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Alexander von Humboldt: „Ueber die Beziehungen, welche in der Vertheilung der Pflanzen-Samen beobachtet werden“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1816-Sur_les_lois-9-neu> [abgerufen am 18.04.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1816-Sur_les_lois-9-neu
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Titel Ueber die Beziehungen, welche in der Vertheilung der Pflanzen-Samen beobachtet werden
Jahr 1830
Ort Frankfurt am Main
Nachweis
in: Allgemeine Forst- und Jagd-Zeitung 6:119 (5. Oktober 1830), S. [475]–476, 6:120 (7. Oktober 1830), S. 477–479, 6:121 (9. Oktober 1830), S. [481].
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Tabellensatz.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: III.33
Dateiname: 1816-Sur_les_lois-9-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 6
Spaltenanzahl: 13
Zeichenanzahl: 18700

Weitere Fassungen
Sur les Lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales (Paris, 1816, Französisch)
On the Laws observed in the Distribution of vegetable Forms (London, 1816, Englisch)
Ueber die Gesetze, welche man in der Vertheilung der Pflanzenformen beobachtet. – Auszug aus einer am 5. Febr. 1816. in der Sitzung des Par. Instituts vorgelesenen Abhandlung. Aus dem Franz. der Ann. de Chemie et de Physique, Mars 1816. übersetzt von Dr. Martius (Nürnberg, 1816, Deutsch)
Ueber die Gesetze in der Vertheilung der Pflanzenformen. (Gelesen im franz. Institut am 5ten Hornung 1816) (Jena, 1817, Deutsch)
[Sur les Lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales] (London, 1819, Englisch)
Humboldt on the Geography of Plants (Edinburgh, 1819, Englisch)
[Sur les Lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales] (Edinburgh, 1819, Englisch)
[Sur les Lois que l’on observe dans la distribution des formes végétales] (Edinburgh, 1823, Englisch)
Ueber die Beziehungen, welche in der Vertheilung der Pflanzen-Samen beobachtet werden (Frankfurt am Main, 1830, Deutsch)
|375||Spaltenumbruch|

Ueber die Beziehungen, welche in der Vertheilungder Pflanzen-Samen beobachtet werden.

(Auszug aus einer Abhandlung von Alexander von Humbold.) Den interreſſanten Unterſuchungen Al. v. Hum-bolds uͤber die geographiſche Vertheilung des Pflan-zenreichs verdanken wir die Entwickelung der Ver-breitungs-Geſetze der allgemeiner vorkommendenPflanzen-Familien uͤber die Oberflaͤche der Erde.Dadurch wurden Decandolle, Wahlenberg,Brown, Schouw, Zegetſchweiler, und andereneuere Botaniker zu naͤhern Unterſuchungen uͤber dieGeſetze der geographiſchen Vertheilung der Pflanzenmehrerer Laͤnder beſtimmt. Die allgemeinen Verbreitungs-Verhaͤltniſſe ver-dienen daher um ſo mehr Aufmerkſamkeit, als aufihnen zugleich mehrfache Beziehungen der Pflanzen-geographie beruhen, welche jeder Gewaͤchs-Gruppeihre Hoͤhe, ihre Graͤnzen und Klimate beſtimmt: denndie Worte Alpenpflanzen, Pflanzen heißerLaͤnder, Meerpflanzen &c. finden ſich in allenSprachen, ſelbſt in denen der wildeſten Voͤlker am |Spaltenumbruch|Ornikko und beweiſen, daß die Aufmerkſamkeit derMenſchen beſtaͤndig auf die Vertheilung der Pflan-zen, und auf deren Beziehungen zu der Lufttempe-ratur, auf die Erhebung des Bodens, und auf dieNatur der von ihnen bewohnten Landſtriche gerich-tet war. Nachzuweiſen, wie am Abhange der hohen Ge-birge Armeniens, Pflanzen verſchiedener Breiten auf-einander folgen, und wie daſelbſt verſchiedene Kli-mate uͤbereinander liegen, bedurfte keines großenScharfſinnes. Die wiſſenſchaftlichen Bedingungender Pflanzen-Geographie ſind in den Ideen begruͤn-det, welche Tournefort zuerſt aufſtellte und Linné in zwei intereſſanten Diſſertationen entwickelte.Auch Menzel empfahl ſchon fruͤh den Reiſenden drin-gend, Unterſuchungen in Beziehung auf die Verbrei-tung der Pflanzen uͤber die verſchiedene Gegendendes Erdballes. Spaͤter jedoch, nachdem man angefangen hatte,die Hoͤhemeſſungen durch barometriſche Nivellementsauf die Beſtimmungen der mittleren Temperaturzu vervollkommnen, oder was fuͤr die Entwicklungder Vegetation von großer Wichtigkeit iſt, — dieUnterſchiede der Temperatur des Sommers undWinters, ſo wie der Tage und Naͤchte genauer anzu-geben, erhob ſich des Studium der Pflanzen-Geogra-phie zur Wiſſenſchaft, welche ſo raſche Fortſchrittemachte, daß man durch die vereinigte Arbeiten vielerReiſenden dahingekommen iſt, die Vegetations-Linien in Lappland, Norwegen, Schweden, in denPyrenaͤen, auf dem Ruͤcken der Alpen und vielenandern zwiſchen dieſen Laͤndern liegenden Gegenden,dem Kaukaſus und in den Cordilleren beſtimmen zukoͤnnen. Die Forſtzeitung ſcheint bei ihrer großen Ver-breitung die paſſendeſte Zeitſchrift, Humbolds An-ſichten uͤber dieſen Gegenſtand allgemeiner bekanntzu machen, weßwegen ſie hier kurz mitgetheilt wer-den ſollen. Die uͤber die Oberflaͤche unſerer Erde verbreite-ten Pflanzen bieten in Beziehung auf die Verthei-lung der Formen, wenn man ſie nach Klaſſen odernatuͤrlichen Familien betrachtet, auffallende Unterſchie-de dar. Beſchraͤnkt man ſich auf die Laͤnder, derenPflanzenarten genau bekannt ſind, z. B. auf diedurch Wahlenbergs, Luchs, Vamands, De-candolles und Schmitts mitgetheilte BeobachtungenFrankreichs, Lapplands, Englands und andererLaͤnder, und theilt die ganze Anzahl in die Grup-pen der Spelzbluͤthigen, Huͤlſentragenden, Zweilip-pigen, der Zuſammengeſetzten, u. ſ. w.; ſo findetman Zahlenverhaͤltniſſe, welche ſehr regelmaͤßigeReihen bilden. Man ſieht vom Aequator gegen die Pole hin-gehend, gewiſſe Formen gemeiner werden, wohin |476||Spaltenumbruch| unter andern die Farrenkraͤuter, die Spelzbluͤthigen,die Heiden u. ſ. w. gehoͤren. Andere Formen, jenaͤher man von den Polen dem Aequator koͤmmt,werden haͤufiger, und koͤnnen in der noͤrdlichen Erd-halbkugel wie mittaͤgliche Formen angeſehen werden,z. B. die Farbe-Kraͤuter, Pappeln, Ginſterarten,Euphorbien, Binſen, Heiden, Tannen, Wachholder &c. Andere dagegen erreichen ihr Maximum in dergemaͤßigten Zoone ſelbſt, und nehmen gegen denAequator gleichmaͤßig ab, ſo wie gegen die Pole,wie die Salbei-Arten, Weiden, Eichen, Ul-men, Rettig, Kohl, Fenchel und andere. Es iſt|Spaltenumbruch|bekannt, daß die 3 letztgenannten Familien in denEbenen der heißen Zoonen faſt gaͤnzlich verſchwin-den und ſich jenſeits des Polarkreiſes keine Pappelnbefinden. Zur Kenntniß der herrſchenden Zahlenverhaͤlt-niſſen und theilweiſen Ausnahmen, welche das Ver-theilungs-Geſetz der Pflanzenformen erleidet, gelangtman nur durch muͤhſame Unterſuchungen und durchZuſammenſtellung vieler Beobachtungen. Ein ſol-ches Geſetz weiſt folgende allgemeine Tabelle in ſech-zehn Pflanzenfamilien, welche in der heißen, gemaͤſ-ſigten und kalten Zoone verbreitet ſind, nach.
Pflanzenfamilien nachAnalogie der Formen Verhaͤltniß zu der Geſammt-zahl der Phanerogamen in den Beſondere Bemerkungen und Verhaͤltniſſe
heißenZone Mit-eltemp.27° gemaͤßZone Mit-teltemp.10 — 14° kalten Zo-ne Mittel-temp.1 — 10°
Geſchlechtsloſe vonblos zelligem Baue 1,5 1,2 1,1 Mooſe, Flechten, Pilſe, Schwaͤmme
Farrenkraͤuter 1,60 1,25 in Dtſchl. 1,48 in Frankr. 1,73
Monocotyledonen 1,6 1,4 1,3 — unbeſtimmt — 1,4 in Nordam. 1,4
Binſengewaͤchſe 1,400 1,90 1,25 — 1,94 — 1,86
Lypergrasartige 1,60 1,30 1,9 — 1,18 — 1,27
Graͤſer 1,15 1,12 1,10 — 1,13 — 1,13
Spelzbluͤthige 1,11 1,8 1,4 dieſe enthalten die 3 vorhergehenden
Lippenblumen 1,40 1,25 1,70 in Dtſchl. 1,26 in Frankr. 1,24 in Nordam. 1,40
Heidenartige und Rho-dodendron 1,130 1,100 1,25 — 1,90 — 1,128 — 1,36
Zuſammengeſetzt bluͤ-thigen 1,6 1,8 1,13 — 1,8 — 1,7 — 1,6
Faͤrberroͤthearten 1,29 1,60 1,80 — 1,70 — 1,73
Doldenpflanzen 1,2000 1,30 1,60 — — — 1,34 — 1,57
Kreuzbluͤthige 1,3000 1,18 1,24 — 1,18 — 1,19 — 1,62
Malvenbluͤthige 1,50 1,200 — 1,233 — 1,145 — 1,125
Huͤlſentragende 1,12 1,18 1,35 — 1,18 — 1,16 — 1,19
Wolfsmilchartige 1,35 1,80 1,500 — 1,100 — 1,70 — 1,19
Kaͤtzchentragende 1,800 1,45 1,20 — 1,40 — 1,50 — 1,25
|Spaltenumbruch| Aus dieſer Ueberſicht, geht deutlich hervor, wiein der organiſchen Natur die Formen konſtante Ver-haͤltniſſe unter denſelben parallel-iſothermiſchen Liniend. h. unter Boͤgen, welche durch Punkte der Erdegezogen werden, die einer gleichen Waͤrme genießen, of-fenbaren. Die großartigen Pflanzen machen in England \( \frac{1}{12} \), in Frankreich \( \frac{1}{13} \), in Nordamerika \( \frac{1}{10} \) der Geſammt-zahl aller dort einheimiſchen Phanerogamiſten aus. Die Pflanzen mit Spelzbluͤthen machen in Deutſch-land \( \frac{1}{7} \), in Frankreich \( \frac{1}{8} \), in Nordamerika und nachden lehrreichen Beobachtungen Browns in Neuholland\( \frac{1}{8} \) der daſelbſt bekannten Phanerogamen aus. |Spaltenumbruch| Auf der andern Seite bilden die Leguminoſen inDeutſchland \( \frac{1}{18} \), in Frankreich \( \frac{1}{16} \), in Nordamerika \( \frac{1}{19} \) aller phanerogamiſchen Gewaͤchſe. Die Pflanzen mitzuſammengeſetzten Blumen nehmen in der noͤrdlichenHaͤlfte des neuen Continentes etwas zu, denn nachder Flora von Purſch machen ſie zwiſchen den Paral-lelkreiſen von Georgien und Boſton \( \frac{1}{6} \), in Deutſch-land aber \( \frac{1}{8} \) und in Frankreich \( \frac{1}{7} \) der offenbluͤthigen aus. (Beſchluß folgt.)
|477||Spaltenumbruch|

Ueber die Beziehungen, welche in der Vertheilungder Pflanzen-Samen beobachtet werden.

(Auszug aus einer Abhandlung von Alexander von Humbold.) (Fortſetzung.) In der ganzen gemaͤßigten Zoone bilden die Spelz-bluͤthigen und Zuſammengeſetzten, zuſammengenommenohngefaͤhr \( \frac{1}{4} \), dieſe beiden nebſt den Kreuzbluͤthigenund Huͤlſenfruͤchten zuſammen mit Ausſchluß den Kryp-togamen \( \frac{1}{3} \) des Ganzen. Es geht aus dieſen Unter-ſuchungen hervor, daß die Formen des orgarniſirtenWeſen in einer gegenſeitigen Abhaͤngigkeit von ein-ander ſtehen und ſich nach conſtanten und leicht auf-zufindenden Geſetzen begraͤnzen. Kennt man aufirgend einem Punkte der Erde die Zahl der Orten,welche daſelbſt aus einer großen Familie der Spelz-bluͤthigen, Zuſammengeſetzten, Kreuzbluͤthigen, Huͤlſen-fruͤchten u. ſ. w. wild wachſen, ſo kann man mit großerWahrſcheinlichkeit die Geſammtzahl der Phanerogameund die Zahl der Arten einzelner Hauptgruppen an-geben. So kann man z. B. von der Kenntniß der Zahlvon Cyperaceen und Compoſitis in der gemaͤßigtenZoone auf die der Graͤſer und Huͤlſenpflanzen ſchließen. *) |Spaltenumbruch| Um ſich die Verſchiedenheiten zu erklaͤren, welchenach der obigen Tabelle in der Vegetations-Verhaͤlt-niſſen von Deutſchland, Frankreich und NordamerikaStatt finden, muß man auf die Klimate dieſer Laͤn-der Ruͤckſicht nehmen. So erſtreckt ſich Frankreich von42° 30′ bis nach 51° noͤrdlicher Breite. In ihm iſtdie jaͤhrliche Mitteltemperatur 10,5 — 17° und diemittlere Waͤrme der Sommermonate 19° — 24°. Deutſchland liegt zwiſchen 46° und 54° der noͤrd-lichen Breite, und hat in ſeinen Graͤnzen eine mitt-lere Waͤrme von 8° — 12° 5′, die mittlere Waͤrmeder Sommermonate belaͤuft ſich auf 18° — bis 21°.Nordamerika bietet bei ſeiner ſehr großen Ausdehnungmehrere Klimate dar. *) Purſch lehrt uns 2900 Phanerogamen kennen,welche zwiſchen dem 35ſten bis 44ſten Grad der Breiteund einer mittleren jaͤhrlichen Temperatur von 7°bis 16° wachſen. Die Flora Nordamerikas iſt ausmehreren verſchiedenen Floren zuſammengeſetzt; dieſuͤdlichen Gegenden haben einen Ueberfluß an Mal-ven und zuſammengeſetzten Blumen, die noͤrdlichen,welche viel kaͤlter ſind als die europaͤiſchen Laͤnderunter denſelben Breitegraden, bereichern die Flore
Phanerogamen, wovon 460 Spelzblüthige, 490 Zuſammenge-ſetzte, 320 Hülſenfruchtartige u. ſ. w. In Lappland gibtes nur 497 Pflanzen mit deutlichem Geſchlechte, unter wel-welchen 124 Spelzblüthige, 38 Zuſammengeſetzte, 14 Hülſen-fruchtartige, 23 Weiden-, Eichen- und Palmartigen u. ſ. w.ſind.Man vergl. Essai sur la Géographie des plantes par Humbold. *) Die Zahl der beſchriebenen oder doch in den europäiſchenHerbarien befindlichen Pflanzenarten, beläuft ſich auf 44,000wovon 6000 geſchlechtlos ſind. In dieſer Summe ſind die3000 neue Arten phanerogamiſchen Pflanzen begriffen, welchedurch Humbold und Bonpland aus Amerika herüberge-bracht wurden. Frankreich zählt nach Decandolle 3645*) Man vergleiche hierüber verſchiedene Aufſätze über Tempera-tur in der Zeitſchrift fürs Forſtweſen und in dieſer Zeitung.
|478||Spaltenumbruch| dagegen mit Rhododendren, kaͤtzchentragenden Pflan-zen und Zapfenbaͤumen. Die Nelkenfamilie, die Dol-den-Gewaͤchſe und die Kreuzbluͤthigen ſind im Allge-meinen in Nordamerika ſeltener als in den gemaͤßig-ten Zoonen des alten Continentes.
Dieſe conſtanten Verhaͤltniſſe, welche man in denEbenen vom Aequator bis zu den Polen findet, be-gegnen dem Beobachter auch an den Graͤnzen desewigen Schnees auf den Gipfeln der Gebirge; mankann im Allgemeinen annehmen, daß auf den Cordil-leren in der heißen Zoone die noͤrdlichen Formen ge-meiner werden. So ſieht man in Quito auf demRuͤcken der Anden, nie Heiden, Rhododendren undGraͤſer vorherrſchen. Im Gegentheile werden die Lip-pen-Blumen, die Rubiaceen, Malven und Wolfs-milch-Arten ſo ſelten, als ſie in Lappland ſind. In Ruͤckſicht auf die Zuſammengeſetzten aber, undauf die Farrenkraͤuter tritt kein aͤhnliches Verhaͤltnißein. Die erſteren ſind haͤufig auf dem Ruͤcken derAnden, waͤhrend die letzteren ſich allmaͤhlig verlieren,wenn man uͤber 10800′ ſteigt. Auch iſt das Klimader Anden dem des noͤrdlichen Europa nur in Be-zug auf die mittlere Temperatur des ganzen Jahresaͤhnlich. Die Vertheilung der Waͤrme in die ver-ſchiedene Jahreszeiten iſt ein ganz anderer, und aͤuſ-ſerſt maͤchtig ihr Einfluß auf die Erſcheinungen derVegetation. Im Allgemeinen ſind, nach HumboldsUnterſuchungen, diejenigen Formen, welche unter denAlpen-Pflanzen herrſchen: 1) In der heißen Zoone die Graͤſer (Aegopagon,Podosaemum etc. Die Zuſammengeſetzten (Calci-tuim, Espeletia, Asten, Baesaris und die Nelken-Familie Arenaria Stellaria. 2) In der gemaͤßigten Zoone herrſchen die Zuſam-mengeſetzten, Senecio Leontadon Aster. Hieracium die Nelkenblumen (Cerustium Chelenna) Silene und die Kreutzblumen (Dralea Lepidium Sisym-brium.) 3) In den kalten Zoonen dagegen die Nelken, Stellaria Alsine, die Heidenartigen, Andromeda und Ranunkelartigen. Dieſe Unterſuchungen uͤber das Geſetz der Ver-breitung der Formen fuͤhrten natuͤrlich auf die Frage,ob es Gewaͤchſe gaͤbe, welche den beiden Continentengemeinſchaftlich zukomme? Dieſe Frage erregt umſo mehr Intereſſe, als ſie unmittelbar eines der wich-tigſten Problemen der Zoonomie beruͤhrt. Man weiß ſeit langer Zeit, und dieſes iſt einesder ſchoͤnſten Reſultate der Geographie der Thiere, daß kein Quadrupſed, kein Landvogel und wie es ſichaus den Unterſuchungen von Latreille zu ergebenſcheint, kein Inſekt den Aequatorial-Gegenden derbeiden Continente eigen iſt. Cuvier hat ſich durchtreffende Beobachtungen uͤberzeugt, daß dieſe Regelſelbſt in Bezug auf die Reptilien Statt findet, er hat|Spaltenumbruch|erwieſen, daß die Boa condrictar nur Amerika ei-genthuͤmlich iſt. Bezuͤglich der Gegenden außerhalb des Wende-kreiſes hat Buͤffon die Zahl der Thiere, welche Eu-ropa, Amerika und dem noͤrdlichen Aſien eigenthuͤmlichſind, uͤber das wahre Verhaͤltniß vermehrt angegeben.Es iſt gewiß, daß der Auerochs, der Hirſch und dasReh, von Amerika, ſo wie das Kaninchen, die Mo-ſchusratte, der Fiſchotter, der Maulwurf, die Spitz-maus, der Baͤr, die Fledermaͤuſe, der Marder unddie Wieſel Amerikas von den europaͤiſchen Arten ver-ſchieden ſind, obgleich Buͤffon das Gegentheil be-hauptete. Es bleiben nur der Vielfraß, Wolf und Eis-baͤr, der rothe Fuchs und vielleicht auch das Renn-thier und das Elenn uͤbrig, die ſich durch keine hin-reichende Charakterre von den europaͤiſchen Arten un-terſcheiden. Unter den Pflanzen muß man unter denen derGeſchlechtsloſen und denen mit Krenlappen einen Un-terſchied machen, und die letzteren noch ihre Haupt-Abtheilung als Monolocyledonen oder Dicodyledonenbetrachten. Es iſt keinem Zweifel unterworfen, daßſich viele Mooſe und Flechten, Funaria hygnome-trica, Sicher hirtus u. ſ. w. zugleich im tropiſchenAmerika und in Europa finden; unſere Herbarien be-weiſen dieß. Jedoch verhaͤlt es ſich anders bei den geſchlechts-loſen Pflanzen mit Spiralgefaͤßen als bei denen mitnur zelligem Baue. Die Formen und Gewaͤchſe ausder Familie des Sycopodium ſind nicht denſelben Ge-ſetzen der Vertheilung unterworfen, welche bei denMooſen und Flechten wahrgenommen werden. Vorzuͤglich die erſten zeigen nur ſehr wenig weitverbreitete Arten, und die in dieſer Hinſicht ange-fuͤhrten Beiſpiele ſind oft zweifelhaft. In Anſehung der Phanerogamen mit Ausnahmedes Rhizophera Aricennia und einigen andern Ufer-pflanzen *) ſcheint das Geſetz Buͤffons in Bezug aufdie Dicotyledonen zuzutreffen. Es iſt durchaus falſch,was ſo oft behauptet wurde, daß die Gebirgsebenender Cordilleren von Peru, deren Klima einige Aehn-lichkeit mit dem von Frankreich oder Schweden hat denender letzteren Laͤnder aͤhnliche Pflanzen hervorbringen. Die Eichen, Tannen, Eibenbaumarten, Ranunkel,Roſen, Valerianen, Meiricharten, und die Hunger-blumen der peruvianiſchen und mexikaniſchen Anden,haben ohngefaͤhr dieſelbe Phyſiogonomie wie die Artender naͤmlichen Gattungen, welche in dem noͤrdlichenAmerika, in Sibirien und Europa vorkommen. Aber alle dieſe Alpenpflanzen der Cordilleren
*) Vergl. Lehrb. der math. phyſiſchen Geog. von Reuter S.404. u. d. f.
|479||Spaltenumbruch|unterſcheiden ſich ohne Ausnahme in einer Anzahlvon 3000 — 4000, welche v. Humbold unterſuchte,weſentlich von den aͤhnlichen Arten der gemaͤßigtenZone des alten Continents. Im Allgemeinen ſindvon den Pflanzen des tropiſchen Amerikas und Mono-cotyledonen, und von dieſen faſt ausſchließlich nur dieLippengraͤſer, und die wahren Graͤſer beider Welttheilegemein.
(Beſchluß folgt.)
|481||Spaltenumbruch|

Ueber die Beziehungen, welche in der Vertheilungder Pflanzen-Samen beobachtet werden.

(Auszug aus einer Abhandlung von Alexander von Humbold.) (Beſchluß.) Dieſe beiden Familien machen daher eine Aus-nahme von dem ſo eben eroͤrterten allgemeinen Geſetze,daß naͤmlich die organiſchen Weſen der Aequatorial-Gegenden in beider Continente ſpecifiſch von einanderverſchieden ſind, welches fuͤr die Geſchichte der Kata-ſtrophen unſeres Erdkoͤrpers von großer Wichtigkeit iſt. In den Peolegamenen hat v. Humbold eine ge-naue Anzeige jener Monocotyledonen, welche denUfern des Orinnokko, Deutſchland und Oſtindien ge-meinſchaftlich zukommen. Ihre Anzahl ſteigt kaum auf20 — 24 z. B. Cypenus mucronatos etc. In demjenigen Theile von Nordamerika, welcheraußerhalb des noͤrdlichen Wendekreiſes liegt, iſt bei-nahe \( \frac{1}{7} \) der Geſammtzahl der Mono- und Dicotyle-donen beiden Continenten gemein. Unter 2900 Ar-ten, welche die Flora von Purſch aufzaͤhlt, ſind 390europaͤiſch. Zwar darf man einigen Zweifel hegen,ſowohl in Bezug auf die Anzahl der Pflanzen, welcheden Anbauern der einen Hemiſphaͤre aus der andernfolgten, als auch auf diejenigen Arten, welche nachgenauerer Unterſuchung als neu, und vorher noch un-beſchrieben, erkannt werden moͤchten. Doch iſt unmoͤglich, daß ſich dieſe Ungewißheitauf alles erſtrecke, und es iſt vielmehr anzunehmen,daß ſelbſt nach eindringenderen Forſchungen die Zahlder Pflanzenarten, welche der gemaͤßigten Zoone bei-|Spaltenumbruch|der Continente gemeinſchaftlich angehoͤren, noch ſehrbetraͤchtlich bleiben wird. Brown hat neulich uͤber die Pflanzen vonNeuholland aͤhnliche Unterſuchungen angeſtellt. Vonallen Monocotyledonen, welche bisher in dieſem Con-tinente entdeckt wurden, iſt \( \frac{1}{28} \) England, Frankreichund Deutſchland gemein. Bei den Dicotyledoneniſt das Verhaͤltniß 1,200; neuer Beweis, daß dieGraͤſer und Cyperaceen wegen der großen Schmiegſam-keit ihrer Organiſation am meiſten in den beidenHemiſphaͤren verbreitet ſind. Es waͤre zu wuͤnſchen,daß Zoologen auf aͤhnliche Weiſe unterſuchten, dieZahlenverhaͤltniſſe, die in der Vertheilung der Thiereuͤber die Erde herrſchen, auszumitteln. In der ſuͤdlichen Hemiſphaͤre erſtrecken ſich diePflanzenformen der heißen Zoone weiter gegen denPol hinab als in der noͤrdlichen; die baumartigenFarren gehen in Aſien und Amerika kaum uͤber denWendekreis des Krebſes hinaus, waͤhrend in der ſuͤd-lichen Haͤlfte unſeres Erdkoͤrpers die Dicksonia an-tarctica, deren Stamm ſich zu einer Hoͤhe von 19 Fußerhebt, bis zum Van-Diemenslande in der Breitevon 42° hinabwandert, ja es iſt ſogar in Neuſeelandin der Dasky-Bay unter gleichem Parallelkreiſe mitLyon (42° 45′) gefunden worden. Andere nicht weniger prachtvolle Formen, welcheman fuͤr ausſchließliches Eigenthum der Aequaturial-Flora halten moͤchte, die paraſitiſchen Orchideen,Epidendra u. ſ. w. finden ſich zwiſchen baumartigenFarren, weit uͤber dem Wendekreiſe des Krebſeshinaus, mitten in der gemaͤßigten Zone der ſuͤdlichenErdhaͤlfte.