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Alexander von Humboldt, Jean-Michel Provençal: „Untersuchungen über die Respiration der Fische von Provençal und Humboldt“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1809-Recherches_sur_la-3> [abgerufen am 26.04.2024].

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Permalink:
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Titel Untersuchungen über die Respiration der Fische von Provençal und Humboldt
Jahr 1811
Ort Nürnberg
Nachweis
übersetzt von Georg Carl Ludwig Sigwart, in: Journal für Chemie und Physik 1:1 (1811), S. 86–121.
Beteiligte Jean-Michel Provençal
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kursivierung; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen; Tabellensatz.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: II.73
Dateiname: 1809-Recherches_sur_la-3
Statistiken
Seitenanzahl: 36
Zeichenanzahl: 54335

Weitere Fassungen
Recherches sur la respiration des poissons (Paris, 1809, Französisch)
Recherches Sur la respiration des poissons (Paris, 1809, Französisch)
Untersuchungen über die Respiration der Fische von Provençal und Humboldt (Nürnberg, 1811, Deutsch)
|86|

Untersuchungen über das Athemholen und dieSchwimmblase der Fische *).1. Untersuchungen über die Respiration der Fischevon Provençal und Humboldt.Uebersetzt **) von Dr. Sigwart.

Die Respiration der für gewöhnlich unter demWasser lebenden Thiere ist einer der wichtigsten Ge-genstände der physiologischen Untersuchungen. Manhat den unter dem Namen der Kiemen bekannten Re-spirationsapparat nicht bloß bey den mit Rücken-wirbeln versehenen Thieren angetroffen, sondernauch noch bey den Mollusken aus der Ordnung der Ce-phalopoden, Acephalen und Gasteropoden mit Schaa-len, bey mehrern Krustaceen (Krebse, Hummern etc.)und in einigen Würmern mit rothem Blut (Ne-reiden, Serpulae etc.). Es scheint sogar, nach H. Cu-vier’s Untersuchungen, daß die kleinen fleischigenRöhren, welche man unter dem Wasser quastenför-mig um die Bewegungswerkzeuge der Seesterne her-ausgehen sieht, zum Einsaugen des Wassers bestimmtsind, und den Echinodermen als Respirationsorganedienen. Die jungen Froschlarven athmen vor ihrer
*) Vgl. Biots Abhandl. über die Natur der in der Schwimm-blase enthaltenen Luft in Gehlen’s Journal für die Chemieund Physik etc. Bd. 4. S. 582. fg. G. **) Aus den Memoires de Physique et de Chimie de la Sociétéd’Arcueil T. II. Paris 1809. pag. 359-404.
|87| Verwandlung durch freye Kiemen, die sie wieder ver-lieren. In der Familie der Urodelen sind zweyGattungen, die zweyfüßige Sirene und der Proteus,die, wahre Amphibien, ihr ganzes Leben hindurchmit Kiemen und Lungen zugleich versehen sind.
Von den acht Klassen von Thieren mit oderohne Rückenwirbel, bey welchen die Anatomen Ge-fäße vorgefunden haben, sind folglich sechs mit Re-spirationsorganen versehen, das Wasser mit dem Ve-nenblut in Berührung zu setzen. Wenn also einer-seits die größten Thiere, die Pachydermen und die Ce-taceen für die Luft geschaffen sind, und durch Lungenathmen, so sind auf der andern Seite, die vermittelstdes Wassers athmenden Thiere, die zahlreichsten undhauptsächlich die mannigfaltigsten, ihrer äußern Formnach sowohl, wie in ihrem innern Bau. Eine je größere Rolle die keine Lungen habendenWasserthiere in der Oeconomie der Natur spielen,desto wichtiger ist es, sorgfältig zu untersuchen, wel-che Art von chemischer Wirkung das Wasser aufdas Venenblut in den Kiemen der Fische, der Mol-lusken, der Seewürmer, und der krebsartigen Krusta-ceen ausübt. Seit Boyle und Mairan entdeckt haben, daß Luftim Wasser aufgelöst ist, haben die Physiologen dieseaufgelöste Luft als das Hauptagens bey der Respira-tion der Fische angesehen; bis auf die Epoche dergroßen Entdeckung von der Wasserzersetzung, wardieß die allgemeine Meynung. Dann aber äußertenmehrere Naturforscher die Vermuthung, daß die Kie-men das Vermögen besäßen, das Wasser in seinebeyden Bestandtheile zu scheiden, und die Menge vonöliger und fettiger Materie, die man bey einigen Fa- |88| milien der Fische wahrnimmt, schien ihnen sogar einunmittelbarer Beweis von der in dem Respirations-act vorgehenden Wasserzersetzung zu seyn. AnderePhysiker haben geglaubt, daß die mit Kiemen undeiner Schwimmblase zugleich versehenen Fische aufzweyfache Art respirirten, nemlich durch Wasser-zersetzung in den Kiemen, und Aneignung der imWasser auſgelösten Luft vermittelst des Gefäßsy-stems, dessen letzte Verästungen sich über die Luft-blase ausbreiteten. Die Versuche von Priestley und Spallanzani schwächten diese auf die Vorstellung von einer Zer-setzung des Wassers in den Respirationsorganen ge-gründete Hypothesen. Spallanzani’s Arbeit ist bisauf diesen Tag die ausgeführteste über diesen wich-tigen Gegenstand. Er beobachtete, daß die Fische,der Luft ausgesetzt, Sauerstoff absorbiren, und Koh-lensäure erzeugen; daß, wenn er eine SchichteSauerstoffgas über Wasser brachte, worinn Schlei-hen lebten, dieselbe an Umfang merklich abnahm;daß die Fische in einigen Stunden sterben, wenndas Wasser mit der äußern Luft keine Gemein-schaft hat, und daß atmosphärische Luft, über einergeringen Menge auf Quecksilber gebrachten Wassers,worinn man Fische leben läßt, allmählig ihres Sauer-stoffs beraubt wird. Er bemerkte auch, daß eineSchleihe, die in einer mit destillirtem Wasser ge-füllten Flasche eingeschlossen war, schon nach acht-zehn Stunden, eine andere in einer mit gemeinenWasser gefüllten Flasche erst nach dreissig Stun-den starb. Aus eben diesen Versuchen, in Kalk-wasser angestellt, schloß er, daß die Schleihen Koh-lensäure erzeugen, nicht nur durch die Wirkung |89| ihrer Kiemen, sondern durch die ganze Oberflächeihres Körpers *). In dieser ganzen Untersuchung über die Respi-ration der Fische, hat Spallanzani nie die in demWasser, worauf die Kiemen gewirkt hatten, enthal-tene Luft durch Kochen ausgezogen, er konnte folg-lich die Veränderung nicht untersuchen, welchedies Gasgemisch erlitten hatte; er ließ die wichtigeFrage unberührt, ob die Fische ausser dem Sauer-stoff auch den im Wasser aufgelösten Stickstoff ab-sorbiren. H. Sylvester hat mehrere Versuche gemacht,welche zeigen sollen, daß die Fische die im Wasserenthaltene Luft respiriren, und, wenn sie können,an die Oberfläche kommen, die atmosphärische Luftzu athmen. Die Resultate dieser letztern Untersu-chungen findet man im ersten Band des Bulletin dela Société philomatique S. 17. und in den Leçonsd’anatomie comparée von Cuvier. H. Sylvester be-merkte, daß Fische in ganz mit Wasser angefülltenRecipienten nur sehr kurze Zeit leben, länger, wenneine Schichte atmosphärischer Luft und noch länger,wenn eine Schichte Sauerstoffgas das Wasser bedeckt.Er fand, daß Wasser, worinn Fische respirirt hat-ten, viel weniger Luft enthielt, als das nemlicheWasser, ohne diesen Dienst geleistet zu haben, unddaß die Fische in sehr kurzer Zeit sterben, wennman sie durch eine Scheidewand, sehr nahe unter derOberfläche des Wassers, an letztere zu kommen, undatmosphärische Luft einzunehmen verhindert.
*) Rapport de l’air avec les êtres organisés; par Jean Senne-bier, tom. I. p. 130-187.
|90| Die erwähnten Beobachtungen, und besonders dieausführliche Untersuchung Spallanzani’s, haben nichtermangelt, über die Respiration der mit Kiemen ver-sehenen Thiere Licht zu verbreiten; jedoch ist nocheine große Menge wichtiger Fragen zu beantworten.Der gelehrte Physiker hat seine Untersuchungen zueiner Zeit angestellt, wo man noch über den Sauer-stoffgehalt der atmosphärischen Luft beynahe um sie-ben Hunderttel in Unrichtigkeit war; er kannte dieMittel nicht, sehr kleine Mengen von im Stickstoffvorhandenen Wasserstoff, oder im Wasserstoff vor-handenen Stickstoff, zu bestimmen; die eudiometrischeMethode, die er anwandte, war höchst unvollkommen;er machte keinen Versuch, die Natur der in dem Wasser,worinn lebende Fische eingeschlossen waren, enthalte-nen Luft zu bestimmen; endlich konnte er auch dieVeränderungen in den Verhältnissen nicht genau be-stimmen, welche vom destillirten Wasser absorbirteGemische von Stickstoff- und Sauerstoffgas, oder vonStickstoff-, Sauerstoff- und Wasserstoffgas, durch dieLebenswirkung der Kiemen erlitten. In Erwägung dessen entschlossen wir uns, Hr. Provençal und ich, zur Fortsetzung der Untersu-chungen über die Respiration der Fische, und überdie in ihrer Bauchhöhle befindliche Schwimmblase.Wir schmeichelten uns zwar nicht mit der Hoffnung,wichtige Entdeckungen über Gegenstände zu machen,die schon die Aufmerksamkeit mehrerer Physiker be-schäftigt haben, glaubten aber doch, daß unsere Ar-beit für die Fortschritte der Physiologie nützlich seynwerde, wenn sie uns auch nur auf wenige sichere Re-sultate führen sollte, die unter sich in Zusammen-hang, und auf Methoden gegründet wären, wie sie |91| uns der gegenwärtige Zustand der pneumatischen Che-mie darbietet. Wir haben uns sieben Monate mit die-sen Untersuchungen beschäftigt. Da wir aber dieVersuche noch nicht geendigt haben, so können wirnicht das Ganze geben, sondern begnügen uns, indieser Abhandlung die Hauptthatsachen zu vereini-gen, die wir für hinlänglich aufgeklärt halten. Wir werden zuerst die Fische in ihrem natürli-chen Zustande betrachten, als Flußwasser respirirend;sodann die Wirkung der Kiemen auf das umgebende,mit Stickstoff und Sauerstoff, mit Kohlensäure, odermit einem Gemisch aus Wasserstoff und Sauerstoffgeschwängerte Wasser untersuchen; ferner von denVeränderungen handeln, welche die Fische in ver-schiedenen gasförmigen Flüssigkeiten, worin sie ge-setzt werden, hervorbringen; endlich einige chemi-sche und physiologische Versuche über die von denNaturforschern so genannte Schwimmblase anführen,ein Organ, dessen physiologische Thätigkeit noch sehrproblematisch ist. Die Genauigkeit einer Untersuchung über die Re-spiration, hängt großen Theils von der Genauigkeitder eudiometrischen Methoden ab, welche zur Unter-suchung der Natur der der Lungenwirkung ausgesetztenGasgemische angewandt werden. Um eine kleinlicheAuseinandersetzung und eine Wiederholung gleich-förmiger eudiometrischer Berechnungen zu vermei-den, wollen wir hier voraus bemerken, daß alle un-sere Versuche im Voltaischen Eudiometer und nachder Methode und den Regeln angestellt wurden, wel-che einer von uns in Gemeinschaft mit H. Gay-Lus-sac bekannt gemacht hat *). Jeder Versuch wurde
*) Siehe Gehlen’s N. allg. Journ. der Chemie, Bd. 5. S. 45 fg. G.
|92| drey Mahl wiederholt, und keiner für genau ange-sehen, als wo die Abweichungen nicht über fünfbis sechs Tausendtel betrugen. Nie vergaß man diekleine Menge Sauerstoff zu bestimmen, die sich zu-fällig in dem zur Analyse der Luft angewandten Was-serstoffgas findet. Auch wurde der in dem nemli-chen angewandten Gas enthaltene Stickstoff jedesMahl genau ausgemittelt, wenn es darum zu thunwar, Wasserstoff in einem Gemische von Stickstoffund Sauerstoff zu entdecken. Erst gegen das Endeunserer Arbeit, haben wir oft die erhaltenen Gasar-ten auf zwey verschiedenen Wegen analysirt, nem-lich durch Wasserstoffgas und durch Salpetergas.Das letztere wurde nach der neulich von H. Gay-Lussak *) angezeigten Verfahrungsart angewandt, wel-che mit Genauigkeit die größte Einfachheit verbin-det, und durch welche man den Sauerstoffgehalt ei-nes gasförmigen Gemisches fast eben so schnell be-stimmen kann, als seine Temperatur.
Um die Veränderungen, welche Fische in demWasser, in das sie gesetzt sind, hervorbringen, schä-tzen zu können, war es unumgänglich nothwendig,die Menge und Natur der in einem gegebenen Vo-lum Flußwasser enthaltenen Luft genauer, als bis-her geschehen war, zu bestimmen. Ohne diese Be-stimmung wäre man nicht im Stande gewesen, denEffect zu beurtheilen, welcher der Lebenswirkungder Respirationsorgane der Fische zugeschriebenwerden muß. Man maaß daher, durch das Gewicht des hinein-gehenden, destillirten Wassers, den Inhalt dreyer
*) Siehe Gehlen’s Journal für die Chemie, Physik etc. Bd. 9.S. 455. G.
|93| Ballons von verschiedener Größe; der erste A ent-hielt 2582 Grammen, der zweyte B 2378 Gr., derdritte C 857 Gr. Die durch Kochen ausgetriebeneLuft wurde beständig in einer graduirten Röhre ge-messen, wovon 300 Abtheilungen ein Gewicht von40,730 Gr. destillirtes Wasser aufnehmen. Diese Be-stimmungen wurden vermittelst einer Fortin’schen Waage bey einer Temperatur von 10° hundertthei-liger Skale gemacht. Drückt man nun die Volumein Cubikcentimetern aus, so findet man in zehen inder folgenden Tabelle zusammengestellten Versuchen,daß das Seinewasser 0,0275 oder etwas weniger alsein Sechsunddreyßigstel seines eigenen Volums Luftaufgelößt enthält. Die Uebereinstimmung dieser Ver-suche ist so groß, daß in den drey Monaten Fe-bruar, März und April die größten Abweichungennicht über zwey Tausendtel vom ganzen Volumdes Wassers betrugen.
Ballons Volume in Cubikcenti-metern ausgedrückt. Volumder in 100TheilenFlußwasserenthaltenenLuft. Sauerstoff-menge derim Wasserenthalte-nen Luft.
angewandtesWasser erhalteneLuft
A 2582,70 72,65 0,0281 0,309
A 2582,70 69,72 0,0270 0,313
B 2378,22 64,59 0,0272 0,314
B 2378,22 66,13 0,0279 0,311
B 2378,22 62,94 0,0264 0,311
C 857,62 23,88 0,0278 0,309
B 2378,22 65,86 0,0277 0,307
A 2582,70 74,21 0,0287 0,306
B 2378,22 63,26 0,0266 0,311
B 2378,22 67,26 0,0283 0,314
|94| Wenn man die Luft aus dem Wasser durchKochen austreibt, so muß man die Dämpfe entwe-der durch Quecksilber, oder durch frisch ausgekoch-tes, destillirtes Wasser gehen lassen. Denn, wenndie Glocke, worin man die Luft auffängt, mit luft-haltigem Wasser gefüllt ist, so rauben die Dämpfe,die sich entwickeln, diesem Wasser einen Theil derin ihm aufgelösten Luft, und man erhält mehr undeine sauerstoffärmere Luft, als das im Ballon ent-haltene Wasser wirklich liefert. Man muß auch vermeiden, daß das Wasser,das sich in der mit Quecksilber gefüllten Glocke ver-dichtet, nicht von neuem einen Theil der entwic-kelten Luft absorbire. Zwar könnte man versuchtseyn, die Luft mehrere Tage mit der auf dem Queck-silber niedergesessenen Wasserschichte in Berührungzu lassen, in der Meinung, daß dieses Wasser ge-nau dieselbe Menge Wasserluft, die es gegeben,wieder aufnehmen werde, und daß man folglichnach Abzug des Volums dieses von den verdichte-ten Dämpfen gelieferten Wassers vom ganzen Vo-lum des Ballons die Luft zum Rest haben werde,welche dem im Ballon zurückgebliebenen VolumWasser zugehört. Diese Voraussetzung ist abernicht ganz richtig, denn das der Luft beraubte Was-ser, nimmt das Gasgemisch, dessen man es so ebenberaubt hat, nicht anders wieder auf, als wenn manes einem unaufhörlich erneuertem Strome von at-mosphärischer Luft aussetzt. Es würde weder das-selbe Volum von Luft aufnehmen, noch eine Luftvon derselben Beschaffenheit in Absicht auf das Ver-hältniß des Sauerstoffs zum Stickstoff, (wie wir unsdurch einen unmittelbaren Versuch überzeugt ha- |95| ben), wenn die Absorption unter einer Glocke ohneGemeinschaft mit der freyen atmosphärischen Luftgeschähe. Die leichtesten Umänderungen der um-gebenden luftförmigen Flüßigkeit modificiren dieNatur des gasförmigen Gemisches, das die Wasserenthalten. Dieser Umstand ist es, der die von ei-nigen Chemikern vorgeschlagene Methode unan-wendbar macht, die Menge der im Wasser enthal-tenen Luft dadurch zu bestimmen, daß man dieVolumsverminderung der in verschlossenen Gefäßenmit destillirtem Wasser in Berührung gebrachtenatmosphärischen Luft beobachtete. Auf diesemWeg nimmt das Wasser nach den Berechnungendes Hrn. Dalton nicht mehr als 0,019 seines gan-zen Volums auf *). Die Beschaffenheit der in dem Wasser unsererFlüsse enthaltenen Luft, ist eben so beständig, als dieder atmosphärischen; auch ist diese Beschaffenheitbeyder in einem wesentlichen Zusammenhange, undwofern der Sauerstoffgehalt der atmosphärischen LuftVeränderungen von einigen Tausendteln unterwor-fen wäre, so würde die Reinheit der im Wasseraufgelösten Luft eine Function von der mittlernReinheit der atmosphärischen Luft seyn, ungefährso, wie die Temperatur unterirdischer Orte, tieferBrunnen und in der Aequinoctialgegend die Tem-peratur des Meeres, von der mittlern Temperaturdieser oder jener Breite abhängen. In allen unsernVersuchen, in einer Zeit von mehreren Monaten,bey trockener Witterung und Thauwetter, betrugdie Abweichung im Sauerstoffgehalt der aus dem
*) Systeme de Chimie de Thomson. Tom V. p. 421.
|96| Seinewasser durch Kochen erhaltenen Luft, nie mehrals von 0,309 zu 0,314. Mit diesen Beobachtungenstimmen die von uns, Hr. Gay-Lussac und mir,über den Sauerstoffgehalt der im destillirten Wasser,im Eise, Regenwasser und geschmolzenen Schneeenthaltenen Luft angestellten Versuche überein.Die Menge der im Flußwasser enthaltenen Koh-lensäure könnte anfangs überraschen; sie geht oftbis auf 0,06 und manchmal bis auf 0,11 des Volumsder erhaltenen Luft. Da aber diese nur den sechsund dreyssigsten Theil vom Volum des Wassersausmacht, so beträgt die Kohlensäure nur ein Drey-hundertel vom Volum des letztern; ohne Zweifelrührt sie nicht sowohl von der Zersetzung einigerAtome von kohlensaurer Kalk- und Bittererde her,als von der Zersetzung des Extractivstoffs, der sich,besonders durch den Schaum ankündigt, den manin dem Wasser bemerkt, das mit der Luft über-geht. Diese extractartige und mucilaginöse Mate-rie, welche aus den Resten organischer Körperentspringt, spielt vielleicht eine wichtige Rolle inder Oeconomie der Fische, die ohne Nahrung imFluß- oder Seewasser zu leben scheinen.
Nachdem so die Menge und Beschaffenheit derin einem bekannten Volum Wassers enthaltenenLuft bestimmt worden, konnten wir nun leicht un-mittelbar die Veränderungen auffinden, welche dieFische in dem im Flußwasser aufgelösten Gasge-mische hervorbringen. Dieſes Wasser wurde mitden Fischen unter Glocken gebracht, und von jenendie lebhaftesten Individuen genommen; man hattedie Vorsicht, sie nicht unter den Glocken sterbenzu lassen, aus Furcht, daß sie nun anders als |97| im Leben auf das Wasser wirken möchten. DasWasser, welches die Glocken gänzlich anfüllte,wurde durch eine Lage Quecksilber von der äus-sern Luft abgesondert, so, daß das Quecksilber inder Regel nicht mit den Fischen in Berührungkam; übrigens verschluckten diese Thiere kleineQuantitäten desselben, ohne Schaden davon zu neh-men. In directen Versuchen sahen wir, daß dieFische acht bis zehn Stunden leben, wenn sie Queck-silber berühren und die Kiemen halb in dieses Me-tall versenkt haben. Man ließ die Fische mehrere Stunden lang aufdas Wasser wirken; manchmal wurden bis siebenSchleihen zusammen unter sehr kleine Glocken ge-setzt. Sobald als sie so zu leiden schienen, daß mandie Annäherung des Todes befürchten mußte, wur-den sie herausgenommen. Das Wasser aber wurdeauf der Stelle in Ballons gebracht, um die Luftdaraus auszutreiben. Beym Uebergießen desselbenin den Ballon, wurde der Zutritt der äußern Luftmöglichst vermieden, obschon wir in weiter untenzu erwähnenden Versuchen uns überzeugt haben,daß das Wasser den Sauerstoff, den ihm die Fischeentzogen, nur sehr langsam wieder aufnimmt. Die Beschaffenheit der Luft aus dem zu Versu-chen gebrauchtem Wasser, hängt natürlich von derGröße der Glocken, der Zahl der Fische, welche da-rinn athmeten, dem Grade der Kraft, womit sie ih-re Lebensfunctionen ausüben, und der Dauer der Be-rührung der Kiemen mit dem Wasser ab. Eine ein-zige Schleihe in einem Volum Wasser von beynahe2400 Cubikcentimetern entzog demselben in sieben-zehen Stunden allen Sauerstoff bis auf zwey Hun- |98| derttel des Volums der daraus gezogenen Luft. In an-dern Versuchen wurde diese Luft auf sieben, neunoder dreyzehn Hunderttel Sauerstoff reducirt. Wirhaben die Resultate eines Theils unserer Versuchein einer Tabelle zusammengestellt. Die erste Columne der Tabelle zeigt die MengeSauerstoff, Stickstoff und Kohlensäure an, die ein Vo-lum Flußwasser enthält, demjenigen gleich, in wel-chem die Fische athmeten. Die zweite enthält die Resultate der Analyse derdurch Kochen aus dem Wasser, worin die Fische ge-athmet hatten, gezogenen Luft. Die dritte giebt den Unterschied an, von dem Vo-lum der im Flußwasser enthaltenen Luft, bevor dieFische darein gesetzt worden, und dem Volum deraus diesem Wasser erhaltenen Luft, nachdem dassel-be der Wirkung der Respirationsorgane der Schlei-hen unterworfen gewesen. Die vierte und fünfte zeigen den Sauerstoff undStickstoff an, den die Fische respirirt, und die Koh-lensäure, die sie erzeugt haben. Die sechste und siebente Columne enthalten dieVerhältnisse, die aus jedem Versuche, als zwischenden Mengen des durch den Respirationsact der Fi-sche absorbirten Sauerstoffs und Stickstoffs und dererzeugten Kohlensäure statt findend, hervorgehen. Aus der Menge der Luft, die durch Kochen ausdem Wasser erhalten wird, worin Fische gelebt ha-ben, kann man keineswegs auf die Größe der Actionschließen, die diese Thiere auf die umgebende Flüs-sigkeit ausgeübt haben; die Intensität dieser Lebens-wirkung steht mit der Menge der noch im Wasseraufgelöst gebliebenen Luft nicht im umgekehrten |99| Verhältniß; wäre kein Stickgas absorbirt und für denverschwundenen Sauerstoff eine entsprechende Men-ge Kohlensäure erzeugt, so erhielte man durch dasKochen genau dieselbe Menge Luft aus reinem Fluß-wasser, wie aus solchem, worin Fische eingesperrtgewesen waren. Wir werden aber bald sehen, daßdie Menge des absorbirten Sauerstoffs und Stickstoffsnur zum Theil und in sehr geringem Maaße durchdie Kohlensäure ersetzt wird, welche die Fische aus-athmen. Um den Leser nicht mit der Auseinandersetzungeiner Menge gleichförmiger Berechnungen zu er-müden, will ich nur an einem einzigen Beispieleden Gang zeigen, den wir beständig befolgt haben.Den 7. März wurden sieben Schleihen in eine mitFlußwasser gefüllte Glocke gesetzt, welche über 4000Cubikcentimeter enthielt; die Fische respirirten da-rinn acht und eine halbe Stunde. Mit diesem Was-ser, worauf die Fische gewirkt hatten, wurde einBallon von 2582 Cubikcentimeter Inhalt angefüllt,die Luft durch Kochen ausgezogen, und bey einerTemperatur von 10° hunderttheiliger Sc. gemessen,wo sie 453 Theile betrug; ein gleiches Volum reinesFlußwasser würde 524 Theile Luft gegeben haben,oder 71 Theile mehr. Mit Kalkwasser abgewaschenkamen die 453 Theile auf 300 herab, welches 153Theile Kohlensäure anzeigt; der Sauerstoff des übrigenGases wurde im Wasserstoffeudiometer, und in H. Gay-Lussac’s Apparate durch Salpetergas gemessen,und in drey Versuchen folgende Resultate erhalten:
    • 0,036
    • 0,037
    • 0,031
    Sauerstoff
|100| Die 453 Theile der aus dem, mit den Respira-tionsorganen der Fische in Berührung gewesenen,Wasser erhaltenen Luft enthielten folglich:
  • 10,5 Sauerstoff
  • 289,5 Stickstoff
  • 153,0 Kohlensäure.
Unsere früheren Versuche hatten uns aber ge-lehrt, daß ein Volum reines Seinewasser von 2582Cubikcentimetern an Gas aufgelöst enthielt:
  • 155,9 Sauerstoff
  • 347,1 Stickstoff
  • 21,0 Kohlensäure
  • 524,0.
Folglich haben die sieben Schleihen in achtStunden 145,4 Sauerstoff und 57,6 Stickstoff absor-birt, und in der nämlichen Zeit 132 Kohlensäureerzeugt. Hieraus erhellt, daß durch die Respira-tion der Fische in diesem Versuche ein VolumStickstoff absorbirt wurde, das nur um zwey Drit-theile geringer war, als das des verschwundenenSauerstoffs, und daß mehr als ein Achtel vom letz-tern nicht in Kohlensäure verwandelt wurde. Derabsorbirte Sauerstoff verhielt sich zum absorbirtenStickstoff = 100 : 40 und zur erzeugten Kohlensäure= 100 : 91. |101|
Natur der Gase. Luft vordem Versuch Luft nachdem Versuch Unterschied Die Fischehaben absorb. Sauer-stoff zum ab-sorb. Stickst. absorb. Sauerstzur erzeugtenKohlensäure. Bemer-kungen.
absor-birt er-zeugt

Ganzes . 175,0 135,1 39,9 D. 28. Febr. DreiSchleihen in Zeitvon 5 Stund. 15 Min.Ballon C.
Sauerstoff . 52,1 5,6 46,5 100:43
Stickstoff . 15,9 95,8 20,1
Kohlensäure 7,0 33,7 26,7 100:57

Ganzes . 24,0 404,4 119,6 D. 3. März. SiebenSchleihen in Zeitvon 6 Stunden.Ballon A.
Sauerstoff . 55,9 44,0 111,9 100:87
Stickstoff . 47,1 249,5 97,6
Kohlensäure 21,0 110,9 89,9 100:80

Ganzes , 524,0 453,0 71,0 Den 7. März. Sie-ben Schleihen inZeit von 8 ½ Stund.Ballon A.
Sauerstoff . 155,9 10,5 145,4 100:40
Stickstoff . 347,1 289,5 57,6
Kohlensäure 21,0 153,0 132,0 100:91

Ganzes . 183,0 345,5 137,5 Den 11. März. Ei-ne Schleihe in Zeitvon 17 Stunden.Ballon B.
Sauerstoff . 143,7 4,2 139,5 100:19
Stickstoff . 320,0 294,1 25,9
Kohlensäure 19,3 47,2 27,9 100:20

Ganzes . 483,0 408,0 75,0 Den 24. Febr. DreiSchleihen in Zeitvon 7 ½ Stunden.Ballon B.
Sauerstoff . 143,7 62,6 81,1 100:43
Stickstoff . 320,0 285,4 34,6
Kohlensäure 19,3 60,0 40,7 100:50

Ganzes . 483,0 398,6 84,4 Den 14. Febr. DreiSchleihen in Zeitvon 5 Stunden.Ballon B.
Sauerstoff . 143,7 40,0 103,7 100:71
Stickstoff . 320,0 246,6 73,4
Kohlensäure 19,3 112,0 92,7 100:89

Ganzes 483,0 372,5 110,5 Den 20. Februar.Zwey Schleihen inZeit von 7 Stunden.Ballon B.
Sauerstoff . 143,7 37,8 105,9 100:63
Stickstoff . 320,0 252,9 67,1
Kohlensäure 10,3 81,8 62,5 100:59
Ungeachtet der scheinbaren Verschiedenheitender in der Tabelle zusammengestellten Zahlen, füh-ren doch unsere Versuche insgesammt auf diesel-ben allgemeinen Resultate. Die Fische in den Flüs-sen befinden sich in Rücksicht auf den Sauerstoffge-halt der umgebenden Flüßigkeit in der nämlichenLage, wie ein in einem Gasgemisch, welches we-niger als 0,01 Sauerstoff enthält, athmendes Thier.Denn die im Wasser aufgelöste Luft geht nie über |102| 0,027 des Volums des Wassers, und 0,31 von deraufgelösten Luft sind reiner Sauerstoff. Die ge-ringe Verdichtung des in dem Wasser, das durch dieKiemenblätter geht, enthaltenen Sauerstoffs, könnteauf die Vermuthung führen, daß die Respira-tionswerkzeuge der Fische wenig Energie besitzen,und die Respiration dieser Thiere für die Erhaltungihres Lebens von geringer Bedeutung seye. Einesehr große Menge von Erscheinungen beweist aberim Gegentheil, daß die Fische durch die geringsteUnterbrechung ihrer Respiration leiden. Sie gebenbemerkliche Zeichen von Uebelbefinden und Beäng-stigung, wenn ihrer mehrere zusammen in eine ge-ringe Menge Wasser eingesperrt werden, das keineGemeinschaft mit der äussern Luft hat. Dieserleidende Zustand scheint bey weitem mehr von derschnellen Verminderung des Sauerstoffs im Wasser,als von der erzeugten Kohlensäure herzurühren.Allerdings wirkt diese Säure (wie wir weiter untenzeigen werden) stark auf das Nervensystem derFische, mögen sie solche als Gas einathmen, oderihre Kiemen ein mit Kohlensäure beladenes Wasserberühren; aber diese tödtlichen Wirkungen derSäure äussern sich erst alsdann deutlich, wenn dasWasser über ein Achtel davon enthält. Nun thei-len aber Fische, die in großer Anzahl in enge mitWasser gefüllte und vor dem Eintritt der äussernLuft gesicherte Glocken eingesperrt sind, diesemWasser höchstens nur 0,01 seines Volums Kohlen-säure mit, und am gewöhnlichsten noch eine vielgeringere Menge. Von einer Schleihe z. B., dieaus einem Volum Wasser von 2400 Cubikcentime-tern herausgenommen wurde, belief sich der Koh- |103| lensäuregehalt zu Ende des Versuchs nicht auf zweyTausendtel des ganzen Volums. Folglich konnteder asthenische Zutand nur der geringen Menge desim Wasser zurückgebliebenen Sauerstoffs zugeschrie-ben werden; in der That betrug diese nur fünf Tau-sendtel vom ganzen Volum der Flüßigkeit, und wirsahen Fische in Wassern respiriren, worin die Ver-dünnung des Sauerstoffs noch größer war. Sie be-fanden sich in einem Zustande der äussersten Ent-kräftung, aber aus der regelmäßigen Bewegung ihrerKiemendeckel und Kiemenhäute sahe man, daß sieihrer Schwäche ungeachtet dem Wasser noch Sau-erstoff zu entziehen vermogten. Man konnte als-dann dieses Wasser einer Atmosphäre vergleichen,die nicht mehr als 0,0002 Sauerstoff enthielt. Hier-aus erhellt offenbar eine bewundernswürdige Voll-kommenheit der Respirationswerkzeuge der Fische;durch die zahlenreichen Verästungen ihrer Lungen-arterie tritt ihr Blut in die innigste Berührung mitdem Wasser, welches von den Muskeln durch dieKiemenblätter getrieben wird. Wir wollen einen Versuch anführen, der vorallen andern zu zeigen scheint, daß die Fische ineinem Wasser, worin sie lange respirirt haben,weniger durch die Anhäufung der erzeugten Koh-lensäure leiden, als durch den Mangel an dem zuden thierischen Functionen nothwendigen Sauerstoff, Spallanzani hatte blos bemerkt, daß Schleihen in um-gekehrten und mit destillirtem Wasser gefüllten Fla-schen in einer um ein Drittel kürzeren Zeit umka-men, als wenn man sie in gemeinem, oder lufthal-tigem Wasser ersticken ließ; in gekochtem Was-ser lebten die Fische, nach seinen Versuchen, bis |104| achtzehn Stunden, er scheint aber nicht Vorsicht ge-nug angewandt zu haben, um das Wasser allerenthaltenen Luft zu berauben. Diese Vorsicht ist um so nöthiger, als das Was-ser eine sehr ungleiche auflösende Kraft auf den Sau-erstoff und den Stickstoff ausübt: jenen hält es vielkräftiger zurück als diesen, und daher vermindertsich die Concentration des Sauerstoffs im Wassernicht im Verhältniß des Volums der ausgetriebenenLuft, sie mag durch Kochen, oder durch die Auf-lösung eines Salzes oder endlich durch schnelle Er-kältung ausgetrieben werden. Vermuthlich sind dielezten Atome Luft, welche das Wasser entläßt,fast reiner Sauerstoff, und von dieser großen Ver-wandtschaft des Wassers zum Sauerstoff rührt esher, daß die Fische oft noch in Wassern, die gänz-lich aller Luft beraubt zu seyn scheinen, das ihnenzur Erhaltung ihres Lebens nothwendige Elementvorfinden. In dem Verlauf unserer Versuche haben wirdas gänzlich aller Luft beraubte Wasser sehr wohlvon solchem unterschieden, welchem die Kiemender Fische noch kleine Mengen Sauerstoff entzogen.Nur wenn wir frisch destillirtes Wasser in Phiolenkochen ließen, deren Oeffnung in ein mit kochen-dem Wasser gefülltes Gefäß tauchte, und nur wennwir das Eindringen der Luft in den Hals der überQuecksilber umgekehrten Phiole verhinderten, er-hielten wir nach dem Erkalten ein von Luft so be-reytes Wasser, daß es wie eine tödtliche Flüßig-keit auf die Fische wirkte. In dieses Wasser brachteman durch das Quecksilber hindurch, kleine Gold-fische (Cyprinus auratus), die ausserordentlich leb- |105| haft sind; bey einigen Individuen war die Wir-kung überraschend: nach vier bis fünf Minutenfielen sie auf die Seite, nach zehn Minuten gerie-then sie in eine heftige Bewegung, dieser folgte einegänzliche Entkräftung, und nach zwanzig Minutenfanden sich die kleinen Fische auf dem Boden derGlocke bewegungslos und als ob sie sterben woll-ten, lebten aber wieder auf, als man sie in Fluß-wasser brachte, oder nur eine kleine Menge davonunter die Glocke gehen ließ. Andere Individuenschienen die Unterbrechung ihrer Respiration län-ger ertragen zu können, sie schienen erst nach ei-ner Stunde und zehn Minuten zu leiden; nach einerStunde und vierzig Minuten waren sie dem Todenahe. Ein sehr lebhafter kleiner Aal starb in ei-nem sorgfältig destillirten Wasser in Zeit von zweyund einer Viertelstunde; vor seinem Tode hatte erstarke Convulsionen. Diese Wirkungen des destil-lirten Wassers sind um so merkwürdiger, als dieFische über Quecksilber in so reinem Stickgas, daßdie eudiometrischen Versuche kein Tausendtel Sau-erstoff anzeigen, viel später zu leiden scheinen.Wir verfolgen hier diese Verschiedenheiten in derWirkung irrespirabler, tropfbarer und gasförmigerFlüßigkeiten nicht weiter, da wir über diesen fei-nen Gegenstand noch mehrere Versuche anstellenmüssen, und begnügen uns, noch zu erinnern, daßschon die Vertheilung der Gefäße selbst zeigt, daßeine Unterbrechung der Respiration für die Fischeweit gefährlicher ist, als für die Reptilien. Sie ha-ben einen doppelten Kreislauf, wie die Säugthiereund Vögel; alles Venenblut, welches in den ar-teriösen Stamm zurückkehrt, muß durch die Kie- |106| men gehen, welche die Lungen der Fische sind;hingegen bey denjenigen Amphibien, welche Luftathmen, ist der Lungenkreislauf nur ein größereroder kleinerer Bruch von dem großen, folglichkönnen diese Thiere auch ausser dem Winterschlaflange ohne die Berührung mit der Luft leben. Wir haben gesehen, daß die Fische eine nurnoch sehr kleine Menge Sauerstoff absorbiren, daßsie noch im Wasser athmen, welches nur 0,0002 sei-nes Volums Sauerstoff aufgelöst enthält, und daßungeachtet der Schwäche und Langsamkeit dieserRespiration, doch die ununterbrochene Wirkungder Respirationswerkzeuge zur Erhaltung ihres Le-bens unumgänglich nothwendig ist. Nachdem wirnun die Gasgemische aus Wasser, auf welches dieKiemen der Schleihen gewirkt hatten, strenge unter-sucht haben, werden wir jetzt leicht für jeden Fischdie in Zeit von einer Stunde absorbirte MengeSauerstoff und Stickstoff, oder erzeugte Menge Koh-lensäure bestimmen können. Wir vereinigen dieseBestimmungen in der folgenden Tabelle: |107|
Zeit-Epochen. Aus demWasser nachdem VersucherhaltenerSauerstoff Zahl derSchleihen,welche imWasser gelebt haben Stunden,welche derVersuch ge-dauert hat Absorbtion in Zeit voneiner StundeCubikcentimeter erzeugteKohlensäure Größeder Ballons
von Sauer-stoff von Stick-stoff
28. Februar 0,056 3 5 ¼ 0,401 0,174 0,230 C
3. März 0,151 7 6 0,362 0,315 0,291 A
7. März 0,034 7 8 ½ .... 0,131 0,303 A
11. März 0,017 1 17 1,114 0,207 0,223 B
28. Febr. 1,178 5 7 ½ 0,489 0,201 0,246 B
24. Febr. 0,141 3 5 0,942 0,664 0,840 B
20. Febr. 0,130 2 7 1,041 0,651 0,606 B
|108| Diese Resultate werden noch interessanter wer-den, wenn man sie mit den in gleicher Zeit vonThieren verschiedener Klassen absorbirten MengenSauerstoff wird vergleichen können. Wir beschäf-tigen uns wirklich mit einer Reihe von Versuchen,die von den kleinsten Säugthieren, von den Vö-geln, den Reptilien und Fischen absorbirt werden-den Sauerstoffmengen zu bestimmen. Die Resul-tate werden wir sodann mit dem Gewicht derThiere, dem Umfang ihres Herzens, und der Zahlder Zusammenziehung dieses Organs vergleichen.Eine solche Arbeit wird um so mehr Werth haben,als die Analysen der Luft, welche die Hauptgrund-lage davon sind, alle nach einer gleichförmigen undsichern Methode gemacht seyn werden. Nach dervorstehenden Tabelle würde eine Schleihe einen Cu-bikmeter Flußwasser erst in Zeit von ein undzwanzig Monaten erschöpfen; ein Mensch aber ver-zehrt nach Lavoisier’s Versuch den in einem Cubik-meter atmosphärischer Luft enthaltenen Sauerstoffin Zeit von sechs Stunden, folglich absorbirt einMensch in gleicher Zeit 50000 Mal mehr Sauerstoffals eine Schleihe. Der Sauerstoff, den die Fische dem Wasserrauben, wird nie durch eine entsprechende Mengeerzeugter Kohlensäure ganz ersetzt, sondern diesebeträgt höchstens vier Fünftel vom ersterm, undoft beträgt der verzehrte Sauerstoff doppelt so viel,als die entstandene Kohlensäure. Hierin zeigt sicheine auffallende Verschiedenheit in der Respirationder Fische und der Säugthiere. Was wird aber aus der großen Menge ver-schluckten Sauerstoffs, der in der erzeugten Koh- |109| lensäure nicht wieder zum Vorschein kommt? Er-zeugen vielleicht die im Wasser wohnenden undvermittelst des Wassers, das durch ihre Kiemenströmt, respirirenden Fische, selbst Wasser? Wirsind nicht im Besitze der Mittel, diese Frage zubeantworten. Denkt man aber an die Desoxydi-rung einer großen Blutmasse im Gehirn der Säug-thiere *) und an die in allen Thierklassen verof-fenbarten Beziehungen des Nerven- und Gefäßsy-stems auf einander, so möchte man glauben, daßdie große Irritabilität der Fische, die Lebhaftigkeitihrer Bewegungen, und die ungeheure Muskelkraft,die sie in einer Flüssigkeit verwenden, die ihneneinen gewissen Widerstand entgegensetzt, eines Theilsvon der Anhäufung eines Princips abhängen, welchesdie Lebensfunctionen der organischen Geschöpfe belebt. Eine andere wichtige Verschiedenheit in der Re-spiration der Fische von der der Säugthiere, ist dieAbsorbtion des Stickstoffs, welche sich zu der desSauerstoffs wie 1:2, manchmahl wie 5 : 4 verhält.Sie ist so beträchtlich, daß, wenn man sie bloßenFehlern der Beobachtung zuschreiben wollte, manannehmen müßte, daß man sich um 60, manchmahlum mehr als hundert Theile eines Eudiometers be-tragen habe, wovon die Resultate durchaus gemei-niglich bis auf zwey oder drey Theile übereinstim-men. Man kennt die in einem gegebenen VolumFlußwasser aufgelöste Menge Stickstoff, gleichwohlist oft das ganze Volum der aus der nämlichen MengeWasser, worauf die Fische gewirkt haben, erhalte-nen Luft (nachdem man sie mit Kalkwasser in Be-
*) Recueil d’observations de zoologie et d’anatomie comparee,par Humboldt et Bonpland. p. 107.
|110| rührung gesetzt hatte) kleiner als das des vorherdarinn vorhandenen Stickstoffs; davon den Sauer-stoff abgezogen, welchen die Fische nicht verzehrthaben, erhält man erst die kleine Menge Stickstoff,die im Wasser übrig geblieben ist. Priestley, Da-vy, Henderson und Thomson, glaubten auch bey derRespiration der warmblütigen Thiere eine Absorb-tion des Stickstoffs zu bemerken, ja Davy ver-muthete sogar, daß die Menge Stickstoff, die derMensch verschluckt, zu dem absorbirten Sauerstoffsich wie 10 : 100 verhalte; aber die neuen Versucheder Herren Allen und Pepys, und die, welche Hr. Berthollet mit seinem Manometer und dem Was-serstoffgaseudiometer neuerlichst angestellt hat *),widersprechen dieser Vorstellung von einer Absorb-tion des Stickstoffs bey der Respiration der Säug-thiere. Bey den Fröschen, die wir in genau ge-messenen Räumen einer, in mit eingeschliffenen Stöp-seln verschlossenen Flaschen enthaltenen, atmosphä-rischen Luft sterben ließen, bemerkten wir auchkeine. Die Frösche lebten bald vier, bald sechs Ta-ge; sie brachten einen Luftraum von 212 Cubikcen-timetern auf 202 herab, und die während dieser Zeiterzeugte Kohlensäure betrug über ein Drittheil we-niger als der absorbirte Sauerstoff. Die Resultate vonzwey Versuchen waren so übereinstimmend, daß imeinen die übriggebliebene Luft 0,39, im andern 0,33Sauerstoff enthielt. Angenommen, die Absorbtiondes Sauerstoffs sey der Zeit proportional gewesen,was bey einem Thiere das an Erstickung stirbt, ebennicht ganz wahrscheinlich ist, so hatte jeder Frosch
*) Man wird diese Untersuchungen in einem der nächstenHefte dieses Journals finden. d. H.
|111| in einer Stunde 0,23 Cubikcentimeter; d. i. ein Drit-theil weniger als eine Schleihe absorbirt. Diese Ver-schiedenheit zwischen einem Frosch und einem an-dern mit Rückenwirbeln versehenen Thier, das mitKiemen athmet, ist eine sehr sonderbare, physiologi-sche Erscheinung und auch ein Beweis von der groſ-sen Thätigkeit der Respirationswerkzeuge der Fische.
Bey den warmblütigen Thieren wirkt die Respi-ration auf die relative Vermehrung des Stickstoffs hin,weil sie dem Körper Wasserstoff und Kohle raubt;die absolute Vermehrung des Stickstoffs geschiehteinzig durch die Ernährung. Bey den Fischen hin-gegen, die man lange hungern lassen kann, wird dieMasse des Stickstoffs durch die Respiration selbstvermehrt. Auch fault das Muskelfleisch der Fischebesonders leicht, es zeigt, so zu sagen, den höchstenGrad der Animalisation, und liefert bey seiner Zer-setzung eine große Menge Ammonium. Vorzüglich aber zeigen die mit Luftleerem undkünstlich mit Wasserstoff und Stickstoff angeschwän-gertem Wasser angestellten Versuche, daß die Absor-ption des Stickstoffs bey der Respiration der Fischenicht zufällig, sondern wesentlich und einer organischenAssimilation angehörig ist. Wir setzten frisch ge-kochtes Wasser in Berührung mit Gemischen auszweihundert Theilen Wasserstoff und hundert Thei-len Sauerstoff; die Gegenwart des letztern bestimmtalsdann eine starke Absorbtion des Wasserstoffs, derfür sich allein nur wenig Verwandtschaft zum Was-ser zeigt. In einem Wasser, welches Sauerstoff undWasserstoff enthielt, schienen die Fische in demAugenblick zu leiden, als sie unter die über Queck-silber umgekehrte Glocke gebracht wurden. Nach |112| drey Stunden wurden sie fast todt hervorgezogen.Man destillirte zwey Portionen eines gleichen Vo-lums mit Wasserstoff imprägnirten Wassers: dieLuft aus der einen Portion, welche verschlossen auf-bewahrt worden, gab nahe die nemliche Menge Was-serstoff, wie die Luft aus der andern, worin die Fi-sche respirirt hatten. Letztere hatten eine großeMenge Sauerstoff absorbirt, und von dem mit aufge-löstem Wasserstoff abgeschieden. Die belebten Or-gane haben keine Wirkung auf die Elemente, welchenicht assimilirt werden sollen; die Thiere verhaltensich in dieser Hinsicht anders, als die Pflanzen, derenaufsteigender Saft mehrere, zufällig mit dem Boden,worin sie wachsen, gemengte Salze mit sich führt. Wasser, die wir bis zur Sättigung mit Kohlen-säure beladen hatten, wirkten als ein actives Gift aufdie Schleihen und Goldkarpfen. Die erstern starbennach wenigen Minuten convulsivisch. Die oxydirteSalzsäure wirkt kaum schneller. Diese beiden Säurenmüssen als unmittelbarer auf das Nervensystem wir-kend angesehen werden. Uebrigens vertreibt dieKohlensäure, wenn sie sich mit dem Wasser verbin-det, nicht allen Sauerstoff: wir haben die Menge vonSauerstoff und Stickstoff gemessen, welche ein mitseinem eignen Volum Kohlensäure geschwängertesWasser enthält; das Bestandtheilverhältniß des durchKochen erhaltenen Gemisches war 30 Sauerstoff zu70 Stickstoff, das ganze Volum beider Gasarten betrugaber nur ein Drittel von demjenigen, welches mangewöhnlich aus Flußwasser erhält. Respiriren die Fische nur durch ihre Kiemen,oder haben auch der Körper und der Schwanz die-ser Thiere die Eigenschaft, Sauerstoff und Stick- |113| stoff zu absorbiren und Kohlensäure zu erzeugen?Nach mehreren fruchtlosen Versuchen gelang es uns,diese Frage auf eine Art zu beantworten, die keinemZweifel Raum giebt. Wir brachten den Kopf sehrlebhafter Schleihen in Halsbänder von Korkholz mitWachsleinwand überzogen; der Fisch wurde sodannin ein cylindrisches Gefäß gebracht, so, daß derKork den Pfropf desselben bildete, und der Kopfmit dem in dem Gefäße enthaltenen Seinewasserin keiner Berührung war; das Ganze wurde vonaussen verkittet, um aber noch sicherer zu seyn,daß das Wasser des Troges, worein der Apparatgesetzt wurde, nicht durch die Wachsleinwand,oder durch Poren der Korke mit dem, den Körperder Schleihe umgebenden, Wasser communicirte,wurde der Pfropf von innen mit einer sieben oderacht Millimeter hohen Lage Quecksilber bedeckt,welches vorher in das umgekehrte cylindrische Ge-fäß gethan worden. Der eingezwängten Lage un-geachtet lebten die Schleihen fast fünf Stunden indiesem Zustande, dann wurden sie herausgenom-men, ohne viel gelitten zu haben. Man destillirtehierauf das Wasser in dem Gefäß und verglich dieerhaltene Luft mit der, welche das Wasser desgroßen Troges, worin der Kopf des Fisches ge-wesen war, ausgab. Dieser sonderbare Versuchwurde vier Mahl wiederholt, und zeigte, daß derKörper der Schleihen eben so wie die Kiemen aufdas Wasser wirkt, und daß der einzige Unterschiedin der verschiedenen Energie besteht, womit dieseLebenswirkung ausgeübt wird, und hauptsächlichin dem verschiedenen Verhältniß der Menge desabsorbirten Sauerstoffs und Stickstoffs und der er- |114| zeugten Kohlensäure. Wir wissen wohl, daß Spal-lanzani schon gesagt hat, die Fische respiriren durchdie Schuppen, seine Behauptung gründet sich aberauf keinen dem unſrigen analogen Versuch; er be-gnügte sich damit, den Körper der Schleihen inKalkwasser zu setzen, welches sie in einen krank-haften Zustand versetzt, und die Wirkung derHaut frisch gestorbener Fische auf Sauerstoffgas zuuntersuchen. Nach allen den Versuchen, die wir in dieserAbhandlung zusammengestellt haben, ist es fastüberflüßig noch von denen zu reden, worin wirdie Fische unter Glocken in sehr kleine MengenFlußwasser zwischen einer Lage Quecksilber undeiner genau abgemessenen Luftschichte gebracht hat-ten; die Fische entziehen dem Wasser den Sau-erstoff und das Wasser seinerseits wieder der dar-über gelagerten Luft; da sich aber der ursprüng-liche Sättigungszustand nicht vollkommen wiederherstellt, so kommen die Fische auf die Oberflä-che, um da Luft zu schöpfen. Das nemliche beobachtet man, wenn großeFische in Gefässen leben müssen, die nur sehrwenig Wasser enthalten. Gewiß sind die Kiemenmehr geeignet, den im Wasser aufgelösten Sauer-stoff abzusondern, als der Luft den ihrigen zu ent-ziehen; dem ungeachtet siehet man die Fischelieber den Kopf über das Wasser erheben, als ineiner Flüßigkeit respiriren; die fast alles Sauer-stoffs beraubt ist und die letzten Portionen mit einergewissen Kraft zurückhält. Gäbe die atmosphärischeLuft dem Wasser schnell wieder das zurück, wasihm die Fische durch ihre Respiration entziehen, |115| so wäre es nicht nöthig, ihnen von Zeit zu Zeitfrisches Wasser zu geben. Wir untersuchten zuwiederholten Malen das Wasser, worin Fische inoffenen Gefäßen respirirt hatten. Zwey Schleihenlebten in nahe fünftausend Cubikcentimetern Sei-newasser drey und zwanzig Stunden; alsdann wur-den sie ganz geschwächt herausgenommen; die Luft,welche dieses Wasser ausgab, war auf 0,073 Sau-erstoff reducirt und enthielt 0,11 Kohlensäure. Scheidewände in offenen Gefäßen zehn Centi-meter unter der Oberfläche des Wassers angebracht,fügen den Fischen nur dadurch Schaden zu, daßsie sie hindern, elastische Luft zu schöpfen und inder Atmosphäre zu suchen, was ihnen die umge-bende Flüßigkeit beynahe verweigert. Wirklichnehmen die der Luft am nächsten befindlichen La-gen des Wassers den verlorenen Sauerstoff schnel-ler wieder auf, als die untern, und der Fisch be-findet sich daher schon besser, wenn er sich, ohneden Mund über das Wasser zu erheben, nur derGegend nähert, wo der Sauerstoff der Atmosphäreeindringt. Wir glaubten über die progressive Fortpflanzungdes atmosphärischen Sauerstoffs und Stickstoffs infrisch der Luft beraubtem Wasser, unmittelbare Ver-suche machen zu müssen, und fanden, daß dieseStoffe ziemlich langsam von einem Theilchen desWassers zum andern übergehen. Große Massenvon gekochtem Wasser blieben zwey Tage lang inüber ein Meter hohen, mit einer sehr engen Oeff-nung versehenen Phiolen, der atmosphärischen Luftausgesetzt; vermittelst eines Hebers wurde das Was-ser lagenweis weggenommen. Die untern Lagen |116| gaben immer weniger und eine schlechtere Luft, alsdie obern. Wiederholt man diesen Versuch mit ei-nem dreifachen Gasgemisch, so wird man ohneZweifel bemerken, daß jede Basis mit einer eigenenGeschwindigkeit niedersteigt, welche von ihrer Ver-wandtschaft zum Wasser abhängt. Die meisten mit Kiemen versehenen Thiere ha-ben von der Natur das Vorrecht erhalten, zugleichim Wasser und in der Luft athmen zu können. Siehören nicht auf, zu respiriren, wenn sie aus dem Was-ser in die Luft versetzt werden; sie absorbiren dengasförmigen Sauerstoff, wie die mit Lungen versehe-nen Reptilien. Es ist bekannt, daß man die Karpfenfett macht, indem man sie in der Luft hängend er-nährt, und ihre Kiemen von Zeit zu Zeit mit feuch-tem Moos anfeuchtet, damit sie nicht vertrocknen. Wir haben die Wirkung der Fische auf ver-schiedene Gasarten untersucht. Diese Versuche wur-den mit dem Barben (Cyprinus barbus), der Schlei-he (C. tinca), dem Gründling (C. Gobio), dem Aal(Muraena anguilla) und dem kleinen Goldkarpfen(C. auratus) angestellt. Die Fische öffnen ihre Kie-mendeckel in der atmosphärischen Luft, und imSauerstoffgas viel weiter als im Wasser. Sie befin-den sich in der atmosphärischen Luft von einerFlüssigkeit umgeben, worinn der Sauerstoff zwanzigmalconcentrirter ist, als im Wasser, absorbiren aber in glei-cher Zeit genau so viel Sauerstoff aus der Luft, als ausdem Wasser; gleichwohl muß diese Art der Respi-ration Organe ermüden, welche nicht dazu bestimmtsind, den gasförmigen Sauerstoff sich anzu-eignen. Man könnte denken, daß die Fische in derLuft umkommen, weil sie durch Wärmeentwicklung |117| ihr Blut erhitzen, wäre aber eine solche Erhitzungdes Bluts die Folge ihrer Respiration in der Luft,so müßten sie in Sauerstoffgas weit schneller sterbenals in einem Gemisch aus 90 Theilen Stickstoff- und 10Theilen Sauerstoffgas; unsere Versuche erweisen in-dessen das Gegentheil. Die Fische würden ferner ihreKiemendeckel schließen, anstatt sie mit Gewalt zu öff-nen, wenn die Absorbtion der Luft ihre Temperaturerhöhete. Wir brachten Thermometer in das Innere,im Wasser, im Sauerstoff, in der atmosphärischenLuft und in reinem Stickstoff athmender Fische, oh-ne eine merkliche Verschiedenheit in der Tempera-tur dieser Thiere von der der umgebenden Medienwahrzunehmen. Schleihen, die vier bis fünf undzwanzig Stunden in Sauerstoffgas respirirten, hattennoch nicht das Ansehen, viel gelitten zu haben unddoch fanden wir bey Wiederholung von Broussonet’s Versuchen über die Wirkung des warmen Wassersauf die Fische, daß eine schnelle Veränderung von5 bis 6° des hunderttheil. Therm. diese Thiere in ei-nen convulsivischen Zustand versetzt. Die Schleihen wirken durch ihren Körper alleinnicht merklich auf die atmosphärische Luft oder aufdas Sauerstoffgas. Wir brachten Halsbänder vonKork um den Hals dieser Fische an, und richtetenübrigens den Apparat wie oben ein; der Schwanzund der Körper der Schleihe befand sich in Luft, derKopf im Wasser. Wir überzeugten uns, daß keineAbsorption von Sauerstoff statt fand, wofern nichtdie Luft mit dem Wasser communicirte. Wir wollen nur Einen Versuch aus der Menge,die wir über die Gasarten angestellt haben, anführen.Eine Schleihe reducirte in Zeit von 19\( \frac{1}{2} \) Stunden |118| durch die Respiration vermittelst ihrer Kiemen, einVolum atmosphärischer Luft von 135,9 Cubikcenti-metern auf 122,9. Dieser Rückstand enthielt, nach-dem er mit Kalkwasser abgewaschen worden 0,132Sauerstoff; folglich hatte die Schleihe in Zeit voneiner Stunde 0,52 Cubikcentimeter Sauerstoff absor-birt. In zwey Versuchen mit Sauerstoffgas war dieAbsorbtion im einen Fall 0,54, im andern 0,40 Cu-bikcentimeter in der Stunde. Im kohlensauren Gas sterben die Fische, wiewir oben gesehen haben, in kurzer Zeit. Im Was-serstoff leiden sie mehr als im Stickstoff; sie sindin einem Zustande von Scheintod, wenn man sievier oder fünf Stunden darin einschließt. Immerbemerkt man, daß sie im Wasserstoff und Stick-stoff ihre Kiemendeckel schließen, als ob sie ihreKiemen vor der Berührung mit diesen beyden Gas-arten schützen wollten. Stickstoff, der kein Tau-sendtel Sauerstoff enthielt, blieb rein zurück, nach-dem man Goldkarpfen lange darin hatte verwei-len lassen. Manchmal findet man ein wenig Koh-lensäure in dem angewandten Stickstoff oder Was-serstoff, und da diese Gase rein waren, so mußman annehmen, daß diese Kohlensäure aus demInnern des Fisches, vielleicht aus seiner Schwimm-blase, hervorgieng. Zum Schluß wären uns noch die zahlreichenVersuche zu erwähnen übrig, die wir über diesesausserordentliche Organ angestellt haben. Da wiraber unsere Arbeit noch nicht geendigt, und phy-siologische Erörterungen hier vermeiden zu müssengeglaubt haben, so begnügen wir uns damit, ei-nige isolirte Thatsachen anzuführen. |119| Nachdem Herr Biot die interessante Beobach-tung gemacht hatte, daß die Seefische, die in gros-sen Tiefen wohnen, mehr Sauerstoff in ihrenSchwimmblasen haben, als solche, die auf derOberfläche leben, und daß der Sauerstoffgehalt injenen bis auf 0,87 steigt, war es der Mühe werth,die in der Schwimmblase der Flußfische enthalteneLuft von Neuem zu untersuchen. Wir fandendie Beschaffenheit dieser Luft bey der nämlichenArt höchst veränderlich; die Verschiedenheitenschienen nicht von den Jahrszeiten, noch von derTemperatur der Wasser abzuhängen; nie fanden wirweniger als ein Hundertel Sauerstoff. Die Aale,deren Schwimmblase mit einem drüsigten Körperversehen ist, geben im Allgemeinen nur sehr we-nig Luft, und diese Luft enthält nur 0,013 bis0,024 Sauerstoff. Das mittlere Resultat einer gros-sen Menge Versuche über die Karpfen war 0,071Sauerstoff, 0,052 Kohlensäure und 0,877 Stickstoff;die Blase eines 2 Kilogramm schweren Karpfen ent-hält einen Luftraum von 103 Cubikcentimetern, sieenthält folglich eine Sauerstoffmenge, welche dieRespiration dieses Fisches acht bis zehn Stundenlang unterhalten könnte. Wir haben Karpfen ge-funden, bey denen die Reinheit der Luft bis zueinem Sauerstoffgehalt von 0,107 stieg. Man ließ Schleihen nicht bloß in Wasserstoff-gas, sondern auch in mit einem Gemische vonWasserstoff und Sauerstoff imprägnirten Wasser re-spiriren, aber nicht ein Atom von Wasserstofffand sich in der Schwimmblase dieser Fische wie-der; der Sauerstoff schien sich in der Blase vonSchleihen, die man in Sauerstoffgas respiriren ließ, |120| etwas zu vermehren, man fand darin 0,125 Sauerstoff,während andere Schwimmblasen von Schleihen be-ständig 0,092 bis 0,096 gaben. Da es unmöglichist, zvey Versuche mit dem nemlichen Individuum,vor und nach seinem Zusammenseyn mit dem Sau-erstoffgas, anzustellen, so bleiben diese Resultateunsicher. — Wir schnitten mehreren Schleihendurch einen Seiteneinschnitt die Schwimmblaseaus; in diesem Zustande lebten sie drey Tage.Sie konnten sich auf die Oberfläche des Wasserserheben; einige schwammen nach allen Richtungen,ohne daß das Gleichgewicht ihres Körpers gestört zuseyn schien; eine davon schien so wenig gelittenzu haben, daß sie schwer von den andern nichtoperirten Schleihen zu unterscheiden war. Dergrößte Theil jedoch blieb auf dem Boden des Ge-fäßes krank und auf die Seite geneigt. Es schien uns wichtig durch einen directen Ver-such auszumachen, ob die Schleihen, denen mandie Blase vor drey Tagen genommen hatte, noch aufdieselbe Art respirirten, wie die, welche damitversehen sind. Eine dieser Schleihen blieb sechsund eine halbe Stunde in einem Raum atmosphäri-scher Luft von ungefähr 700 Cubikcentimetern. DerRückstand enthielt nur 0,10 Sauerstoff und nur0,02 Kohlensäure. Hieraus erhellt unmittelbar,daß die Fische ohne Schwimmblase Sauerstoff ab-sorbiren, und daß es ihre Kiemen sind, welchedie doppelte Function haben, dem Wasser den auf-gelösten Sauerstoff zu entziehen, und den in einemluftförmigen Gemisch enthaltenen Sauerstoff zu as-similiren. Noch zwey andere Schleihen wurden inein Volum Wassers von 857 Cubikcentimeters ge- |121| setzt, und respirirten darin zwey und eine halbeStunde. Die nachstehende Tabelle scheint zu zei-gen, daß die Exstirpation der Blase die Functionender Kiemen verändert habe; es wurde eine sehr be-trächtliche Menge Sauerstoff und Stickstoff absorbirt,aber keine Kohlensäure erzeugt.
Im Wasser enthaltene Luft.
Vor dem Versuch. Nach dem Versuch.
Ganzes ...... 175 Ganzes ...... 107
Sauerstoff .... 52 Sauerstoff .... 15
Stickstoff .... 116 Stickstoff ..... 86
Kohlensäure ... 7 Kohlensäure ... 7.
In diesem Versuch verhielt sich der absorbirteSauerstoff zum absorbirten Stickstoff, wie 100:62.Die Fische, welchen man die Blase genommen hatte,brachten nicht ein Hundertel Kohlensäure hervor.Ist diese Erscheinung Folge der Abwesenheit einesOrgans, oder muß sie blos dem Zustand der Schwä-che zugeschrieben werden, worin sich die Fische be-fanden? Eine große Analogie bemerkt man zwischenden Lungen des Proteus und der Schwimmblase derFische. Allein durch bloße Aehnlichkeiten in derForm dürfen wir uns in einer Untersuchung nichtführen lassen, wo jede Annahme durch die Erfah-rung geprüft seyn will.