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Alexander von Humboldt: „Betrachtungen über die Temperatur und den hygrometrischen Zustand der Luft in einigen Theilen von Asien“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1831-Betrachtungen_ueber_die-09-neu> [abgerufen am 30.04.2024].

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Titel Betrachtungen über die Temperatur und den hygrometrischen Zustand der Luft in einigen Theilen von Asien
Jahr 1831
Ort Berlin
Nachweis
in: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde 5:2 (30. November 1831), S. [137]–168.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Kursivierung, Sperrung; Fußnoten mit Asterisken und Kreuzen; Tabellensatz.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: V.11
Dateiname: 1831-Betrachtungen_ueber_die-09-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 32
Spaltenanzahl: 2
Zeichenanzahl: 78976

Weitere Fassungen
Betrachtungen über die Temperatur und den hygrometrischen Zustand der Luft in einigen Theilen von Asien (Leipzig, 1831, Deutsch)
[Betrachtungen über die Temperatur und den hygrometrischen Zustand der Luft in einigen Theilen von Asien] (Paris, 1831, Französisch)
Du climat de l’Asie (Paris, 1831, Französisch)
Ueber die im gefrorenen Boden der Polarländer erhaltenen Thiere der Vorwelt (Stuttgart; Tübingen, 1831, Deutsch)
Climat de l’Asie et animaux antédiluviens (Paris, 1831, Französisch)
Untersuchungen über das Clima Asiens, und die Beziehungen zwischen der Temperatur des Bodens und dem Phänomen der Erhaltung der weichen Theile von antediluvianischen Thieren (Erfurt; Weimar; Leipzig, 1831, Deutsch)
M. de Humboldt (Paris, 1831, Französisch)
Über die im gefrorenen Boden der Polarländer erhaltenen Thiere der Vorwelt (Wien, 1831, Deutsch)
Betrachtungen über die Temperatur und den hygrometrischen Zustand der Luft in einigen Theilen von Asien (Berlin, 1831, Deutsch)
Over het klimaat van Azië, en de verhoudingen, waarin de temperatuur der gronden staat tot het bewaard blijven van de ligchamen van uitgestorvene diersoorten (Amsterdam, 1832, Niederländisch)
Изслѣдованiя о климатахъ Азiи, сдѣланныя Гумбольдтомъ, во время путешествiя его по Сибири въ 1829 году [Izslědovanija o klimatach Azii, sdělannyja Gumbolʹdtom, vo vremja putešestvija ego po Sibiri v 1829 godu] (Moskau, 1832, Russisch)
О температурѣ и влажности воздуха некоторыхъ мѣстъ Азiи [O temperaturě i vlažnosti vozducha nekotorych měst Azii] (Sankt Petersburg, 1832, Russisch)
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Betrachtungen uͤber die Temperatur und den hygro-metriſchen Zuſtand der Luft in einigen Theilen vonAſien. Von dem Herrn Alexander von Humboldt.(Aus der franzoͤſiſchen Urſchrift uͤberſetzt.)


1.Hypſometriſche Umriſſe der belgiſchen, ſarmatiſchen und ſibiriſchen Ebenen,die ſich oſt- und weſtwaͤrts der Ural-Kette, von der Muͤndung derSchelde bis zu der der Lena erſtrecke. — Kulminationspunkte des Wal-dai und des Plateau von Osmana. — Plateaus verſchiedener Ord-nung. — Zweifel uͤber die Exiſtenz eines Central-Plateausder Tatarei. Da in dem gegenwaͤrtigen Zuſtande unſerer Kenntniſſe, dieGeſtalt der Laͤnder, die Konfiguration des Bodens nach ſeiner ho-rizontalen Ausbreitung oder nach der Ungleichfoͤrmigkeit der Kruͤm-mung ſeiner Oberflaͤche betrachtet, die relative Stellung der undurch-ſichtigen (kontinentalen) Maſſen und der durchſichtigen und fluͤſſigen(pelagiſchen) Maſſen, die Richtung der großen Gebirgsſyſteme unddas relative Uebergewicht gewiſſer, durch die waͤrmeerregenden (ab-ſorbirenden oder ausſtoßenden) Kraͤfte der Erdhuͤlle beſtimmter Windeals die Haupturſachen des Unterſchiedes der Klimate anerkannt ſind:ſo koͤnnen nur allein großartige Anſichten als Leitſtern dienen beiden Unterſuchungen uͤber die Temperatur von Aſien. Indem mandie ſchnelle Zunahme der Winterſtrenge erblickte, nach Maaßgabedaß man auf demſelben Parallel aus dem weſtlichen Europa nachdem Oſten vorſchreitet, hat man dieſe Erſcheinung lange Zeit durchein allmaͤhliges Hoͤherwerden des Bodens zu gerauͤmigen Hochebenen|138| erklaͤrt; *) man hat einer einzigen kaͤlteerregenden Urſache und einerUrſache, die irriger Weiſe als von ungeheurer Ausdehnung ſeiendangenommen worden iſt, das zugeſchrieben, was mehrern Urſachenzu gleicher Zeit angehoͤrt, naͤmlich insbeſondere dem gleichfoͤrmigenBreiterwerden des alten Kontinents, der Entfernung von den weſt-lichen Kuͤſten, d. h. von einem in Weſten liegenden Meerbecken, demBehaͤlter einer wenig veraͤnderlichen Waͤrme; den weſtlichen Winden,welche fuͤr den Oſten Europa’s und ganz Aſien Landwinde ſind, dieim Norden des Wendekreiſes dominiren. Genaue Barometer-Meſſungen haben die Anſichten, welche man ſich von der Erhoͤhungdes Bodens in dieſem Theile der Welt gebildet hatte, durchaus ver-aͤndert. Die Schwelle, oder der Kulminationspunkt, zwiſchen demſchwarzen Meer und dem finniſchen Meerbuſen erreicht im Waldaikaum 170 Toiſen Hoͤhe uͤber dem Niveau des Oceans. Die Quel-len des Wolga-Stroms, etwas weſtlich vom Seliger See **), habennoch nicht 140 Toiſ. abſolute Hoͤhe, nach einem Stationen-Nivellementvon Hrn. Helmerſen. ***) Man gab ehemals, †) — und der AbbéChappe ruͤhmte ſich einer Gewißheit bis auf 2 Toiſen, — der StadtMoskau, im Niveau des Fluſſes Moskwa, eine Hoͤhe von 269Toiſen; allein dieſer Punkt, welcher zwiſchen der Obern Wolgaund dem Oka-Becken liegt, folglich auf der ſuͤdlichen Abdachungdes Kontinents, die von der Schwelle oder der Waſſerſcheidedes Waldai gegen das ſchwarze und das kaspiſche Meer immerniedriger wird, hat nur 76 Toiſen Hoͤhe. Kaſan, ungefaͤhr imMittellauf der Wolga, hat ſogar nur 45 Toiſen Hoͤhe uͤber demNiveau des Oceans (nicht uͤber dem des kaspiſchen Sees), wennman die mittlere oceaniſche auf die Temperatur des Gefrierpunktsreduzirte Barometerhoͤhe, mit Herrn Arago zu 760mm,85 an-nimmt. ††)
*) Man ſehe die Anſichten von Gmelin, Strahlenberg und Mairan,in den Mem. de l’Acad., 1765. p. 255.**) Nicht aus dieſem See, dem der Selijarowka Reka entfließt, ſon-dern aus dem kleinen See Pterche entſteht die majeſtaͤtiſche Wolga.***) Handſchriftliche Notizen dieſes jungen Gelehrten, der, ge-meinſchaftlich mit ſeinem Freunde Hrn. Hofmann (dem Geognoſtender letzten Weltreiſe des Kapt. Kotzebue) mich im ſuͤdlichen Ural undvon Slatauſt nach Orenburg und der Steinſalzgrube (IlezkayaSaſchtſchia) in der Kirgiſenſteppe begleitet hat.†) Chappe, Voyage in Sibérie, T. II. p. 485. und 502. Journ.de Phys. T. XXXIX, p. 40.††) Man ſehe meine Rel. hist. T. p. III, 314 und 356.
|139| Die geringe Hoͤhe zu der dieſe kontinentalen Maſſen im Oſten Eu-ropas gehoben worden ſind, iſt ſehr der Aufmerkſamkeit werth, wennman dieſes Phaͤnomen unter dem Geſichtspunkt des mittlern Re-liefs der Kontinente betrachtet, und das partielle und neuere Phaͤ-nomen der Gebirgsketten und der oͤrtlichen Aufſchwellungen außerAcht laͤßt, welche der Boden der Ebenen in der Nachbarſchaft derKetten zuweilen darbietet. Moskau und Kaſan, wo die HerrenPerewoſtſchikow, Simonoff und Lobatſchefsky eine ſo große Anzahlvortrefflicher Barometer-Beobachtungen mit Inſtrumenten angeſtellthaben, die unter ſich und mit den fortinſchen Barometern auf derSternwarte zu Paris verglichen ſind, liegen mitten in gerauͤmigen,von tertiaͤren und zum Theil ſekondaͤren Formationen bedecktenLandflaͤchen, in der großen Entfernung von 230 oder 250 Meilen *)(25 auf einen Aequators Grad) vom kaspiſchen See, vom aſoff-ſchen Meer und dem finniſchen Golf. Eine gleich ſchwache Rund-erhabenheit findet ſich auch in dem neuern Theil von Polen, wo,nach Hrn. Eichwald **) die Meierei von Belin, bei Pinsk, nur 68Toiſen, und das Plateau von Osmana 147 Toiſen hoch liegen, wasmit den Hoͤhen von Moskau und dem Gipfel des Waldai kor-respondirt. Die baltiſchen und ſarmatiſchen Ebenen des Oſtens von Eu-ropa ſind von den ſibiriſchen Flaͤchen des Nordweſtens von Aſiengetrennt durch die Kette des Ural, der, vom 54ſten bis 67ſten Gradder Breite, vom Iremel und Groß-Taganaï bis zum KonjekowskiiKamen und dem Parallel von Obdorsk, Gipfel von ſechs bis acht-hundert Toiſen Hoͤhe enthaͤlt, und der in ſeiner Kammlinie ver-gleichbar iſt mit den wenig erhabenen Ketten der Vogeſen, des Jura,der Gates und der gold- und platinahaltigen Cordillere von Villa-rica in Braſilien. Der Ural feſſelt unſere Aufmerkſamkeit wegenſeiner Ausdehnung und der Beharrlichkeit ſeiner Richtung vom Uſt-Urt im Truchmenen Iſthmus, zwiſchen dem Kaspi und dem Aral,bis jenſeits des Polarkreiſes, wo, jenſeits des Obi, Hr. Adolph Er-man einige ſeiner Spitzen von mehr als 660 Toiſen Hoͤhe uͤberdem Niveau des Meeres gemeſſen hat. Im mittlern Theile, unter56 49′, etwas weſtlich von der Stadt Jekaterinburg, hat dieſerGuͤrtel (Poyas) oder dieſe Felsmauer, in welcher die Formationen
*) Mehr als die ganze Breite von Frankreich und Deutſchland.**) Naturhiſtoriſche Skizze von Lithauen, Volhynienund Podolien, 1830, S. 106. 255. In Volhynien liegt dieWaſſerſcheide auf dem Plateau von Awratyne, wo der Bug ent-ſpringt (a. a. O. S. 72.)
|140| von Diorit (Gruͤnſtein), Serpentin und Talkſchiefer, eng verbun-den, vorherrſchen, Paͤſſe, deren abſolute Hoͤhe kaum die Hoͤhe derStaͤdte Genf und Regensburg uͤberſteigt.
Von den Haideflaͤchen des noͤrdlichen Brabants kann manvon Weſten nach Oſten bis zu den aſiatiſchen Steppen, welche dasweſtliche Gehaͤnge der Altaï-Berge umgeben, und bis zur chineſi-ſchen Dzungarei, auf einer Linie von 80 Laͤngegraden reiſen, ohneeine Hoͤhe von zwoͤlf- oder dreizehnhundert Fuß zu uͤberſteigen.Ich karakteriſire hiermit die Konfiguration des europaͤiſchen undaſiatiſchen Bodens zu einer Zentralzone (des Innern des altenKontinents), einer Zone, deren Endpunkte, Breda und Semipola-tinsk, oder der chineſiſche Poſten Kh onima ilakhou, zwiſchen 51 35′und 48° 57′ der Breite gelegen ſind, eine Diſtanz, welche ich aufverſchiedenen Reiſen mit Barometern verſehen, zu durchlaufen Ge-legenheit gehabt habe und die faſt das dreifache des Laufs des Ama-zonen-Stroms quer durch die Ebenen von Suͤdamerika betraͤgt.Wollte man annehmen, es ginge von den Blachfeldern Brabantsnach den Steppen Aſiens ein Weg durch hohe Breiten, jenſeitsdes 60ſten und 65ſten Grades, ſo wuͤrde man eine ununterbrocheneEbene finden, deren Laͤnge faſt dem halben Umfange der Erdegleich iſt. Es iſt alſo nicht die Erhoͤhung des Bodens, welche die Beu-gung der iſothermiſchen Linien zum konkaven Gipfel verurſacht, dieAbnahme der mittlern Jahrestemperatur, wenn innere Gegendenvon Europa einem naͤmlichen Parallel gegen Oſten gefolgt ſind.Von der geringen Hoͤhe des Landes um Tobolsk, das mehr als 240Meilen vom Eismeere entfernt iſt, uͤberraſcht, war der Abbé Chappeder erſte, welcher ſich ſeit dem Jahre 1768 mit aller Kraft der all-gemeinen Anſicht von jener Erhoͤhung widerſetzte. *) Trotz der ge-ringen numeriſchen Beſtimmtheit, **) welche ſeine in Landſchafts-form gezeichneten Profile darbieten, hat dieſer Gelehrte, deſſenBeobachtungen ich in Mexiko wie in Sibirien zu wiederholen Ge-
*) Voyage en Sibérie. T. I, p. X. und 100. T. II. p. 467. 599.**) Chappe hat die Reſultate barometriſcher, wenig Tage umſpannen-der Beobachtungen durch leere Hypotheſen uͤber den Lauf der Fluͤſſemodifizirt, die, ihm zufolge entweder vier Fuß ſieben Zoll oder einenFuß ſieben Zoll Gefaͤlle auf einer Laͤnge von 2000 Toiſen haben;wahrſcheinliche Mittel von Graͤnz-Zahlen (nombres limites)ſind als Reſultate von Meſſungen gegeben. So hat der See Dzai-ſang, nach Chappe, eine abſolute Hoͤhe von 413 Toiſen, weil ſeineHoͤhe entweder 626 oder 201 Toiſen betragen muß. (A. a. O. T. I,p. 103 und 105; T. II, p. 534 und 594.)
|141| legenheit gehabt habe, das unbeſtreitbare Verdienſt, im allgemeinenerkannt zu haben, daß bis zu dem 66ſten Grad der Laͤnge und zwi-ſchen 57° und 58° der Breite, die Winterkaͤlte des Nordens vonAſien ihre erſte Urſache nicht in der Hoͤhe des Bodens habe.
Seit ſehr wenigen Jahren ſind Barometer-Beobachtungen,mit Sorgfalt angeſtellt, an den Graͤnzen der chineſiſchen Dzungareiund am Ober-Irtyſch, in den Ebenen, welche mit denen des Dzai-ſang Sees in Verbindung ſtehen, unter dem Parallel von 49° undin einer Laͤnge von 16° \( \frac{1}{2} \) oͤſtlich von Tobolsk, gemacht worden.Das Mittel der Beobachtungen, welche die Herren Ledebour,Bunge, Hanſteen, Guſtav Roſe und ich in verſchiedenen Jahreszei-ten angeſtellt haben, geben dieſem Lande, und einem großen Theileder Kirghiſenſteppe, kaum eine Hoͤhe von 200 bis 250 Toiſen uͤberdem Waſſerſpiegel des Oceans. Die Lage der verſchiedenen Gebirgs-Syſteme, (ſei es in fort-laufenden Ketten, oder in iſolirten oder ſporadiſchen Gruppen), unddas Verhaͤltniß dieſer Syſteme zu den mehr oder minder erhabenenEbenen, uͤben einen großen Einfluß auf die Vertheilung der Tempe-raturen und ihre, durch die atmoſphaͤriſchen Stroͤmungen bewirkteVermengung aus. Es wuͤrde fuͤr die Klimatologie vom groͤßtenIntereſſe ſein, den Flaͤcheninhalt des Berglandes und des Flachlan-des von Aſien, wenigſtens auf annaͤhernde Weiſe, zu kennen, alleindieſe Schaͤtzungen ſind bisher wenig diskutirt worden und ſehrmangelhaft. Ich habe fuͤr Suͤdamerika, uͤber das ich hinreichendgenaue Data beſitze, das Verhaͤltniß der Berg-Region zu der derEbenen wie 1:4 gefunden; und in dieſem Theile der neuen Weltnimmt der hauptſaͤchlichſte Gebirgszug, die Cordillere der Andes,welcher wie auf einer Spalte von geringer Breite gehoben iſt, trotzſeines Umfangs von 1280 Seemeilen, kaum ein ſo großes Arealwie das der wenig hohen Gruppen oder Maſſen (massifs) vonParime und Braſilien ein. *) In Suͤdamerika wie in Europaund Aſien iſt die Linie der hoͤchſten Kammhoͤhe (die der Andes, desHimalaya und der Alpen), weit davon entfernt central zu ſein,Seiten genaͤherter welche denjenigen entgegengeſetzt ſind, gegen dieſich die ausgebreiteſten Flaͤchen verlaͤngern. **) Die niedrigen Regionen im Norden des alten Kontinents,von der Schelde bis zum Jeniſſei, Regionen deren mittlere Hoͤhe40 bis 50 Toiſen nicht uͤberſteigt, ſtehen im Suͤden des 51°\( \frac{3}{4} \) derBreite im Parallel von Orenburg und Saratow, mit der großen
*) Man ſehe meine Rel. hist., T. III. S. 243.**) A. a. O. S. 232. 234.
|142| Hoͤhlung oder Senkung des Weſtens von Aſien, um den Aralund Kaspi, in Verbindung; ein Depreſſions-Phaͤnomen welchesſich auf mehreren Punkten im Innern der Kontinente wiederholenwuͤrde, wenn man aus dem Grunde der Becken kriſtalliniſcher oderſekondaͤrer Geſteine die tertiaͤren Bedeckungen und Alluvions-Nie-derlagen hervorheben koͤnnte. Im Weſten des Urals neigen ſichdie Ebenen des ſuͤdlichen Rußlands, im alten Kaptſchak, nach demKaspi-Schlund und bilden laͤngs des Jaik, zwiſchen Uralsk undGurief, wie laͤngs der Wolga, zwiſchen Sarepta und Aſtrakhan ſei-nen noͤrdlichen Hang. Der Zug des Obſchtſcheï Syrt, derauf unſern Karten ſo verworren dargeſtellt iſt, unterbricht dieſeVerbindung zwiſchen dem Becken des Kaspi und den Ebenen vonSimbirsk auf einer kurzen Strecke. Er loͤſt ſich (als Kette) vombaſchkiriſchen Ural im Suͤden des Berges Iremel, da, wo in derNaͤhe von Belorezk die Belaja (Zufluß der Kama) die Kette durch-bricht. Im Oſten des Urals, oder vielmehr ſeiner oͤſtlichſten Kette,die Berge von Ilmen, Djambu Karagaï und Kara Edir Tau ge-nannt, neigen ſich die großen ſibiriſchen Steppen des Tobol undIſchim ebenfalls in einer ſuͤdlichen Richtung (wie die gerauͤmigeKirghiſen Steppe, laͤngs der Fluͤſſe Turgay und Saraſu, in einerweſtlichen Direction, gegen das Krater-Land, vom Aral und Si-hun. Dieſe Senkung des Bodens, die Wirkung des Einbruchsoder Einſinkens eines Gewoͤlbes *) (welches wahrſcheinlich vor der
*) Hr. von H. erinnert hier an einige Stellen ſeiner Denkſchrift uͤberdie Gebirgsſyſteme und Vulkane in Inner-Aſien, wo es (nach derfranzoͤſiſchen Ausgabe) heißt: „dieſe Senkung eines betraͤchtlichen„Theils von Aſien, dieſes Niedrigerwerden einer kontinentalen Maſſe„um mehr als dreihundert Fuß unter der Oberflaͤche der oceaniſchen„Gewaͤſſer in ihrem mittlern Gleichgewichts-Zuſtande, hat bisher„nicht nach ſeiner ganzen Wichtigkeit betrachtet werden koͤnnen, weil„man den Umfang dieſes Depreſſions-Phaͤnomens, von dem einige„Theile der Kuͤſtengegenden von Europa und Aegypten nur ſchwache„Spuren darbieten, nicht kannte. Die Bildung dieſer Vertiefung,„dieſer großen Aushoͤhlung der Oberflaͤche im Nordweſten von Aſien,„ſcheint mir in inniger Verbindung zu ſtehen mit der Erhebung des„Kaukaſus, des Hindu-Koh und des Plateaus von Perſien, welche„das kaspiſche Meer und Maweralanhar im Suͤden begraͤnzen; viel-„leicht auch weiter gegen Oſten mit der Erhebung der großen Maſſe,„welche man mit dem ſehr unbeſtimmten und ſehr unrichtigen Namen„des Plateaus von Inner-Aſien bezeichnet. Dieſe Aushoͤhlung der„alten Welt iſt ein Krater-Land, wie es auf der Oberflaͤche des„Mondes, Hipparch, Archimedes und Ptolemaͤus ſind, welche mehr„als dreißig Meilen Durchmeſſer haben, und die man eher mit Boͤh-„men als mit den Kegeln und Kratern der Vulkane vergleichen„kann.“ — Und an einer andern Stelle, wo der Hr Verf. die Ver-bindung des Himalaya und Kuͤen luͤn mit dem Kaukas nachgewieſenhat, ſagt er: „Es (das Verbindungsglied) begraͤnzt gegen Suͤden
|143| Erhebung der verſchiedenen Gebirgsſyſteme Statt fand, und mitdem Aufſchwellen der großen Hochebenen koinzidirt), verlaͤngert,
„die große Vertiefung, in welcher das kaspiſche Meer und der Aral„See (dieſer 117 engliſche Fuß hoͤher als jenes) das niedrigſte Becken„einnehmen und in der eine betraͤchtliche Landflaͤche, welche wahr-„ſcheinlich 18000 Quadratlieues einnimmt, und ſich zwiſchen der„Kuma, dem Don, der Wolga, dem Jaïk, dem Obſchtſchei Syrt,„dem See Ak-ſakal, dem untern Sihun und dem Khanat Khiwa„an den Ufern des Amu-Deria erſtreckt, unter dem Niveau des„Oceans gelegen iſt. Die Exiſtenz dieſer merkwuͤrdigen Erniedri-„gung iſt der Gegenſtand ſorgſamer Barometer-Beobachtungen zwi-„ſchen dem kaspiſchen und dem ſchwarzen Meer von den Herren von„Parrot und Engelhardt; zwiſchen Orenburg und Gurieff an der„Muͤndung des Jaïk von den Herren von Helmerſen und Hoffmann„geweſen. Dieſes ſo niedrige Land iſt mit tertiaͤren Formationen„angefuͤllt und bietet den Geognoſten durch die Zuſammenſetzung des„Bodens eine bis jetzt einzige Erſcheinung auf unſerm Planeten dar.„Suͤdlich von Baku und im Balkan-Buſen iſt dieſer Anblick durch„die vulkaniſchen Kraͤfte außerordentlich modifizirt .... Dieſe große„Senkung des weſtaſiatiſchen Bodens ſetzte wahrſcheinlich ehedam bis„zur Muͤndung des Obi und dem Eismeer vermittelſt eines Thales„fort, welches die Wuͤſte von Karakum und die zahlreichen Oaſen-„gruppen in der Kirghiſen- und Barabinskiſchen Steppe durchſchnitt.„Ihr Entſtehen ſcheint viel aͤlter zu ſein als das des Urals, deſſen„ſuͤdliche Verlaͤngerung man in einer ununterbrochenen Richtung vom„Plateau von Guberlinsk bis Uſt-Urt, zwiſchen dem Aral See und„dem kaspiſchen Meer, verfolgen kann. Eine Kette, deren Hoͤhe ſo„gering iſt, ſollte ſie nicht ganz verſchwunden ſein, wenn ſich nicht„die große Spalte des Urals ſpaͤter als jene Senkung gebildet hatte.„Folglich faͤllt die Zeit der Senkung von Weſtaſien viel eher mit„der der Erhebung des Plateaus von Iran, des Plateaus von Cen-„tralaſien, des Himalaya, Kuͤen luͤn, Thian ſchan und aller alten„Gebirgsſyſteme zuſammen, die von Oſt nach Weſt gerichtet ſind;„vielleicht auch mit der Epoche der Erhebung des Kaukas und des„Gebirgsknotens von Armenien und Erſerum. Kein Theil der Erde,„ſelbſt ohne Suͤdafrika auszunehmen, zeigt eine ſo ausgedehnte, zu„ſo großer Hoͤhe gehobene Landmaſſe als im innern Aſien. Die„Hauptaxe dieſer Erhebung, welche der Eruption der, aus den von„Oſt nach Weſt gerichteten Kluͤfte hervorgedrungenen Ketten voran-„ging, lauͤft von Suͤdweſt nach Nordoſt, vom Gebirgsknoten zwi-„ſchen Kaſchmir, Badakh ſchan, und dem Thſung ling, im Tuͤbet,„wo der Kaylaſſa und die heiligen Seen liegen, bis zu den Schnee-„gipfeln des In ſchan und Kingkhan. Die Erhebung einer ſo un-„geheuern Maſſe reichte hin um eine Senkung hervorzubringen, von„der heut zu Tage vielleicht nicht die Haͤlfte mit Waſſer ausgefuͤllt„iſt, und die ſeit ihrer Exiſtenz durch die Thaͤtigkeit unterirdiſcher„Kraͤfte dergeſtalt veraͤndert worden iſt, daß nach den, von Hrn.„Profeſſor Eichwald geſammelten Traditionen der Tataren, das Pro-„montorium von Abſcheron ehedem durch einen Iſthmus mit der ent-„gegengeſetzten Kuͤſte des kaspiſchen Meeres in Turkomanien in Ver-„bindung ſtand. Die großen Seen, welche ſich in Europa, am Fuß„der Alpen, gebildet haben, ſind ein der Kaspi-Senkung analoges„Phaͤnomen und verdanken ihren Urſprung ebenfalls einer Erniedri-„gung des Bodens.“
|144| zwiſchen dem 45ſten und 65ſten Grad der Laͤnge, die belgiſchen, ſar-matiſchen und ſibiriſchen Ebenen bis zum Fuß des Hindu-Koh *)und der Gebirgsgruppe am obern Oxus, waͤhrend ſie ſich weitergegen Oſten, im Suͤden des Parallels von 55°, durch den Altaïund den Tungnu ſchon begraͤnzt finden. Die Vertiefung des Kaspi,Aral und Maweralnahars iſt nicht betraͤchtlich genug (denn ihrGrund iſt nur zwei bis dreihundert Fuß unter dem normalenStand des Oceans und fuͤnf bis ſechshundert Fuß unter den Ebe-nen von Kaſan und Tobolsk) um, vermittelſt der Depreſſion allein,auf eine merkliche Weiſe auf die Abnahme der mittlern Temperaturzu wirken; aber ihre eigenthuͤmliche Eingeſchloſſenheit giebt ihr, ſuͤd-lich vom Aral und der Wuͤſte von Kiſil-Kum, ein Klima, welchesdem der benachbarten Gegenden nicht aͤhnlich iſt. ManchfaltigeGeſtalten und zwiſchen den Ufern des Jaxartes und Oxus in meh-rere kleine Baſſins getheilt, zeigt der trocken gebliebene Boden dieſerkontinentalen Einſenkung, ſeit den Zeiten der aͤlteſten Voͤlkerwande-rungen, einen ſehr merkwuͤrdigen Karakter politiſcher Individualitaͤt.Dort, und am Suͤdoſt-Rande der Senkung, haben ſich Jahrhun-derte hindurch (wie einſt in Deutſchland, am Ende des Mittelal-ters) eine große Menge kleiner Geſellſchaften unabhaͤngig, ich koͤnnteſagen ſtereotyp erhalten, die wir heute unter dem Namen derStaaten von Khiwa, Bokhara, Samarkand, Schehrſabez, Kokanund Taſchkend kennen.
Im Oſten des Meridians vom Bolor, zwiſchen dem Altaï undder Kette des Himalaya exiſtirt kein Central-Plateau der Ta-tarei, ſo groß wie Neu Holland. Der Zuſammenhang und dieuralte Ziviliſation dieſes Plateaus, welche von den Geographen undGeſchichtſchreibern des vorigen Jahrhunderts verkuͤndigt wurden,muͤſſen ebenfalls in Zweifel gezogen werden. Man kann in derSprache der wiſſenſchaftlichen Geologie, nach einem gewiſſen Hoͤhen-maaßſtab, verſchiedene Plateau-Ordnungen **) abfaſſen; dasPlateau von Schwaben hat 150 Toiſen; das von Baiern oder derSchweiz zwiſchen den Alpen und dem Jura 260 bis 270 Toiſen;das Plateau von Spanien hat 350 Toiſen; das von Myſore 380bis 420 Toiſen; die Plateaus von Perſien, Mexico, Bogota, Quitound Caxamarca, von Antiſana und Titicaca haben 650, 1168, 1370,1490, 2000 bis 2100 Toiſen Hoͤhe uͤber dem Niveau des Oceans.In der Sprache des gemeinen Lebens wendet man das Wort Pla-
*) Weſtliche Fortſetzung des Himalaya, welche im Maſenderan die ſuͤd-lichen Kuͤſten des kaspiſchen Sees begraͤnzt.**) Relat. Hist., T. III, p. 208. Note 7.
|145| teau (Tafelland) nur auf Anſchwellungen des Bodens an, dieauf die Rauhigkeit des Klimas merklich einwirken, folglich auf Hoͤ-hen von mehr als drei- bis vierhundert Toiſen; und wenn Strah-lenberg geſagt hat, daß die ſibiriſchen Ebenen jenſeits des Ural, dener die ripheiſchen Berge nennt, „im Vergleich mit den europaͤiſchenEbenen einer Tafel gleich ſind, welche man mit dem Fußboden ver-gleicht, auf dem ſie ſteht,“ ſo hat er gewiß nicht vermuthet, daß dieinnern Ebenen der chineſiſchen Dzungarei kaum eine Hoͤhe wie diedes Bodenſees oder der Stadt Muͤnchen haben; die Ebenen, in denenich vor zwei Jahren im Norden des Dzaiſang Sees geweſen bin,ſtehen, indem ſie den Tarbagatai umgeben, mit denen der ProvinzIli, mit den Seen Alaktugul und Balkaſchi und den Ufern desTſchui in Verbindung. In dem Baſſin zwiſchen dem Muztagh(Himmels Gebirge) und dem Kuͤen luͤn (Nordkette von Tuͤbet), einBecken, welches gegen Weſten von der Querkette des Bolor geſchloſ-ſen iſt, zeigt eine Vergleichung der Breiten und gewiſſer Kulturendie geringe Erhoͤhung des Plateaus auf großen Strecken. InKhaſchgar, Khoten, Akſu und Kutſche, im Parallelkreiſe von Sar-dinien, baut man den Baumwollenſtrauch; in den Ebenen von Kho-ten, unter einer Polhoͤhe, die nicht ſuͤdlicher als Sizilien iſt, genießtman eines außerordentlich milden Klimas, und man erzieht einegroße Menge Seidenwuͤrmer. Weiter gegen Norden, in Jarkend,Hami, Kharaſchar und Kutſche iſt die Kultur der Weintraube undder Granataͤpfel beruͤhmt ſeit dem hoͤchſten Alterthum. Die Abſchuͤſ-ſigkeit, welche der Boden dieſes geſchloſſenen Beckens annimmt, ſteht,(was ziemlich merkwuͤrdig iſt,) im Gegenſatz mit der des offenenBaſſins der Provinz Ili oder des Thianſchan-Pelu. Selbſt imOſten des Tangut ſcheint das hohe Plateau (oder die ſteinige Wuͤſte)der Gobi eine betraͤchtliche Furche und Senkung zu haben; dennes berichten, Hrn. Klaproth zufolge, alte chineſiſche Sagen, daß derTarim, welcher ſich heute in dem Lop See verliert, dieſen See einſtdurchſchnitt und ſeine Waſſer mit denen des gelben Fluſſes vereinigte,ein Phaͤnomen, welches die Bildung einer Waſſerſcheide (arrêtede partage) durch progreſſive Anhauͤfungen beweiſ’t, und ſich anandere Erſcheinungen vergleichender Hydrographie knuͤpft,die ich im hiſtoriſchen Bericht meiner Reiſe nach den Aequinoctial-Regionen der neuen Welt entwickelt habe. *)
Aus dem Ganzen dieſer Betrachtungen uͤber die Konfigurationdes Bodens von Aſien geht hervor, daß der innere, von den Paral-lelen des 30° und 50° und von den Meridianen des Bolor oder von
*) T. II, S. 75 und 525.
|146| Kaſchmir und des Baïkal Sees oder der großen Kruͤmmung des gel-ben Stroms, eingeſchloſſene Theil ein Land von ſehr verſchiedenemNiveau iſt, zum Theil uͤberſchwemmt, und große Landſtrecken ent-haltend, deren Hoͤhe wahrſcheinlich die der Plateaus einer unternOrdnung iſt, analog den Plateaus von Spanien, Baiern oderMyſore. Man hat Grund zu vermuthen, daß Aufſchwellungendes Bodens, welche mit den hohen Ebenen von Quito und Titicaca(1500 — 2000 Toiſen) vergleichbar ſind, hauptſaͤchlich nur zwiſchender gabelfoͤrmigen Theilung der Kette des Hindu-Koh, deſſenZweige unter den Namen des Himalaya und Kuͤen luͤn bekanntſind, folglich in dem Lande Ladak, Tuͤbet und Katſchi; ſo wie in demGebirgsknoten um den Khuku-Noor und Gobi, nordweſtlich vomInſchan vorkommen.
Wir haben alſo geſehen, daß Aſien, von Gebirgsketten ver-ſchiedener Richtung und verſchiedenen Alters in Becken getheilt, derEntwickelung des organiſchen Lebens und der Einrichtung menſch-licher Geſellſchaften von Jaͤgern (Sibirier), Hirten, (Kirghiſen undKalmuͤcken), ackerbautreibenden Voͤlkern (Chineſen) und Moͤnchsvoͤl-kern (Tuͤbeter) eine Manchfaltigkeit von Ebenen, Terraſſen undHochgruͤnden (haut-fonds) im Luft-Ocean darbietet, welchedie Temperaturen und Klimate auf eine außerordentliche Weiſe mo-difiziren. Eine traurige Einfoͤrmigkeit herrſcht in den Steppen zwi-ſchen den Ufern des Sihun (Jaxartes) und der kleinen Kette desAlatau bis zum Eismeer; aber jenſeits des Jeniſſei, im Oſten desMeridians von Sayansk und des Baikal-Sees, nimmt Sibirienſelbſt einen Bergkarakter an. 2.Konſiguration von Europa, das nur eine peninſulare Verlaͤngerung vonAſien iſt, in ſeinen klimatiſchen Kontraſten verglichen mit der Geſtaltungvon Aſien. — Karakter-Aehnlichkeit der Klimate der Vereinſtaaten vonNord-Amerika und des noͤrdlichen und mittlern Theils von Aſien. —Klimate, von Mairan und Buͤffon exceſſife genannt. — Mittlere Jah-restemperaturen, und Vertheilung dieſer Temperatur zwiſchen die ver-ſchiedenen Jahreszeiten, in St. Petersburg, Tobolsk, Kaſan, Pekin,Macao und Benares. — Neun Punkte der heißen Zone von Aſien ver-glichen mit den waͤrmſten Klimaten von Afrika und Amerika. Die erſte Grundlage der Klimatologie iſt die genaue Kennt-niß der Unebenheiten des Bodens eines Veſtlandes. Ohne dieſehypſometriſche Kenntniß wuͤrde man der Erhoͤhung des Bo-dens das zuſchreiben, was der Effekt anderer Urſachen iſt, die in|147| den niedern Regionen (auf einer Oberflaͤche welche mit der Ober-flaͤche des Oceans gleiche Kruͤmmung hat) auf die Beugung deriſothermiſchen Linien von Einfluß ſind. Schreitet man von demNordoſten Europa’s nach dem Norden von Aſien jenſeits des 46°oder 50° der Breite vor, ſo findet man zu gleicher Zeit eine Ver-minderung der mittlern Temperatur des Jahres und eine viel un-gleichfoͤrmigere Vertheilung dieſer Temperatur zwiſchen die verſchie-denen Jahreszeiten, eine Vertheilung, welche aus der kontinentalenGeſtalt von Aſien (einer wenig gekruͤmmten Maſſen-Form), undſeiner eigenthuͤmlichen Stellung zum Aequator, dem Polareiſe unddem Einfluß der weſtlichen Winde hervorgeht. In Beziehung aufdieſe Verhaͤltniſſe zeigen Europa und Aſien folgende Kontraſte: Europa, — von gekruͤmmter Geſtalt, unterbrochen durch Meer-buſen und Meerarme, von Raum zu Raum verengt, gleichſam ar-tikulirt, — bildet den weſtlichen Theil des alten Kontinents: esiſt nichts als eine halbinſelfoͤrmige Verlaͤngerung von Aſien, wasdie Bretagne mit ihren milden Wintern und wenig heißen Som-mern fuͤr den uͤbrigen Theil von Frankreich iſt. Europa empfaͤngtals vorherrſchende Winde die weſtlichen Winde, welche fuͤr die weſt-lichen und innern Gegenden Meer-Winde ſind, Stroͤmungen,welche mit einer Waſſermaſſe im Kontakt geweſen ſind, deren Tem-peratur an der Oberflaͤche, ſelbſt im Monat Januar, nicht unter10°,7 und 9° Cent. (im 45° und 50 der Breite) herabſinkt. Eu-ropa genießt des wohlthaͤtigen Einfluſſes einer großen terreſtriſchenTropen-Zone (der von Afrika und Arabien), die zwiſchen den Me-ridianen von Liſſabon und Kaſan liegend, durch das taͤgliche Strah-len an ſeiner Oberflaͤche ganz anders ſich erwaͤrmt als eine oceani-ſche Tropen-Zone und durch den Effekt aufſteigender StroͤmungenMaſſen heißer Luft auf die Laͤnder wirft, welche dem Nordpol naͤ-her liegen. Andere, bis jetzt nicht hinreichend beurtheilte Vortheileſind fuͤr Europa, — ſeine allgemeine Konfiguration als eine weſt-peninſulare Verlaͤngerung von Aſien betrachtet, — ſeine geringereund ungleichfoͤrmige Kontinental-Entwickelung gegen Norden hin,ſeine ſchiefe Geſtalt, ſeine Richtung von Suͤdweſt nach Nordoſt.Der kontinentale Theil von Europa, faſt in dem ganzen weſtli-chen erſten Drittel ſeiner Laͤnge, erhebt ſich nicht uͤber den Paralleldes 52ſten Grades. Ein anderes mehr centrales Drittel, welchesdurch Skandinavien vergroͤßert iſt, wird vom Polarkreiſe durchſchnit-ten. Im oͤſtlichſten Drittel, im Oſten des Meridians von St. Pe-tersburg, wo das erweiterte Kontinent ganz den Karakter einesaſiatiſchen Klimas angenommen hat, ſtreift nur der Polarkreis dienoͤrdliche Kuͤſte; aber dieſe Kuͤſte iſt von einer Zone des Eismeeres|148| beſpuͤlt, deren Wintertemperatur ſehr verſchieden iſt von der, welchedaſſelbe Meer im Weſten des Nordkaps darbietet. Die Richtungdes großen oceaniſchen Thals, welches Europa von Amerika ſcheidet,und die Exiſtenz jenes Stromes warmen Waſſers (des GolfStroms) der es zuerſt von SSW. nach NNO., dann von W.nach O., durchſchneidet, und der laͤngs der Kuͤſten von Norwegenzieht, wirken maͤchtig auf die Graͤnzen des Polareiſes, auf die Kon-turen dieſes Guͤrtels gefrornen und veſten Waſſers, der zwiſchenOſtgroͤnland, der Baͤren-Inſel und dem Nordende der ſkandinavi-ſchen Halbinſel den fluͤſſigen Waſſern einen gerauͤmigen Golf oͤffnet.Europa genießt des Vortheils, dieſem Buſen gerade gegenuͤber zu lie-gen, folglich von dem Polareis-Guͤrtel durch ein freies Meer ge-trennt zu ſein. Im Winter ſchreitet dieſer Guͤrtel bis zum Parallelvon 75° zwiſchen Nowa Zembla, der Muͤndung der Lena und derKnochen-Meerenge, in der Naͤhe von Neu-Sibirien, vor; imSommer zieht er ſich, im Meridian des Nordkaps, und weiter ge-gen Weſten zwiſchen Spitzbergen und Oſtgroͤnland, nordwaͤrts biszum 80ſten und 81ſten Grad der Breite zuruͤck. Noch mehr: diewinterliche Graͤnze der Polar-Eismaſſen, die Linien naͤm-lich auf welcher ſich das Eis im Winter dem kontinentalen Europaam meiſten naͤhert, umwickelt nicht einmal die Baͤren-Inſel, undman kann in der kaͤlteſten Jahreszeiten frei vom Nordkap bis zurSuͤdſpitze von Spitzbergen ſchiffen, durch ein Meer deſſen Tempe-ratur durch die ſuͤdweſtlichen Waſſerſtroͤme erhoͤht iſt. Das Po-lareis nimmt uͤberall ab, wo ſie einen freien Ausweg gegen denPolarkreis finden, wie dies in der Baffins-Bai und zwiſchen Is-land und Spitzbergen der Fall iſt. *) Kapitain Sabine hat unterdem 65° und 70° der Breite die mittlere Temperatur des atlanti-ſchen Oceans 5°,5 Cent. gefunden, waͤhrend auf dem europaͤiſchenKontinent unter denſelben Breiten die mittlere Temperaturen desJahres bereits mehrere Grade unter dem Gefrierpunkt ſtehen. **)Ueberfluͤſſig wuͤrde es ſein hier daran zu erinnern, welche Waͤrme-Modifikationen die noͤrdlichen Winde durch dieſe gegenſeitige Konfi-guration der Land- und Polareis-Maſſen erleiden muͤſſen, wennſie nach dem Norden und Nordweſten von Europa gelangen. Das Kontinent von Aſien erſtreckt ſich von Oſt nach Weſt,jenſeits des Parallels von 70°, auf einer Laͤnge, welche dreizehn
*) Vergl. meine Denkſchrift uͤber die Haupturſachen der Differenz inber Temperatur der Erde in den Abhandl. der berliner Akademie fuͤrdas Jahr 1827. S. 311, 312.**) Exper. on. pend., p. 456.
|149| Mal groͤßer iſt als Europa: zwiſchen den Muͤndungen des Jeniſſeiund der Lena erreicht es ſogar den 75°, naͤmlich die Breite derBaͤren-Inſel. Ueberall beruͤhren ſeine noͤrdlichen Kuͤſten die Win-ter-Graͤnze des Polareiſes; die Sommer-Graͤnze dieſer Eismaſſenentfernt ſich von den Kuͤſten nur auf einigen Punkten und waͤh-rend eines kurzen Zeitraums. Die Nordwinde, deren Gewalt inden offnen Ebenen, weſtlich vom Meridian des Baikal-Sees biszum 52°, weſtlich vom Meridian des Bolor bis zum 40° der Breite,durch keine Bergkette gemildert wird, durchſchneiden ein eiſiges, mitSchnee bedecktes Tafeltuch, welches das Kontinent gleichſam fort-ſetzt, nordwaͤrts bis zum Pol, gegen Nordoſt bis zur Region desMaximums der Kaͤlte, von welcher die engliſchen Seefahrerglauben, daß ſie in dem Meridian der Behringsſtraße unter dem80° und 81° der Breite gelegen ſei. *) Das kontinentale Aſienbietet den ſolaren Strahlen nur einen ſehr kleinen Theil Landesdar, welches unter der heißen Zone gelegen iſt. Zwiſchen den Me-ridianen, die ſein Oſt- und Weſtende bezeichnen, die des KapsTſchukotski und des Urals, (auf einem ungeheuern Raum von 118Laͤngengraden), durchſchneidet der Aequator den Ocean; mit Aus-nahme eines kleinen Theils der Inſeln Sumatra, Borneo, Celebesund Gilolo iſt in jenen Meergegenden kein Land vorhanden, welchesunter dem Aequator gelegen ſei. Der kontinentale Theil von Aſienin der gemaͤßigten Zone genießt folglich nicht des Effekts der auf-ſteigenden Stroͤmungen, welche die Lage von Afrika ſo wohlthaͤtigfuͤr Europa machen. Andere kaͤlteerzeugende Urſachen von Aſien(und immer auf allgemeine Betrachtungen, auf das uns beſchraͤn-kend was das Klima des Kontinents von Aſien im Großen karakte-riſirt) ſind ſeine Geſtaltung im wagerechten Sinn, oder die Formſeiner Konturen, die Ungleichheiten ſeiner Oberflaͤche im aufrechtenSinn, und beſonders ſeine oͤſtliche Stellung in Beziehung auf Eu-ropa. Aſien zeigt eine Anhauͤfung von Land in zuſammenhangen-den Maſſen, ohne Meerbuſen und ohne bedeutende peninſulare Ver-laͤngerungen, im Norden des Parallels von 35°. Große, von Oſtnach Weſt gerichtete Gebirgsſyſteme, deren hoͤchſte Ketten die, derheißen Zone am naͤchſten liegenden Regionen zu beruͤhren ſcheinen,ſtellen ſich auf große Strecken dem Zugange der ſuͤdlichen Winde
*) Nordweſtlich von der Melville Inſel. Die Naͤhe dieſes Maxi-mum-Punktes oder Kaͤlte-Pols zeigt ſich, wenn man diemittlere Temperatur der Melville Inſel (Lat. 75°, Long. 113° O.)welche Parry zu — 18° 5 ſchaͤtzt, mit der mittleren Temperatur derpelagiſchen Atmoſphaͤre, im Oſten von Groͤnland (Lat. 76°\( \frac{3}{4} \), Lonp.3° W.), die nach Scoresby nur — 7°,5 betraͤgt, vergleicht.
|150| entgegen. Hoch erhabene Plateaus, die, mit Ausnahme vonPerſien, bei weitem weniger zuſammenhangend ſind, als man esgemeiniglich darſtellt, finden ſich verbreitet von dem GebirgsknotenKaſchmir’s und Tuͤbets bis zu den Quellen des Orkhon, auf einerunermeßlichen Laͤnge von SW. nach NO., ſie kreuzen oder begraͤn-zen tiefe Regionen, hauͤfen Schneefelder auf und bewahren ſie bisin die Mitte des Sommers und wirken durch niederſteigende Stroͤ-mungen auf die benachbarten Landſchaften deren Temperatur ſie er-niedrigen. Sie veraͤndern und individualiſiren die Klimateim Oſten der Oxus-Quellen, des Alatau und des Tarbagatai imcentralen Aſien, zwiſchen den Parallelen des Himalaya und Altaï.Endlich, ſo iſt Aſien durch die ganze Laͤnge Europas getrennt voneinem gegen Weſten gelegenen Meere, oder mit andern Worten, eshat keine weſtlichen Kuͤſten, die in der gemaͤßigten Zone immerwaͤrmer ſind als die oͤſtlichen Kuͤſten eines Kontinents. Die außer-ordentliche Erweiterung unſeres Kontinents vom Hintergrunde desfinniſchen Meerbuſens an, traͤgt zur kaͤlteerregenden Thaͤtigkeit dervorherrſchenden Weſtwinde bei, die fuͤr die alte Welt, oͤſtlich der we-nig erhabenen Mauer des Urals, Landwinde ſind.
Die Kontraſte zwiſchen Europa und Aſien, die ich hier auf-gezaͤhlt habe, bilden das Ganze der Urſachen, welche gemeinſchaft-lich einwirken auf die Beugung der Linien gleicher jaͤhrlicher Waͤrmeund auf die ungleichfoͤrmige Vertheilung dieſer geringſten Waͤrmezwiſchen die verſchiedenen Jahreszeiten, Erſcheinungen, welche vor-zuͤglich merklich werden im Oſten des Meridians von St. Peters-burg, da wo das Kontinent von Europa ſich an das noͤrdliche Aſienauf einer Laͤnge von 20 Breitengraden, anſchließt. Der Oſten vonEuropa und ganz Aſien (letzteres noͤrdlich vom Parallel von 35°)haben ein im hoͤchſten Grad kontinentales Klima, wenn mandieſen Ausdruck als Gegenſatz zu dem von Klima der Inſelnund der weſtlichen Kuͤſten gebraucht; ſie haben wegen ihrer Ge-ſtalt und ihrer Stellung im Verhaͤltniß zu den Weſt- und Suͤd-weſt-Winden ein exceſſives Klima, aͤhnlich dem der vereinigtenStaaten von Nordamerika, es folgen naͤmlich ſehr heiße Sommerauf außerordentlich ſtrenge Winter. Nirgends in der Welt, nichtein Mal in Italien oder auf den oceaniſchen Inſeln, habe ich ſchoͤ-nere Weintrauben reifen ſehen als in Aſtrakhan unfern der Kuͤſtendes kaspiſchen Sees; und dennoch ſieht man an dieſem ſelbenOrte, und noch weiter gegen Suͤden, in Kislar an der Muͤndungdes Terek (in der Breite von Avignon und Rimini) des Centeſimal-Thermometer im Winter oft bis auf 28° und 30° unter den Ge-frierpunkt herabgehen. Auch iſt man in Aſtrakhan, wo, waͤhrend|151| des Sommers, der gluͤhender als in der Provence und der Lom-bardei iſt, die Kraft der Vegetation durch die kuͤnſtliche Bewaͤſſerungeines mit Salz geſchwaͤngerten Bodens erregt wird, genoͤthigt, dieReben bis zu einer großen Tiefe zu vergraben. Dieſelbe ſo un-gleiche Vertheilung der Jahreswaͤrme unter die verſchiedenen Jah-reszeiten iſt es, welche die Kultur des Weinſtocks, oder, um michrichtiger auszudruͤcken, die Produktion eines trinkbaren Weins, inden vereinigten Staaten von Nordamerika, noͤrdlich vom Paralleldes 40ſten Grades, bisher ſo ſchwierig gemacht hat. In dem Sy-ſtem der europaͤiſchen Klimate bedarf es, um trinkbaren Wein imGroßen zu erzeugen, nicht allein einer mittlern Temperatur desJahres, die ſich auf 8°,7 oder 9° erhebt, ſondern eines Winters,der nicht unter + 1° herabfaͤllt, eines Sommers, der zum wenig-ſten 18°,5 erreicht. Dieſes veſte Verhaͤltniß in der Vertheilung derWaͤrme beſtimmt den Cyklus der Vegetation ſowohl unter denPflanzen, die, ſo zu ſagen, in winterliche Lethargie verfallen undwaͤhrend dieſer Zeit nur auf ihre Axe reducirt leben, als auch un-ter denen, welche (wie der Oelbaum) waͤhrend des Winters ihrappendikulaͤres Syſtem, die Blaͤtter, behalten. Die folgenden nume-riſchen Elemente vergleichender Klimatologie werden auf dieberuͤhrten Kontraſte einiges Licht werfen: Sankt-Petersburg (Lat. 59° 56′, Long. 27° 58′ O.),mittlere Temperatur des Jahres + 3°,8 Cent.; des Winters — 8°,3;des Sommers + 16°,7. Tobolsk (Lat. 58° 12′, Long. 65° 58′) in einem Jahre (demvon 1826) berechnet von Hrn. Adolf Erman nach den meteorologi-ſchen Beobachtungen des Hrn. Albert; mittlere Temperatur — 0°,63;wenn, weiter gegen Weſten, an den oͤſtlichen Kuͤſten von Finland,in Uleo (Lat. 65° 3′ Long. 23° 6′) mittlere Temperatur des Jahres+ 6°,0; des Winters — 1°,8; des Sommers + 17°,0. Kaſan (Lat. 55° 48′, Long. 46° 44′). Ich beſitze fuͤr diezwoͤlf Monate des Jahres 1828, die Mittelzahlen von 9 Uhr Mor-gens und Abends, vom Mittage und 3 Uhr Nachmittags, nach den,von Hrn. Simonoff mit der groͤßten Sorgfalt angeſtellten Beobach-tungen. Ich finde fuͤr die einzigen Beobachtungen von 9 Uhr Mor-gens und fuͤr die homonymen Stunden des Morgens und Abends(indem ich zwei Methoden anwende, welche die mittlere Jahreswaͤrmeapproximativ geben) + 1°,3 und + 1°,2 Cent. *); fuͤr den Winter
*) Wenn die mittlere Jahres-Temperatur von Kaſan neuerlich zu + 3°und ſelbſt zu + 3°,3 Cent. geſchaͤtzt worden iſt (Poggendorfs Anna-len 1829. St. 2. S. 162.), ſo iſt man ohne Zweifel bei der Mittel-
|152| allein — 18°,4 und 17°,8; fuͤr den Sommer allein + 17°,4 und+ 16°,0. Der waͤrmſte Monat des Jahres (Juni) hatte eine Tem-peratur von + 19°,4 oder + 18°,5; der kaͤlteſte (Januar) — 22°,7oder — 21°,8. Man ſieht, daß die Reſultate der beiden Methodenviel weniger unter ſich abweichen, als die Mittelzahlen mehrererGruppen von Jahren verſchieden ſein wuͤrden. Ein Theil des Fruͤh-lings und des Sommers ſind in Kaſan eben ſo warm als in Paris,obwohl dieſe Hauptſtadt 7° ſuͤdlicher liegt als Kaſan und die mittlereTemperatur des ganzen Jahres daſelbſt um 9°,4 hoͤher iſt.
Kaſan.(Lat. 55° 48′) Paris.(Lat. 48° 50′)
Maͤrz — 2°,1 + 6°,5
April + 10,3 + 9,5
Mai + 15,5 + 14,5
Juni + 18,9 + 16,9
Juli + 18,2 + 19,6
Auguſt + 14,2 + 18,4
September + 5,6 + 15,7
Oktober + 0,6 + 11,3
November — 10,7 + 6,7
Das iſt, nach Reſultaten, welche Vertrauen verdienen und die ich ineinem andern Werke, das ich vorbereite, vervielfachen werde, die pe-riodiſche Bewegung der Waͤrme an zwei Orten, die um mehr als700 Meilen von Oſten nach Weſten von einander entfernt ſind, abernahe auf einer und derſelben iſotheriſchen Linie liegen, waͤhrenddie mittlere Temperaturen ihrer Winter um 21°,5 verſchieden ſind.In dieſem Klima des Nordens (Kontinental-Klima, und folglich einexceſſives) haben die Bewohner A sofferir tormenti caldi e geli. *) In der Breite von Paris zeigen zwei auf einander folgende Mo-nate kein Wachsthum der Temperatur, welches uͤber 4 oder 5 Gradbetrage. Von dem Parallel von Rom bis zu dem von Stockholm,zwiſchen den iſothermiſchen Kurven von 16° bis 5°, iſt die Diffe-
zahl von vier taͤglichen Beobachtungen ſtehen geblieben, deren keinedas Minimum geben, und wovon zwei (die im Mittage und um3 Uhr Nachmittags) dem Maximum der Waͤrme ſehr nahe waren.Ich finde in der That, wenn ich die vier taͤglichen Beobachtungen desJahres 1828 zuſammen in Rechnung nehme, die mittlere Temperaturdes Jahres + 3°,2; des Winters — 16°,3; des Sommers + 19°,8;aber dieſe Temperaturen ſind nicht die wahren Mittelzahlen wegender Beſchaffenheit der Stunden, aus denen ſie abgeleitet worden.*) Dante Purgat., canto III.
|153| renz der Monate April und Mai uͤberall 5° bis 7°; und von al-len Monaten die unmittelbar auf einander folgen, ſind ſie es (indem Klimaten-Syſtem von Central-Europa) welche auch das Ma-ximum des Wachsthums der Waͤrme ausdruͤcken. Im Nordoſtenvon Europa und im Nordweſten von Aſien erhebt ſich im Gegen-theil die Zunahme der zwei Nachbar-Monate auf 12° und gehet,wie das Maximum der Waͤrme, der Epoche derſelben Wachsthums-Phaͤnomene in Europa vorher. Dieſe augenblickliche Schnelligkeitder aufſteigenden Bewegung der Waͤrme iſt es, welche das Erwa-chen der Natur karakteriſirt, welche die ſchoͤne Fruͤhlings-Entwicke-lung der Tulipacaͤen, Iridaͤen und Roſacaͤen in den ſibiriſchen Flaͤ-chen erklaͤrt. Die große und ſchnelle Zu- und Abnahme der Waͤrmeerfolgt daſelbſt vom Maͤrz zum April und vom Oktober zum November.Man wuͤrde erſtaunt ſein uͤber die Sommerhitze in Tobolsk, Tara,Kainsk, Krasnoyarsk und Barnaul, indem man uͤber das Eis nach-denkt, welches die moraſtigen Tundra zwiſchen dem Obi und demJeniſei, zwiſchen Bereſow und Turukhansk ſo lange behalten, wennman nicht den Einfluß der gluͤhenden, aus den oͤden Steppen Cen-tral-Aſiens wehenden S. und SW.-Winde kennte. *)
Pekin (Lat. 39° 54′, Long. 114°7′), mittlere Temperaturdes Jahres 12°,7; des Winters — 3°,2; des Sommers + 28°.Der Sommer in dieſem oͤſtlichſten Theile von Aſien korrespondirtmit dem Sommer von Neapel; aber drei Monate des Wintersſind unter dem Nullpunkt, wie in Kopenhagen, das 16° noͤrdlicherliegt, und deſſen mittlere Jahrestemperatur um 5° kleiner iſt. DerUnterſchied des Klimatenſyſtems von Weſt-Europa iſt von der Art,daß man an den Kuͤſten Frankreichs, zwiſchen Nantes und St-Malo, unter 47° und 48°\( \frac{1}{2} \) der Breite, die jaͤhrliche Waͤrme vonPekin wieder findet; indeß dieſe Kuͤſten auf Parallelen liegen, die
*) Hr. Adolf Erman findet die mittlere Richtung aller Winde, welcheim Verlauf eines Jahres wehen, in Tobolsk S. 47° W.Kaſan ....... S. 52 W.Moskau ....... S. 35 W.Sankt-Petersburg ..... S. 41 W.Die Weſtwinde ſind, demſelben Beobachter zufolge, waͤhrend desganzen Jahres ebenfalls ſehr hauͤfig, gegen die Muͤndung des Obiund das Nordende des Ural hin. Nach dem was wir ſelbſt im ſuͤd-lichen und mittlern Theil von Sibirien und in der Kalmuͤcken-Steppebemerkt haben, koͤnnen wir nicht glauben daß die Weſtwinde ſeltenerwerden nach Maaßgabe des Vorſchreitens von Holland nach demAltaï, wie dies von Amſterdam bis Sankt-Petersburg der Fall zuſein ſcheint. (Schouw Beitraͤge zur vergleichenden Klimatologie.Heft I, S. 53.)
|154| 7 bis 8 Grade noͤrdlicher liegen und Winter haben, welche um 8°gemaͤßigter ſind.
Waͤhrend meiner letzten Reiſe habe ich ſorgfaͤltig verglicheneThermometer auf mehreren Punkten Sibiriens in den Haͤnden vonPerſonen zuruͤckgelaſſen, die im Stande ſind, einen vortrefflichenGebrauch davon zu machen, indem ſie an den Stunden beobachten,welche die Mittelzahl der Temperaturen der Tage, Monate und desJahres kennen lehren. Ich habe bereits mehrere Reihen intereſſan-ter Beobachtungen aus Bogoslawsk, im Norden des Urals, erhal-ten, wo ſich eifrige und unterrichtete Bergbeamte dieſer Art vonUnterſuchungen mit Luſt und Liebe hingegeben haben. Da alleswas man in Aſien uͤber die Kaͤltegrade weiß, die hoͤher ſind als derGrad des Queckſilber-Gefrierens, noch ſehr ungewiß iſt, ſo habe ichdem Hrn. Dr. Albert, der uns in Tobolsk aufs freundlichſte auf-genommen hat, und zuweilen Dienſtreiſen nach den Polarregionenvon Bereſow und Obdorsk unternimmt, ein Weingeiſt-Thermome-ter uͤbergeben, deſſen Theilung, die von Hrn. Gay-Luſſac auf demGlaſe ſelbſt mit großer Sorgfalt eingeſchnitten iſt, bis — 60° Cent.genau iſt; doch die groͤßten Fortſchritte, welche die Meteorologie,und insbeſondere die Theorie der iſothermiſchen Linien, jemals zuerwarten hat, wird man der kaiſerlichen Akademie zu Sankt-Pe-tersburg verdanken, wenn ſie dabei beharrt, nach den Planen,welche wir, mein gelehrter Freund, Hr. Kupfer, und ich ihr vorge-legt haben, uͤber den ganzen Umfang des ruſſiſchen Reichs (vonArmenien, Semipolatinsk und Irkuzk bis Kola, Kamtſchatka undder Inſel Kodiak) ein regelmaͤßiges Syſtem von Beobachtungeuausfuͤhren zu laſſen, die ſich uͤber die ſtuͤndlichen Variationen desBarometers, Thermometers und Hygrometers, uͤber die Temperaturdes Bodens, die Richtung der Winde und die Quantitaͤt Waſſersund Schnees, welche die Atmoſphaͤre niederſchlaͤgt, verbreiten. DieGleichzeitigkeit dieſer Veraͤnderungen im Druck, in der Temperatur,Feuchtigkeit, Direktion und Praͤdominenz der Winde auf einer kon-tinentalen Oberflaͤche, *) die groͤßer iſt als der ſichtbare Theil desMondes, wird, nach einer kritiſchen Vergleichung der numeriſchenElemente, Geſetze ergeben, die uns bis jetzt noch unbekannt ſind.Große Intereſſen des agrikolen und induſtriellen Lebens der Voͤlker,welche das europaͤiſche, aſiatiſche und amerikaniſche Rußland be-wohnen, ſind an die Intereſſen der allgemeinen Klimatologie ge-
*) Vom 38°\( \frac{1}{2} \) (der Breite von Smyrna, Livadiens, des ſuͤdlichſten Ca-labriens, von Murcia, Liſſabon, Washington, und vom Norden Ja-pans, vom Suͤden beider Bukhareien) bis zum 75°.
|155| knuͤpft, deren Sache zu fuͤhren mir obliegt. Die Einrichtung ei-nes phyſikaliſchen Obſervatoriums in Sankt-Petersburg,wo man ſich mit Berichtigung und Vergleichung der Inſtrumente,der Wahl der Orte, deren aſtronomiſche Lage gut beſtimmt iſt, derLeitung der magnetiſchen und meteorologiſchen Beobachtungen, derBerechnung und Bekanntmachung der mittlern Reſultate, beſchaͤfti-gen wird, wird von der ſpaͤteſten Nachwelt unter die großen Dienſte,gerechnet werden, welche jene beruͤhmte Akademie ſeit der Mitte desachtzehnten Jahrhunderts fuͤr die phyſikaliſche Kenntniß der Erde,und fuͤr die beſchreibende Botanik und Zoologie geleiſtet hat.
In Aſien, wie in der neuen Welt, bemerkt man, daß die iſo-thermiſchen Linien nach und nach parallel werden dem Aequator,wenn man in die heiße Zone tritt. Dieſes Reſultat wird durch diemittlere Temperaturen der Monate beſtaͤtigt, welche ich aus mehrdenn zwoͤlfhundert ſehr genauen Beobachtungen abgeleitet habe, derenMittheilung ich dem Hrn. Abbé Richenet verdanke. Anziehend iſt es,die Klimate der Havanna, von Macao und Rio-Janeiro zu ver-gleichen, indem die beiden erſten Orte am Rande der noͤrdlichenheißen Zone und in der Naͤhe oͤſtlicher Kuͤſten, der letzte am Randeder ſuͤdlichen heißen Zone gelegen ſind. Ich habe ſchon an einemOrte *) die folgende Ueberſicht mitgetheilt, der ich die mittlere Tem-peraturen der drei heißeſten und drei kaͤlteſten Monate des Jahreshinzufuͤgen will:
Macao.(Lat. 22° 12′ N.) Havanna.(Lat. 23° 9′ N.) Rio-Janeiro.(Lat. 22° 54′ S.)
Mittlere Temperatur desJahres .. 23°,3 25°,7 23°,5
Vom Dezemb. — Febr. 18,2 28,0 26
Vom Juni — Auguſt . 28,0 28,6 20,3
Kaͤlteſter Monat .. 16,6 21,1 19,2
Waͤrmſter Monat . 28,4 28,8 27,3
Der kaͤlteerregende Einfluß der Konfiguration und Stellung vonAſien giebt ſich in Macao und Canton noch mehr kund, wenn dieweſtlichen und nordweſtlichen Winde ein großes mit Schnee und Eisbedecktes Veſtland beruͤhren; doch ſind die Kontraſte der Vertheilungder Waͤrme zwiſchen die verſchiedene Jahreszeiten in den Hoͤhen desſuͤdlichen China weit weniger merklich, als in Pekin. Waͤhrend neunJahre, von 1806 bis 1814, hat der Abbé Richenet, der ſich einesvortrefflichen Six-Thermometers nach Maxima und Minima be-diente, es in Macao ſelten bis auf 3°,3 Cent., oft bis 5° herabſin-
*) Rel. hist., T, III., p. 305 und 374.
|156| ken ſehen. In Canton erreicht das Thermometer zuweilen faſt denGefrierpunkt, und man findet daſelbſt, als Effekt der Strahlung ge-gen einen wolkenloſen Himmel, Eis auf den Terraſſen der Hauͤſer,an Stellen, die von Palmen und Bananen eingefaßt ſind. Eben ſofaͤllt die Waͤrme in Benares (geogr. Breite 25° 20′, iſotherm. Breite35°,2 Cent.), nachdem ſie im Sommer oft 44° erreicht hat, im Win-ter auf 7°,2.
Weiter im Suͤden, zwiſchen dem Wendekreis und dem Gleicher,insbeſondere zwiſchen 0° und 15° der Breite, ſind die mittlern Tem-peraturen des kontinenealen Luftkreiſes in beiden Welten merklichdieſelben. Die genaueſten und neueſten aſiatiſchen Beobachtungengeben:
  • Bombey ... 26°,7
  • Manila ... 25,6
  • Madras ... 26,9
  • Pondichery ... 29,6
  • Batavia ... 27,7
  • Inſel Ceylon:
  • In Trinconomale .. 26,9
  • In Point de Galle . 27,2
  • In Colombo .. 27,0
  • In Kandy ... 25,8
Die mittlere Temperatur der eigentlichen Aequatorial-Zone von 0°bis 10° oder 15° der Breite, iſt bisher ſonderbarer Weiſe uͤbertrie-ben worden; ſie ſcheint mir 27°,7 nicht zu uͤberſteigen. Das Klimavon Pondichery kann, wie ich an einen andern Ort bemerkt habe,nicht mehr dazu dienen, die ganze Aequatorial-Zone zu karakteriſi-ren, eben ſo wenig als die Oaſe von Murzuk, wo der ungluͤcklicheRitchie und Kapitain Lyon das Centeſimal-Thermometer (vielleichtwegen des in der Luft verbreiteten Sandes) auf einem Standezwiſchen 47° und 53°,7 geſehen haben, das Klima der temperirtenZone von Nordafrika karakteriſirt. *) Die groͤßte Maſſe der Tropen-laͤnder liegt zwiſchen dem 18° und 28° noͤrdliche Breite, und uͤberdieſe Zone iſt es auch, daß wir, Dank ſei es der Errichtung ſo vie-ler reichen Handelsſtaͤdte, die meiſten meteorologiſchen Kenntniſſe be-
*) Auch Hr Ruͤppell, der durch die Sorgfalt welche er auf die Verifika-tion aſtronomiſcher und phyſikaliſcher Inſtrumente verwendet, ſoruͤhmlichſt bekannt iſt, ſah am 31ſten Mai 1823 bei bedeckten Him-mel, bei ungeſtuͤmen SW.-Wind und einer ſehr ſtarken elektriſchenTenſion der Luft, im Ambucol in Dongola das Thermometer auf46°,9 ſteigen, waͤhrend daſſelbe Inſtrument am 6ten April auf 20°herabgegangen war.
|157| ſitzen. Dagegen ſind die vier Grade, welche dem Aequator am be-nachbarteſten liegen, noch heutiges Tages, wie vor ſiebenzig Jahren,eine terra incognita fuͤr die poſitive Klimatologie. Wir kennennicht die mittleren Temperaturen des Jahres und der Monate inGran Para, in Guayaquil, und (man muß ſich faſt ſchaͤmen eseinzugeſtehen) in Cayenne!
Betrachtet man nur die Waͤrme, welche ein gewiſſer Theildes Jahres erreicht, ſo findet man in der noͤrdlichen Hemiſphaͤredie gluͤhendſten Klimate theils unter dem Wendekreis desKrebſes ſelbſt, theils 4° oder 5° noͤrdlich von dieſem Tropikus, indem ſuͤdlichſten Theil der torriden Zone. In Perſien, in Abuſcherz. B. unterm Parallel von 28° \( \frac{1}{2} \), erreicht die mittlere Temperaturdes Juli 34°; *) waͤhrend die heißeſten Monate in der heißenZone, in Cumana 29°,2; in Vera Cruz 28°,8 haben. Auf demrothen Meere ſieht man das Centeſimal-Thermometer im Mittagauf 44°, Nachts auf 34° \( \frac{1}{2} \) ſtehen. Die extreme Waͤrme, welcheman in dem ſuͤdlichen Theil des gemaͤßigten Erdguͤrtels, zwiſchenAegypten, Arabien und dem perſiſchen Golf bemerkt, iſt der gemein-ſchaftliche Effekt der geringen Zeit, welche unter dieſer Breite zwi-ſchen den beiden Durchgaͤngen der Sonne durchs Zenith verfließt,des langſamen Gangs des Geſtirns, wenn es ſich den Tropen naͤ-hert, der Tagesdauer, welche mit den Breiten zunimmt, der Geſtal-tung der umgebenden Laͤnder, des Zuſtandes ihrer Oberflaͤche, derkonſtanten Durchſichtigkeit der von waͤſſrigen Duͤnſten faſt ganzentbloͤßten kontinentalen Luft, der Richtung der Winde und derMenge Staub (erdige Kuͤgelchen, welche ſich durch Irradiation er-hitzen und durch ihre Oberflaͤche, eines gegen das andere, ſtrahlen)die von jenen Winden erhoben und in der Luft ſchwimmend erhal-ten werden. 3.Graͤnze des ewigen Schnees im Kaukaſus, Altaï und Himalaya. Der Karakter eines exceſſiven Klimas (vorzugsweiſe kon-tinentalen) zeigt ſich in Aſien auch durch die Graͤnze des ewi-gen Schnees, d. h. durch die Hoͤhe, bei der ſich jene Graͤnze,abgeſehen von ihren Oscillationen, im Sommer erhaͤlt. Ichhabe ſchon in einer andern Denkſchrift entwickelt, **) warum ſich
*) Die mittlere Temperatur des ganzen Sommers iſt in Abuſcheher32°,7, die des Winters 17°,8.**) Ueber die Graͤnze des ewigen Schnees in den Himalaya-Gebirgenund den Aequatorial-Regionen. Siehe Ann, de Chimie, T. XIV.
|158| dieſer Guͤrtel ewigen Schnees in der aſiatiſchen gemaͤßigten Zone,im Kaukaſus und am Nordabhang des Himalaya zu einer viel be-traͤchtlicheren Hoͤhe uͤber dem Meeresſpiegel erhebt, als unter den-ſelben Parallelen (man kann hinzufuͤgen, unter denſelben iſothermi-ſchen Kurven) in Europa und Amerika. Die intereſſante Reiſe,welche von den Herren Kupfer und Lenz nach dem Gipfel des El-brus unternommen worden *) hat neuerdings das bewieſen, wasich aus den Meſſungen der Herren von Engelhardt und Parrot,auf den Flanken des Kasbek, geſchloſſen hatte. Auf der zuerſt ge-nannten dieſer Gipfelhoͤhen des Kaukaſus **) ſteigt der Schnee bis1727 Toiſen herab; auf der zweiten (ohne Zweifel wegen einigerlokalen Strahlungs-Verhaͤltniſſe) bis 1647 Toiſen. Die Schnee-graͤnze iſt folglich um 250 bis 300 Toiſen hoͤher im Kaukaſus alsin den Pirenaͤen. Das ſommerliche Strahlen des Bodens aufdem tuͤbetiſchen Plateau, das an Hoͤhe vielleicht das von Titicacauͤbertrifft, die Trockniß der Luft, welche ſich im ganzen Innern undim Norden von Aſien kund giebt, der wenige Schnee, der im Win-ter faͤllt, wenn ſich die Temperatur auf — 12° oder — 15° ernie-drigt, endlich die Reinheit und Durchſichtigkeit der Luft, ***) welcheauf dem noͤrdlichen Abhang des Himalaya herrſchen, und die dasStrahlen des Plateaus gleichzeitig mit der Fortpflanzung der ſtrah-lenden von dem Plateau ausgeſtoßene Waͤrme vermehren, habenmir die Haupturſachen geſchienen von der großen Differenz, welchedie Schneehoͤhe im Norden und Suͤden des Central-Kammes desindiſchen Gebirges darbietet. Nach den Barometer-Meſſungen derHerren Ledebour und Bunge zeigt der Altaï nicht daſſelbe Phaͤno-men wie der Kaukaſus. Der Schnee ſcheint daſelbſt, in Beziehung
p. 22 und 52. und mein erſtes Memoir uͤber die Gebirge Indiens,T. III, p. 297.*) Rapport fait à l’Acad. Imp. sur un voyage dans les environsdu Mont Elbrouz, p. 125.**) Die Bruͤcke von Malka am Fuß des Elbrouz liegt in Lat.43° 45′ N.***) Man ſehe den Brief eines engliſchen Reiſenden aus Subathu vom11ten Dezember 1823 im Asiatic Journal, Mai 1825, uͤberſetzt inden Nouv. Annales des Voyages T. XXVIII. p. 19. 23. Eineifriger und kenntnißreicher franzoͤſiſcher Geognoſt, Hr. Jacquemont,der nach dem Vorgange von Moorcroft, Webb und Gerard, in die-ſem Augenblick den Himalaya bereiſ’t, ſchreibt die Ungleichheit derSchneehoͤhe auf dem noͤrdlichen und ſuͤdlichen Abhang, ebenfalls derHeiterkeit des Klimas auf dem Plateau von Ladak und dem nebligenKlima auf der hinduſtaniſchen Seite zu. (Brief an Hrn. Elie deBaumont aus Lari vom 9ten September 1830.)
|159| auf die Breite der Lokale, weit tiefer herab zu gehen, tiefer als aufden Karpaten; doch geben die Karpaten, die Alpen und die Pire-naͤen keine gut abgeſchnittenen Vergleichungspunkte, und beweiſen,daß in Europa ſelbſt, von 42° \( \frac{1}{2} \) bis 49° \( \frac{1}{4} \) der Breite, die oͤſtlichernLagen die Einfluͤſſe der Pol-Entfernung modifiziren. Auf demAltaï, in den Gebirgen von Ridderski, hatte ſich der Schnee in denSchluchten erhalten, waͤhrend er auf dem Plateau von KorgonSchichten verſchiedener Jahrgaͤnge, die auf einander lagen, ge-bildet hatte.
Graͤnze des ewigen Schnees. |Spaltenumbruch|
  • Karpaten (Lat. 49° \( \frac{1}{2} \)) 1330 T.

  • Pirenaͤen (lat. 42° — 43°)1400 T.
  • Alpen (Lat. 45° \( \frac{3}{4} \) — 46°)1370 T.

  • Andes von Quito (Lat. 1° —\( \frac{1}{2} \)) 2460 T.
  • Nevados von Mexico (Lat.19° — 19° \( \frac{1}{4} \)) 2350 T.
|Spaltenumbruch|
  • Altaï (Lat. 48° \( \frac{1}{2} \) — 51°) aufden ridderskiſchen Bergen 920T. (?) auf dem Korgon 1100 T.

  • Kaukaſus (Lat. 42° \( \frac{1}{2} \) — 43°)Berg Elbrus 1730 T., Kasbek1650 T.

  • Himalaya (Lat. 30° \( \frac{3}{4} \) — 31°)Suͤdliches Gehaͤnge 1950 T.Noͤrdliches Gehaͤnge 2600 T.
Dieſe große Erhoͤhung der Schneegraͤnze im ſuͤdlichen Aſien,zwiſchen den Gebirgsketten des Himalaya und des Kuͤen luͤn, zwi-ſchen 31° und 36° der Breite, und vielleicht gegen Nordoſten un-ter noch hoͤheren Breiten, iſt eine Wohlthat der Natur. Ein groͤ-ßeres Feld darbietend der Entwicklung organiſcher Formen, demHirtenleben und dem Ackerbau (Waizen- und Gerſtenfelder findenſich auf den Plateaus von Daba und Doomgo *) in 2334 T. beiLaſſour in 2170 T. Hoͤhe) macht dieſe Erhebung der Eiszone unddieſes Strahlen der tuͤbetiſchen Plateaus in Aſien fuͤr Voͤlker einerfinſtern und myſtiſchen Geſichtsbildung, einer eigenthuͤmlichen kunſt-fleißigen und religioͤſen Ziviliſation, eine Alpenzone bewohnbar, diein den Aequatorial-Regionen von Amerika (unter einer um 25°bis 30° ſuͤdlichere Breite) in Schnee eingehuͤllt oder dem, alle Kul-tur zerſtoͤrenden Reif ausgeſetzt ſein wuͤrde. Aehnlichen Urſachen, die indeſſen noch nicht hinlaͤnglich er-gruͤndet ſind, muß man auch die Exiſtenz der ackerbautreibenden
*) Unter 31° 15′ Noͤrdlicher Breite.
|160| Bevoͤlkerung von Hoch-Peru und Bolivia zuſchreiben, auf Hoͤhenlebend, noch hoͤher als die, welche in der noͤrdlichen Halbkugel, beigleichem Abſtande vom Aequator von agrikoliſchem Leben keine Spurdarbieten. Hr. Pentland hat erkannt, daß auf dem Andes-Paſſebei den Altos de Toledo (Lat. 16°2′ S.) die untere Graͤnze desSchnees bei 2660 T. Hoͤhe iſt, faſt wie (unter 30°\( \frac{3}{4} \) — 31° BreiteN.) auf dem noͤrdlichen oder tuͤbetiſchen Abhang des Himalaya.Indeſſen ſteigt auf demſelben Kontinent, an den Gehaͤngen derVulkane oder Trachyt-Gipfel Mexiko’s, die aus Plateaus von 1200bis 1400 T. Hoͤhe unter 19° noͤrdlicher Breite, emporſtreben, derSchnee, waͤhrend der heißeſten Jahreszeit, nicht uͤber 2350 Toiſen.Es iſt ſehr bemerkenswerth (und die Naturforſcher erwarteten diesReſultat kaum, vor etwa zwanzig Jahren) daß die zwei Beiſpieleder anomalen Hoͤhe, oder, um jeden dogmatiſchen Ausdruck zu ver-meiden, die Beiſpiele des Maximums der Hoͤhe der Schneegraͤnze,im Laufe eines Jahres, ſich (als Effekt der Trockenheit der Luft,der Sommerwaͤrme und des Plateau-Strahlens) in Suͤdamerikaunter 16° bis 18° Suͤdbreite, in Aſien in demjenigen Theile dertemperirten Zone finden, welche ſich nur 7° bis 8° dem Wendekreisdes Krebſes naͤhern. Ich habe ſchon oben, als ich von den gluͤ-henden Klimaten des rothen Meeres und des perſiſchen Golfs ſprach,bemerkt, daß es genau das Ende des gemaͤßigten Erdguͤrtels, demTropikus benachbart, ſei, welcher (durch Urſachen, die ſich aus derTheorie des Solar Klimas erklaͤren laſſen) waͤhrend eines Theilsdes Jahres, d. h. in der periodiſchen Jahres-Bewegung der Tem-peratur, das Maximum der Waͤrme darbietet, das von der Kraftund Dauer des Strahlens hervorgebracht werden kann.
Ich koͤnnte mich hier noch uͤber die Praͤdominenz gewiſſerLuftſtroͤmungen ausdehnen, und uͤber die Ordnung, oder vielmehrDirektion, in welcher ſie ſich (durch O. und S.) drehen, um weſt-lich zu werden, uͤber die Unterſuchungen, welche wir uͤber die Per-manenz des unterirdiſchen Eiſes angeſtellt haben, endlich uͤber dieVertheilung der Waͤrme im Boden des Nordens von Aſien, welchedurch die Temperatur der Quellen angezeigt wird; Phaͤnomene, uͤberdie Hr. Roſe, waͤhrend unſerer Reiſe, eine große Menge genauerBeobachtungen geſammelt hat, und die auf eine hoͤchſt zuſammen-geſetzte Weiſe durch die Orts-Breite und Laͤnge, durch die Tiefe,die Jahreszeit und den Cohaͤrenz-Zuſtand der Felsſchichten oder desaufgeſchwemmteu Landes modifizirt iſt; allein dieſe Entwickelungenmoͤgen fuͤr ein anderes Werk aufbewahrt bleiben, und ich ſchließedie vorliegende Abhandlung, in welcher ich der Akademie nur einigezerſtreute Materialien zur allgemeinen Klimatologie vorzulegen beab-|161| ſichtigte, mit einigen Betrachtungen uͤber die Trockenheit der aſiati-ſchen Atmoſphaͤre. 4.Trockenheit der Luft in Aſien. — Pſychrometriſche Beobachtungen. Die große Einfachheit und Schaͤrfe des pſychrometri-ſchen Apparats von Hrn. Auguſt (denn die Thermometer *) die-ſes Apparats ſind in Zehntheile des Grades eingetheilt) haben michveranlaßt (auf meiner Reiſe durch die Steppen des noͤrdlichen Aſiens,nach dem Altaï, laͤngs der Koſacken-Linie des Irtyſch, Iſchym undTobol und an die Ufer des kaspiſchen Sees) das Pſychrometer gleich-zeitig mit dem alten Deluc’ſchen Hygrometer zu gebrauchen. Diepſychrometriſchen Beobachtungen vom Anfange des Monats Junibis zum Ende des Monats Oktober 1829 (bei einem Wechſel deratmoſphaͤriſchen Temperatur von 8°,7 bis 31°,2 Cent.) ſind ſaͤmmt-lich von meinem Freunde und Reiſegefaͤhrten, Hrn. Guſtav Roſeangeſtellt worden. Drei und dreißig dieſer Beobachtungen, welcheneuerlich in einer hygrometriſchen Abhandlung des Hrn. Auguſt be-kannt gemacht worden ſind, beweiſen die ungeheure Trockenheit,welche in den ſibiriſchen Ebenen, im Weſten des Altaï, zwiſchen demIrtyſch und Obi, herrſcht, wenn die ſuͤdweſtlichen Winde lange Zeitaus dem innern Aſien im Contakt mit Plateaus, die indeſſen nicht200 Toiſen uͤber dem Meere hoch ſind, geweht haben. In der pla-towskayiſchen Steppe haben wir den Thaupunkt 4°,3 unter demFroſtpunkt gefunden; es war am 5ten Auguſt, Nachmittags um1 Uhr, bei einer Lufttemperatur von 23°,7 im Schatten. Die Dif-ferenz der beiden Thermometer, des trocknen und feuchten, ſtieg auf11°,7, wenn im gewoͤhnlichen Zuſtande der Atmoſphaͤre (wo dasſauſſure’ſche Hygrometer ſich zwiſchen 74° und 80° erhaͤlt) dieſer Un-terſchied der Thermometer nur 5° bis 6°,2 betraͤgt (indem der Thau-
*) Unter den Inſtrumenten welche einer außerordentlichen Praͤciſionfaͤhig ſind iſt das Thermometer dasjenige, das die manchfaltigſtenAnwendungen darbietet. Es dient zum Meſſen der Waͤrme, der In-tenſitaͤt des Lichts, und des Grades der hygrometriſchen Spannung.Es iſt Thermometer, Barometer (beim Hoͤhenmeſſen), Hygrometerund Photometer auf ein Mal. Der von der beruͤhmten Akademiedel Cimento und dem Naturforſcher le Roi vorgezeichnete Wegwar von Sauſſure und Deluc verlaſſen worden, die einen Theil ihresLebens damit zugebracht haben, die Hygrometer mit veſten Subſtan-zen zu vervollkommen. Die ſchoͤnen Arbeiten von Dalton geſtattetenes bei den Haar- und Fiſchbein-Hygrometern die Beſtimmung desThaupunktes zu ſubſtituiren. Auf die Beſtimmung dieſes Punktesgruͤnden ſich die Hygrometer von Leslie und Daniell und das Pſy-chrometer von Hrn. Auguſt.
|162| punkt 16°,2 oder 27°,5 iſt). In der platowskayiſchen Steppe haͤtteſich die Temperatur der Luft vor dem Niederſchlag des Thaus um28° erkaͤlten muͤſſen. Zwiſchen Barnaul und dem beruͤhmten Berg-werksort Schlangenberg, in einer Zone zwiſchen 51°\( \frac{1}{4} \) und 53° derBreite, enthielt die Luft folglich nur \( \frac{16}{100} \) Dunſt, was mit 28° oder30° des Haar-Hygrometers korrespondirt. Dies iſt ohne Zweifeldie groͤßte Trockniß, welche bisher in den Tieflaͤndern der Erdebeobachtet worden iſt. Hr. Erman, der Vater, der ſich viel mithygrometriſchen Unterſuchungen beſchaͤftigt hat, indem er das Pſy-chrometer und die Hygrometer von Daniell und Sauſſure ge-brauchte, hat dieſes letztere nur ein einziges Mal und zu ſeinemgroͤßten Erſtaunen (in Berlin, den 20ſten Mai 1827, um zwei UhrNachmittags,) auf 42° ſtehen ſehen, bei derſelben Temperatur von23°,7, welche auf der platowskayiſchen Steppe herrſchte, als wirdurch dieſelbe reiſ’ten.
Ich habe (und dieſer Effekt der Hoͤhe iſt ziemlich bemerkens-werth) eine Trockniß von 40° bis 42° des ſauſſureſchen Hygrome-ters, alſo ſehr nahe der, welche Hr. Erman fand, unter den Tro-pen beobachtet (das Thermometer Cent. hielt ſich im Schatten auchauf 22°,5 und 23°,7) auf einem Plateau von 1200 Toiſen Hoͤheim Thale von Mexiko welches Seen von ſehr betraͤchtlichem Um-fange enthaͤlt, umgeben von duͤrren und ſalzigen Landflaͤchen. In2635 Toiſen Hoͤhe (175 Toiſen hoͤher als der Gipfel des Mont-Blanc) hat Hr. Gay-Luſſac, bei ſeiner beruͤhmten aeroſtatiſchenAufſteigung, das ſauſſure’ſche Hygrometer, das in ſeinen extremenPunkten gut rektifizirt war, bei einer Temperatur von 4° bis auf25°, 3 herabgehen ſehen, was nur 2mm79, Spannung des Dunſtesgiebt, oder (da das Maximum 6mm, 5 iſt) das Verhaͤltniß bei deraeroſtatiſchen Aufſteigung beobachteten Saͤttigung, war, bei der nie-drigen Temperatur der hohen Regionen, \( \frac{12}{100} \). Ich fuͤge dieſer Ab-handlung uͤber das Klima von Aſien die Ueberſicht einiger der vonden Herren Roſe, Ehrenberg und mir, auf unſerer Reiſe durch Si-birien geſammelten Reſultate bei, die auf meine Bitte von Hrn.Auguſt berechnet worden ſind, deſſen hygrometriſche Arbeiten, gleichnuͤtzlich als ſinnreich, die Aufmerkſamkeit der Naturforſcher zu feſ-ſeln verdienen. |163|
Orte.(Der Nordweſten von Aſien)Lat. 45°\( \frac{3}{4} \) — 59°Long. 42°\( \frac{1}{4} \) — 80°\( \frac{1}{4} \) 1829.TagundStunde. Barome-ter inLinien. Pſychrometer Span-nung derDuͤnſte inLinien. Thau-punktR. Verhaͤlt-niß zurGeſammt-Saͤttigungder Luft Haar-Hygro-meter (dieRechnung aufdas Mittelaus Sauſſu-res und Gay-Luſſacs Beob.gegruͤndet).
trocknesThermo-meterR. benetztesThermo-meterR.
Bogoslowsk, in dernoͤrdl. Kette des Ural 5 Juli 10 M. 326,6 12°,5 8,7 3,23 4°,3 0°,52 71°
Tobolsk..... 22 ‒ 7 M. 335,2 18, 7 16, 0 6,89 13, 9 0, 70 82
3 Ab. 335,0 24, 4 17, 5 6,42 13, 0 0, 43 64
Steppe Platowskaya 5 Aug, 1 A. 326,7 19, 2 9, 8 1,66 — 3, 4 0, 16 29
Uralsk, Hauptort derKoſaken am Jaïk . 28 Spt. 9 M. 340,8 11, 6 8, 4 3,29 4, 6 0, 57 71
3 Ab. 340,6 17, 6 10, 4 2,15 1, 1 0, 27 47
Sarepta, in der Kal-muͤken-Steppe .. 10 Okt. 1 A. 341,0 16, 2 9, 4 2,29 0, 3 0, 28 49
Inſel Birutſchikaſſa,im Kaspi-See .. 15 Okt. 1 A. 338,8 14, 6 12, 8 5,68 11, 4 0, 90 94
Grasnoſchewskaja,an der Wolga, noͤrdlichvon Aſtrakhan .. 23 Okt. 10 M. 339,9 7, 8 3, 4 1,35 5, 7 0, 45 65
|164| 5.Temperatur des Bodens in Sibirien. — Unterirdiſches Eis im Som-mer. — Erhaltung der weichen Theile der antediluvianiſchen Thiere. —Um dieſes Phaͤnomen zu erklaͤren braucht die Geologie nicht die Hypo-theſe eines ploͤtzlichen Kaͤlterwerdens zu Huͤlfe zu nehmen. — Gegenwaͤr-tiger Wohnplatz des Koͤnigstigers auf einer zuſammenhangenben Flaͤchevon 40 Breitengraden, vom Kap Komorin bis zu den Parallelen vonBerlin und Hamburg. Wenn die foſſilen Knochen großer Thiere aus der Tropenre-gion, welche neuerlich in den goldhaltigen Schichten auf dem Ruͤckendes Urals gefunden worden, *) den Beweis liefern, daß dieſe Kettein einer ſehr neuern Zeit empor gehoben worden, **) ſo ſind dasVorhandenſein und die Erhaltung derſelben Knochen, mit Muskel-Haut und andern weichen Theilen uͤberzogen (in den Ebenen desnoͤrdlichen Sibiriens, an der Muͤndung der Lena und an den Uferndes Vilhui unter 72° und 64° der Breite), Thatſachen, welche nochmehr in Erſtaunen ſetzen. Die Entdeckungen von Adams (1803)und von Pallas (1772) haben ein neues Intereſſe gewonnen, ſeit-dem muͤhſame Nachforſchungen, welche waͤhrend der Expedition desKapitains Beechey im Kotzebue-Sund (Lat. 66°13′; Long. 163°25′W.) angeſtellt wurden, und die gruͤndliche Unterſuchung, welcherHr. Buckland die geognoſtiſche Sammlungen aus der Eſchſcholtz-Bai unterworfen ***) es faſt gewiß gemacht haben, daß im Nor-den von Aſien, wie auf dem Nordweſt-Ende des neuen Kontinents,die foſſilen Knochen mit oder ohne Muskelhaut, ſich nicht in denEisbloͤcken, ſondern in dem Diluvium befinden, welches die tertiaͤrenFormationen in den meiſten Tropen- und temperirten Gegenden bei-der Kontinente deckt. Eine Urſache ploͤtzlicher Kaͤlte, ſagt der be-ruͤhmte Naturforſcher, †) dem wir die bewundernswuͤrdigen Un-
*) Die foſſilen Knochen von Pachydermen ſind ſeit langer Zeit in denEbenen oͤſtlich und weſtlich des Urals, an den Ufern des Irtyſch undder Kama, bekannt.**) Derſelbe Schluß von Erhebung laͤßt ſich auf die Andes anwenden,wo, in beiden Hemiſphaͤren, auf den Plateaus von Mexiko, Cundi-namarca (bei Bogota), Quito und des Chili foſſile Knochen vonMaſtodonten in Hoͤhen von 1200 bis 1500 Toiſen gefunden werden(Man ſehe meine Rel. hist. T. I, p. 336, 414, 429; T. III, p. 479).***) Beechey Voyage to the Pacific and Beerings-Strait. 1831.T. I, p. 257 — 323. T. II, p. 560, 593 — 612.†) Cuvier, Ossemens fossiles, 1821. T. I, p. 203. „Tout rendextremement probable que les éléphans qui ont fourni l’ivoirefossile habitaient et vivaient dans les pays où l’on trouve au-jourd’hui leurs ossemens. Ils n’ont pu y disparaître que par une
|165| terſuchungen uͤber die erloſchenen Thier-Racen verdanken; hat alleinjene weichen Theile ſchuͤtzen und Jahrtauſende hindurch erhaltenkoͤnnen. Waͤhrend meines Aufenthalts in Sibirien mit Beobach-tungen uͤber die unterirdiſche Waͤrme der Schichten beſchaͤftigt, habeich in der Kaͤlte, welche bei 5 oder 6 Fuß Tiefe herrſcht mitten inder Hitze der gegenwaͤrtigen Sommer, die Erklaͤrung dieſes Phaͤno-mens zu erkennen geglaubt.
Wenn in den Monaten Juli und Auguſt die Luft um Mit-tag eine Temperatur von 5° bis 30°,7 hatte, ſo haben wir zwiſchendem Kloſter Abalak und der Stadt Tara, *) bei den Doͤrfern Tſchi-ſtowskoy und Bakſchïnwa, wie zwiſchen Omsk und Petropawlowski(auf der Koſaken-Linie am Iſchym **) bei Schankin und Polu-dennaya Krepoſt, vier wenig tiefe Brunnen gefunden, ohne Eis-reſte an ihren Raͤndern, bei + 2°,6; 2°,5; 1°,5 und 1°,4 Cent.Dieſe Beobachtungen ſind unter den Parallelen des Nordens vonEngland und Schottland gemacht worden, und dieſe Temperaturdes ſibiriſchen Bodens erhaͤlt ſich den Winter hindurch. Hr. AdolfErman hat zwiſchen Tomsk und Krasnojarsk, auf dem Wege vonTobolsk nach Irkuzk, noch unter 56° und 56° \( \frac{1}{2} \) der Breite, dieQuellen bei + 0°,7 und 3°,8 gefunden, wenn die Atmoſphaͤre bisauf 24°,2 unter dem Gefrierpunkt erkaltet war; aber einige Gradenoͤrdlicher, theils auf wenig erhabenen Bergen (unter der Breitevon 59° 44′, wo die mittlere Temperatur des Jahres kaum — 1°,4betraͤgt) theils in den Steppen jenſeits des Parallels von 62°,bleibt der Boden in einer Tiefe von 12 bis 15 Fuß gefroren. Ichhoffe daß durch Unterſuchungen, welche man in verſchiedenen Som-mer-Monaten in Bereſow und Obdorsk, in der Nachbarſchaft des
révolution qui a fait périr tous les individus existans alors, oupar un changement de climat qui les a empêchés de s’y propa-ger. Mais quelle qu’ait été cette, elle a dû être ſubite. — Sile froid n’était arrivé que par dégrés et avec lenteur, ces osse-mens, et à plus forte raison les parties molles dont ils sont en-core quelquefois enveloppés, auraient eu le temps de se décom-poser comme ceux que l’on trouve dans les pays chauds et tem-pérés; il aurait été surtout impossible qu’un cadavre tout entier,tel que celui que M. Adams a découvert, eût conservé ses chairset sa peau sans corruption, s’il n’avait été enveloppé immédia-tement par les glaces qui nous l’ont conservé. Ainsi toutes leshypothèses d’un refroidissement graduel de la terre ou d’unevariation dans l’inclinaison de l’axe du globe, tombent d’ellesmêmes.”*) Lat. 56° \( \frac{1}{2} \) — 58°.**) Lat. 54° 52′ — 54° 59′
|166| Polarkreiſes, anzuſtellen mir verſprochen hat, wir bald erfahrenwerden, welches im Norden die veraͤnderliche Maͤchtigkeit der Eis-ſchicht, oder um beſſer zu ſagen, der gefrornen, feuchten Erde ſeinwerde, die von kleinen Eisfaden durchzogen iſt, und Kriſtallgruppenveſten Waſſers, wie ein Porphyr-Geſtein, enthaͤlt. In Bogos-lowsk, wo der geſchickte Berg-Intendant, Hr. Beger, auf meineBitte einen Brunnen in einem Torfboden, welcher von Bauͤmenwenig beſchattet war, graben ließ, haben wir mitten im Sommer,bei 6 Fuß Tiefe, eine Schicht gefrorner Erde gefunden, welche uͤber9\( \frac{1}{2} \) Fuß maͤchtig war. In Jakuzk, 4°\( \frac{1}{2} \) ſuͤdlich vom Polarkreis, iſtdas unterirdiſche Eis eine allgemeine und unaufhoͤrliche Erſcheinung,trotz der hohen Temperatur der Luft in den Monaten Juli undAuguſt. Begreiflich iſt es, daß vom 62° an gegen den 72° derBreite, von Jakuzk zur Muͤndung der Lena, die Maͤchtigkeit dieſerSchicht gefrorner Erde ſchnell zunehmen muͤſſe.
Tiger, welche den oſtindiſchen durchaus aͤhnlich ſind, *) zeigenſich noch heut zu Tage, von Zeit zu Zeit in Sibirien bis auf dieParallelen von Berlin und Hamburg. Sie leben ohne Zweifel imNorden des Himmels-Gebirges (Mus-tagh) und machen Streif-zuͤge bis zum weſtlichen Gehaͤnge des Altaï, zwiſchen Bukhtarminsk,Barnaul und dem beruͤhmten goldhaltigen Silberbergwerk vonSchlangenberg, wo man mehrere von ungeheurer Groͤße erlegt hat.Dieſes Faktum, welches die ganze Aufmerkſamkeit der Zoologen ver-dient, knuͤpft ſich an andere fuͤr die Geologie ſehr wichtige Thatſachen.Thiere, welche wir gegenwaͤrtig als Bewohner der heißen Zone be-trachten, haben einſt (ſo viele geologiſche Fakta deuten es an) gleichden Bambuſacaͤen, die Farnkrauͤter unter den Bauͤmen, den Pal-men und den lithophytiſchen Korallen im Norden der alten Weltgelebt. Wahrſcheinlich unter dem Einfluß der innern Waͤrme derErde, die vermittelſt der Spalten der oxidirten Kraͤfte mit der at-moſphaͤriſchen Luft in den noͤrdlichſten Regionen in Verbindungſtand. Es hat mir immer geſchienen, daß die Geologen, bei derDiskuſſion der alten Veraͤnderungen der Klimate, das Phaͤnomender zu Bauͤmen gehoͤrenden Monocotyledonen (von Rinde und denappendikulaͤren Organen entbloͤßt, welche die Winterkaͤlte von unſerndicotyledonen Bauͤmen, ohne Gefahr fuͤr dieſe, herabwirft) nichtvon dem Phaͤnomen der großen foſſilen Pachydermen trennen
*) Mein Reiſegefaͤhrte, Hr. Ehrenberg hat ſehr intereſſante Nachrich-ten uͤber dieſe Tiger im noͤrdlichen Aſien, und den langhaarigenPanther der von Kaſchghar bis zum Mittellauf der Lena lebt, be-kannt gemacht. Annal. des sciences nat., T. XXI, p. 187 — 412.
|167| mußten. *) Ich faſſe es, wie nach Maaßgabe, daß die Atmoſphaͤrekaͤlter wurde (weil die Thaͤtigkeit des Innern der Erde auf ihreauͤßere Kruſte minder maͤchtig geweſen iſt, weil die Spalten ſich mitveſten Materien oder eingeſchalteten Geſteinen ausgefuͤllt haben, weilbei der neuen Ordnung der Dinge die Vertheilung des Klimas faſteinzig abhangig geworden iſt von der Ungleichfoͤrmigkeit des ſolarenStrahlens), die Tribus der Pflanzen und Thiere, deren Organiſa-tion eine Gleichfoͤrmigkeit hoͤherer Temperatur erforderte, nach undnach erloſchen ſind.
Unter den Thieren haben ſich einige der kraͤftigſten Racenohne Zweifel nach dem Norden zuruͤckgezogen und einige Zeit nochin Regionen gelebt, die den Tropen benachbart ſind. Spezies undVarietaͤten (ich erinnere an die Loͤwen des alten Griechenlands, denKoͤnigstiger der Dzungarei, den ſchoͤnen langhaarigen Panther Ir-bis Sibiriens) ſind weniger weit gegangen; ſie haben ſich durchihre Organiſation und die Wirkungen der Gewohnheit in der Mitteder gemaͤßigten Zone, und ſelbſt (das iſt die Meinung von Hrn.Cuvier in Beziehung auf die dickhaarigen Pachydermen) in vielnoͤrdlicheren Regionen akklimatiſiren koͤnnen. Wenn nun aber beieiner der letzten Umwaͤlzungen, welche die Oberflaͤche unſeres Pla-neten erlitten hat, z. B. bei der Erhebung einer ſehr neuern Ge-birgskette, waͤhrend des ſibiriſchen Sommers, Elephanten mit ſtump-ferm Unterkiefer, mit viel enger und weniger krumm gebaͤndertenZaͤhnen, wenn doppelt gehoͤrnte Rhinoceros, ſehr verſchieden vondenen in Sumatra und Afrika, nach den Ufern des Wilhui undan die Muͤndungen der Lena getrieben ſind, ſo haben ihre Kadaverdaſelbſt in allen Jahreszeiten, in der Tiefe von einigen Fußen, dickeSchichten gefrorner Erde gefunden, welche geeignet ſind, ſie vor derVerweſung zu bewahren. Leichte Erſchuͤtterungen, Spalten desBodens, Veraͤnderungen im Zuſtande der Oberflaͤche, weit wenigerwichtig als die, welche noch in unſern Tagen auf dem Plateau vonQuito oder im oſtindiſchen Archipelagus Statt gefunden haben, koͤn-nen jene Erhaltung der Muskel- oder faſrigen Theile von Elephan-
*) Abhandl. der Akab. der Wiſſenſchaften zu Berlin, 1822. p. 154,und meine Anſichten der Natur, 2 Edit. II, p. 183. Ich bemerkemit einer lebhaften Genugthuung, daß Hr. Buckland, der uns ſoviele merkwuͤrdige Thatſachen uͤber das Leben und die Gewohnheitender antediluvianiſchen Thiere kennen gelehrt hat, bei dieſer innigenVerbindung zwiſchen der Coexiſtenz, oder vielmehr zwiſchen den Lo-kalitaͤts-Verhaͤltniſſen der lithophytiſchen Korallen, der monocoty-ledonen Hoͤlzer, der See-Schildkroͤte (Chelonia) und der foſſilenMaſtodonten der kalten Regionen ſtehen bleibt (Beechey T. II,p. 611.)
|168| ten und Rhinoceros bewirkt haben. Die Annahme einer ploͤtzlichenErkaltung des Erdkoͤrpers ſcheint mir folglich keines Weges noth-wendig zu ſein. Man muß es nicht vergeſſen, daß der Koͤnigstiger,den wir ein Thier der heißen Zone zu nennen gewohnt ſind, nochheute, in Aſien von dem Ende Hinduſtan’s bis zum Tarbagatai,am Ober-Irtyſch und in der Kirghiſen-Steppe, auf einer Ausdeh-nung von 40 Grad der Breite lebt, und daß er von Zeit zu ZeitStreifzuͤge um hundert Meilen weiter gegen Norden unternimmt.Individuen, welche im Norden von Aſien bis zum Parallel von62° oder 65° gelangten, koͤnnten durch den Effekt von Einſtuͤrzun-gen oder unter andern wenig außerordentlichen Umſtaͤnden, in demgegenwaͤrtigen Zuſtande der aſiatiſchen Klimate, Phaͤnomene vonErhaltung darbieten, die denen des Mammuth von Hrn. Adamsund der Rhinoceros des Wilhui ſehr aͤhnlich waͤren. Ich habe ge-glaubt den Naturforſchern und Geologen dieſe Betrachtungen uͤberdie gewoͤhnliche Temperatur des Bodens im Norden von Aſien,und uͤber die geographiſche Verbreitung einer und derſelben Speciesgroßer Fleiſchfreſſer (der Koͤnigstiger) von der Aequatorial-Zonebis zur Breite des noͤrdlichen Deutſchlands, vorzulegen. Man wirdnicht, ich glaube mir deſſen ſchmeicheln zu duͤrfen, das vermengen,was in das Gebiet wahrſcheinlicher Hypotheſen, und das was zu dennumeriſchen Elementen der Klimatologie gehoͤrt, die der Beſtimmtheitund eines hohen Grades von Gewißheit faͤhig ſind.
[Fragmens de Géologie et de Climato-logie asiatiques, T. II. p. 309 — 395.] *)

*) Um den Zuſammenhang dieſer Wohnſtaͤtte des Koͤnigstigers zubeweiſen, auf einer Bande die, von Suͤden nach Norden, mehr alstauſend Meilen Laͤnge mißt, fuͤge ich den, in dem zoologiſchen Me-moir des Hrn. Ehrenberg erwaͤhnten Regionen zwiſchen dem Altaiund den Himmelsbergen noch die, mit großen Roͤhrigt bedeckten Mo-raͤſte in der Gegend der Stadt Schayar hinzu; dieſe Stadt (unterdem Parallel von Konſtantinopel und des noͤrdlichen Spaniens)liegt in der kleinen Bukharei und ihre Suͤmpfe ſind der Aufenthaltſehr wilder Tiger.