warum
ſich|158| dieſer Guͤrtel
ewigen Schnees in der aſiatiſchen gemaͤßigten Zone,im
Kaukaſus und am Nordabhang des Himalaya zu einer viel
be-traͤchtlicheren Hoͤhe uͤber dem
Meeresſpiegel erhebt, als unter den-ſelben Parallelen (man
kann hinzufuͤgen, unter denſelben
iſothermi-ſchen Kurven) in Europa und Amerika. Die
intereſſante Reiſe,welche von den Herren Kupfer und
Lenz nach dem Gipfel des El-brus unternommen worden hat
neuerdings das bewieſen, wasich aus den Meſſungen der
Herren von Engelhardt und Parrot,auf den Flanken des Kasbek,
geſchloſſen hatte. Auf der zuerſt ge-nannten
dieſer Gipfelhoͤhen des Kaukaſus ſteigt der Schnee bis1727 Toiſen
herab; auf der zweiten (ohne Zweifel wegen einigerlokalen
Strahlungs-Verhaͤltniſſe) bis 1647 Toiſen. Die
Schnee-graͤnze iſt folglich um 250 bis 300 Toiſen
hoͤher im Kaukaſus alsin den Pirenaͤen. Das
ſommerliche Strahlen des Bodens aufdem tuͤbetiſchen
Plateau, das an Hoͤhe vielleicht das von Titicacauͤbertrifft,
die Trockniß der Luft, welche ſich im ganzen Innern undim Norden von
Aſien kund giebt, der wenige Schnee, der im Win-ter faͤllt,
wenn ſich die Temperatur auf — 12° oder — 15°
ernie-drigt, endlich die Reinheit und Durchſichtigkeit der Luft,
welcheauf dem
noͤrdlichen Abhang des Himalaya herrſchen, und die
dasStrahlen des Plateaus gleichzeitig mit der Fortpflanzung der
ſtrah-lenden von dem Plateau ausgeſtoßene Waͤrme
vermehren, habenmir die Haupturſachen geſchienen von der
großen Differenz, welchedie Schneehoͤhe im Norden und Suͤden
des Central-Kammes desindiſchen Gebirges darbietet. Nach den
Barometer-Meſſungen derHerren Ledebour und Bunge zeigt der
Altaï nicht daſſelbe
Phaͤno-men wie der Kaukaſus. Der Schnee ſcheint
daſelbſt, in Beziehung|159| auf die Breite der Lokale, weit tiefer herab zu gehen,
tiefer als aufden Karpaten; doch geben die Karpaten, die Alpen und die
Pire-naͤen keine gut abgeſchnittenen Vergleichungspunkte, und
beweiſen,daß in Europa ſelbſt, von 42° \( \frac{1}{2} \) bis 49° \( \frac{1}{4} \) der Breite, die oͤſtlichernLagen
die Einfluͤſſe der Pol-Entfernung modifiziren. Auf
demAltaï, in den Gebirgen von
Ridderski, hatte ſich der Schnee in denSchluchten erhalten,
waͤhrend er auf dem Plateau von KorgonSchichten verſchiedener
Jahrgaͤnge, die auf einander lagen, ge-bildet hatte.
Graͤnze des ewigen
Schnees.
|Spaltenumbruch|
- Karpaten (Lat. 49° \( \frac{1}{2} \)) 1330 T.
- Pirenaͤen (lat. 42° — 43°)1400
T.
- Alpen (Lat. 45° \( \frac{3}{4} \) — 46°)1370 T.
- Andes von Quito (Lat. 1° —1° \( \frac{1}{2} \)) 2460 T.
- Nevados von Mexico (Lat.19° — 19°
\( \frac{1}{4} \)) 2350 T.
|Spaltenumbruch|
- Altaï (Lat. 48°
\( \frac{1}{2} \) — 51°) aufden
ridderskiſchen Bergen 920T. (?) auf dem Korgon 1100 T.
- Kaukaſus (Lat. 42° \( \frac{1}{2} \) — 43°)Berg Elbrus 1730 T.,
Kasbek1650 T.
- Himalaya (Lat. 30° \( \frac{3}{4} \) — 31°)Suͤdliches
Gehaͤnge 1950 T.Noͤrdliches Gehaͤnge 2600
T.
Dieſe große Erhoͤhung der Schneegraͤnze im
ſuͤdlichen Aſien,zwiſchen den Gebirgsketten des
Himalaya und des Kuͤen luͤn, zwi-ſchen 31° und 36° der
Breite, und vielleicht gegen Nordoſten un-ter noch hoͤheren
Breiten, iſt eine Wohlthat der Natur. Ein groͤ-ßeres Feld
darbietend der Entwicklung organiſcher Formen, demHirtenleben und
dem Ackerbau (Waizen- und Gerſtenfelder findenſich auf den
Plateaus von Daba und Doomgo in 2334 T. beiLaſſour
in 2170 T. Hoͤhe) macht dieſe Erhebung der Eiszone
unddieſes Strahlen der tuͤbetiſchen Plateaus in
Aſien fuͤr Voͤlker einerfinſtern und
myſtiſchen Geſichtsbildung, einer eigenthuͤmlichen
kunſt-fleißigen und religioͤſen Ziviliſation,
eine Alpenzone bewohnbar, diein den Aequatorial-Regionen von Amerika (unter
einer um 25°bis 30° ſuͤdlichere Breite) in Schnee
eingehuͤllt oder dem, alle Kul-tur zerſtoͤrenden Reif
ausgeſetzt ſein wuͤrde.
Aehnlichen Urſachen, die indeſſen noch nicht
hinlaͤnglich er-gruͤndet ſind, muß man auch die
Exiſtenz der ackerbautreibenden|160|
Bevoͤlkerung von Hoch-Peru und Bolivia zuſchreiben, auf
Hoͤhenlebend, noch hoͤher als die, welche in der
noͤrdlichen Halbkugel, beigleichem Abſtande vom Aequator von
agrikoliſchem Leben keine Spurdarbieten. Hr. Pentland hat erkannt,
daß auf dem Andes-Paſſebei den Altos de Toledo (Lat.
16°2′ S.) die untere Graͤnze desSchnees bei 2660 T.
Hoͤhe iſt, faſt wie (unter 30°\( \frac{3}{4} \) — 31° BreiteN.) auf dem
noͤrdlichen oder tuͤbetiſchen Abhang des
Himalaya.Indeſſen ſteigt auf demſelben
Kontinent, an den Gehaͤngen derVulkane oder Trachyt-Gipfel
Mexiko’s, die aus Plateaus von 1200bis 1400 T. Hoͤhe unter
19° noͤrdlicher Breite, emporſtreben, derSchnee,
waͤhrend der heißeſten Jahreszeit, nicht uͤber 2350
Toiſen.Es iſt ſehr bemerkenswerth (und die
Naturforſcher erwarteten diesReſultat kaum, vor etwa zwanzig
Jahren) daß die zwei Beiſpieleder anomalen Hoͤhe, oder, um
jeden dogmatiſchen Ausdruck zu ver-meiden, die Beiſpiele des
Maximums der Hoͤhe der
Schneegraͤnze,im Laufe eines Jahres, ſich (als Effekt der
Trockenheit der Luft,der Sommerwaͤrme und des Plateau-Strahlens) in
Suͤdamerikaunter 16° bis 18° Suͤdbreite, in Aſien in
demjenigen Theile dertemperirten Zone finden, welche ſich nur 7° bis
8° dem Wendekreisdes Krebſes naͤhern. Ich habe ſchon
oben, als ich von den gluͤ-henden Klimaten des rothen Meeres und des
perſiſchen Golfs ſprach,bemerkt, daß es genau das Ende
des gemaͤßigten Erdguͤrtels, demTropikus benachbart,
ſei, welcher (durch Urſachen, die ſich aus derTheorie
des Solar Klimas erklaͤren laſſen)
waͤhrend eines Theilsdes Jahres, d. h. in der periodiſchen
Jahres-Bewegung der Tem-peratur, das Maximum der
Waͤrme darbietet, das von der Kraftund Dauer des Strahlens
hervorgebracht werden kann.
Ich koͤnnte mich hier noch uͤber die Praͤdominenz
gewiſſerLuftſtroͤmungen ausdehnen, und
uͤber die Ordnung, oder vielmehrDirektion, in welcher ſie
ſich (durch O. und S.) drehen, um weſt-lich zu werden,
uͤber die Unterſuchungen, welche wir uͤber die
Per-manenz des unterirdiſchen Eiſes angeſtellt haben,
endlich uͤber dieVertheilung der Waͤrme im Boden des Nordens
von Aſien, welchedurch die Temperatur der Quellen angezeigt wird;
Phaͤnomene, uͤberdie Hr. Roſe, waͤhrend
unſerer Reiſe, eine große Menge genauerBeobachtungen
geſammelt hat, und die auf eine hoͤchſt
zuſammen-geſetzte Weiſe durch die Orts-Breite und
Laͤnge, durch die Tiefe,die Jahreszeit und den
Cohaͤrenz-Zuſtand der Felsſchichten oder
desaufgeſchwemmteu Landes modifizirt iſt; allein dieſe
Entwickelungenmoͤgen fuͤr ein anderes Werk aufbewahrt
bleiben, und ich ſchließedie vorliegende Abhandlung, in welcher ich
der Akademie nur einigezerſtreute Materialien zur allgemeinen
Klimatologie vorzulegen beab-|161| ſichtigte,
mit einigen Betrachtungen uͤber die Trockenheit der
aſiati-ſchen Atmoſphaͤre.
4.Trockenheit der Luft in Aſien. —
Pſychrometriſche Beobachtungen.
Die große Einfachheit und Schaͤrfe des pſychrometri-ſchen Apparats von Hrn. Auguſt
(denn die Thermometer die-ſes Apparats ſind in Zehntheile
des Grades eingetheilt) haben michveranlaßt (auf meiner Reiſe durch
die Steppen des noͤrdlichen Aſiens,nach dem Altaï, laͤngs der Koſacken-Linie des
Irtyſch, Iſchym undTobol und an die Ufer des
kaspiſchen Sees) das Pſychrometer gleich-zeitig mit dem alten
Deluc’ſchen Hygrometer zu gebrauchen.
Diepſychrometriſchen Beobachtungen vom Anfange des Monats
Junibis zum Ende des Monats Oktober 1829 (bei einem Wechſel
deratmoſphaͤriſchen Temperatur von 8°,7 bis 31°,2
Cent.) ſind ſaͤmmt-lich von meinem Freunde und
Reiſegefaͤhrten, Hrn. Guſtav
Roſeangeſtellt worden. Drei und dreißig dieſer
Beobachtungen, welcheneuerlich in einer hygrometriſchen Abhandlung
des Hrn. Auguſt be-kannt gemacht worden ſind, beweiſen
die ungeheure Trockenheit,welche in den ſibiriſchen Ebenen,
im Weſten des Altaï, zwiſchen
demIrtyſch und Obi, herrſcht, wenn die
ſuͤdweſtlichen Winde lange Zeitaus dem innern
Aſien im Contakt mit Plateaus, die indeſſen nicht200
Toiſen uͤber dem Meere hoch ſind, geweht haben. In der
pla-towskayiſchen Steppe haben wir den Thaupunkt 4°,3 unter demFroſtpunkt gefunden; es war am
5ten Auguſt, Nachmittags um1 Uhr, bei einer Lufttemperatur von 23°,7
im Schatten. Die Dif-ferenz der beiden Thermometer, des trocknen und
feuchten, ſtieg auf11°,7, wenn im gewoͤhnlichen
Zuſtande der Atmoſphaͤre (wo
dasſauſſure’ſche Hygrometer ſich
zwiſchen 74° und 80° erhaͤlt) dieſer
Un-terſchied der Thermometer nur 5° bis 6°,2 betraͤgt (indem
der Thau-|162| punkt 16°,2 oder 27°,5 iſt). In
der platowskayiſchen Steppe haͤtteſich die Temperatur
der Luft vor dem Niederſchlag des Thaus um28° erkaͤlten
muͤſſen. Zwiſchen Barnaul und dem beruͤhmten
Berg-werksort Schlangenberg, in einer Zone zwiſchen 51°\( \frac{1}{4} \) und 53° derBreite, enthielt die
Luft folglich nur \( \frac{16}{100} \) Dunſt,
was mit 28° oder30° des Haar-Hygrometers korrespondirt. Dies iſt
ohne Zweifeldie groͤßte Trockniß, welche bisher in den
Tieflaͤndern der Erdebeobachtet worden iſt. Hr. Erman, der
Vater, der ſich viel mithygrometriſchen Unterſuchungen
beſchaͤftigt hat, indem er das Pſy-chrometer und die
Hygrometer von Daniell und Sauſſure ge-brauchte, hat
dieſes letztere nur ein einziges Mal und zu
ſeinemgroͤßten Erſtaunen (in Berlin, den 20ſten
Mai 1827, um zwei UhrNachmittags,) auf 42° ſtehen ſehen, bei
derſelben Temperatur von23°,7, welche auf der
platowskayiſchen Steppe herrſchte, als wirdurch
dieſelbe reiſ’ten.
Ich habe (und dieſer Effekt der Hoͤhe iſt ziemlich
bemerkens-werth) eine Trockniß von 40° bis 42° des
ſauſſureſchen Hygrome-ters, alſo
ſehr nahe der, welche Hr. Erman fand, unter den Tro-pen beobachtet
(das Thermometer Cent. hielt ſich im Schatten auchauf 22°,5 und
23°,7) auf einem Plateau von 1200 Toiſen Hoͤheim Thale von
Mexiko welches Seen von ſehr betraͤchtlichem Um-fange
enthaͤlt, umgeben von duͤrren und ſalzigen
Landflaͤchen. In2635 Toiſen Hoͤhe (175 Toiſen
hoͤher als der Gipfel des Mont-Blanc) hat Hr.
Gay-Luſſac, bei ſeiner beruͤhmten
aeroſtatiſchenAufſteigung, das
ſauſſure’ſche Hygrometer, das in
ſeinen extremenPunkten gut rektifizirt war, bei einer Temperatur von
4° bis auf25°, 3 herabgehen ſehen, was nur 2mm79, Spannung des Dunſtesgiebt, oder (da das Maximum 6mm, 5 iſt) das Verhaͤltniß bei
deraeroſtatiſchen Aufſteigung beobachteten
Saͤttigung, war, bei der nie-drigen Temperatur der hohen Regionen,
\( \frac{12}{100} \). Ich fuͤge
dieſer Ab-handlung uͤber das Klima von Aſien die
Ueberſicht einiger der vonden Herren Roſe, Ehrenberg und mir,
auf unſerer Reiſe durch Si-birien geſammelten
Reſultate bei, die auf meine Bitte von Hrn.Auguſt berechnet
worden ſind, deſſen hygrometriſche Arbeiten,
gleichnuͤtzlich als ſinnreich, die Aufmerkſamkeit der
Naturforſcher zu feſ-ſeln verdienen.
|163|
Orte.(Der Nordweſten von
Aſien)Lat. 45°\( \frac{3}{4} \)
— 59°Long. 42°\( \frac{1}{4} \)
— 80°\( \frac{1}{4} \) |
1829.TagundStunde. |
Barome-ter inLinien. |
Pſychrometer |
Span-nung derDuͤnſte
inLinien. |
Thau-punktR. |
Verhaͤlt-niß
zurGeſammt-Saͤttigungder Luft |
Haar-Hygro-meter (dieRechnung aufdas
Mittelaus Sauſſu-res und
Gay-Luſſacs Beob.gegruͤndet). |
trocknesThermo-meterR. |
benetztesThermo-meterR. |
Bogoslowsk, in dernoͤrdl. Kette
des Ural |
5 Juli 10 M. |
326,6 |
12°,5 |
8,7 |
3,23 |
4°,3 |
0°,52 |
71° |
Tobolsk..... |
22 ‒ 7 M. |
335,2 |
18, 7 |
16, 0 |
6,89 |
13, 9 |
0, 70 |
82 |
|
3 Ab. |
335,0 |
24, 4 |
17, 5 |
6,42 |
13, 0 |
0, 43 |
64 |
Steppe Platowskaya |
5 Aug, 1 A. |
326,7 |
19, 2 |
9, 8 |
1,66 |
— 3, 4 |
0, 16 |
29 |
Uralsk, Hauptort derKoſaken am
Jaïk . |
28 Spt. 9 M. |
340,8 |
11, 6 |
8, 4 |
3,29 |
4, 6 |
0, 57 |
71 |
|
3 Ab. |
340,6 |
17, 6 |
10, 4 |
2,15 |
1, 1 |
0, 27 |
47 |
Sarepta, in der Kal-muͤken-Steppe
.. |
10 Okt. 1 A. |
341,0 |
16, 2 |
9, 4 |
2,29 |
0, 3 |
0, 28 |
49 |
Inſel Birutſchikaſſa,im Kaspi-See
.. |
15 Okt. 1 A. |
338,8 |
14, 6 |
12, 8 |
5,68 |
11, 4 |
0, 90 |
94 |
Grasnoſchewskaja,an der Wolga,
noͤrdlichvon Aſtrakhan .. |
23 Okt. 10 M. |
339,9 |
7, 8 |
3, 4 |
1,35 |
5, 7 |
0, 45 |
65 |
|164|
5.Temperatur des Bodens in Sibirien. —
Unterirdiſches Eis im Som-mer. — Erhaltung der weichen
Theile der antediluvianiſchen Thiere. —Um dieſes
Phaͤnomen zu erklaͤren braucht die Geologie nicht die
Hypo-theſe eines ploͤtzlichen Kaͤlterwerdens zu
Huͤlfe zu nehmen. — Gegenwaͤr-tiger Wohnplatz des
Koͤnigstigers auf einer zuſammenhangenben
Flaͤchevon 40 Breitengraden, vom Kap Komorin bis zu den
Parallelen vonBerlin und Hamburg.
Wenn die foſſilen Knochen großer Thiere aus der Tropenre-gion,
welche neuerlich in den goldhaltigen Schichten auf dem Ruͤckendes
Urals gefunden worden, den Beweis
liefern, daß dieſe Kettein einer ſehr neuern Zeit empor
gehoben worden, ſo ſind
dasVorhandenſein und die Erhaltung derſelben Knochen, mit
Muskel-Haut und andern weichen Theilen uͤberzogen (in den Ebenen
desnoͤrdlichen Sibiriens, an der Muͤndung der Lena und an den
Uferndes Vilhui unter 72° und 64° der Breite), Thatſachen, welche
nochmehr in Erſtaunen ſetzen. Die Entdeckungen von Adams
(1803)und von Pallas (1772) haben ein neues Intereſſe
gewonnen, ſeit-dem muͤhſame Nachforſchungen,
welche waͤhrend der Expedition desKapitains Beechey im Kotzebue-Sund
(Lat. 66°13′; Long. 163°25′W.) angeſtellt wurden, und
die gruͤndliche Unterſuchung, welcherHr. Buckland die
geognoſtiſche Sammlungen aus der
Eſchſcholtz-Bai unterworfen es faſt gewiß gemacht
haben, daß im Nor-den von Aſien, wie auf dem Nordweſt-Ende
des neuen Kontinents,die foſſilen Knochen mit oder ohne
Muskelhaut, ſich nicht in denEisbloͤcken, ſondern in
dem Diluvium befinden, welches die tertiaͤrenFormationen in den
meiſten Tropen- und temperirten Gegenden bei-der Kontinente deckt.
Eine Urſache ploͤtzlicher Kaͤlte, ſagt der
be-ruͤhmte Naturforſcher, dem wir die bewundernswuͤrdigen Un-|165| terſuchungen uͤber die
erloſchenen Thier-Racen verdanken; hat alleinjene weichen Theile
ſchuͤtzen und Jahrtauſende hindurch
erhaltenkoͤnnen. Waͤhrend meines Aufenthalts in Sibirien mit
Beobach-tungen uͤber die unterirdiſche Waͤrme der
Schichten beſchaͤftigt, habeich in der Kaͤlte, welche
bei 5 oder 6 Fuß Tiefe herrſcht mitten inder Hitze der
gegenwaͤrtigen Sommer, die Erklaͤrung dieſes
Phaͤno-mens zu erkennen geglaubt.
Wenn in den Monaten Juli und Auguſt die Luft um Mit-tag eine
Temperatur von 5° bis 30°,7 hatte, ſo haben wir zwiſchendem
Kloſter Abalak und der Stadt Tara, bei
den Doͤrfern Tſchi-ſtowskoy und Bakſchïnwa, wie zwiſchen Omsk und
Petropawlowski(auf der Koſaken-Linie am Iſchym bei
Schankin und Polu-dennaya Krepoſt, vier wenig tiefe Brunnen
gefunden, ohne Eis-reſte an ihren Raͤndern, bei + 2°,6; 2°,5;
1°,5 und 1°,4 Cent.Dieſe Beobachtungen ſind unter den
Parallelen des Nordens vonEngland und Schottland gemacht worden, und
dieſe Temperaturdes ſibiriſchen Bodens erhaͤlt
ſich den Winter hindurch. Hr. AdolfErman hat zwiſchen Tomsk
und Krasnojarsk, auf dem Wege vonTobolsk nach Irkuzk, noch unter 56° und
56° \( \frac{1}{2} \) der Breite, dieQuellen
bei + 0°,7 und 3°,8 gefunden, wenn die Atmoſphaͤre bisauf
24°,2 unter dem Gefrierpunkt erkaltet war; aber einige
Gradenoͤrdlicher, theils auf wenig erhabenen Bergen (unter der
Breitevon 59° 44′, wo die mittlere Temperatur des Jahres kaum
— 1°,4betraͤgt) theils in den Steppen jenſeits des
Parallels von 62°,bleibt der Boden in einer Tiefe von 12 bis 15 Fuß
gefroren. Ichhoffe daß durch Unterſuchungen, welche man in
verſchiedenen Som-mer-Monaten in Bereſow und Obdorsk, in der
Nachbarſchaft des|166| Polarkreiſes, anzuſtellen mir
verſprochen hat, wir bald erfahrenwerden, welches im Norden die
veraͤnderliche Maͤchtigkeit der Eis-ſchicht, oder um beſſer zu ſagen,
der gefrornen, feuchten Erde ſeinwerde, die von kleinen Eisfaden
durchzogen iſt, und Kriſtallgruppenveſten
Waſſers, wie ein Porphyr-Geſtein, enthaͤlt. In
Bogos-lowsk, wo der geſchickte Berg-Intendant, Hr. Beger, auf
meineBitte einen Brunnen in einem Torfboden, welcher von
Bauͤmenwenig beſchattet war, graben ließ, haben wir mitten im
Sommer,bei 6 Fuß Tiefe, eine Schicht gefrorner Erde gefunden, welche
uͤber9\( \frac{1}{2} \) Fuß
maͤchtig war. In Jakuzk, 4°\( \frac{1}{2} \)
ſuͤdlich vom Polarkreis, iſtdas unterirdiſche
Eis eine allgemeine und unaufhoͤrliche Erſcheinung,trotz der
hohen Temperatur der Luft in den Monaten Juli undAuguſt. Begreiflich
iſt es, daß vom 62° an gegen den 72° derBreite, von Jakuzk zur
Muͤndung der Lena, die Maͤchtigkeit dieſerSchicht
gefrorner Erde ſchnell zunehmen muͤſſe.
Tiger, welche den oſtindiſchen durchaus aͤhnlich
ſind, zeigenſich
noch heut zu Tage, von Zeit zu Zeit in Sibirien bis auf dieParallelen von
Berlin und Hamburg. Sie leben ohne Zweifel imNorden des Himmels-Gebirges
(Mus-tagh) und machen Streif-zuͤge bis zum weſtlichen
Gehaͤnge des Altaï, zwiſchen
Bukhtarminsk,Barnaul und dem beruͤhmten goldhaltigen Silberbergwerk
vonSchlangenberg, wo man mehrere von ungeheurer Groͤße erlegt
hat.Dieſes Faktum, welches die ganze Aufmerkſamkeit der
Zoologen ver-dient, knuͤpft ſich an andere fuͤr die
Geologie ſehr wichtige Thatſachen.Thiere, welche wir
gegenwaͤrtig als Bewohner der heißen Zone be-trachten, haben
einſt (ſo viele geologiſche Fakta deuten es an)
gleichden Bambuſacaͤen, die Farnkrauͤter unter den
Bauͤmen, den Pal-men und den lithophytiſchen Korallen im
Norden der alten Weltgelebt. Wahrſcheinlich unter dem Einfluß der
innern Waͤrme derErde, die vermittelſt der Spalten der
oxidirten Kraͤfte mit der at-moſphaͤriſchen
Luft in den noͤrdlichſten Regionen in Verbindungſtand.
Es hat mir immer geſchienen, daß die Geologen, bei
derDiskuſſion der alten Veraͤnderungen der Klimate,
das Phaͤnomender zu Bauͤmen gehoͤrenden
Monocotyledonen (von Rinde und denappendikulaͤren Organen
entbloͤßt, welche die Winterkaͤlte von
unſerndicotyledonen Bauͤmen, ohne Gefahr fuͤr
dieſe, herabwirft) nichtvon dem Phaͤnomen der großen
foſſilen Pachydermen trennen|167|
mußten. Ich faſſe es, wie nach Maaßgabe, daß die
Atmoſphaͤrekaͤlter wurde (weil die Thaͤtigkeit
des Innern der Erde auf ihreauͤßere Kruſte minder
maͤchtig geweſen iſt, weil die Spalten ſich
mitveſten Materien oder eingeſchalteten Geſteinen
ausgefuͤllt haben, weilbei der neuen Ordnung der Dinge die
Vertheilung des Klimas faſteinzig abhangig geworden iſt von
der Ungleichfoͤrmigkeit des ſolarenStrahlens), die Tribus der
Pflanzen und Thiere, deren Organiſa-tion eine
Gleichfoͤrmigkeit hoͤherer Temperatur erforderte, nach
undnach erloſchen ſind.
Unter den Thieren haben ſich einige der kraͤftigſten
Racenohne Zweifel nach dem Norden zuruͤckgezogen und einige Zeit
nochin Regionen gelebt, die den Tropen benachbart ſind. Spezies
undVarietaͤten (ich erinnere an die Loͤwen des alten
Griechenlands, denKoͤnigstiger der Dzungarei, den
ſchoͤnen langhaarigen Panther Ir-bis Sibiriens) ſind
weniger weit gegangen; ſie haben ſich durchihre
Organiſation und die Wirkungen der Gewohnheit in der Mitteder
gemaͤßigten Zone, und ſelbſt (das iſt die Meinung
von Hrn.Cuvier in Beziehung auf die dickhaarigen Pachydermen) in
vielnoͤrdlicheren Regionen akklimatiſiren koͤnnen.
Wenn nun aber beieiner der letzten Umwaͤlzungen, welche die
Oberflaͤche unſeres Pla-neten erlitten hat, z. B. bei der
Erhebung einer ſehr neuern Ge-birgskette, waͤhrend des
ſibiriſchen Sommers, Elephanten mit ſtump-ferm
Unterkiefer, mit viel enger und weniger krumm
gebaͤndertenZaͤhnen, wenn doppelt gehoͤrnte
Rhinoceros, ſehr verſchieden vondenen in Sumatra und Afrika,
nach den Ufern des Wilhui undan die Muͤndungen der Lena getrieben
ſind, ſo haben ihre Kadaverdaſelbſt in allen
Jahreszeiten, in der Tiefe von einigen Fußen, dickeSchichten gefrorner Erde
gefunden, welche geeignet ſind, ſie vor derVerweſung
zu bewahren. Leichte Erſchuͤtterungen, Spalten desBodens,
Veraͤnderungen im Zuſtande der Oberflaͤche, weit
wenigerwichtig als die, welche noch in unſern Tagen auf dem Plateau
vonQuito oder im oſtindiſchen Archipelagus Statt gefunden
haben, koͤn-nen jene Erhaltung der Muskel- oder faſrigen
Theile von Elephan-|168| ten und Rhinoceros bewirkt
haben. Die Annahme einer ploͤtzlichenErkaltung des
Erdkoͤrpers ſcheint mir folglich keines Weges noth-wendig zu
ſein. Man muß es nicht vergeſſen, daß der
Koͤnigstiger,den wir ein Thier der heißen Zone zu nennen gewohnt
ſind, nochheute, in Aſien von dem Ende
Hinduſtan’s bis zum Tarbagatai,am Ober-Irtyſch und in
der Kirghiſen-Steppe, auf einer Ausdeh-nung von 40 Grad der Breite
lebt, und daß er von Zeit zu ZeitStreifzuͤge um hundert Meilen
weiter gegen Norden unternimmt.Individuen, welche im Norden von
Aſien bis zum Parallel von62° oder 65° gelangten, koͤnnten
durch den Effekt von Einſtuͤrzun-gen oder unter andern wenig
außerordentlichen Umſtaͤnden, in demgegenwaͤrtigen
Zuſtande der aſiatiſchen Klimate, Phaͤnomene
vonErhaltung darbieten, die denen des Mammuth von Hrn. Adamsund der
Rhinoceros des Wilhui ſehr aͤhnlich waͤren. Ich habe
ge-glaubt den Naturforſchern und Geologen dieſe Betrachtungen
uͤberdie gewoͤhnliche Temperatur des Bodens im Norden von
Aſien,und uͤber die geographiſche Verbreitung einer
und derſelben Speciesgroßer Fleiſchfreſſer (der
Koͤnigstiger) von der Aequatorial-Zonebis zur Breite des
noͤrdlichen Deutſchlands, vorzulegen. Man wirdnicht, ich
glaube mir deſſen ſchmeicheln zu duͤrfen, das
vermengen,was in das Gebiet wahrſcheinlicher Hypotheſen, und
das was zu dennumeriſchen Elementen der Klimatologie gehoͤrt,
die der Beſtimmtheitund eines hohen Grades von Gewißheit
faͤhig ſind.
Paris, im Juni 1831.
[Fragmens de Géologie et de
Climato-logie asiatiques, T. II. p. 309 —
395.]