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Alexander von Humboldt: „Auszug aus einem Schreiben des Ober-Bergraths von Humboldt“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1798-Auszug_aus_einem_Schreiben_Paris-1> [abgerufen am 26.04.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1798-Auszug_aus_einem_Schreiben_Paris-1
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Titel Auszug aus einem Schreiben des Ober-Bergraths von Humboldt
Jahr 1798
Ort Weimar
Nachweis
in: Allgemeine Geographische Ephemeriden 2:2 (August 1798), S. 174–177.
Postumer Nachdruck
Die Jugendbriefe Alexander von Humboldts 1787–1799, herausgegeben von Ilse Jahn und Fritz G. Lange, Berlin: Akademie 1973, S. 632–634.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Kursivierung; Besonderes: Quadrate, mathematische Sonderzeichen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.67
Dateiname: 1798-Auszug_aus_einem_Schreiben_Paris-1
Statistiken
Seitenanzahl: 4
Zeichenanzahl: 5344

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Auszug aus einem Schreiben des Ober-Bergraths von Humboldt.

Heute am 15. Prairial Morgens gegen 12 Uhr wurde diegroße Meſſung der Baſis zwiſchen Melun und Lieurſaint vol-lendet, und heute noch eile ich, Ihnen dieſe gewiß nicht un-wichtige geographiſch-aſtronomiſche Begebenheit zu melden.Ich habe mit La Lande und unſerem vortrefflichen Freunde Burckhardt zwey überaus fröhliche Tage bey De Lambre zuge-bracht. Die Witterung, welche drey Decaden lang die Meſ-ſung der Grundlinie ununterbrochen begünſtiget hatte, warin den letzten Tagen nicht minder ſchön. Dazu fanden wir Prony , und den ſiebzigjährigen Weltumſegler Bougainville ,der ſehr lebhaft auf eine zweyte Schiffahrt denkt, auf welcherihn ſein 15jähriger Sohn begleiten ſoll, zu Lieurſaint. Vonden Regeln von Platina, der Art ihrer Bedeckung, dem Me-tallthermometer, welcher für minder als 0,2 eines Réaumuri-ſchen Grades empfindlich iſt, den Linguetten, die jedes Ver-rücken der Regeln nach dem Viſiren verhüten, dem Niveau, |175| welches das Steigen und Fallen der Linie anzeigt, hat Ihnenſchon Burckhardt geſchrieben. Ich füge nur noch hinzu,daß der Endpunct der Baſis unter dem Signale bey Lieurſaint an der Chauſſée nach Charanton vortrefflich geſichert wordeniſt. In eine Mauer von wenigſtens 25 □ Fuß iſt, wo dasPendel von der Spitze des 75fußigen Signals herabgelaſſenwurde, eine bleyerne Scheibe eingelaſſen, von welcher derEndpunct das Centrum ausmacht. Da an den zwey Toiſenlangen Regeln nichts, als die Linguetten getheilt ſind, ſohätte es unbequem ſeyn können, wenn man ſich dem End-puncte der Baſis ſo genahet hätte, daß die letzte Regel zurHälfte über jenen Punct hinausgereicht hätte. Man würdedenn dieſen Überſchuß ſehr ſorgfältig an einer eingetheilteneinzelnen Toiſe haben nachmeſſen müſſen. Der Zufall be-günſtigte und erleichterte aber dieſe Arbeit der Schließung,denn die letzte reichte nicht viel über vier Zoll über das Cen-trum des Signals hinaus, eine Größe, welche mit dem Hand-zirkel ſehr genau zu beſtimmen war. Auch wurde zu grö-ßerer Gewißheit jenſeits des Centrums eine neue Bleyplatteeingelaſſen, auf welche, mittelſt eines Bleyloths, der End-punct der letzten Regel bemerkt ward. Die Baſis iſt lang be-funden worden bey einer Temperatur von 32.8 Grad des Me-tall-Thermometers = 14\( \frac{1}{4} \)° Reaumur 6075,899914 Toiſen,oder auf den Eispunct reducirt, 6074,97653 Toiſen. Esſcheint nun, als würde der Métre um \( \frac{1}{5000} \) verlängert werdenmüſſen. — Doch ſage ich ausdrücklich, es ſcheint. Denndieſe Zahlen ſind unter freyem Himmel berechnet, um dieerſte Neugierde zu befriedigen, und bald werden wir Ihnengenauere Reſultate ſchicken können. Im nächſten Sommerwird dieſelbe Baſis von neuen gemeſſen. In 12 bis 14 Tagengeht De Lambre mit ſeinen Gehülfen nach Perpignan ab, wo Méchain nun wol ſeine letzten fünf bis ſechs Dreyecke vollen-det haben wird, und wo die ſüdliche Baſis vor dem Winterzweymahl hinter einander gemeſſen werden ſoll. So vielVertrauen, als die Vortrefflichkeit der Inſtrumente einflößt,welche zu dieſer Operation gebraucht werden, eben ſo viel flößt |176| gewiß auch De Lambre’s perſönlicher Character ein. Es ge-hört dieſe ruhige Gemüths-Art, dieſe ſtille Heiterkeit, dieſeUnverdroſſenheit dazu, um eine Arbeit zu vollenden, welcherſo viele phyſiſche, moraliſche und politiſche Hinderniſſe inden Weg treten! Da ich mich im Herbſt ohnedieß in Mar-ſeille einſchiffe, ſo werde ich wol De Lambre’s Einladungannehmen, und vorher Perpignan berühren, um auch dendortigen Operationen beyzuwohnen. Bis dahin werde ichſelbſt mit einem Lenoir’ſchen Kreiſe verſehen ſeyn. Im National-Inſtitut habe ich zwey Mémoirs über dieNatur des Salpeter-Gas und die Möglichkeit einer genauerenAnalyſe der Atmoſphäre vorgeleſen, welche Gegenſtände be-handeln, die für die Theorie der Strahlenbrechung nichtgleichgültig ſind. Einen Theil meiner Verſuche habe ich hiergemeinſchaftlich mit Vauquelin im Laboratorium der Eco-le des mines glücklich wiederholt. Dieſe Arbeit beweiſt,daß aller Salpeter-Gas mit Stick-Gas gemengt iſt, daß dieſeBeymengung die Affinität des Salpeter-Gas zum Sauerſtoffnach einem, in Zahlen zu beſtimmenden Verhältniß, modi-ficirt, daß die vom unſterblichen Lavoiſier angegebene undüberall nachgeſchriebene Beſtimmung von der Sättigung desSalpeter-Gas durch Oxygen falſch iſt, und dagegen (wennman auch mit dem unreinſten Salpeter-Gas operirt) doch ei-ne genaue Reduction der Fontana’ſchen Grade auf Hunderttheilemöglich iſt. Fourcroy, Vauquelin und Guyton ſind jetzt mit mirvon der Richtigkeit dieſer Reſultate überzeugt, wie von der Un-vollkommenheit aller Phosphor-Schwefel-Eiſen- und Schwe-fel-Alcali-Eudiometer. Möchte dieſe Arbeit doch endlichwieder zur ſorgfältigen Zerlegung des Dunſtkreiſes führen,ein Gegenſtand, der ſeit 8 — 10 Jahren ganz vernachläſſigtworden iſt. Man ſchreibt ewig nach, daß der Lebensluft-Gehalt nur zwiſchen 0,27 und 0, 28 balancirt und im verfloſ-ſenen Winter allein ging das Schwanken von \( \frac{245}{1000} \) bis \( \frac{284}{1000} \) wie ich durch eine Reihe von ſieben bis achthundert ſorg-fältig angeſtellten Verſuchen beweiſen kann. Wie fruchtbareReſultate ließen ſich nicht erwarten, wenn man in den Süd- |177| ländern eudiometriſche Verſuche mit denen über die Strah-lenbrechung verbände? —