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Alexander von Humboldt: „Ueber die Gesetze in der Vertheilung der Pflanzenformen. (Gelesen im franz. Institut am 5ten Hornung 1816)“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1816-Sur_les_lois-4> [abgerufen am 27.04.2024].

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Titel Ueber die Gesetze in der Vertheilung der Pflanzenformen. (Gelesen im franz. Institut am 5ten Hornung 1816)
Jahr 1817
Ort Jena
Nachweis
in: Isis, Osiris, Anubis oder Encyklopädische Zeitung 2:23 (1817), Sp. [177]–184; 2:24 (1817), Sp. [185].
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: III.33
Dateiname: 1816-Sur_les_lois-4
Statistiken
Seitenanzahl: 5
Spaltenanzahl: 9
Zeichenanzahl: 19256

Weitere Fassungen
Sur les Lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales (Paris, 1816, Französisch)
On the Laws observed in the Distribution of vegetable Forms (London, 1816, Englisch)
Ueber die Gesetze, welche man in der Vertheilung der Pflanzenformen beobachtet. – Auszug aus einer am 5. Febr. 1816. in der Sitzung des Par. Instituts vorgelesenen Abhandlung. Aus dem Franz. der Ann. de Chemie et de Physique, Mars 1816. übersetzt von Dr. Martius (Nürnberg, 1816, Deutsch)
Ueber die Gesetze in der Vertheilung der Pflanzenformen. (Gelesen im franz. Institut am 5ten Hornung 1816) (Jena, 1817, Deutsch)
[Sur les Lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales] (London, 1819, Englisch)
Humboldt on the Geography of Plants (Edinburgh, 1819, Englisch)
[Sur les Lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales] (Edinburgh, 1819, Englisch)
[Sur les Lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales] (Edinburgh, 1823, Englisch)
Ueber die Beziehungen, welche in der Vertheilung der Pflanzen-Samen beobachtet werden (Frankfurt am Main, 1830, Deutsch)
|Seitenumbruch|

Ueber die Geſetze in der Vertheilung der Pflanzenformen,beobachtet von A. v. Humboldt. (Geleſen im franz. Inſtitut am 5ten Hornung 1816.)

|177| Die Pflanzenkunde, lang auf die bloße Be-ſchreibung der aͤußern Form der Pflanzen und ihrekuͤnſtliche Klaſſification beſchraͤnkt, hat jetzt einigeZweige gewonnen, wodurch ſie ſich mit andern Wiſ-ſenſchaften mehr auf gleichen Fuß ſtellt. Dergleichenſind die Vertheilung der Pflanzen nach einem na-tuͤrlichen Syſtem gegruͤndet auf alle Theile ihresBaus; die Phyſiologie, welche ihre innere Or-ganiſation entwickelt; die Pflanzen-Geographie, welche jeder Pflanzenzunft ihre Hoͤhe, Graͤnzen unddas Klima anweist. Die Ausdruͤcke: Alpen-, Ge-birgs-, Kuͤſten-Pflanzen finden ſich in allen Sprachen,ſelbſt in der der wildeſten Voͤlker am Ufer des Ore-nochs. Dieſes beweist, daß die Aufmerkſamkeit derMenſchen uͤberall auf die Vertheilung der Pfl. undauf ihren Zuſammenhang mit der Luftwaͤrme, aufdie Erhoͤhung des Bodens und auf die Natur deſſel-ben gerichtet war. Es braucht nicht viel Klugheit, um zu bemerken,daß an der Halde der hohen Gebirge Armeniens Pflan-zen von verſchiedenen Erdbreiten ſich nach Maßgabe derHoͤhen ſo folgen wie die Klimate. Dieſe Ideen von Tournefort, entwickelt von Linne in zwei wichtigenDiſſertationen (Stationes et Coloniae Plantarum) enthaͤlt ſchon die erſte Saat zur Pfanzen-Geo-graphie. Menzel, Vfr einer nicht erſchienenen Flore von Japan, empfiehlt den Reiſenden ange-legentlich auf die Vertheilung der Arten in verſchie-denen Erdgegenden zu achten. Er hat die Sache dar- |178| geſtellt, eh man den Namen Pflanzen-Geogr. hatte.Dieſe Benennung hat zuerſt im Jahr 1783 der Abbe Giraud Soulavie und der beruͤhmte Vfr der Etudesde la Nature angewendet, ein Werk, welches untereiner Menge unrichtiger Ideen uͤber die Phyſik derErde, einige tiefe und geniale Blicke in die Formen,Verhaͤltniſſe und Eigenheiten der Pflanzen enthaͤlt.Abbe G. S. beſchaͤftigte ſich vorzuͤglich mit bereits an-gebauten Pfln: er hat die Klimate der Olivenbaͤume,der Reben und der Keſten beſtimmt. Er gibt einenſeigern Durchſchnitt des Bergs Mezin, bei dem erdie barometriſche Hoͤhe angab, weil, ſo ſagt er, ergroße Vorachtung gegen alle Reſultate barometriſcherMeſſungen habe. Auf ſeine Pflanzen-Geogr. des ſuͤdlichen Frank-reichs folgte 1800 Stromeyers (ſeitdem Profeſſorder Chemie in Goͤttingen) Tentamen Historiae geo-graphicae Vegetabilium in Geſtalt einer Diſſerta-tion (und zu gleicher Zeit Ebermeyers); aber dieſeDiſſertation enthaͤlt vielmehr den Plan eines kuͤnfti-gen Werks, das Verzeichniß der verglichenen Schrift-ſteller, und dann Angaben der Hoͤhen, in denen wildePflanzen in verſchiedenen Klimaten noch vorkommen.Derſelbe Fall iſt es mit den wahrhaft philoſophi-ſchen Blicken, die Treviranus in ſeinem Ver-ſuch der Biologie ankuͤndiget. Wir finden dar-inn allgemeine Betrachtungen aber keine Hoͤhenmeſ-ſungen, keine Thermometer-Angaben, welches dieveſten Grundlagen der Pflanzen-Geographie ſind. |Seitenumbruch| |179| Dieſes Studium kam nicht zum Rang einer Wiſſen-ſchaft, bis wiſſenſchaftliche Maͤnner die barometri-ſchen Hoͤhenmeſſungen, und die mittleren Waͤrmebe-ſtimmungen vervollkommnet hatten. Was iſt aberwichtiger fuͤr die Entwickelung der Vegetation, alsdie Beſtimmung der Unterſchiede zwiſchen der Waͤrmedes Sommers und Winters, des Tags und derNacht? Wenige wiſſenſchaftliche Zweige haben inunſern Tagen ſchnellere Fortſchritte gemacht, undzwiſchen den erſten Bemuͤhungen und der jetzigen Pe-riode lag keine lange Zeit, wo durch die vereintenBeobachtungen einer großen Anzahl von Reiſendenwir im Stande waren, die Pflanzengraͤnzen in Lapp-land, in den Pyrenaͤen, den Alpen, im Caucaſus undin den Cordilleren von Amerika veſtzuſetzen. Die Pfl., welche die ungeheure Erdflaͤche bede-cken, zeigen Unterſchiede in der Vertheilung ihrerFormen, wenn wir ſie nach natuͤrlichen Klaſſen oderFamilien durchgehen. Auf dieſes Vertheilungsgeſetzhabe ich neuerlich meine Aufmerkſamkeit gerichtet.Wenn wir ſie auf die Gegenden beſchraͤnken, in de-nen die Zahl der Arten genau bekannt iſt (Lappland,Frankreich, England uſw. (gehoͤrt Deutſchland nichtauch namentlich dazu?) nach den Hrn. Wahlen-berg, Buch, Ramond, Decandolle und Smith),und wenn wir dieſe Zahl durch die der Glumaceae (enthalten 3 Familien, Gramineae, Cyperaceae und Juncaceae), der Huͤlſen-, Lippen- und zuſammenge-ſetzten Pflanzen theilen, ſo finden wir numeriſcheVerhaͤltniſſe, welche wahrhaft regelmaͤßige Reihenbilden. Wir ſehen gewiſſe Formen vom Aequatorgegen den (Nord-)Pol gemeiner werden, wie Farren, Glumaceae, Ericineae und Rhododendern. AndereFormen dagegen nehmen von den Polen gegen denAequator zu, und moͤgen in unſerer Erdhaͤlfte alsſuͤdliche betrachtet werden, ſo Rubiaceae, Malvaceae,Euphorbiae, Huͤlſen und Zuſammengeſetzte. Endlichandere erreichen ihr Hoͤchſtes eben in der gemaͤßigtenZone, und mindern ſich gegen den Aequator und diePole; dergleichen ſind die Lippenblumen, Kaͤtzchenpfl.,Kreutzblumen und Doldenpflanzen. Ein Theil dieſer Angaben iſt ſchon ſeit langemden botaniſchen Reiſenden aufgefallen, und allen de-nen, die Herbarien angeſehen haben. Es war be-kannt, daß die Kreutzblumen und Doldenpflanzen meiſtgaͤnzlich in den Ebenen der heißen Zone verſchwin-den, und daß unter den Polkreiſen keine von denMalvaceen gefunden wird. Mit der Pflanzen-Geogr.ſteht es wie mit der Meteorologie. Die Reſultatedieſer Wiſſenſchaften ſind ſo einfach, daß zu allen |180| Zeiten allgemeine Ideen daruͤber entſtanden: aber nurdurch muͤhſame Nachforſchungen kann man nume-riſche Reſultate erhalten, und mit den theilweiſenModificationen bekannt werden durch das Geſetzder Formenvertheilung. Eine Tafel, die wir gezeichnet, ſtellt dieſes Ge-ſetz auf in Hinſicht auf 16 Pflanzenfamilien vertheiltuͤber die heiße, gemaͤßigte und kalte Zone. Wir ſe-hen mit Vergnuͤgen und Ueberraſchung, wie in derorganiſchen Natur die Formen beſtaͤndige Verhaͤlt-niſſe unter gleichwarmen Parallelen zeigen. Die Graͤſer machen in England \( \frac{1}{12} \), in Frank-reich \( \frac{1}{8} \), in Nord-Amerika \( \frac{1}{8} \), in Neu-Holland nach Brown \( \frac{1}{8} \) der bekannten Phaͤnogamen aus. Die zuſammengeſetzten Pflanzen nehmen im noͤrd-lichen Theil des neuen Continents etwas zu, undbetragen nach der neuen Flora von Purſh zwi-ſchen den Parellelen von Georgien und Boſton \( \frac{1}{6} \),waͤhrend wir in Deutſchland \( \frac{1}{8} \), in Frankreich \( \frac{1}{7} \) vonallen Phaͤnogamen finden. In der ganzen heißen Zone ſind die Glumaceae und Zuſammengeſetzten zuſammen faſt \( \frac{1}{4} \) der Phaͤno-gamen, beide nebſt den Kreutzblumen und Huͤlſen zu-ſammen nah \( \frac{1}{3} \). Es ergibt ſich aus dieſen Nachſuchungen, daß dieFormen der organiſchen Weſen in einer wechſelſeiti-gen Abhaͤngigkeit ſtehen, und daß die Einheit derNatur ſo iſt, daß die Formen begraͤnzt ſind, einenach der andern, gemaͤß beſtaͤndigen, leicht beſtimm-baren Geſetzen. Wenn wir auf einem Punct der Erdedie Zahl der Arten von einer der großen Familien der Glumaceae, Compositae, Cruciatae oder Legumi-nosae kennen; ſo koͤnnen wir mit betraͤchtlicherWahrſcheinlichkeit beides ſchaͤtzen: die Geſammtzahlder Phaͤnogamen, und die Zahl der Arten, welchedie anderen Pflanzenfamilien ausfuͤllen. Es geht ſoweit, daß, wenn man in der gemaͤßigten Zone dieZahl der Cyperaceae oder Compositae weiß, mandie der Gramineae oder Leguminosae errathen kann. Die Zahl der Pflanzenarten beſchrieben von Bo-tanikern, oder weſend in europaͤiſchen Herbarien, er-ſtreckt ſich auf 44,000, wovon 6000 Agamen (Cryp-togamen, Wurzelpflanzen). In dieſe Zahl habenwir bereits 3000 Phaͤnogamen aufgenommen, die Mr. Bonpland und ich aufgezaͤhlt haben. Frankreichbeſitzt nach Decandolle 3645 Phaͤnogamen-Arten,von denen 460 Glumaceae, 490 Compositae (ſalat-artige), und 230 Leguminosae (Huͤlſen). In Lapp-land gibt es nur 497 Phaͤnogamen, worunter 124 Glumaceae, 58 Comp., 14 Leg., 23 Amentaceae. |Seitenumbruch| |181| (Sieh meinen Verſuch uͤber die Geographie der Pflan-zen 1806, wovon ich eine neue Ausgabe zubereite.) Bei Aufzaͤhlung der Unterſchiede, welche bis-weilen zwiſchen den Verhaͤltniſſen vorkommen, dieDeutſchland, Nord-Amerika und Frankreich zeigen,muß man in Betracht ziehen, welche von dieſen Ge-genden mehr oder weniger gemaͤßigte Klimate beſitzen.Frankreich reicht vom 42\( \frac{1}{2} \)° bis 51 NB. In dieſerAusdehnung iſt die mittle jaͤhrliche Waͤrme 16° 7′bis 11°: die Mittelwaͤrme der Sommermonate iſt24° bis 19°. Deutſchland, zwiſchen 46° und 54 N. B.zeigt an ſeinen Enden mittle jaͤhrliche Waͤrme 12° 5′und 8° 5′. Mittelwaͤrme der S. M. iſt 21° und 18°.Nord-Amerika hat in ſeiner unermeßlichen Ausdeh-nung die verſchiedenſten Klimate. Hr. Purſh hatuns 2000 Phaͤnogamen bekannt gemacht, welche zwi-ſchen den Parallelen 35 und 44° wachſen; folglichunter jaͤhrlicher Mittelwaͤrme von 16 und 7°. DieFlora von N. Amerika iſt ein Gemiſch von mehrerenFloren. Die Suͤdgegenden enthalten einen Ueberflußvon Malvaceae und Compositae; die Nordgegenden,kaͤlter als Europa unter derſelben Parallele lieferndieſer Flora eine Menge Rhododendern, Kaͤtzchen-und Zapfenbaͤume. Die Caryophylleae, Umbelli-ferae und Cruciferae ſind im Ganzen ſeltener inN. Am., als in der gemaͤßigten Zone der alten Welt. Dieſe beſtaͤndigen Verhaͤltniſſe beobachtet auf derErdkugel, in den Ebenen vom Aequator bis zumPol, wiederholen ſich mitten im ewigen Schnee aufden Gipfeln der Gebirge. Wir duͤrfen im Allgemei-nen annehmen, daß auf den Kordilleren der heißenZone die noͤrdlichen Formen haͤufiger werden. Soſehen wir bei Quito auf der Hoͤhe der Anden die Ericineae (Heiden), die Rhododendra (Alpenroſen),und die Gramineae (Graͤſer) vorherrſchen. Da-gegen die Labiatae (Lippenblumen), Rubiaceae (Stel-latae), Malvaceae und Euphorbiaceae werden daſo ſelten als in Lappland. Doch dieſe Uebereinſtim-mung gilt nicht von den Farren und Compositae(Syngenesia). Die letzten ſind in Ueberfluß in denAnden, waͤhrend die erſten allmaͤhlig verſchwinden,wenn die Hoͤhe an 800 Klafter erreicht. So gleichtdas Klima der Anden dem des noͤrdlichen Europasallein mit Ruͤckſicht auf die mittle jaͤhrige Temperatur.Die Vertheilung der Waͤrme in den verſchiedenenJahrszeiten iſt gaͤnzlich verſchieden, und dieſes wirktmaͤchtig auf die Vegetation. Im Allgemeinen ſinddie Formen, welche unter den Alpenpflanzen vor-herrſchen, zufolge meiner Nachſuchungen in derheißen Zone die Gramineae (Aegopogon, Podo- |182| saemum, Deyeuxia, Avena); die Compositae (Cul-citium, Espeletia, Aster, Baccharis); und die Ca-ryophylleae (Arenaria, Stellaria). In der ge-maͤßigten Zone die Compositae (Senecio, Leon-todon, Aster); die Caryophylleae (Cerastium, Cher-leria, Silene), und die Cruciferae (Draba, Lepi-dium). In der kalten Zone die Caryophyl-leae (Stellaria, Alsine); die Ericineae (Andromeda) und die Ranunculaceae. Dieſe Nachſuchungen nach den Geſetzen der For-menvertheilung leitet uns natuͤrlich zu der Frage: obes in beiden Welten gemeinſchaftliche Pflanzen gibt?Eine Frage, welche um ſo mehr Wichtigkeit einfloͤßt,als ſie eine der wichtigſten Aufgaben in der Zoonomieberuͤhrt. Es war ſchon lang bekannt, und es iſt einsder intereſſanteſten Ergebniſſe von der Geographieder Thiere, daß weder ein vierfuͤßiges Saͤugthier,noch ein Vogel, und wie es nach Latreilles Nach-ſuchungen ſcheint, ſelbſt kein Inſect den Aequatorial-gegenden beider Welten gemein iſt. Mr. Cuvier iſtdurch genaue Unterſuchungen uͤberzeugt, daß dieſeRegel auch auf die Lurche (Reptiles) anwendbar iſt.Er hat vergewißt, daß die aͤchte Boa (Draco) Con-ſtrictor Amerika eigenthuͤmlich iſt, und daß die Boae der alten Welt Pythones ſeyen. Was die Gegendenaußer den Wendkreiſen betrifft; ſo hat Buffon uͤber-maͤßig die Zahl der Thiere vervielfaͤltiget, welcheAmerika, Europa und Nord-Aſien gemein ſind. Wirſind gewiß, daß der Biſon, Hirſch und Geis vonAmerika, das Kaninchen und die Biſamratte (On-datra), der Baͤr uſw. uſw. (!) voͤllig verſchiedeneArten von den europaͤiſchen ſind, obſchon Buffon das Gegentheil verſicherte. Es blieben nur der Jaͤrf(Filfraß), der Wolf, der Eisbaͤr, der Rothfuchs,vielleicht auch das Elenn, welche nicht hinlaͤnglicheCharaktere haben, um ſie artverſchieden auszuſprechen. Unter den Pflanzen muͤſſen wir zwiſchen den Agamae und den Cotyledoneae einen Unterſchiedmachen, und in Betracht der letzten, zwiſchen den Mono- und Dicotyledoneae. Es bleibt kein Zwei-fel, daß manche Mooſe und Flechten zugleich im hei-ßen Amerika und in Europa gefunden werden: daszeigen unſere Herbarien. Aber der Fall iſt nicht der-ſelbe mit den Gefaͤß-Agamen wie mit den Zellen-Aga-men. Die Farren und die Baͤrlappen (Lycopodia-ceae) folgen nicht denſelben Geſetzen, denen dieMooſe und Flechten. Die erſten insbeſondere zeigenſehr wenig Arten, die allgemein gefunden werden;und die angefuͤhrten Beiſpiele ſind haͤufig zweifelhaft.Bei den Phaͤnogamen ſcheint Buffons Geſetz genau |Seitenumbruch| |183| mit Ruͤckſicht auf die dicotyledoniſchen Arten (ausge-nommen Rhizophora, Avicennia und einige an-dere Strandpflanzen). Es iſt durchaus falſch, ob-ſchon es oft behauptet worden, daß die Kette derKordilleren in Peru, deren Klima einige Aehnlich-keit mit dem von Frankreich oder Schweden hat,gleiche Pflanzen hervorbringe. Die Eichen, Tan-nen, Eiben, Ranunculi, Roſenblumen, Alchemil-lae, Valerianae, Stellaria, Draba der peruiſchenund mexicaniſchen Anden haben ziemlich daſſelbe Aus-ſehen mit den Arten derſelben Genera in N. Amerika,Sibirien oder Europa. Aber alle dieſe Alpenpflanzender Kordilleren, ohne eine von den 3 oder 4000,welche wir unterſucht haben, auszunehmen, weichenartig von den aͤhnlichen Arten der gemaͤßigten Zoneder alten Welt ab. Im Allgemeinen ſind in dieſemzwiſchen den Tropen gelegenen Theil von Amerikadie Monocotyledonen allein, und unter dieſen meiſtallein die Cyperaceae und die Gramineae beidenWelten gemein. Doch zwei Familien machen eineAusnahme von dem allgemeinen Geſetz, welches wirhier unterſuchen, — ein Geſetz, welches fuͤr die Ge-ſchichte der Planeten-Kataſtrophen von hoͤchſter Wich-tigkeit iſt, und dem gemaͤß die organiſchen Weſender heißen Gegenden weſentlich von einander ver-ſchieden ſind in den beiden Welten. In meinen Pro-legomena habe ich ein genaues Verzeichniß dieſermonocotyledoniſchen, den Ufern des Orenoch, Deutſch-land und Oſt-Indien gemeinſchaftlichen Pflanzen ge-geben. Ihre Zahl uͤberſteigt nicht 20 oder 24 Arten,unter denen es hinreicht Cyperus mucronatus, hy-dra, Hypaelyptum argenteum, Poa eragrostis, An-dropogon, Allionia etc. anzufuͤhren. In N. Amerika außer den Tropen finden wirnah an \( \frac{1}{7} \) Mono- und Dicotyledonen gemeinſchaftlichbeiden Welten. Unter 2900 Phaͤnogamen der Floraameric. of Purſh ſind 390 europaͤiſch. Es iſt wahr,daß wir einige Zweifel hegen, ſowohl in Hinſichtauf die Menge von Pflanzen, welche die Europaͤervou einer Welt in die andere begleitet haben, alsauch uͤber die, welche genauer unterſucht in der Folgeals neue Arten erkannt werden; allein es iſt unmoͤg-lich, daß dieſe Unſicherheit ſich auf alle ausdehnenlaſſe, und man darf vorausſetzen, daß nach einerſorgfaͤltigen Unterſuchung die Zahl der Arten, welcheder gemaͤßigten Zone beider Welten gemein ſind, ſichſehr aͤhnlich zeigen werden. Rob. Brown hat kuͤrz-lich einige Nachſuchungen uͤber die Pflanzen von |184| Neu-Holland angeſtellt. Ein \( \frac{1}{28} \) aller Monocotyle-donen bisher daſelbſt gefunden, iſt gleich mit denenin England, Frankreich, Deutſchland. Unter denDicotyledonen iſt das Verhaͤltniß nur \( \frac{1}{200} \), welchesnoch einmal beweist, daß in den zwei Welten die Graͤ-ſer und Gyperaceae am meiſten verbreitet ſind, uͤber-einſtimmend mit der außerordentlichen Nachgiebigkeitihrer Organiſation. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß un-terrichtete Zoologen unternaͤhmen die analogiſchenZahlenverhaͤltniſſe in Vertheilung der verſchiedenſtenThierfamilien uͤber die Erde zu unterſuchen. In der ſuͤdlichen Halbkugel erſtrecken ſich diePflanzenformen der heißen Zone weiter gegen denPol als in der noͤrdlichen. Die Farrenbaͤume inAſien und Amerika werden ſelten außer dem Krebs-kreis angetroffen, waͤhrend auf der Suͤdhaͤlfte die Dickſonia antarctica, deren Stamm 18 Schuh hochwird, ihre Wanderſchaft bis nach Van Diemens Land treibt unter 42° S.B. Ebenſo traf man ſiein Neu-Seeland, an der Dusky Bai (46°), unterder Parallele von Lyon. Andere, nicht weniger majeſtaͤtiſche Formen, undvon denen man dachte, ſie gehoͤrten ausſchließlich derAequator-Flora an, die Schmarotzer-Orchiden (Epi-dendrum, Dendrobium) findet man gemiſcht mitden baumartigen Farren jenſeits des Steinbockkrei-ſes, in der Mitte der ſuͤdlichen gemaͤßigten Zone.Dieſe Erſcheinungen der Pflanzengeographie bewei-ſen, wie unveſt das iſt, was man allgemein von dergroßen Verminderung der Waͤrme auf der ſuͤdlichenHalbkugel redet, ohne zwiſchen den, dem Pol mehroder weniger nahen Parallelen zu unterſcheiden, undohne Ruͤckſicht auf die Vertheilung der Hitze unterden verſchiedenen Jahrszeiten. Dieſe Gegenden ge-gen die ſich die Aequinoctial-Formen erſtrecken, be-ſitzen in Betracht der Unermeßlichkeit der Meere,welche ſie umgeben, ein wahres Inſelklima. VomSteinbockkreis bis zur Parallele vom 34° und viel-leicht noch weiter iſt die mittle jaͤhrliche Hitze auf bei-den Halbkugeln nicht betraͤchtlich verſchieden. Wer-fen wir unſere Augen auf die drei Continente, Neu-Holland, Afrika und Amerika, ſo finden wir diemittle jaͤhrige Waͤrme im Hafen Jackſon (33° 51′S.B., in N. Holl.) 19° des 100grad. Thermometers,am Vorgebirg d. g. Hoffnung (33° 55′ S.B.)19° 4′, in Buenos Ayres (34° 36′) 19° 7′.Dieſe große Uebereinſtimmung in der Vertheilung derHitze bei 34° S.B. koͤnnte uͤberraſchen. |Seitenumbruch| |185| Noch genauere meteorologiſche Beobachtungenbeweiſen, daß in der noͤrdlichen Halbkugel, unterderſelben Parallele von 34° die mittle Waͤrme 19° 8′iſt. Ruͤckt man gegen den Suͤdpol weiter, etwa bis57°, ſo weichen die Waͤrmen der beiden Halbkugelnweniger im Winter als im Sommer von einander ab.Die Malwinen unterm 51\( \frac{1}{2} \)° S.B. haben im Win-ter weniger Kaͤlte als London. Die mittle Waͤrmevon Diemens-Land ſcheint 10° zu ſeyn. Es friertWinters, aber nicht ſo ſehr daß dadurch die Farren-baͤume und die Schmarotzer-Orchiden zerſtoͤrt wuͤrden.In den angraͤnzenden Meeren ſah unter 42° S.B. Cook das Thermometer nie unter 6° 6′ mitten imWinter (July) fallen. Auf dieſe ſehr milden Winterfolgen Sommer, die ſich durch ungewoͤhnliche Kaͤlteauszeichnen. Am Suͤd-End Neu-Hollands (40° 41′)ſteigt die mittle Waͤrme mitten im Sommer undmitten im Tag ſelten hoͤher als 12—14°, und inPatagonien wie im anliegenden Meer (48—58°) iſtdie Mittelwaͤrme des waͤrmſten Monats nur 7—8°,waͤhrend in der noͤrdlichen Erdhaͤlfte zu Peters-burg und Umeo (59° 56′ und 63° 50′) dieſe Waͤr-me uͤber 17—19 ſteigt. Es iſt dieſe milde Waͤrmeder Inſeln, welche in den ſuͤdlichen Gegenden zwi-ſchen 30 und 40° B. herrſcht, die den Pflanzenfor-men erlaubt, uͤber den Steinbockkreis hinauszuge-hen. Sie verſchoͤnern einen großen Theil der gemaͤ-ßigten Zone, und die Genera, welche die Einwoh-ner der noͤrdlichen Halbkugel als ausſchließlich dentropiſchen Klimaten angehoͤrig betrachten, erſcheinenmit zahlreichen Arten zwiſchen den Parallelen von35 und 48° S.B.