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Alexander von Humboldt: „Untersuchungen über den Namen Amerika“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1835-Chronologie_des_plus-2> [abgerufen am 27.04.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1835-Chronologie_des_plus-2
Die Versionsgeschichte zu diesem Text finden Sie auf github.
Titel Untersuchungen über den Namen Amerika
Jahr 1835
Ort Berlin
Nachweis
in: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde 3:1:3 (31. Dezember 1835), S. 209–212.
Postumer Nachdruck
Alexander von Humboldt, Ueber die künftigen Verhältnisse von Europa und Amerika. Politische und historographische Schriften zur Neuen Welt, herausgegeben von Oliver Lubrich, Hannover: Wehrhahn 2010. S. 81–84.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: V.38
Dateiname: 1835-Chronologie_des_plus-2
Statistiken
Seitenanzahl: 4
Zeichenanzahl: 6784
Bilddigitalisate

Weitere Fassungen
Chronologie des plus anciennes cartes d’Amérique (Paris, 1835, Französisch)
Untersuchungen über den Namen Amerika (Berlin, 1835, Deutsch)
|209|

Unterſuchungen uͤber den Namen Amerika.

VonA. v. Humboldt. (Aus einem Schreiben deſſelben an Herrn Letronne zu Paris.)
Die aͤlteſte gezeichnete Karte von Amerika, welche man bisherkannte, war die vom Jahre 1527; ſie ſtammt aus der Bibliothek vonEbner in Nuͤrnberg und befindet ſich gegenwaͤrtig in der Militair-Bibliothek zu Weimar; ſie iſt zwei Jahre aͤlter als die Karte vonDiego Ribero, welche Guͤſſefeld hat ſtechen laſſen, und gegenwaͤrtigebenfalls auf der Militair-Bibliothek zu Weimar aufbewahrt wird.Jch habe dieſe beiden Karten, welche man oft verwechſelt hat, in dem Examen critique, pag. 182, verglichen. Eine Weltkarte in derSammlung des Hrn. Baron Walkenaer, die ebenfalls Amerika dar-ſtellt, iſt, wie ich es waͤrend der Cholera im Jahre 1832 er-kannt habe, im Puerto Santa Maria im Jahr 1500 von Juande la Coſa, dem Gefaͤhrten von Colomb auf ſeiner zweitenReiſe, und dem Begleiter von Ojeda und Veſpucci bei der Expeditionvon 1499, gezeichnet (man ſehe die kronologiſche Überſicht der Ent-deckungen im Examen critique, p. 101). Dieſer Juan de la Coſa |210| iſt es, uͤber den ſich, nach dem Zeuͤgniß von Bernardo de Jbarra indem Proceß des Fiskus gegen Don Diego Colomb, der Admiral be-klagte, weil Coſa hombre habil andaba diciendo que sabia masque el. Martinus Hylacomylus, Profeſſor in Freiburg im Breisgau, derwaͤrend der Weinleſe nach Lotharingen zu reiſen pflegte, deſſen HerzogRenatus ein großer Beſchuͤtzer der geograph. Wiſſenſchaften war undmit Veſpucci in Verbindung ſtand, iſt der erſte, welcher in einer klei-nen Weltbeſchreibung (Cosmographiae Indroductio: insuper quatuorAmerici Vespucii Navigationes. Imp. in urbe S. Deodati, 1507) denNamen Amerika vorſchlaͤgt. Vor Navarrete und Washington Jrvingiſt dieſes Buch von Canovat wie auch von dem Ritter Napione (Primoscopritore p. 39 u. 111) citirt worden; aber keiner dieſer Autorenhat die Perſon des Hylacomylus und ſeine Vorliebe fuͤr Veſpuccigekannt, die durch ſeinen Aufenthalt in Lotharingen angeregt wor-den war; Navarrete haͤlt ſogar St. Dié in Lotharingen fuͤr eineStadt in Ungarn, fuͤr Tata. Die aͤlteſten Ausgaben der Margaritaphilosophica von 1503, 1504, 1508 und 1512, und ein Brief vonHylacomylus an Phileſius Vogeſigena (Ringmann, Profeſſor in Baſel,Überſetzer des Julius Caͤſar) verbreiten viel Licht uͤber Hylacomylus, derColumbus mit Veſpucci verwechſelte, wie das heuͤtige Publikum oftdie Kapitaine Roſſ und Parry. Jch glaube, daß Hylacomylus derGeograph Waldſeemuͤller iſt, welcher eine deuͤtſche Seekarte verfaßthat. Die Jahrzahl 1507 beweiſet allein ſchon, wie ungerecht die oftwiederholte Beſchuldigung iſt, daß Veſpucci ſeinen Namen auf dieKarten der Neuͤen Welt als Piloto Mayor des Koͤnigs von Spaniengeſetzt habe; Veſpucci erhielt dieſes Amt erſt am 22. Mai 1508. Jm Jahr 1508 erſcheint in der Ausgabe des Ptolemaͤos die erſtegeſtochene Karte vom Neuͤen Kontinent, aber ohne den Namen Ame-rika, wie es Herr Walkenaer gezeigt hat (Biographie Universelle,T. VI. p. 207 und Recherches géographiques sur l’Intérieur del’Afrique septentrionale, p. 186). Jm Jahr 1509 finde ich den von Hylacomylus 1507 vorgeſchlage-nen Namen Amerika ſchon als eine ſehr bekannte Benennung in einemanonymen kosmographiſchen Werke gebraucht, welches den Titelfuͤhrt: Globus mundi, declaratio sive descriptio mundi et totiusOrbis, impress. Argentor. 1509. Dies iſt drei Jahre vor Veſpuc-ci’s Tode. Dieſes Werk hat Panzer irriger Weiſe dem Henricus Lo-ritus Glarcanus zugeſchrieben, der im Jahre 1488 geboren wurdeund Verfaſſer von: Geographiae Liber, Basil. 1527, iſt. |211| Amerika wird auch in dem Briefe an Rudolf Agricola, aus Wien1512, von Joachim Vadianus, in deſſen Kommentar des PomponiusMela genannt: Pomponius Mela, de Orbis situ, cum commentariisJoachimi Vadiani; adjecta est epistola Vadiani ab eo pene adoles-cente ad Rudolph. Agricolam juniorem scripta. Das ganze Buchiſt vom Jahre 1522; aber der in neuͤrer Zeit beruͤhmt gewordene Brief,welcher die Stelle uͤber Amerika enthaͤlt, iſt von 1512. Cancellierihat irriger Weiſe geglaubt, daß Vadianus es geweſen ſei, welcher denNamen Amerika zuerſt ausgeſprochen habe. Die erſte geſtochene Karte von der Neuͤen Welt mit dem NamenAmerika iſt nicht die im Ptolemaͤos von 1522, ſondern eine Weltkartevon Petrus Appianus von 1520, welche ein Mal des Camers Ausgabedes Solinus (Polyhist. Viennae Austr. 1520), ein zweites Malder Vadianiſchen Ausgabe des Mela von 1522, beigefuͤgt iſt. DieſeKarte mit dem Namen Amerika traͤgt auf der Platte die Jahrzahl1520. Der Jſthmus von Panama iſt auf derſelben von einer Meer-enge durchſchnitten, was um ſo merkwuͤrdiger iſt, weil dieſer Jrrthumder neuͤen chineſiſchen Karten ſchon auf einem Globus von JohannSchoner enthalten iſt, der, wie die Karte von Appian, aus dem Jahre1520 ſtammt (man ſehe mein Examen critique, p. 125); uͤberdemfuͤgt dieſe Appianiſche Karte, obwol ſie den Namen Amerika enthaͤlt,in dem ſuͤdlichen Theile des Continents hinzu, daß letzterer von Co-lumbus im Jahre 1497 entdeckt worden ſei (ſo iſt alſo das Jahr derangeblichen Entdeckung des Veſpucci dem Namen Colombus beigeſellt),waͤrend man in dem Cosmographicus Liber Petri Appiani studiosecorrectus per Gemmam Phrysium (Antwerpiae 1529) lieſt: — Quartapars mundi ab Americo Vespuccio ejusdem inventore nomen sor-titur. Inventa est 1497. So groß und dauernd war die Verwech-ſelung der beiden Namen, Colomb und Veſpucci, die zwiſchen Lotha-ringen, dem Elſaß, Freiburg und Wien entſtanden iſt und ganz ohneVeſpucci’s Zuthun zu der Benennung: Amerika Anlaß gab. Unter den Ausgaben des Ptolemaͤos iſt die von 1522 unſtreitigdie erſte, welche den Namen Amerika zeigt; dies bewieſen die RitterNapione (primo scopritore 1809, p. 88) und Hr. Walkenaer (I,p. 352); aber dieſe Karte mit dem Namen Amerika ſtehet um zweiJahre den geſtochenen Karten im Solin von Camers und in dem Mela vonVadianus nach. Merkwuͤrdig, daß dieſe Ausgabe von 1522, die zumerſten Male den Namen Amerika enthaͤlt, zugleich auch diejenige iſt,in welcher, nach Hrn. Walkenaers Bemerkung, Laurentius Phriſtus(in einem Zuſatz zum Kap. II., Buch VIII., des Ptolemaͤos) den |212| Martinus Hylacomylus, pie defunctum, als Bearbeiter eines Theilsder zu dieſer Ausgabe gehoͤrigen Karten nennt *).


*) Die vorſtehenden Reſultate ſind dem Herausgeber von Herrn v. Hum-boldt bei ſeiner Ruͤckkehr von Paris, im Januar 1836, mitgetheiltworden. Die Entdeckung der Karte von Juan de la Coſa, gezeichnetim Jahr 1500, alſo ſechs Jahre vor Columbus Tode, hat die erſteVeranlaſſung gegeben zu der Schrift des Hrn. v. Humboldt: Examencritique de l’Histoire de la Géographie du Nouveau Continent etdes progrès de l’Astronomie nautique aux 15me et 16me siècles. (groß Folio) von der bereits 70 Bogen gedruckt ſind.