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Alexander von Humboldt: „Humboldt (Friedr. Heinr. Alexander, Freiherr von)“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1853-Alexander_von_Humboldt_a-2> [abgerufen am 27.04.2024].

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Titel Humboldt (Friedr. Heinr. Alexander, Freiherr von)
Jahr 1853
Ort Leipzig
Nachweis
in: Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände. Conversations-Lexikon, 10. Auflage, 15 Bände, Leipzig: Brockhaus 1851–1855, Band 8 (1853), S. 126–133.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Fettung; Fußnoten mit Asterisken.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: VII.41
Dateiname: 1853-Alexander_von_Humboldt_a-2
Statistiken
Seitenanzahl: 8
Zeichenanzahl: 37778

Weitere Fassungen
Alexander von Humboldt (Leipzig, 1853, Deutsch)
Humboldt (Friedr. Heinr. Alexander, Freiherr von) (Leipzig, 1853, Deutsch)
[Autobiographischer Abriss; eingeleitet mit: На десятомъ году Гумбольдтъ лишился отца, который […]] [Na desjatom godu Gumbolʹdt lišilsja otca, kotoryj […]] (Sankt Petersburg, 1855, Russisch)
|126| Humboldt (Friedr. Heinr. Alexander, Freiherr von), der größte Naturforſcher der Gegen-wart, geb. 14. Sept. 1769 zu Berlin, verlor, als er noch nicht das 10. J. erreicht hatte, ſei-nen Vater, der im Siebenjährigen Kriege Major und Adjutant des Herzogs Ferdinand vonBraunſchweig, nachher königl. preuß. Kammerherr war, genoß aber gemeinſchaftlich mit ſei-nem ältern Bruder, Wilh. von H. (ſ. d.), eine überaus ſorgfältige wiſſenſchaftliche Erziehung.Nachdem er den Herbſt und Winter 1787—88 die Univerſität zu Frankfurt an der Oder be-ſucht, verlebte er den folgenden Sommer und Winter wieder in Berlin, theils um Technologie,auf das Fabrikweſen angewendet, zu ſtudiren, theils um ſich ernſthafter mit der griech. Sprachezu beſchäftigen. In dieſer Zeit ſchloß er ſich mit warmer Freundſchaft an den berühmten Bo-taniker Willdenow an. Im Frühjahr 1789 bezog er auf ein Jahr die Univerſität Göttingen, fre-quentirte hier gemeinſchaftlich mit ſeinem Bruder die philologiſchen Collegien des Heyne’ſchenSeminars und machte ſeinen erſten Verſuch einer literariſchen Arbeit mit einer kleinen Schriftüber die Webereien der Griechen, die jedoch nie in Druck erſchienen iſt. Die Liebe zu natur-hiſtoriſchen Studien wurde in Göttingen mannichfach genährt durch den Unterricht von Blu-menbach, Beckmann, Gmelin, Lichtenberg und Link, ſowie durch Reiſen in den Harz und an dieRheinufer. Als Frucht der letztern Excurſion erſchien H.’s erſtes gedrucktes Buch: „Über dieBaſalte am Rhein, nebſt Unterſuchungen über Syenit und Baſanit der Alten“ (Berl. 1790).Im Frühjahr und Sommer 1790 begleitete H. von Mainz aus Georg Forſter auf einer ſchnellen,aber überaus lehrreichen Reiſe durch Belgien, Holland, England und Frankreich, eine Beglei-tung, die nebſt dem Wohlwollen des Sir Joſeph Banks das plötzliche Erwachen einer großenLeidenſchaft für das Seeweſen und den Beſuch ferner tropiſcher Länder veranlaßte und denbelebendſten Einfluß auf die auch ſpäter von ihm ausgeführten Entſchlüſſe äußerte. Im Juli1790 aus England zurückgekehrt und damals noch zu einer praktiſchen Laufbahn im Finanz-und Kameralfach beſtimmt, begab er ſich nach Hamburg auf die Handelsakademie von Büſchund Ebeling, wo er die günſtigſte Gelegenheit zur Übung in lebenden Sprachen fand. Nacheinem fünfmonatlichen Aufenthalt im mütterlichen Hauſe erhielt er endlich die Erlaubnißzum praktiſchen Bergbau überzugehen und bezog deshalb im Juni 1791 die Bergakademie zuFreiberg, wo er den Privatunterricht Werner’s und die Freundſchaft Freiesleben’s, Leopold vonBuch’s und Andreas Del Rio’s genoß. Die Frucht eines achtmonatlichen Aufenthalts im Erz-gebirge war die indeß erſt ſpäter erſchienene „Flora subterranea Fribergensis et aphorismi exphysiologia chemica plantarum“ (Berl. 1793). Durch den Miniſter von Heinitz ſchon imFebr. 1792 zum Aſſeſſor im Bergdepartement ernannt, begleitete er Letztern im Juli 1792 indas Markgrafthum Baireuth, wo er die Stelle eines Oberbergmeiſters am Fichtelgebirge in denfränk. Fürſtenthümern erhielt und dieſelbe bis 1797, aber mit vielen und ſehr heterogenenUnterbrechungen verwaltete. In dieſe Zeit fallen ſeine chemiſchen Arbeiten über die Natur derGrubenwetter, ſowie die oft gefahrvollen Verſuche über eine von ihm conſtruirte nicht verlö-ſchende Lampe und eine Reſpirationsmaſchine nach dem Principe von Beddoes. Schon ſeit1792, wo er bei ſeinem erſten Aufenthalte in Wien Nachricht von Galvani und ſeiner Ent-deckung erhalten, ſammelte H. das Material zu ſeinem größern Werke „Über die gereizteMuskel- und Nervenfaſer, nebſt Vermuthungen über den chemiſchen Proceß des Lebèns inder Thier- und Pflanzenwelt“ (2 Bde., Berl. 1797—99). Die Nachricht von dem Tode der Mutter im Nov. 1796 brachte den Entſchluß zu einergroßen wiſſenſchaftlichen Expedition nach den Tropenländern ſeiner Ausführung näher. Aufden Rath des Freiherrn von Zach hatte ſich H. ſchon eine Zeit lang mit praktiſcher Aſtronomiezum Behuf geographiſcher Ortsbeſtimmungen beſchäftigt. Nachdem er im März 1797 ſeinedienſtlichen Verhältniſſe aufgelöſt, um in völliger Unabhängigkeit dem Studium der Natur zuelben, verbrachte er zunächſt drei Monate in inniger Verbindung mit Goethe und Schiller zuJena, wo er auch unter Loder ſeine Kenntniſſe in der Anatomie vervollſtändigte, und trat dannüber Dresden, Prag und Wien eine zweite Reiſe nach Italien an, namentlich in der Abſicht,dort noch thätige Vulkane kennen zu lernen. Doch der kriegeriſche und revolutionäre |127| Zuſtand dieſes Landes entfernte jede Idee des Genuſſes einer wiſſenſchaftlichen Reiſe; H.entſchloß ſich daher, mit Leopold von Buch den Winter hindurch in Salzburg und Berch-tesgaden, mit meteorologiſchen Beobachtungen beſchäftigt, einſam zuzubringen. Unter-deſſen erhielt er von Lord Briſtol die Auffoderung, ſich auf acht Monate einer Expedition nachOberägypten anzuſchließen. H. beabſichtigte derſelben Folge zu leiſten und war ſchon nach Pa-ris gereiſt, um dort Inſtrumente anzukaufen, als Bonaparte im Mai 1798 nach Ägypten ab-ging und Lord Briſtol in Mailand verhaftet wurde. In Paris ward H. die zuvorkommendſteAufnahme von Seiten der berühmteſten Gelehrten zu Theil; unter Anderm wurde ihm vondem Directorium geſtattet, ſich mit allen ſeinen Inſtrumenten der Expedition Baudin’s anzu-ſchließen, mit der Erlaubniß, die Schiffe zu verlaſſen, wo und wann er wollte. Auch befreundeteſich hier H. mit einem ausgezeichneten jungen Botaniker, Aimé Bonpland (ſ. d.), der ſpäter ſoviele Schickſale mit ihm getheilt hat. Da er ſich durch den Aufſchub jener Expedition in ſeinenliebſten Hoffnungen bitter getäuſcht ſah, faßte er in Folge eines Anerbietens, das ihm der ſchwed.Conſul Skiöldebrand machte, den Entſchluß, ſich über Algier und Tunis der franz. Expeditionnach Ägypten anzuſchließen. Das Außenbleiben der ſchwed. Fregatte, die ihn überführen ſollte,ſowie die Zeitverhältniſſe, namentlich ungünſtige Nachrichten aus der Berberei, ließen es H.vorziehen, mit Bonpland den Winter zunächſt in Spanien zuzubringen und dann, wenn es dieEreigniſſe erlaubten, die beabſichtigte Reiſe nach Ägypten von Cartagena oder Cadiz aus an-zutreten. Allein die außerordentliche Gunſt, deren H. ſich an dem ſpan. Hofe in Aranjuez dreiMonate lang durch Vermittelung des ſächſ. Geſandten Baron von Forell und des erſtenStaatsfecretärs, Don Mariano Luis de Urquijo, zu erfreuen hatte, änderte auf ein mal wiederſeine Lebensplane. Der Letztgenannte erklärte, daß alle ſpan. Beſitzungen in Amerika und demIndiſchen Ocean H. geöffnet ſein ſollten; zugleich wurden die Andern nie gewährte Erlaub-niß und officielle Befehle an die Behörden beigefügt, auch dem Reiſenden durch zwei Päſſe, dereine von der Primera secretaria de Estado, der andere von dem Consejo de Indias, der freieGebrauch der Inſtrumente zu aſtronomiſchen und geodätiſchen Zwecken, das Einſammeln vonNaturalien und Unterſuchungen jeglicher Art, aus rein perſönlichem Vertrauen, geſtattet. Mitte Mai verließ H. Madrid und ging durch das nordweſtliche Spanien nach Coruña, umſich daſelbſt mit Bonpland 5. Juni 1799 auf der Fregatte Pizarro einzuſchiffen. Die Reiſen-den vermieden glücklich die engl. Kreuzer und landeten 19. Juni im Hafen von Sta.-Cruz aufTeneriffa. Sie erſtiegen den Pik und ſammelten eine große Menge von Beobachtungen überdie damals wenig gekannte natürliche Beſchaffenheit der Inſel. Obgleich in der Nähe der KüſteParia ein heftiges nervöſes Fieber am Bord des Pizarro ausgebrochen war, ſo betraten ſie dochin voller Geſundheit zum erſten male 16. Juli 1799 den Boden Amerikas bei Cumana. Acht-zehn Monate brachten ſie auf einer Forſchungsreiſe durch die Provinzen des jetzigen Frei-ſtaats Venezuela zu, gelangten im Febr. 1800 nach Caracas und verließen bei Puerto-Cabellovon neuem die Seeküſte, um nach Süden gewendet über die merkwürdigen Grasſteppen vonCalabozo den Fluß Apure und durch dieſen den Orinoco zu erreichen. Auf Indianerkähnen(ausgehöhlten Baumſtämmen) drangen ſie durch die Katarakten von Atures und Maypurebis zum ſüdlichſten Grenzpoſten der Spanier, dem kaum zwei Breitengrade vom Äquator ent-fernten Fort San-Carlos am Rio-Negro, durch den Tuamini und die Wälder von Pimichin, wodie Kähne über Land geſchoben werden mußten, vor, gelangten durch den Caſſiquiare wiederumin den Orinoco, fuhren denſelben bis Angoſtura hinab und erreichten Cumana am Ende einerReiſe, die 375 geographiſche Meilen lang, nur durch unbewohnte Wildniſſe geführt, die erſteauf aſtronomiſche Beſtimmungen gegründete Kenntniß von der ſo lange beſtrittenen Bifurcationdes Orinoco geliefert hatte. H. und Bonpland ſchifften ſich nach Havaña ein, lebten dort einigeMonate und eilten einen Südſeehafen zu erreichen, als die falſche Nachricht ſich verbreitete, Bau-din, dem ſie ſich anzuſchließen verſprochen hatten, werde an der Weſtküſte Südamerikas erſcheinen.Von Batabano, einem ſüdlichen Hafen der Inſel Cuba, ſegelten ſie im März 1801 nach Cartagena,um von da aus nach Panama zu gehen; allein da die Jahreszeit die Ausführung dieſes Plans hin-derte, fuhren ſie 54 Tage lang den Magdalenenſtrom hinauf bis Honda, um von da aus das Pla-teau von Bogota zu erreichen. Von Bogota aus machten ſie Streifzüge nach den merkwürdigſtenPunkten der Umgegend. Im Sept. 1801 ging trotz der Regenzeit die Reiſe nach Süden fort, in-dem ſie über Ibague, die Cordillera de Quindiu, Cartago, Popayan, den Paramo de Almaguerund die große Hochebene von Los Paſtos nach vier Monaten 6. Jan. 1802 in Quito ankamen.Andere vier Monate, vom 6. Jan. bis 9. Juni 1802, vergingen den Reiſenden unter den um-faſſendſten Unterſuchungen in dem ſchönen Hochthale von Quito und in der Kette von mit ewi- |128| gem Schnee bedeckten Vulkanen, die daſſelbe umſchließen. Von Umſtänden begünſtigt, ſtiegen ſiean mehren derſelben bis zu früher nicht erreichten Höhen. Auf dem Chimboraſſo gelangten ſie23. Juni 1802 bis zur Höhe von 18096 F., alſo um 3276 F. höher als Condamine 1738 amNevado de Corazon. Sie ſtanden hier auf dem höchſten, je vorher von Menſchen erſtiegenenPunkte der Erde und wurden durch eine tiefe Schlucht an der Erklimmung der äußerſten nochum 2004 F. höhern Spitze gehindert. Carlos Montufar, der Sohn des Marquès von Selvalegre,ein ſehr lernbegieriger junger Mann, der, wie viele der Beſſern ſeines Volkes, der ſpäter ein-getretenen Revolution als Opfer fiel, ſchloß ſich in Quito an die Reiſenden an und begleitete ſiefortan bis zum Schluſſe der langen Wanderung durch Peru und Mexico nach Paris. Über denAndenpaß des Paramo de Aſſuay, über Cuença und die Chinawälder von Loxa ſtiegen ſie indas Thal des obern Amazonenfluſſes bei Jaen de Bracamoros hinab und erreichten über dieHochebene von Caramarca die Bergſtadt Micuipampa und den weſtlichen Abfall der Cordil-lera von Peru. Hier genoſſen ſie auf dem Alto de Guangamarca zum erſten male von einerHöhe von 9000 F. herab den langerſehnten Anblick der Südſee. Sie gelangten bei Truxillean die Küſte und reiſten durch die waſſerarme Sandwüſte von Niederperu bis Lima. Nachdemeiner der Hauptzwecke der peruaniſchen Reiſe, die Beobachtung des Durchgangs des Mercur,erfüllt war, ſchifften ſie ſich Ende Dec. 1802 von Callao nach Guayaquil ein und landeten amSchluſſe einer zweiten ermüdenden Fahrt in Acapulco 23. März 1803. Über Tasco und Cuer-naraca erreichten ſie im April die Hauptſtadt Mexicos, wo ſie einige Monate verweilten unddann nach Norden gewendet Guanaxuato und Valladolid beſuchten, die Provinz Mechoacandurchſtreiften, nochmals der Küſte des Großen Ocean nahe, den Vulkan von Jorullo maßenund über Toluca nach Mexico zurückkehrten. Ein nochmaliger Aufenthalt in dieſer damalsſehr reichen und durch die Bildung der höhern Einwohnerclaſſen ausgezeichneten Stadt wurdezur Ordnung der reichen Sammlungen und Zuſammenſtellung der vielſeitigen Beobachtungenverwendet. Im Jan. 1804 gingen die Reiſenden, nachdem ſie vorher den Vulkan von Toluca(14232 F.) und den Cofre de Perote (12588 F.) beſtiegen und gemeſſen, durch die Eichen-wälder von Xalapa nach Veracruz ab, wo ſie dem eben wieder ausgebrochenen Schwarzen Er-brechen glücklich entkamen. Am 7. März 1804 verließ H. die mexic. Küſte und ſegelte nach derHavaña, wo er wieder zwei Monate verweilte, die er zur Vervollſtändigung der Materialien zuſeinem „Essai politique sur l’isle de Cuba“ (Par. 1826) verwandte. Hierauf ſchiffte er ſich mitBonpland und Carlos Montufar nach Philadelphia ein und erfreute ſich einige Wochen zuWaſhington der freundſchaftlichen Aufnahme Jefferſon’s. Er verließ ungern den neuen Conti-nent 9. Juli in der Mündung des Delaware und landete 3. Aug. 1804 in Bordeaux, reich anSammlungen, beſonders aber an Beobachtungen aus dem großen Gebiete der Naturwiſſen-ſchaften, der Geographie, Statiſtik und Ethnographie. H. wählte zunächſt Paris zu ſeinem Aufenthalte, wo die vorläufige Anordnung ſeinerSammlungen und zahlreichen Manuſcripte, mehr aber noch chemiſche Arbeiten mit Gay-Luſſac über das Verhältniß der Beſtandtheile der Atmoſphäre ſeinen Aufenthalt bis März1805 verlängerten. Er trat nun, begleitet von Letzterm, eine Reiſe nach Italien an, wo ſie bis17. Dec. 1805 blieben und dann in Begleitung Leop. von Buch’s nach Berlin zurückkehrten.Hier erhielt H. den Befehl, den Prinzen Wilhelm von Preußen im Spätherbſt 1807 auf ſeinerſchwierigen politiſchen Miſſion nach Frankreich zu begleiten. Der Aufenthalt des Prinzen dauertebis Herbſt 1808; da aber der Zuſtand von Deutſchland es unmöglich machte, die Herausgabe ſovielumfaſſender Werke auf deutſchem Boden zu wagen, erhielt H. von ſeinem König die Erlaub-niß, in Frankreich zu bleiben. Seitdem hatte er ſeinen dauernden Wohnſitz bis 1827 zu Pa-ris, wo auch ſein großes Reiſewerk ſeit 1807 in zwei Formaten, in Quart und in Folio (inbeiden 29 Bände und 1425 zum Theil farbige Kupfertafeln umfaſſend), erſchien. Die erſteSection deſſelben enthält unter dem Titel, Voyage aux régions équinoxiales du Nouveaucontinent“ (3 Bde., Par. 1809—25, mit Atlas; deutſch, 6 Bde., Stuttg. 1825—32) denhiſtoriſchen Bericht. Obſchon H., als ſein Bruder 1810 von der oberſten Leitung des Unterrichts-weſens im preuß. Staate zurückgetreten war, von Hardenberg dieſelbe Stellung dringend angetra-gen wurde, ſo zog er es doch vor, dieſelbe abzulehnen und ſich ſeine unabhängige Lage als Gelehrterzu erhalten, zumal da er den beſtimmten Entſchluß gefaßt hatte, eine zweite wiſſenſchaftlicheExpedition nach Oberindien, dem Himalaya und Tibet zu unternehmen. Bereits war er vomReichskanzler Romanzow aufgefodert worden, ſich einer ruſſ. Expedition anzuſchließen, die vonSibirien aus über Kaſchgar und Yarkand nach dem tibetaniſchen Hochlande gehen ſollte, alsdieſe Ausſicht durch den Krieg zwiſchen Rußland und Frankreich vereitelt wurde. Die großen |129| politiſchen Ereigniſſe zwiſchen dem erſten und zweiten Pariſer Frieden boten für H. Gelegen-heit zu mehren Reiſen nach England, zuerſt 1814 im Gefolge des Königs von Preußen,dann, als ſein Bruder Geſandter in London wurde, mit Arago, endlich 1818 mit Valenciennes,über London nach Aachen gehend, wo ihn der König und Hardenberg während des Congreſſesin ihrer Nähe zu haben wünſchten. Ebenſo begleitete er den König zum Congreß nach Ve-rona und folgte ihm nach Rom und Neapel. Der Wunſch des Monarchen, H. in ſeiner Umge-bung zu behalten und ihn für das Vaterland wieder zu gewinnen, wurde erſt 1827 erfüllt.H. ging damals über London und Hamburg nach Berlin, wo er alsbald im Winter 1827—28Vorleſungen über den Kosmos (die phyſiſche Weltbeſchreibung) hielt. Mit dem J. 1829 beginnt in H.’s viel bewegter Exiſtenz eine ſehr wichtige Lebensepoche.Sie umfaßt die auf Befehl des Kaiſers Nikolaus unternommene und großartig ausgeſtatteteExpedition nach dem nördlichen Aſien (Ural und Altai, der chineſiſchen Dſongarei und demKaspiſchen Meere). Die bergmänniſche Unterſuchung der Gold- und Platinlagerſtätten, dieEntdeckung von Diamanten außerhalb der Wendekreiſe, aſtronomiſche Ortsbeſtimmungen undmagnetiſche Beobachtungen, geognoſtiſche und botaniſche Sammlungen waren die Hauptreſul-tate der Unternehmung, in der H. von zweien ſeiner Freunde, Ehrenberg (ſ. d.) und Guſtav Roſe(ſ. d.), begleitet war. Die Reiſe ging über Moskau, Kaſan, die Ruinen des alten Bulgharinach Jekatherinenburg, den Goldſeifenwerken des Ural und den Platinwäſchen von Nishnei-Tagilsk, über Bogoslowsk, Werchoturje und Tobolsk nach dem Altai (Barnaul, KolywanſchenSee, Schlangenberg und Uſtkamenogorsk), von da nach den chineſ. Militärpoſten von Khoni-mailakhu, nahe am Dſaiſanſee in der Dſongarei. Von den Bergen des Altai wendeten ſich dieReiſenden, um den ſüdlichen Ural zu erreichen, wieder nach Weſten, gelangten über die Steppevon Iſchim, Petropawlowsk, Omsk, Miask und den Salzſee Ilmen nach Slatuſt, Orenburg,den mächtigen Steinſalzſtock von Ilezk in der Kirgiſenſteppe, erreichten Aſtrakhan und dasKaspiſche Meer auf dem Wege über Uralsk, Saratow, den Eltonſee, Dubowka, Tſaritſyn, Sa-repta und ſchlugen den Rückweg über Woroneſh, Tula und Moskau ein. Die ganze Reiſe,auf welcher in neun Monaten 2320 Meilen zurückgelegt wurden, iſt in Roſe’s „Mineralogiſch-geognoſtiſcher Reiſe nach dem Ural, Altai und dem Kaspiſchen Meere“ (2 Bde., Berl. 1837—42) und H.’s „Asie centrale, recherches sur les chaines de montagnes et la climatologiecomparée“ (3 Bde., Paris 1843; deutſch von Mahlmann, 2 Bde., Berl. 1843—44) be-ſchrieben. Sie hat für die Erweiterung unſerer Kenntniſſe von dem telluriſchen Magnetismuszur Folge gehabt, daß H. durch die kaiſerliche Akademie ſeinen Vorſchlag magnetiſcher und me-teorologiſcher Stationen von Petersburg bis Peking und ſpäter durch ſeine Auffoderung anden Herzog von Suſſex in der ſüdlichen Halbkugel in Ausführung brachte. Die Bewegungen des J. 1830 gaben den Beſchäftigungen H.’s eine mehr politiſche Rich-tung, die deshalb jedoch nicht ſeiner wiſſenſchaftlichen Laufbahn hinderlich geworden iſt. Nach-dem er den Kronprinzen von Preußen im Mai 1830 nach Warſchau zum letzten Reichstage undbald darauf den König nach Teplitz begleitet hatte, wurde er nach der Thronbeſteigung LudwigPhilipp’s, da er lange ſchon in naher Verbindung mit dem Hauſe Orléans geſtanden, von Fried-rich Wilhelm III. beauftragt, die Anerkennung des neuen Monarchen nach Paris zu überbrin-gen und von dort aus politiſche Berichte, zuerſt vom Sept. 1830 bis Mai 1832, dann 1834und 1835 nach Berlin einzuſenden. Dieſelben Aufträge wurden in den folgenden zwölf Jahrennoch fünf mal wiederholt, ſodaß H. bei jeder Sendung wiederum vier bis fünf Monate ſeinenAufenthalt in Paris nahm. In dieſe Epoche fällt die Herausgabe des „Examen critique dela géographie du Nouveau continent“ (5 Bde., Par. 1835—38; deutſch von Ideler, 5 Bde.,Berl. 1836 fg.). H.’s letzter Aufenthalt in Paris war der vom Oct. 1847 bis Jan. 1848. Außer-dem bildeten zwei kleinere Reiſen außerhalb Deutſchland mit König Friedrich Wilhelm IV., dieeine nach England 1841, die andere nach Dänemark 1845 kurze Unterbrechungen ſeines Auf-enthalts zu Berlin, wo er, obgleich hochbejahrt, ununterbrochen wiſſenſchaftlichen Studien lebt,als deren Frucht er jetzt ſein letztes Hauptwerk, den noch unvollendeten „Kosmos“ veröffentlicht. Wenden wir uns zur Darſtellung der wiſſenſchaftlichen Leiſtungen H.’s und des ebenſogroßen als wohlthätigen Einfluſſes, welchen er während eines langen und höchſt arbeitſamenLebens auf die Naturforſchung ausgeübt hat, ſo ſtoßen wir auf einen hier kaum zu bewältigen-den Stoff. Die Thätigkeit der Naturforſcher, zumal der Reiſenden unter ihnen, pflegt nachzwei Richtungen zu gehen. Sie bezweckt entweder die Anhäufung eines reichen Materials anSachen, Beobachtungen und ſpeciellen Unterſuchungen, oder ſie unternimmt die Verarbeitung |130| der Reſultate eigener und fremder Forſchung zu einem Ganzen, welches entweder unterſtützendund erweiternd an ſchon Vorhandenes ſich anſchließt oder an die Stelle des unbrauchbar ge-wordenen Alten tritt. Seltener, als man meinen möchte, ſind die Männer, die mit gleichemGlück nach beiden Richtungen arbeiten, denn es ſetzt die Verfolgung der letztern nicht nur tiefe,ſondern auch ſehr vielſeitige poſitive Kenntniſſe, großes Talent der Beobachtung und dieGabe des Generaliſirens voraus, die Fähigkeit nämlich, an Thatſachen ſchnell und ſcharfjene wichtigen und bezeichnenden Seiten aufzufaſſen, wo ſie mit andern ſich verbinden laſ-ſen, andere unterſtützen und ſie erklären. H.’s Leiſtungen ſind in beiden Beziehungen ſehrgroß, aber beſonders ſind diejenigen ſeiner Arbeiten merkwürdig und verdienſtlich, wo erden Schatz eigener Erfahrungen und Beobachtungen mit den fremden aller Zeiten bis auf dieGegenwart herab in Verbindung bringt und mit Klarheit die überraſchendſten Reſultate dar-legt. Schon aus einem ſeiner früheſten Werke „Über die gereizten Muskel- und Nervenfaſern“ſpricht dieſer Geiſt, und nach Verlauf von einem halben Jahrhundert erkennt die inzwiſchenweit vorgeſchrittene Phyſiologie die Genauigkeit und Schärfe jener Verſuche über Galvanis-mus und die Wahrheit der meiſten der aus ihnen gezogenen Folgerungen. Auf ſeinen ReiſenHöhenmeſſungen mit Unterſuchung der thermometriſchen Verhältniſſe und der Beſchaffenheitdes Bodens verbindend, und neben dieſen tiefern Arbeiten es nicht verſchmähend, Herbarien zuſammeln, gelangte H. zu einem reichen Material, durch deſſen geiſtreiche Combination unterſeinen Händen eine neue Wiſſenſchaft, die Pflanzengeographie, entſtand. Zwar hatten ſchonLinné und einige ſeiner Nachfolger manche der hervorſtechendſten Erſcheinungen in der Ver-breitung der Pflanzenwelt bemerkt, doch ohne Höhenangaben und Betrachtung der Tempera-turen. Es blieb H. das große Verdienſt, eine unendliche Menge von Thatſachen, die zum Theilin den entlegenſten Erdwinkeln beobachtet worden waren, mit den eigenen Erfahrungen inZuſammenhang zu bringen, ihre Verbindung mit den Lehren der Phyſik nachzuweiſen und dieGeſetze zu erläutern, nach welchen die unendlich formenreiche Pflanzenwelt über den weitenErdkreis vertheilt iſt. Können ſolche Unterſuchungen an ſich nicht iſolirt angeſtellt werden, ſoführen ſie zumal einen geiſtreichen Forſcher auf Prüfung mancher ſcheinbar fernliegenden Frage,und ſo iſt es denn geſchehen, daß unter H.’s Händen die in ihrer altherkömmlichen Form ziem-lich geiſtloſe Botanik zu einer der anziehendſten der Naturwiſſenſchaften wurde. Es gelang H.nachzuweiſen, welche gewaltige Einwirkung die ſtille und paſſive Pflanzenwelt auf Bildungdes Bodens, auf den Zuſtand der Völker und auf die geſchichtliche Entwickelung des Menſchen-geſchlechts ſeit der Urzeit geübt hat. So viel Anziehendes hat für den Denkenden dieſe Verbin-dung der phyſikaliſchen Wiſſenſchaften mit der menſchlichen Geſchichte, und ſo reich an uner-warteten Ergebniſſen iſt dieſe neue Betrachtungsweiſe, daß den von H. entdeckten Weg als-bald eine bedeutende Zahl von Forſchern zu verfolgen begann. Mit allem Rechte darf man da-her H. als den Gründer einer beſondern Schule anſehen, die jetzt keineswegs in Deutſchlandallein wurzelt. Iſt es auch nur Wenigen gelungen, dem Vorbilde ſich faſt gleichzuſtellen, ſo durch-weht doch gegenwärtig der Geiſt, den wir nicht anſtehen wollen als den Humboldt’ſchen zu be-zeichnen, die höhern Leiſtungen aller europäiſchen naturwiſſenſchaftlichen Reiſenden. Je überra-ſchender die Reſultate ſind, die durch Combination von Wiſſenſchaften erreicht werden, welchenman ehedem keine engere Verwandtſchaft zutraute, je wahrer ſie ſich erweiſen, je freier die H.’ſcheNaturforſchung von myſtiſcher Deutung und von Geheimſprache ſich ſtets erhielt, je klarer undſelbſt den Mindergeweihten verſtändlich ſie hintritt, um ſo ſicherer wird ſie für die Folgezeit einMuſter bleiben. Zu der innern Tüchtigkeit der H.’ſchen Werke geſellen ſich als nicht unbedeu-tende Nebeneigenſchaften die poetiſche Auffaſſung der Natur, da wo es darauf ankommt, an-ſchauliche Geſammtbilder zu entwerfen, und das Geſchmackvolle der Form. Tauſende von Le-ſern, welchen im Übrigen keine ſpecielle Kenntniß der Naturwiſſenſchaften zu Gebote ſtand,haben ſich durch H.’s Naturgemälde der Tropenländer hingeriſſen gefühlt. Die Arbeiten H.’s in einzelnen Fächern ſind ſtaunenswerth durch ihren Umfang und dieMannichfaltigkeit ihrer Richtung. Ein großer Theil der weitſchichtigen ſpan. Colonien in derNeuen Welt war zu Anfang dieſes Jahrhunderts kaum an den Küſten bekannt, und ſelbſt denbeſten Karten durfte nur beſchränktes Vertrauen geſchenkt werden. Mehr als 700 Ortsbe-ſtimmungen, welche H. auf aſtronomiſchem Wege gewann und faſt alle während der Expe-dition ſelbſt berechnete, ſind von Oltmanns neu unterſucht und mit ältern verglichen worden,eine Arbeit, die unter dem Titel „Observations astronomiques, opérations trigonométriqueset mesures barométriques, rédigées et calculées par Jabbo Oltmanns“ (2 Bde., Par. 1808—10) erſchien und die vierte Abtheilung ſeines Reiſewerks bildet. Von H. ſelbſt theils auf der |131| Reiſe, theils in Paris gezeichnet ſind die Karten des Orinoco, des Magdalenenſtroms, dergrößere Theil des Atlas von Mexico u. ſ. w. Mit dem Barometer in der Hand legte H. Reiſenwie jene von Bogota bis Lima zurück, mit ihm erſtieg er den Pik von Teneriffa, den Chim-boraſſo und zahlreiche andere Bergſpitzen, und ſo erlangte er 459 Höhenbeſtimmungen, dieoft durch trigonometriſche Meſſung unterſtützt, für die Hypſometrie Amerikas unſchätzbareMaterialien lieferten und für manche Provinzen bis jetzt die einzigen geblieben ſind. Dieſpäter von ihm in Deutſchland und Sibirien vorgenommenen Meſſungen und die Combina-tion dieſer umfangreichen eigenen Arbeiten mit denjenigen, die andere Reiſende in den mei-ſten zugänglichen Weltgegenden gemacht hatten, gaben H. Veranlaſſung zu Zuſammenſtel-lungen, welche auf die Geographie den mächtigſten Einfluß ausübten, für die Lehre abervon der Verbreitung der Organismen die unentbehrlichſten Stützen bildeten. Die Klimatolo-gie ſteht in enger Verbindung mit den Forſchungen über die Geſtaltung der Continente;auch ſie hat durch H. Aufklärung und viele Erweiterung erhalten. Auf ſeine mit großerGenauigkeit geführten Tagebücher über meteorologiſche, thermometriſche und elektriſcheZuſtände begründete er jene Darſtellung des Klimas der durchreiſten Länder, welche ſpä-ter durch Bouſſingault, Pentland u. A. glänzende Beſtätigung erhielt; indem er in ge-wohnter Weiſe Alles, was in dieſen Beziehungen aus der übrigen Welt zu ſeiner Kennt-niß gelangte, verarbeitete, legte er den Grund zu einer vergleichenden Klimatologie. Ur-ſprünglich zum Geognoſten gebildet, aber frühzeitig emancipirt von den zu Ende des vorigenJahrhunderts geltenden Anſichten, wendete er vorzugsweiſe der geognoſtiſchen ErforſchungAmerikas ſeine Aufmerkſamkeit zu und trug durch ein vortreffliches Geſammtbild der Ge-birgsbildung Amerikas und einige ſpecielle Werke, wie die in der fünften Section ſeines Reiſe-werks enthaltene „Physique générale et géologie“ (Par. 1807), das Essai géognostique surle gisement des roches dans les deux hémisphères“ (Par. und Strasb. 1823—26), die „Frag-ments de géologie et climatologie asiatique“ (2 Bde., Par. 1831; deutſch von Löwenberg,Berl. 1832), nicht zur Kenntniß Amerikas allein bei, ſondern zur feſten Begründung der zwarnoch jungen, aber mit äußerſter Schnelligkeit ſich entwickelnden Wiſſenſchaft der Geognoſie. Dievulkaniſchen Erſcheinungen der gewaltigen Feuerberge von Quito und Mexico und des unbe-deutendern Veſuv fanden nacheinander an H. einen ſcharfen Beobachter und glücklichen Er-klärer. Unterſtützt von Bonpland, welchem zumal die Anlegung von Sammlungen überlaſſenwar, ſammelte H. in Amerika viele ſehr wichtige Beobachtungen über die Verbreitung, denNutzen, ja ſogar über den Bau der Pflanzen, die er dann wieder in ihrer Verbindung mitden verſchiedenen Menſchenracen betrachtete, oder als cultivirte unter dem politiſch-ökono-miſchen Geſichtspunkte erwog. Mehre botaniſche Prachtwerke ſtreng ſyſtematiſchen Inhaltsbeweiſen, daß er auch in dieſer minder lohnenden Richtung zu arbeiten völlig befähigt ſei.Sein botaniſches Hauptwerk aber bleibt das über die Geographie der Pflanzen: „Dedistributione geographica plantarum secundum coeli temperiem et altitudinem montium(Par. 1817; deutſch von Beilſchmidt, Bresl. 1831), dem der „Essai sur la géographie desplantes“ (Par. 1805; deutſch, Tüb. 1807) vorausgegangen war. Das von ihm und Bonplandgeſammelte reiche Herbarium, welches über 5000 Species phanerogamiſcher Pflanzen und un-ter dieſen wegen der frühern Unzugänglichkeit von Südamerika und dem mexican. Hochlande3500 neue darbot, wurde theils von H. und Bonpland, namentlich aber ſpäter von Kunth be-arbeitet in den die ſechste Abtheilung ſeines großen Reiſewerks bildenden Prachtwerken: „Plan-tes équinoxiales, recueillies au Mexique, dans l’île de Cuba etc.“ (2 Bde., Par. 1809 fg.,gr. Fol., mit 144 Tafeln); „Monographie des Mélastômes et autres genres du même ordre(2 Bde., Par. 1809—23, gr. Fol., mit 120 color. Tafeln); „Nova genera et species planta-rum, quas in peregrinatione ad plagam aequinoctialem orbis novi collegerunt, descripse-runt et adumbraverunt A. Bonpland et Alex. de H., in ordinem digessit C. S. Kunth“ (7 Bde.,Par. 1815—25, Fol. und 4., mit 700 Tafeln); „Mimoses et autres plantes légumineusesdu Nouveau continent, rédigées par C. S. Kunth“ (Par. 1819—24, gr. Fol., mit 60 color.Tafeln); Kunth’s „Synopsis plantarum, quas in itinere ad plagam aequinoctialem orbisnovi collegerunt H. et Bonpland“ (4 Bde., Strasb. und Par. 1822—26); „Révision desgraminées etc., précédée d’un travail sur cette famille par C. S. Kunth“ (2 Bde., Par.1829—34, gr. Fol., mit 220 color. Tafeln). Auch die Zoologie verdankt jener Reiſe nichtunanſehnliche Vermehrungen, die in der zweiten Section (2 Bde., Par. 1805—32) von H.’sReiſewerk niedergelegt ſind („Recueil d’observations de zoologie et d’anatomie com- |132| parée“). Ein anderes koſtbares Werk, die „Vues des Cordillères et monuments despeuples indigenes de l’Amérique“ (Par. 1810, gr. Fol., mit 69 Tafeln; 2 Bde., Par.1816, 8., mit 19 Tafeln), reich an kunſtvoll gearbeiteten Abbildungen, entſtand durchH.’s Beſtreben, die großen Naturſcenen der Andenkette und die Denkmäler einer un-tergegangenen Civiliſation der Ureinwohner den Europäern bildlich vorzuführen. Zum er-ſten male ſah man in Europa Landſchaften, die mit künſtleriſcher Auffaſſung naturhiſto-riſche Treue verbanden. Sie verdrängten die phantaſtiſchen Machwerke früherer Zeitenund begründeten jene naturhiſtoriſche Landſchaftsmalerei, die in der Gegenwart zu hoherVollkommenheit gebracht iſt. Das Studium der großen Bauwerke der alten Mexicaner und Pe-ruaner führte H. zu Unterſuchungen über die Sprachen, die noch erhaltenen Handſchriften, dieZeiteintheilung, den Culturzuſtand und die Wanderungen der ältern Bewohner jener Länder,und lohnend geſtaltete ſich der Vergleich mit den Altägyptern und ſelbſt den Südaſiaten, da er dieVerwandtſchaft der durch weite Meere getrennten Völker erkennen ließ. Statiſtik und Ethnogra-phie erhielten durch H.’s Reiſe ungemein große Vermehrungen, denn keinem Fremden waren jedie Archive der Colonien geöffnet worden. Indeſſen war auch hier die Verarbeitung der Materia-lien eine eigenthümliche, denn in dem „Essai politique sur le royaume de la Nouvelle Espagne(2 Bde., Par. 1811, 4., mit Atlas; der Text beſonders, 5 Bde., 1811, 8.; 2. Ausg., 4 Bde.,1825; deutſch, 2 Bde., Stuttg. und Tüb. 1811), einem Muſterwerke, ſtehen nicht die trocke-nen ſtatiſtiſchen Zahlenreihen allein da, ſondern ſie ſind in Verbindung gebracht mit naturge-ſchichtlichen Thatſachen, ſodaß beide ſich gegenſeitig erklären und verſchiedene Lehren der Staats-ökonomie unter einem völlig neuen Geſichtspunkte behandelt erſcheinen. Vergleiche anzuſtellenüber die Bodencultur unter verſchiedenen Klimaten und in weit voneinander entfernten Ländern,über ihre Einträglichkeit, ihren Einfluß auf die Civiliſation und ſonach auf die geſchichtlicheEntwickelung und ſelbſt die ſpäte Zukunft der Völker, die Ebbe und die Flut metalliſcher Reich-thümer zu erforſchen, wie ſie nach allen Seiten verändernd ſich über einzelne Welttheile ergießen,je nachdem der Boden irgendwo neu erſchloſſen oder neue Verbindungswege zwiſchen Völkernentdeckt wurden, iſt eine von H. zuerſt geübte philoſophiſche und daher höhere Betrachtungsweiſeder Sätze der ältern Staatswirthſchaftslehre. Es iſt nothwendig, daß bei dieſer Gewöhnung, keine Frage und kein Factum iſolirt hinzuſtel-len, ſondern ihre Löſung in Combinationen zu ſuchen, die Werke H.’s, wenn auch umfang-reich, reiche Fundgruben des mannichfachſten Wiſſens ſein müſſen. Dennoch hat es H. mög-lich gefunden, zahlreiche abgeſonderte Unterſuchungen, wie z. B. über die Entſtehung des Stel-lenwerths der indiſchen Zahlen, theils allein, theils in Verbindung mit Andern anzuſtellenoder wenigſtens zu ihnen anzuregen. Seine oben bereits erwähnte Geſchichte der nautiſchenGeographie im Mittelalter, welche nur ein Hiſtoriker, der zugleich auch Aſtronom und Natur-forſcher war, ſchreiben konnte, ſeine gemeinſamen Arbeiten mit Gay-Luſſac, die theils chemiſchewaren, theils der Feſtſtellung des magnetiſchen Äquators galten, ſeine große Entdeckung derIſothermen, die Verſuche über die Gymnoten, wie über die Reſpiration der Fiſche und jungenKrokodille, eine Menge Abhandlungen aus dem Gebiete der phyſiſchen Geographie und dieBetheiligung an fremden Werken durch Lieferung von Beiträgen oder Anmerkungen, ſind Be-weiſe einer nimmer raſtenden und Vieles und Großes in kurzer Zeit leiſtenden Thätigkeit. HatteH. ſchon früher, bald nach ſeiner Rückkehr aus Amerika, in den „Anſichten der Natur“ (Stuttg.1808; 3. Aufl., 2 Bde., 1849) das allgemein faßliche Reſultat eines Rückblicks über ſeine rei-chen Erfahrungen und Forſchungen zu geben verſucht, ſo entſchloß er ſich noch am ſpäten Abendſeines vielbewegten Lebens die ſeitdem gewonnenen Ergebniſſe des Forſchens und Denkens aufdem Geſammtgebiete der Naturkunde im „Kosmos. Entwurf einer phyſiſchen Weltbeſchrei-bung“ (Bd. 1—3, Stuttg. 1845—52), harmoniſch zu einem vollendeten Ganzen geordnet,der Welt vorzulegen. In einer jedem gebildeten Denker verſtändlichen, edeln Sprache hat H.in dieſem Werke die große Aufgabe zu löſen begonnen, die Erſcheinungen der körperlichen Dingein ihrem allgemeinen Zuſammenhange, die Natur als ein durch innere Kräfte bewegtes undbelebtes Ganzes aufzufaſſen, den allgemeinen Zuſammenhang, die Einheit in der Vielheit derErſcheinungen zu zeigen, kurz eine phyſiſche Weltbeſchreibung im umfaſſendſten und höchſtenSinne zu liefern. H. hat die Aufgabe glücklich gelöſt; ſein Werk bildet ein Glaubensbekennt-niß über das All der Schöpfung, wie daſſelbe in dem Geiſte des umfaſſendſten Naturforſchersunſerer im Fache der Natur weit vorgeſchrittenen Zeit hat entſtehen können. Kein Buch im Ge-biete des Naturwiſſens hat je ſolchen Erfolg gehabt, ſo mächtig eingewirkt auf alle Stände;das Studium der Natur iſt durch ihn in ganz neue Lebenskreiſe eingeführt worden. Un- |133| ter ſolchen Umſtänden konnte es daher nicht befremden, daß das Erſcheinen des „Kos-mos“ für ein literariſches Ereigniß galt. Er wurde nicht nur in alle europ. Sprachen, insEngliſche bereits vier mal, überſetzt und dadurch über das ganze Erdenrund ausgebreitet, ſon-dern es wurde durch ihn auch eine neue, eine Kosmos-Literatur ins Leben gerufen. Nachah-mungen und Erläuterungen, Ergänzungen, auch Verſuche von Widerlegungen ſind bereits ingroßer Anzahl erſchienen. Unter den erläuternden Werken, welche ſich das Ziel geſetzt haben,den „Kosmos“ in immer weitere Kreiſe einzuführen und ſeine Wirkungen zu verallgemeinern,verdienen beſonders genannt zu werden: Schaller, „Briefe über H.’s Kosmos“ (2 Bde., Lpz.1850); Cotta, „Briefe über H.’s Kosmos“ (Th. 1—3, Lpz. 1848—51; 2. Aufl., 1850 fg.),Bromme, „Atlas zu H.’s Kosmos“. Als eine ſtete Ergänzung gibt der Abbé Moigno in Pa-ris ſeit 1852 ein „Journal du Cosmos“ heraus. Anregend aber hat H. auch auf ſeine Zeitgenoſſen ein mal durch ſein Beiſpiel gewirkt undhierdurch die Schule gebildet, die oben erwähnt wurde; außerdem aber hat er ſich überall mitden Befähigten in Verbindung geſetzt und ſie entweder auf Unterſuchungen geleitet, oder auchihnen durch ſeinen bedeutenden Einfluß und die wohlverdiente Achtung, die er bei Regierungenund gelehrten Körperſchaften genießt, die nöthige Unterſtützung verſchafft. Die Errichtung vonmagnetiſchen Obſervatorien bis in die entlegenſten Colonien der Engländer, bis Sibirien undPeking verdankt man ihm; auf ſeinen Betrieb ließ ſchon 1828 die Regierung in vielen preuß.Bergwerken thermometriſche Beobachtungen anſtellen, und ſpäter wurden dieſe Forſchungenauf Befehl der ruſſ. Regierung auf dem ewig gefrorenen Boden Nordaſiens fortgeſetzt. Man-chem jüngern Naturforſcher verſchaffte er zuerſt eine bürgerliche Stellung, mancher ungekannteoder vom Schickſal gedrückte talentvolle Gelehrte fand an ihm einen eifrigen Beſchützer, unddas Bedeutende, was Preußen in den letzten Jahrzehnden für die Förderung naturwiſſenſchaft-licher Studien gethan, geſchah größtentheils auf ſeine Veranlaſſung. Ein fleckenloſes Leben, einedler, von Selbſtſucht völlig freier Charakter haben ihm ebenſo die Liebe und Achtung aller mit-lebenden Naturforſcher wie die Zuneigung der Fürſten verſchafft, mit welchen er in häufiger Be-rührung ſteht; ſeinen wiſſenſchaftlichen Leiſtungen wird auch die ſpäte Nachwelt dankbare An-erkennung zollen. Vgl. Klencke, „A. von H., ein biographiſches Denkmal“ (2. Aufl., Lpz. 1852);Juliette Bauer, „Lives of the brothers Humboldt, Alexander and William“ (Lond. 1852),nach Schleſier und Klencke bearbeitet. Eine kurze Darſtellung von H.’s Reiſen gibt Löwenbergin „A. von H.’s Reiſen in Amerika und Aſien“ (2. Aufl., 2 Bde., Berl. 1843).