|449|
Unter den vielen scharfsinnigen und überaus gründlichen Ar-beiten, mit denen in der neueren Zeit mein Freund, der Professor
Göppert zu Breslau, die Geognosie bereichert hat, nimmt dieArbeit über die noch wunderbaren, vegetabilischen, im Bernstein
enthaltenen Reste, welche ich die Freude habe, heute der Königli-chen Akademie zu überreichen, einen sehr ehrenvollen Platz ein. Sieschließt sich an Herrn Göppert’s eben so sorgfältige Untersu-chungen über die Flora des Übergangs-Gebirges, der Steinkohlen-Formation und der Tertiär-Gebilde an. Die sichere botanische Be-stimmung der specifischen Charactere, und die physiologische Be-trachtung der Holzgewebe geben diesen so erfolgreichen Bestre-bungen eine Wichtigkeit, die hauptsächlich aus der klareren Einsichtin die Folge und Aneinander-Reihung der verschiedenen Vegetations-Epochen der Vorwelt entspringt. Der Bernstein bezeichnet die
|450| letzte Phase solcher Organisations-Umwandelungen auf dem Erd-boden. Nach Untersuchung der großen Sammlungen des Ober-lehrers Menge und des verstorbenen Dr. Behrend zu Danzig,und der vielen vom Prof. Göppert selbst, in Schlesien bis zu 1350Fuß Höhe gesammelten Bernsteinstücke findet der letztere 163 er-kennbar verschiedene Pflanzen-Arten, unter denen wenigstens 30Species der jetzigen Vegetation der temperirten und den Polar-kreisen nahen Zonen zugehören. Thuja occidentalis, Andromedahypnoides aus Labrador und Unalaschka, Libocedrus chilensis sinderkannt worden. Der Bernstein, ein durch Fossilisation verändertesFichtenharz, ist nicht das Product einer Conifere (Pinites succini-fer), sondern gehört wohl 8 verschiedenen Coniferen aus den altenAbietineen- und Cupressineen-Wäldern an. Ich wünsche sehr,daß es die Zeit gestatten möge, daß die Königliche Akademie ausder, für die Geognosie, wie für die Geschichte und Geographieder Pflanzen, so wichtigen Abhandlung des Professors Göppert
sich wenigstens die, aus den Untersuchungen über dieBernstein-Flora gezogenen Folgerungen vorlesen lasse;auch gebe ich die Hoffnung nicht auf, daß die Bernstein-Flora
mit Kupfern ausgestattet von Göppert und Menge wird erschei-nen können, als neuer Beweis deutschen Fleißes und deutscherGründlichkeit.
Potsdam, den 24. Juli 1853.
Alexander von Humboldt.