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Alexander von Humboldt: „Bemerkungen des Herrn von Humboldt“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1825-Bemerkungen_des_Herrn-1> [abgerufen am 27.04.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1825-Bemerkungen_des_Herrn-1
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Titel Bemerkungen des Herrn von Humboldt
Jahr 1825
Ort Stuttgart; Tübingen
Nachweis
in: „Nachricht von den Reisen und Entdeckungen der Briten Oudney, Denham und Clapperton im Sudan“, in: Hertha, Zeitschrift für Erd-, Völker- und Staatenkunde 3:1 (1825), S. 163–230, hier S. 221–225.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Ziffern; Schmuck: Trennzeichen; Tabellensatz.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: IV.47
Dateiname: 1825-Bemerkungen_des_Herrn-1
Statistiken
Seitenanzahl: 5
Zeichenanzahl: 7827
Bilddigitalisate

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Bemerkungen des Herrn von Humboldt.

„Die Beiſpiele von Eis und Kaͤlte, welche in dem inter-eſſanten Memoire des Hrn. Jomard angefuͤhrt ſind, gehoͤrenRegionen an, welche außerhalb der Wendekreiſe und nichtunter 14° Breite liegen; dann iſt auch ein ſehr großer Un-terſchied zwiſchen dem Klima der, den Tropen benachbartenLandſchaften unter 22° und 29° der Breite, und dem Klimader Landſchaften, welche zwiſchen dem Aequator und 15° Br.ihre Lage haben. Seit langer Zeit iſt es bekannt, daß ſelbſtin der Havanna (23° 9′ Breite) das Thermometer faſt aufNull herabſinkt, waͤhrend in Makao (22° 12′ Breite) an den |222| Oſtkuͤſten Aſia’s, folglich da, wo das Klima am kaͤlteſten iſt,das hunderttheilige Thermometer nur bis auf + 5° faͤllt.Schnee wird daſelbſt nie bemerkt und nur ein einziges Mal in-nerhalb fuͤnfzig Jahren hat man dort eine Eisdecke von einerLinie Dicke geſehen, durch die Wirkung des Zuruͤckſtralens aufeine Terraſſe gebildet. „Die Klimate, welche den geographiſchen Breiten des14ten, 27ſten und 30ſten Parallels entſprechen, ſind untereinander ſehr verſchieden, nach dem zu urtheilen, was wir bisjetzt daruͤber wiſſen. In Amerika, zwiſchen dem Gleicherund dem 10ten Parallelkreiſe, bemerkt man Eis, erſt in einerHoͤhe von 1350 oder 1500 Toiſen; die Kaͤlte wuͤrde dasWaſſer in den Schlaͤuchen nicht gefrieren, ſie bringt nur duͤnneEisflitter hervor. „Der Thau verurſacht keinen Froſt, er wird durch eineAbkuͤhlung der Luft bewirkt. Waͤhrend ſeiner Bildung bringtder Thau im Gegentheil Waͤrme hervor. 41) Die Zuruͤck-ſtralung erzeugt, unter beſondern Umſtaͤnden, wenn die Koͤr-per viele ſtralende Punkte zeigen, eine Kaͤlte von 10° bis12° Centigr. 42) Es fehlt indeſſen viel, daß man dort
41) Nach den Erfahrungen des Hrn. Wells, der die Urſache desThaues erklaͤrt hat, erzeugt ſich allerdings Waͤrme in dem Mo-mente, wo ſich der Thau bildet. Kommt er dann zur Verdun-ſtung, ſo muß er den Koͤrpern, welchen er benetzt, eine neueQuantitaͤt Waͤrme entziehen. Nun aber muß dieſer Effekt,wenn er wirklich exiſtirt, in den Gegenden von Afrika, um diees ſich hier handelt, weit groͤßer ſein, als in andern Gegenden,weil der Thau dort viel reichlicher iſt. Jedes Mal, wenn ichdurch die Wieſen in der Nachbarſchaft von Aegypten reiſte,empfand ich beim Einbruche der Nacht und bei ruhigem Wet-ter eine heftige Kaͤlte; ich ſchrieb ſie zum groͤßten Theile demThaue zu, der meine Kleider durchnaͤßte. Dieſe Abkuͤhlungwar mit einem Luftzuge und nach Maaßgabe der Staͤrke desWindes viel heftiger. — Jomard. 42) Es handelt ſich um eine Maſſe. Hr. Arago glaubt, daß der
|223| uͤberall, wo das Thermometer auf 12° ſinkt, Eis erblickte.Die erſte Decke koͤnnte bei + 2° erkalten, aber die Staͤrkeder innern Waͤrme wuͤrde die voͤllige Erkaltung verhindern.In Caracas, in einer Hoͤhe von 916 Mètres, iſt das Thermo-meter nie unter 12° C. geſehen worden. Wenn Dr. Oudney,unter 14° Breite, in einer Ebene, neben gefrornen Waſſer-Schlaͤuchen, geſtorben iſt, ſo iſt dies ein Fall, der, weit ent-fernt, ſich an bekannte Analogien anzuſchließen, Urſachen an-deutet, die uns voͤllig unbekannt ſind. 43)

„Aus der Unterſuchung meines meteorologiſchen Tage-buchs, in Betreff der Minima der Temperatur, welche ich inden Ebenen zwiſchen 0° und 17° der Breite beobachtet habe,ergiebt ſich folgendes: 44) In Acapulco (an der Weſtkuͤſtevon Mexiko, 16° 51′ Breite) fiel das hunderttheilige Thermo-meter (nach dieſer Skala ſind alle meine Angaben) im MonatMaͤrz, bei Sonnenaufgang auf 16°,6, am Tage ſtand es auf28° bis 29°, in der Nacht auf 21°. In Mazatlan (651
Effekt der Zuruͤckſtralung eine Flaͤche um 15 und ſelbſt um18hunderttheilige Grade abzukuͤhlen vermoͤge. — Jomard. 43) Alles dieſes beweiſt, daß das Klima der verſchiedenen Tropen-Landſchaften Afrika’s von demjenigen durchaus abweicht, wasman in andern Kontinenten erblickt, und daß die wechſelſeitigenVerhaͤltniſſe zwiſchen der Breite, der mittlern Temperatur undHoͤhe der Orte ganz beſondern Bedingungen unterworfen ſind,welche bei dem gegenwaͤrtigen Zuſtand unſerer Kenntniſſe, dieAbleitung des einen Elementes aus dem andern nicht ge-ſtattet. — Jomard. 44) Im Allgemeinen ſcheint in dieſer Region, in den Ebenen undauf den Plateau’s unter 200 Toiſen Hoͤhe (in Amerika) dasThermometer nicht unter 17° oder 18° C. zu fallen. — Humboldt.
|224| Toiſen hoch) war das Minimum bei Sonnenaufgang auchnur 15°,4 und niemals geringer. In Lima (12° 2′ Breite)und in der Wuͤſte von Santa faͤllt das Thermometer, hoͤch-ſtens fuͤr einige Stunden, auf 13°,8; aber dies findet nurwaͤhrend der Zeit der Garua Statt, d. i. wenn die Sonnelange von Duͤnſten umhuͤllt und ihre Scheibe den Kuͤſtenbe-wohnern faſt unſichtbar iſt. Ein Strom mit kaltem Waſſer,der aus Suͤden kommt, und deſſen Gewaͤſſer 16° Temperaturhaben, kuͤhlt gewoͤhnlich die niedrigen Regionen von Peru ab.Weder in Caracas (Breite 10° 31′, Hoͤhe 470 Toiſen) nochin Popayan (Breite 2° 26′, Hoͤhe 911 Toiſen) kennt man Eisoder Reif. In den Aequinoktial-Gegenden Amerika’s zwiſchendem Aequator und 15° Breite ſieht man Eisflitter, durch denEffekt der Zuruͤckſtralung erzeugt, zuerſt auf dem Plateau von Santa-Fe de Bogota, in einer Hoͤhe von 1365 Toiſen, wenndas Thermometer in freier Luft auf +4° oder 5° herabge-ſunken iſt. In Quito, in einem engen Thale und unter einem,ſelten heitern Himmel, friert es noch nicht in einer Hoͤhe von1490 Toiſen.
„Aus dieſen Thatſachen geht hervor, daß die Kaͤlte, welcheden Tod des Dr. Oudney und das Gefrieren des Waſſers aufSchuͤſſeln (Dishes) veranlaßte, ſich auf keine Weiſe durchdie uns bis jetzt bekannten Phaͤnomene der tropiſchen Meteo-rologie erklaͤren laſſen. 45) Ich laͤugne zwar nicht die Moͤg-lichkeit dieſer afrikaniſchen Kaͤlte, aber ich meine, daß manbei ihr eine Vereinigung von außerordentlichen Umſtaͤnden,
45) Dr. Brewſter ſoll, wie man verſichert, die heftige Kaͤlte, wel-cher Dr. Oudney’s Tod zugeſchrieben worden, gegenwaͤrtig inZweifel ziehen. Wenn auch in den Umgebungen der ReiſendenWaſſer gefror, ſo iſt das keine Kaͤlte, die den Tod mit ſichfuͤhrt. Es iſt daher klar, daß ſowohl die Wirkungen dieſerKaͤlte, als auch die Hoͤhe der Stelle, wo ſie Statt fand, uͤber-trieben worden ſind. — Jomard.
|225| herabſtroͤmende Gewaͤſſer, noͤrdliche Winde und Effekte einernoch nicht beobachteten Zuruͤckſtralung 46) vorausſehen muͤſſe.In Bengalen bildet ſich Eis, wenn die Luft eine Temperaturvon 6° oder 7° hat. Hr. Wells hat es in England nur bei4°,7 hervorgebracht; aber ſetzt man auch mit Wilſon, den Effektder Zuruͤckſtralung = 10°, ſo wuͤrde dieſe Zuruͤckſtralung,nach der Analogie der in Suͤd-Amerika beobachteten Faͤlle,nur in Gegenden von 2800 Fuß abſoluter Hoͤhe Eis hervor-bringen; 47) denn bei dieſer Hoͤhe und 0° bis 10° Breitehabe ich das Thermometer noch nicht unter 11° oder 12° C. herabfallen ſehen. Wir muͤſſen hoffen, daß dieſe merkwuͤrdi-gen Phaͤnomen der Temperatur-Abnahme unter den Tropen durch neue Beobachtungen aufgehellt werden. Die Gegend,wo dieſe Erſcheinung von den englaͤndiſchen Reiſenden beobach-tet wurde, war eine wellenfoͤrmige Ebene. So unmerklichman auch ein Plateau von 2000 Fuß Hoͤhe erſtiegen haͤtte,ſo laͤßt ſich hierin noch nicht die Urſache jener Kaͤlte ſuchen.Plateau’s von großer Breitenerſtreckung haben einen geringenEinfluß auf das Klima; in dem Thale von Neiva, (270 Toi-ſen), an den Ufern der Magdalena, in Honda und Melgar (170 und 180 Toiſen) iſt es außerordentlich heiß, weil dieſeThaͤler und Hochebenen eine ſehr große Breite haben.

v. Humboldt.


46) Auf den Antillen, auf Jamaika und Martinique betrachtetman eine Temperatur von 18° oder 19° C., wenn ſie in denEbenen Statt findet, fuͤr außerordentlich niedrig. — Humboldt. 47) In Suͤd-Amerika, vom Aequator bis 10° Breite beginnt derFroſt im Allgemeinen bei 1000 Toiſen und der Schnee bei500 Toiſen unter der Graͤnze des ewigen Schnees. — Humboldt.