Aus einem Briefe des Hr. v. Humboldt zu Arzberg am Fichtelberge. Wenn irgend eine Gegend unſers Vaterlandes die genaueſte geognoſtiſche Unterſuchung, beſonders in Ruͤckſicht auf Schichtung und Lagerung, verdient, ſo iſt es gewiß dieſer Theil des Fichtelgebirges. Ich kann Ihnen jetzt nichts allgemeines und zuſammenhangendes ſondern nur einzelne, abgeriſſene Beobachtungen mittheilen. Vielleicht werde ich bey mehrerer Muſe im Stande ſeyn, dieß weiter zu entwickeln und auf entſcheidendere Reſultate zu fuͤhren. — Die Gaͤnge in der Nailaer Bergamtsrevier ſind 2 — 3 Lachter maͤchtige Spathgaͤnge, welche faſt in einer Stunde 3 — 4000 Lachter weit ſtreichen, alle Hauptthaͤler, die ſich im Winkelkreuze hinziehen, durchſetzen, und mit ihren vielen Nebentruͤmmern aͤhnliche Verhaͤltniſſe zeigen, als der ſo uͤberaus merkwuͤrdige Neue Hoffnunger Stehende (auf Neuer Hofnung Gottes ſ. vertraͤgliche Geſellſchaft Fdgr.) zu Braͤunsdorf. Bey Befahrung der wichtigſten Grubengebaͤude glaubte ich hier in den Gangmaſſen 4 ſehr ausgezeichnet verſchiedene Formationen zu bemerken: a) ungemein viel dichter Brauneiſenſtein, weniger Spatheiſenſtein, faſriger Malachit in derbem Flußſpathe. Friedensgang. Beſchertgluͤcker Gang. b) Dichter und faſriger Brauneiſenſtein, viel Spatheiſenſtein, wenig Kupferkies mit Quarz und Lydiſchem-Steine. Mordlauer Gang. Rebekka. c) Dichter Brauneiſenſtein mit vielem Kalzedon und Bergkriſtall. Arme Huͤlfe Gottes Fdgr. zu Berg. d) Dichter Brauneiſenſtein , Rotheiſenſtein und gemeiner Strahlſtein. Rother Hirſch Fdgr. Ich nenne Ihnen hier nur die Foſſilien, welche jede dieſer Formationen karakteriſiren, nicht die, als z. B. braune Eiſenokker, welche allen gemein ſind. Auf den Gaͤngen der erſten Formation bricht nie Lydiſcher-Stein, auf denen der zweyten nie Flußſpath, auf denen der dritten nie Spatheiſenſtein (obgleich der nahe dabey ebenfalls im Thonſchiefer aufſetzende Spathgang auf Eiſenknoten Fdgr. denſelben in Menge fuͤhrt) ein. Das Foſſil, welches ich hier Lydiſcher-Stein nenne, iſt nicht etwa ein verunſtalteter Thon- oder Glimmerſchiefer, wie in dem raͤthſelhaften Truͤmmerſteine auf dem Bruͤderſchachter Trumme (unfern dem Verlornen Hofnung Steh. auf der dritten Gezeugſtrecke zu Braͤunsdorf) ſondern unverkennbar die erſte Art der Gattung Kieſelſchiefer — ein Geſtein, welches Herr Werner in einem eigenen Lager anſtehend entdeckte, von dem aber einige Mineralogen noch immer behaupten, daß es nur als Geſchiebe exiſtire. Dieſen Lydiſchen- Stein fand ich auf Oberen Mordlau Fdgr. in einer Teufe von 30 Lr. mitten in dem, dort gegen Abend aufgefahrnen Spathgange. Er zeigt ſich theils als ſcharfeckiges Bruchſtuͤck von 4 — 5 Zoll Laͤnge, theils in kleinen Maſſen, die durch dichten Brauneiſenſtein gleichſam zuſammengekuͤttet ſind. Er iſt von der gewoͤhnlichen graulichſchwarzen Farbe mit Quarzadern durchdruͤmmert und von einem flachmuſchlichen ins ebene uͤbergehenden Bruche. Aehnliche Stuͤcke finden ſich als Geſchiebe im Muſchwitzthale. — Der derbe, nie kriſtalliſirte, Flußſpath auf der Friedensgrube ſammt Ruͤkkertsberg iſt oft [Formel] Lr. maͤchtig, bricht zwar mit dem Eiſenſteine auf einem Gange, iſt aber immer durch eine mit Letten ausgefuͤllte Kluft von ihm getrennt. — Wir ſprachen oft mit einander von dem Verhalten des Joſeph Stehenden und Amalia Flachen auf Krieg und Frieden Fdgr. bey Freyberg, wo jeder Gang nur ſo lange verſchiedene Erze fuͤhrt, bis beyde ſich mit einander ſchleppen, wo dann edle und grobe Geſchicke ſich beyſammen befinden. Hier bemerkte ich ein aͤhnliches Verhalten auf einem Gange. Die Gabe Gottes ſammt Treue Freundſchaft Fdgr. im Kemlas baut auf zwey Truͤmmern, von denen auf dem einen blos gelblichgrauer, grob- faſt großkoͤrniger Spatheiſenſtein, auf dem andern bloß nelkenbrauner, im Bruche ziemlich vollkommen ebener dichter Brauneiſenſtein einbrechen. Der Hauptgang, ehe er ſich zertruͤmmert, fuͤhrt beyde Spatheiſenſtein und dichten Brauneiſenſtein zugleich. — Faͤlle, wo in einer geringen Entfernung dieſelben Foſſilien ſich als Gangmaſſe und Lager finden, ſind ſelten, aber ſehr aufklaͤrend. Hier bricht derſelbe Rotheiſenſtein auf dem Spathgange des Rothen Hirſch Fdgr. der zwiſchen Steben und Geroldsgruͤn auf einem 1 — [Formel] Lr. hohen, mit dem Geſtein gegen Abend einſchießenden Lager vorkommt. — Bey Klauſen an der Oberpfaͤlziſchen Grenze liegt das 21 Lr. maͤchtige Braunkohlenfloͤtz unter einem Geroͤlle von mehr oder weniger verwitterten Baſaltkugeln. Einige ſind mit den Fingern zerreiblich, und doch erkennt man noch die 6 — 9fach concentriſch ſchaligen abgeſonderten Stuͤcke. In der Braunkohle finden ſich unverſehrte Aeſte von Tannenzweigen, die faſt ihre natuͤrliche Farbe erhalten haben, und alſo wohl gegen die Feuerrevolutionen zeugen. — Auf einer Reiſe durch das Wunſiedler Bergamt entdeckte mein lehrreicher Begleiter Herr Hof-Kammerath Torneſi, der viele ſcharfſinnige Beobachtungen uͤber das hieſige Gebirge geſammelt, auch bereits eine intereſſante mineralogiſche Karte daruͤber zu entwerfen angefangen hat, zwey vollkommene Granitkugeln am Wege unweit Seiſen! Dies Phaͤnomen wird Ihnen gewiß nicht weniger auffallend ſcheinen, als es mir war. Beyde Granitkugeln waren von 14 — 16 Zoll im Durchmeſſer, nur die eine etwas gedruͤckt ſphaͤroidiſch. Sie beſtehen aus einem deutlichen feinkoͤrnigen Granite mit vielem tombackbraunen Glimmer, und zeigen konzentriſch-ſchalige abgeſonderte Stuͤcke, von denen wir zwey Schalen abloͤßten. Beyde waren noch ihrer natuͤrlichen Lagerſtaͤtte, eingewachſen in einem grobkoͤrnigen Granite, der ſich durch den (am Fichtelberge nicht ſeltenen) kriſtalliſirten Feldſpath auszeichnete und der Verwitterung nahe war: ein Beweis alſo, daß ſelbſt der Granit wie der Porphyr, und die ſpaͤtern Baſalte, Gruͤnſteine und Mergel die Faͤhigkeit haben ſich kugelfoͤrmig zu ballen! Ich muß aus Liebe zur Wahrheit verſichern, daß wir, obgleich die Maſſe der Kugeln der deutlichſte Granit war, doch alles gethan haben, um uns vor einer nur irgend moͤglichen Taͤuſchung bey dieſer Beobachtung zu bewahren. — So wie die Granite unter ſich von ſehr verſchiedenem relativen Alter ſind, ſo giebt es auch Syenite, die aͤlter als gewiſſe Granitarten ſind. Ich glaube zu dieſem Schluſſe durch eine eigene Erfahrung berechtigt zu ſeyn. Denn bey Schoͤnlinde unweit Weißſtaͤdt fand ich einen Granitblok, in dem ein 2 Zoll langes rundliches Stuͤck Syenit eingewachſen war. Der Syenit beſtand aus roͤthlichweißem Feldſpathe mit dunkel ſchwaͤrzlichgruͤner gemeiner Hornblende. Der ſpaͤtere Granit hingegen aus vielem braͤunlichſchwarzen Glimmer, graulichweißem Quarze und wenig Feldſpathe. Iſt dieſe Erfahrung auch nicht darum lehrreich, weil ſie uns den, von Herrn Werner zuerſt bemerkten Abſtand des Syenits vom Gruͤnſteine noch deutlicher zeigt, indem jener unter die aͤltern uranfaͤnglichen Gebirgsarten, dieſer unter die Floͤtzgebirge der Trappformation gehoͤrt?