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Alexander von Humboldt: „Aus einem Briefe des Hr. v. Humboldt zu Arzberg am Fichtelberge“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1792-Aus_einem_Briefe_des-1> [abgerufen am 26.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1792-Aus_einem_Briefe_des-1
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Titel Aus einem Briefe des Hr. v. Humboldt zu Arzberg am Fichtelberge
Jahr 1792
Ort Freiberg; Annaberg
Nachweis
in: Bergmännisches Journal 5:2:7 (Juli 1792), S. 74–79.
Postumer Nachdruck
Die Jugendbriefe Alexander von Humboldts 1787-1799, herausgegeben von Ilse Jahn und Fritz G. Lange, Berlin: Akademie 1973, S. 207-209.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Auszeichnung: Schriftgradvergrößerung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: I.18
Dateiname: 1792-Aus_einem_Briefe_des-1
Statistiken
Seitenanzahl: 6
Zeichenanzahl: 7053

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Aus einem Briefe des Hr. v. Hum-boldt zu Arzberg am Fichtelberge.

Wenn irgend eine Gegend unſers Vaterlan-des die genaueſte geognoſtiſche Unterſuchung, be-ſonders in Ruͤckſicht auf Schichtung und Lage-rung, verdient, ſo iſt es gewiß dieſer Theil des Fichtelgebirges. Ich kann Ihnen jetzt nichtsallgemeines und zuſammenhangendes ſondernnur einzelne, abgeriſſene Beobachtungen mit-theilen. Vielleicht werde ich bey mehrerer Muſeim Stande ſeyn, dieß weiter zu entwickeln undauf entſcheidendere Reſultate zu fuͤhren. — DieGaͤnge in der Nailaer Bergamtsrevier ſind2 — 3 Lachter maͤchtige Spathgaͤnge, welchefaſt in einer Stunde 3 — 4000 Lachter weit ſtrei-chen, alle Hauptthaͤler, die ſich im Winkelkreuzehinziehen, durchſetzen, und mit ihren vielen Ne-bentruͤmmern aͤhnliche Verhaͤltniſſe zeigen, alsder ſo uͤberaus merkwuͤrdige Neue HoffnungerStehende (auf Neuer Hofnung Gottes ſ. ver-traͤgliche Geſellſchaft Fdgr.) zu Braͤunsdorf. |75| Bey Befahrung der wichtigſten Grubengebaͤudeglaubte ich hier in den Gangmaſſen 4 ſehr aus-gezeichnet verſchiedene Formationen zu be-merken: a) ungemein viel dichter Braunei-ſenſtein, weniger Spatheiſenſtein, faſrigerMalachit in derbem Flußſpathe. Friedens-gang. Beſchertgluͤcker Gang. b) Dichter und faſriger Brauneiſenſtein, viel Spathei-ſenſtein, wenig Kupferkies mit Quarz und Lydiſchem-Steine. Mordlauer Gang. Re-bekka. c) Dichter Brauneiſenſtein mitvielem Kalzedon und Bergkriſtall. ArmeHuͤlfe Gottes Fdgr. zu Berg. d) Dichter Brauneiſenſtein, Rotheiſenſtein und ge-meiner Strahlſtein. Rother Hirſch Fdgr. Ich nenne Ihnen hier nur die Foſſilien, welchejede dieſer Formationen karakteriſiren, nicht die,als z. B. braune Eiſenokker, welche allen ge-mein ſind. Auf den Gaͤngen der erſten Forma-tion bricht nie Lydiſcher-Stein, auf denen derzweyten nie Flußſpath, auf denen der dritten nieSpatheiſenſtein (obgleich der nahe dabey eben-falls im Thonſchiefer aufſetzende Spathgang aufEiſenknoten Fdgr. denſelben in Menge fuͤhrt)ein. Das Foſſil, welches ich hier Lydiſcher-Steinnenne, iſt nicht etwa ein verunſtalteter Thon- oderGlimmerſchiefer, wie in dem raͤthſelhaften Truͤm- |76| merſteine auf dem Bruͤderſchachter Trumme (un-fern dem Verlornen Hofnung Steh. auf der drittenGezeugſtrecke zu Braͤunsdorf) ſondern unver-kennbar die erſte Art der Gattung Kieſelſchiefer— ein Geſtein, welches Herr Werner in einemeigenen Lager anſtehend entdeckte, von dem abereinige Mineralogen noch immer behaupten, daßes nur als Geſchiebe exiſtire. Dieſen Lydiſchen-Stein fand ich auf Oberen Mordlau Fdgr. ineiner Teufe von 30 Lr. mitten in dem, dortgegen Abend aufgefahrnen Spathgange. Erzeigt ſich theils als ſcharfeckiges Bruchſtuͤckvon 4 — 5 Zoll Laͤnge, theils in kleinen Maſſen,die durch dichten Brauneiſenſtein gleichſamzuſammengekuͤttet ſind. Er iſt von der gewoͤhn-lichen graulichſchwarzen Farbe mit Quarz-adern durchdruͤmmert und von einem flach-muſchlichen ins ebene uͤbergehenden Bruche. Aehnliche Stuͤcke finden ſich als Geſchiebe im Muſchwitzthale. — Der derbe, nie kriſtalliſirte,Flußſpath auf der Friedensgrube ſammt Ruͤk-kertsberg iſt oft \( \frac{1}{8} \) Lr. maͤchtig, bricht zwar mitdem Eiſenſteine auf einem Gange, iſt aber im-mer durch eine mit Letten ausgefuͤllte Kluft vonihm getrennt. — Wir ſprachen oft mit einandervon dem Verhalten des Joſeph Stehenden undAmalia Flachen auf Krieg und Frieden Fdgr. |77| bey Freyberg, wo jeder Gang nur ſo lange ver-ſchiedene Erze fuͤhrt, bis beyde ſich mit einanderſchleppen, wo dann edle und grobe Geſchicke ſichbeyſammen befinden. Hier bemerkte ich einaͤhnliches Verhalten auf einem Gange. DieGabe Gottes ſammt Treue Freundſchaft Fdgr. im Kemlas baut auf zwey Truͤmmern, von de-nen auf dem einen blos gelblichgrauer, grob- faſtgroßkoͤrniger Spatheiſenſtein, auf dem andernbloß nelkenbrauner, im Bruche ziemlich voll-kommen ebener dichter Brauneiſenſtein ein-brechen. Der Hauptgang, ehe er ſich zertruͤm-mert, fuͤhrt beyde Spatheiſenſtein und dichtenBrauneiſenſtein zugleich. — Faͤlle, wo in einergeringen Entfernung dieſelben Foſſilien ſich alsGangmaſſe und Lager finden, ſind ſelten, aberſehr aufklaͤrend. Hier bricht derſelbe Rothei-ſenſtein auf dem Spathgange des Rothen HirſchFdgr. der zwiſchen Steben und Geroldsgruͤnauf einem 1 — \( \frac{5}{4} \) Lr. hohen, mit dem Geſteingegen Abend einſchießenden Lager vorkommt.— Bey Klauſen an der OberpfaͤlziſchenGrenze liegt das 21 Lr. maͤchtige Braunkohlen-floͤtz unter einem Geroͤlle von mehr oder weni-ger verwitterten Baſaltkugeln. Einige ſindmit den Fingern zerreiblich, und doch erkenntman noch die 6 — 9fach concentriſch ſchaligen |78| abgeſonderten Stuͤcke. In der Braunkohlefinden ſich unverſehrte Aeſte von Tannenzwei-gen, die faſt ihre natuͤrliche Farbe erhalten haben,und alſo wohl gegen die Feuerrevolutionen zeu-gen. — Auf einer Reiſe durch das Wunſied-ler Bergamt entdeckte mein lehrreicher BegleiterHerr Hof-Kammerath Torneſi, der vieleſcharfſinnige Beobachtungen uͤber das hieſigeGebirge geſammelt, auch bereits eine intereſ-ſante mineralogiſche Karte daruͤber zu entwerfenangefangen hat, zwey vollkommene Granitku-geln am Wege unweit Seiſen! Dies Phaͤno-men wird Ihnen gewiß nicht weniger auffallendſcheinen, als es mir war. Beyde Granitkugelnwaren von 14 — 16 Zoll im Durchmeſſer, nur dieeine etwas gedruͤckt ſphaͤroidiſch. Sie beſtehenaus einem deutlichen feinkoͤrnigen Granite mitvielem tombackbraunen Glimmer, und zeigen kon-zentriſch-ſchalige abgeſonderte Stuͤcke, von denenwir zwey Schalen abloͤßten. Beyde waren nochihrer natuͤrlichen Lagerſtaͤtte, eingewachſen in einem grobkoͤrnigen Granite, der ſich durch den(am Fichtelberge nicht ſeltenen) kriſtalliſirtenFeldſpath auszeichnete und der Verwitterungnahe war: ein Beweis alſo, daß ſelbſt derGranit wie der Porphyr, und die ſpaͤtern Ba-ſalte, Gruͤnſteine und Mergel die Faͤhigkeit |79| haben ſich kugelfoͤrmig zu ballen! Ich mußaus Liebe zur Wahrheit verſichern, daß wir, ob-gleich die Maſſe der Kugeln der deutlichſte Gra-nit war, doch alles gethan haben, um uns voreiner nur irgend moͤglichen Taͤuſchung bey die-ſer Beobachtung zu bewahren. — So wiedie Granite unter ſich von ſehr verſchiedenemrelativen Alter ſind, ſo giebt es auch Syeni-te, die aͤlter als gewiſſe Granitarten ſind. Ichglaube zu dieſem Schluſſe durch eine eigeneErfahrung berechtigt zu ſeyn. Denn bey Schoͤn-linde unweit Weißſtaͤdt fand ich einen Gra-nitblok, in dem ein 2 Zoll langes rundlichesStuͤck Syenit eingewachſen war. Der Sye-nit beſtand aus roͤthlichweißem Feldſpathe mitdunkel ſchwaͤrzlichgruͤner gemeiner Hornblende.Der ſpaͤtere Granit hingegen aus vielem braͤun-lichſchwarzen Glimmer, graulichweißem Quarzeund wenig Feldſpathe. Iſt dieſe Erfahrung auchnicht darum lehrreich, weil ſie uns den, vonHerrn Werner zuerſt bemerkten Abſtand desSyenits vom Gruͤnſteine noch deutlicher zeigt, in-dem jener unter die aͤltern uranfaͤnglichen Ge-birgsarten, dieſer unter die Floͤtzgebirge derTrappformation gehoͤrt?