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Alexander von Humboldt: „Die ehemalige Betriebsweise der Goldbergwerke auf den Antillen“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1843-Die_ehemalige_Betriebsweise-1> [abgerufen am 26.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1843-Die_ehemalige_Betriebsweise-1
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Titel Die ehemalige Betriebsweise der Goldbergwerke auf den Antillen
Jahr 1843
Ort Berlin
Nachweis
in: Theodor Haupt, „Geognostische und bergmännische Bemerkungen über die Insel St. Domingo“, in: Archiv für Mineralogie, Geognosie, Bergbau und Hüttenkunde 17:2 (1843), S. 536–672, hier S. 641–647.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Auszeichnung: Sperrung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: VI.30
Dateiname: 1843-Die_ehemalige_Betriebsweise-1
Statistiken
Seitenanzahl: 7
Zeichenanzahl: 10575
Bilddigitalisate

|641| Die ehemalige Betriebsweise der Goldbergwerke aufden Antillen. Mehrere der vorhin erwähnten Umstände,die Trockenheit der meisten Thäler, in denen zahlreicheBergwerksüberreste liegen, die Höhe derselben über sol-chen Thälern, welche stets wasserführend sind, der Halden-sturz, der großen Theils neben den Bingen aufgestapeltist, und der Rückstand an Gold in den Halden, könnten zudem Schlusse führen, daß damals dieses Metall nur auftrockenem Wege gewonnen worden sei, wenn nicht histo-rische Nachrichten diese Ansicht als unhaltbar nachwiesen.Herr von Humboldt hatte, da ich in den mir zu Gebotstehenden ältern Werken nichts Brauchbares über die frü-here Goldgewinnungsmethode fand, die außerordentlicheGüte, mir über den ehemaligen Goldbergwerksbetrieb im |642| andern Welttheile im Allgemeinen, sowie auf Haiti insbe-sondere, höchst interessante schriftliche Notizen mit derGenehmigung mitzutheilen, dieselben im vorliegenden Auf-satz benutzen zu dürfen. „Ich glaube keinesweges, daß die Goldsande im All-gemeinen trocken versiebt werden können. Nach dem wasich in großem Maßstabe davon in der Andeskette (imCauca-Thale) und auf der für den Kaiser von Rußlandübernommenen Reise nach dem Ural und Altai gesehen,scheint es mir ganz unmöglich, auf solche Weise einen ir-gend vortheilhaften Betrieb vorzurichten. Selbst da, woauf einem engen Raume, wie zu Alexandrowsk bei Miaskim südlichen Ural, Goldstücke von 13, 19 ja 22 preuß.Pfunden in dem Schuttland wenige Zolle unter dem Rasengefunden worden sind, enthalten die umgebenden Gold-sandschichten fast nur dem bloßen Auge unsichtbare Gold-lamellen; ja das Auffinden so großer Goldstücke ist kei-nesweges die Anzeige oder der Vorbote reichen Goldsan-des. Ganz eben so ist es in den südlichen Theilen derVereinigten Staaten, deren Verhältnisse und Lagerung aufGrünstein und Uebergangsthonschiefer ganz denen des Uralsgleichen.” „In dem Werke des berühmten Oviedo (Relacionsummaria de la Historia natural de las Indias) geschriebenim Jahre 1526, haben wir den vollständigen Beweis, daßdas Gold in den Inseln und in der Tierra firma (in dersogenannten Castilla de oro) eben so gewaschen wurde,als es noch heute in Choco in der Sonora (Nord-Mexico),am Ural und im Innern von Afrika geschieht. Oviedo bekleidete viele Jahre die Stelle als Aufseher des Gold-schmelzens; er ließ selbst Goldwäschen betreiben, und be-schreibt die Methode, deren die Eingebornen sich bedien-ten, um das Gold zu erlangen. Er war schon 1513 inder Insel Santo Domingo (Haiti), und kehrte 1535 wiederdahin zurück. Das 84ste Kapitel seiner Schrift beschreibt |643| das Auffinden des Goldes und die Wäsche mit vieler prak-tischer Sachkenntniß. Das Gold, sagt er, findet man nahean der Oberfläche entweder am Ufer, oder am Bette einesFlusses oder in trockenen Ebenen. Man hört auf in derlockeren Schicht zu graben, wenn man auf das feste Ge-stein gelangt. (Eben so am Ural, wo man bisweilen denreichsten Goldsand von dem festen Gestein, Thonschiefer,Grünsteinschiefer, Talkschiefer, Serpentin, selbst Ueber-gangskalksteine abkratzt, sicher daß in den Gesteinen selbstdort gangartig nichts zu finden sei).” „Wo das Gold, fährt Oviedo fort, in der dürrenEbene liegt, ist es nöthig in der Nähe einen Fluß, einBächlein, oder einen Wasserriß mit Regenwasser, oder we-nigstens eine Quelle zu suchen, damit die Indianer die ge-förderte goldhaltige Erde dahin tragen können, wo dasWasser zu finden ist.” „Die Arbeiter, welche den Goldsand bringen, waschennicht selbst, sondern gehen nach der Grube zurück. DasWaschen des Goldes geschieht durch eigene Wäscher.Diese sitzen am Ufer, so daß das Wasser ihnen bis an dasKnie reicht; sie bedienen sich einer kleinen concavenSchüssel (batea), welche einem Barbierbecken gleicht. DieWäscher halten nur einen Theil der mit Golderde gefülltenSchüssel unter Wasser gegen die Strömung und drehen die-selbe so geschickt und so vorsichtig, daß das Wasser dieerdigen Theile allein wegschwemmt, dagegen das Gold indem concaven Boden der Schüssel (des Beckens) bleibt.Dies Gold wird dann auf einen besondern Haufen ge-schüttet und neue Erde in die Schüssel gethan. Zu 2 Wä-schern sind nöthig 2 Arbeiter, die graben, und 2, die zu-tragen. Bisweilen verändert man auch den Lauf eines Ba-ches und findet dort das Gold in dem Bette selbst, biswei-len liegt es fern von allen Flüssen und Bergen in der Ebene,aber die Stücke Holzkohle, welche der Golderde beigemengtsind, machen mich glauben, daß die Wasser von ferne her |644| Alles zusammen geschwemmt haben, daß die Holz- undKohlenstücke von den waldigen Bergen herrühren und daßmit der Zeit nach und nach immer mehr Erde das Goldund die Kohle bedeckt haben. Zu diesen Vermuthungenüber Entstehung der goldhaltigen Alluvionen fügt Oviedo hinzu: je weiter das Gold gelaufen ist und sich von sei-ner ursprünglichen Lagerstätte im hohen Gebirge entferntfindet, um so glatter (abgeschliffener) und reiner ist es.Höher herauf im Gebirge ist das Gold von rauher Ober-fläche und unreiner, von minderer Löthigkeit. Hier undda haben sich auch große Körner von vielem Gewichtganz über der Erde gefunden, (oberhalb dem Rasen).Wenn man einwenden wollte, daß Oviedo mehr denGoldbetrieb, das ist die Goldwäschen in der Tierra Ferme,als in den Inseln beschreibt, so steht dem entgegen, daßer seit 1513 mehre Jahre lang sich selbst mit dem Goldein Haiti beschäftigte, und daß der Verkehr zwischen Haitiund der Tierra ferme so lebhaft und ununterbrochen war,daß man gewiß alle Methoden der Castilla de Oro in denInseln würde benutzt haben. Aber es fehlt auch gar nichtan direkten Zeugnissen, daß die Eingebornen von Haitiselbst, die goldhaltige Erde eben so wuschen, als die Ein-gebornen in der Tierra ferme. Des Columbus Freund, P.M. de Anghiera sagt auf das Bestimmteste, daß der Bruderdes Entdeckers in Haiti, tres menses ad instrumenta quibus aurum lavari et colligi possit conficienda consumpsit.(De rebus Oceanicis 1574. Decas I. lib. IV. p. 57.) Anghieraschrieb sein Werk zwischen 1494 und 1526. Er gab nem-lich die einzelnen Bücher der Oceanica in verschiedenenJahren heraus, ja die Stelle, die ich Ihnen citire (Vorrich-tungen, um das Gold zu waschen) ist, wie das ganze 4teBuch der ersten Decade von 1501, also 9 Jahr nach derEntdeckung von Haiti geschrieben. Anghiera erzählt auch,wie die Eingebornen die beiden Hände mit Goldsand zufüllen und durch Uebergießen aus einer hohlen Hand in |645| die andere das Gold von der Erde zu trennen wüßten.Sie bedienten sich dieser expeditiven Waschmethode, umden Fremden zu zeigen, wo Gold in den Flüssen war.(S. 25 und 339). Das Gold, sagt Anghiera, wird in Haitinicht da erzeugt, wo es sich jetzt findet. Es ist durchUeberschwemmung dahin gekommen: (Decas III. lib. 8.p. 297).” „Der erste Ursprung, sagt er, ist das Gebirge, wo dieGänge, wie Bäume mit ihren Zweigen, aus dem Innernder Erde aufsteigen. Er hatte also die richtige Ansicht,daß die Goldalluvionen nichts mit dem Gestein zu thunhaben, welches dieselben zunächst umgiebt, daß sie viel-mehr das zertrümmerte Ausgehende ferner goldführenderGänge ist.” „Die Idee hydrostatischer Absonderung, der Anwen-dung des Wassers bei Goldsänden, war, (durch die gold-führenden Flüsse erregt) wohl bei Völkern des verschie-denartigsten Culturzustandes zugleich entstanden. Die Al-ten, besonders Strabo, beschreiben das Goldwaschen sorg-fältig, ja in Spanien selbst, im Lande der Turdotanier.Man bespült, sagt Strabo (Buch III. p. 146. Casaub), denwasserlosen Goldsand mit herbeigeführtem Wasser und gräbtdeßhalb Brunnen.” „In den Alpen führten die Salasser Kriege mit ihrenNachbarn, um den Besitz des Flusses Durias, der ihnen zurGewinnung des (trocknen) Goldsandes nothwendig war.(Strabo Buch IV. p. 204). Im ganzen Mittelalter waren Goldwäschen im Gange, in Schlesien wie am Fichtel-gebirge. Der Prozeß des Waschens war den eroberndenSpaniern so bekannt, daß sie denselben würden gleich ein-geführt haben, wenn sie nicht schon das Waschen desGoldsandes als den Eingebornen Amerika’s bekannt ge-funden hätten.” „So groß war das Geschick und die Thätigkeit derSpanier damals, daß, (wie der Historiker Muñoz gezeigt |646| hat) schon 1495 ein Bergmann Pablo Belvis nach Haitigeschickt wurde mit einem Vorrath Quecksilber, um dasGoldwaschen durch Anquicken zu beschleunigen. DieseMethode war auch im Innern von Afrika sehr bekannt zwi-schen Abyssinien und Nubien im Wadi el Alaki. Der Geo-graph Edrisi spricht vom Anquicken des Goldsandes in derMitte des 12ten Jahrhunderts, wie ich in dem vor Kurzemvon Hrn. Amadée Jaubert zum ersten Male edirten Theileder Geographie des Edrisi aufgefunden.” „Ich habe davon und über die größten in Haiti auf-gefundenen Goldstücke, wie über die Ursachen des schnel-len Verfalls der Goldgewinnung in Haiti umständlich ge-handelt in der Abhandlung über die Schwankungen derGoldproduktion, (Deutsche Vierteljahrsschrift 1838. Heft 4.S. 11.), und im Examen critique de l’histoire de la Géo-graphie du 15. siecle, T. III. p. 331.” „Wenn uns gegenwärtig ein Theil der Antillen wasser-arm scheint, so muß man nicht vergessen, daß bei ge-schickter Benutzung der tropischen Regenmenge es leichtwar, sich Monate lang Wasservorrath zu schaffen. Dortfallen im Jahre (noch jetzt) 80 — 105 Pariser Zoll Regen-wasser, wenn wir kaum in Deutschland 20 — 24 Zoll ha-ben. Die 7jährigen Beobachtungen von Ramon de la Sa-gra 1821 — 1827, gaben im Mittel für die Havana 85 Z.9 Linien (Par. Maaß). In der Grenada fallen 105 Zoll.Dazu war die Regenmenge vor den unvorsichtigen Abhol-zungen der Europäer einst in den Antillen gewiß weit grö-ßer als jetzt. Haiti hatte mehr Quellen und Bäche dieman leicht zum Goldwaschen benutzen konnte. Schon Co-lumbus, als er sich über die üppige Vegetation von Ja-maica freute, bemerkt sehr scharfsinnig: daß zu seiner Zeit(1492) die Canarischen Inseln, Madeira und die Azoren we-niger Regen als sonst hätten, weil der Schatten der Bäumevermindert worden sei.” „Ich zweifle nicht, daß in Haiti und in den südlichen |647| Theilen der Vereinigten Staaten, wie am Ural, in Brasilien,Choco und Malacca, Platina mit Pallad und Osmium, Iridiumim Goldsande existiren. Die Analogie macht es sehr wahr-scheinlich, aber Gewißheit habe ich weder über Haiti nochüber die Vereinigten Staaten von Nord Amerika.” „Ihre Beobachtung von der Dissemination des Goldesim Grünstein des Cibao, wie in den goldhaltigen Conglo-meraten, hat mich sehr interressirt. Wenn nicht Gänge inder Nähe sind, ist mir das Vorkommen ganz neu.”