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Alexander von Humboldt: „Ueber die natürliche Familie der Gräser“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1818-Remarks_on_the-2> [abgerufen am 30.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1818-Remarks_on_the-2
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Titel Ueber die natürliche Familie der Gräser
Jahr 1818
Ort Jena
Nachweis
in: Isis oder Encyclopädische Zeitung 2:2 (1818), Sp. 307–310.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Spaltensatz; Antiqua (mit lang-s) für Fremdsprachiges; Fußnoten mit Asterisken.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: III.55
Dateiname: 1818-Remarks_on_the-2
Statistiken
Seitenanzahl: 2
Spaltenanzahl: 4
Zeichenanzahl: 7738

Weitere Fassungen
Remarks on the natural Family of the Grasses (London; New York City, New York, 1818, Englisch)
Ueber die natürliche Familie der Gräser (Jena, 1818, Deutsch)
|Seitenumbruch| |307|

Ueber die natuͤrliche Familie der Graͤſervon Alex. von Humboldt. Paris 1817. (Lateiniſch.)

Ich habe die Gramineae, Cyperaceae und Jun-ceae in eine natuͤrliche Familie unter dem Namen Glu-maceae geſtellt, und will jetzt uͤber die Gattungen inBezug auf ihre Menge, Geſtalt und geographiſche Ver-theilung reden. America iſt beſonders reich hieran;von 343 Gattungen, die Bonpland und ich gefunden,war kaum \( \frac{1}{6} \) bekannt. Mit denen von Brown in Neu-holland und van Diemens Inſel gefundenen, mit denenin Perſoon aufgefuͤhrten ſind jetzt 1200 Gramineae,900 Cyperaceae und 100 Junceae bekannt, zuſammen2200 Glumaceae; betragen alſo \( \frac{1}{10} \) aller Phaͤnogamen,ſo daß man auf die 30000 Mono- und Dicotyledonenwohl 3000 Glumaceae rechnen koͤnnte, wenn die Rei-ſenden auf ſie ebenſo geachtet haͤtten wie auf die Com-poſitae und Leguminoſae. Die Glumaceae vermehren ſich, wenn man vomAequator gegen die Pole geht oder auf Gebirge ſteigt;ſchneller nehmen ſie zu von Deutſchland aus gegen denPol als vom Aequator gegen die gemaͤßigten Zonen.In Lappland gibt es dreymal mehr Glumaceae als |308| Compoſitae; in den gemaͤßigten Strichen Europas ſindbeyde Familien ziemlich gleich. In Nordamerika uͤber-zaͤhlen die Compoſitae um \( \frac{1}{4} \) die Glumaceae zwiſchendem 32 und 45°, was ſuͤdlicher noch mehr zunimmt.Dieſe beyden Familien ſind in allen Weltgegenden diezahlreichſten. Dann kommen die Caryophylleae, Amen-taceae und Ericinae in der kalten Zone; die Legumi-noſae, Cruciſerae und Labiatae in der gemaͤßigten;die Leguminoſae, Rubiaceae und Malvaceae in derheißen. Unterm Aequator verhalten ſich Gramineae, Cype-raceae und Junceae zu einander wie 25: 7: 1; in dengemaͤßigten Breiten der alten Welt wie 7 : 5 : 1, unterdem Polarkreis wie 2\( \frac{2}{5} \) : 2⅗ : 1. Nur in Lappland ſind die Cyperaceae in Zahl gleich den Gramineae; durch diegemaͤßigte Zone gegen die Wendekreiſe vermindern ſich Cyperaceae und Junceae viel mehr als die Grami-neae, und zwar ſo, daß die Junceae in der heißen Zone voͤllig verſchwinden. Die Cyperaceae aber ſchei-nen beſſer alle Climate ertragen zu koͤnnen; und wirfinden beſonders unter ihren Pflanzen, welche beydeWelten angehoͤren, wie Kyllingia monocephala, Cy-perus monoſtachyos, Chaetoſpora aurea und andereGattungen. So finden ſich in Neuholland und Suͤd-america Scirpus triqueter, capitatus, und Fuirena um-bellata; in Europa und Auſtralien Scirpus fluitans,ſupinus, ſetaceus, lacuſtris, triqueter, Schoenus Ma-riſcus, Carex caeſpitoſa. C. Pſeudocyperus, Juncusmaritimus und effuſus. Ueberhaupt ſind die Cypera-ceae unter dem Wendekreis des Steinbocks haͤufig; auf436 Glumaceae von Neuholland kommen 214 Grami-neae und 200 Cyperaceae, was ſich unter dem Wen-dekreiſe des Krebſes weit anders verhaͤlt. Nach Kunth ſind manche Sippſchaften der Grami-neae zwiſchen den Wendekreiſen ſehr zahlreich, waͤhrendſie in Europa fehlen oder nur aͤußerſt ſelten vorkommen.So Paniceae, Stipaceae, Chlorideae, Sacoharinae,Oryzeae, Olyreae und Bambuſaceae. In Europa kein Paspalum, nur 5 Stipaceae, wenig Sacharinae, nureine Oryzea (Leerſia oryzoides), keine Chloridea, Oly-rea und Bambuſacea. Dagegen gehoͤren unſern ge-maͤßigten Breiten beſonders an die Agroſtideae, Avena-ceae, Arundinaceae und Bromeae. Die Hordeaceae, (unſere Kornpflanzen) paſſen beſonders in die warmenGegenden Europens und Aſiens, waͤhrend die Alpengraͤ-ſer der alten und der neuen Welt hauptſaͤchlich zu den Agroſtideae, Avenaceae und Bromeae gehoͤren. Cy-perus gehoͤrt faſt allein den Wendekreiſen an. Von 140Gattungen kommen kaum 20 auf Europa und Nordame-rica. In ganz Europa iſt weder ein Marilcus noch eine Kyllingia, noch eine aͤchte Cyperacea (mit zwey ziegel-foͤrmigen Spelzen). Die Scirpeae ſcheinen uͤberall zer-ſtreut zu ſeyn, und unter allen Monocotyledonen ſindſie es, von denen am meiſten einerley Gattungen inbeyden Welten vorkommen. Bambus haben wir zweymal in der Bluͤthe in Suͤd-america getroffen. Dieſes baumartige Rohr wird 50 bis60 Fuß hoch, bluͤht aber da ſehr ſelten; in Oſtindiendagegen ſo haͤufig, daß nach Buchanan der Samen mitHonig eine gewoͤhnliche Speiſe iſt. Wenn die Pflanze |Seitenumbruch| |309| 15 Jahr alt iſt, traͤgt ſie Samen und ſtirbt. Es gibtda zweyerley Sorten, eine dichte, Chittu, auf trocknenStellen, und eine hohle, Doda, auf feuchten Plaͤtzen,reift ſchneller. Die Bambuſa Guaduae zu Guaduas in Neugra-nada lehrte uns, wie ſchlecht ſie bisher beſtimmt war;ſie hat einen tief dreyſpaltigen Griffel, drey Schuppenum die Frucht, was wir dreyblaͤtteriges Nectarium nannten. Loureiro iſt der einzige, welcher den Griffelrichtig in der aſiatiſchen Bambuſa verticillata beſchrie-ben hat. In America iſt der Bambus nur an feuchtenPlaͤtzen gemein, beſonders in Neugranada, wo er großeWaͤlder bildet in Tiefen wie auf Hoͤhen, ſelbſt von 860Klafter, wo aber der Boden auch feucht war. Hoͤherbis 900 Klafter kommt er nur zerſtreut vor. Naſtus, der ſonſt mit Bambuſa vermengt war, auf der Inſel Bourbon iſt ein halbes Alpengras, und waͤchſt nicht un-ter 600 Klafter. *) Das Waſſer in der Hoͤhle des ame-ricaniſchen Bambus ſchmeckt etwas herb, iſt doch zutrinken. Es ſoll nachtheilig auf die Harnorgane wirken.Eine honigartige Abſonderung konnte ich im am B. niefinden. Tabaſchir aber habe ich im Koͤnigreich Quitoangetroffen. Es heißt bey den Creolen Manteca deGuaduas (Guaduas-Butter), und enthaͤlt 0,70 Kieſel-erde, 0,30 Lauge, Kalk und Waſſer, weiß, zerreiblich wieStaͤrke, vor ſeiner Verhaͤrtung klebrig, milchicht; ſo fuͤnfMonate aufbewahrt ſtank es thieriſch; von den Altenfuͤr Zucker angeſehen. Plinius redet davon als Honigvom Rohr, auch kannten Alte unſern Zucker aus Oſtin-dien. Das Zuckerrohr iſt bey Almangar in Oſtindien,am Euphrat und zu Siraf einheimiſch. Die Griechenkannten nur den ausgedruͤckten Saft, und wenn ſie vontrocknem Zucker reden, ſo meynen ſie Tabaſchir. DasZuckermachen kommt erſt im fuͤnften Jahrhundert vor.Nach Moſes Chorenenſis in der Provinz Choraſan. Bey den Chineſen wurde er ſchon im hoͤchſten Alterthumgemacht. In America war vor den Spaniern wederZuckerrohr noch eines von unſern Getraiden, das zwi-ſchen dem Kur und Terek, in Perſien und Armenien ein-heimiſch iſt. Die Oryza parva iſt Chenopodium Gui- |310| noa, der Canada-Reis eine Gattung von Zizania. Waͤlſchkorn (Maïs) waͤchſt nicht wild in Amerika. Esiſt Schade, daß Reiſende die von Molina genanntenPflanzen Secale Magu und Hordeum Tuca, worausdie Araucaner Brod bucken, das ſie Couque nannten,nicht genauer unterſuchten. Wir wiſſen von Cortes, daß die Americaner aus Agave und Waͤlſchkorn einenHonigſaft gewinnen, der auf dem Markt zu Tenolchlitl verkauft wurde.

*) In Bambuſa enthalten die langen cylindrichtenAehren eine große Menge zweyſpelziger Bluͤthen,wovon nur einige untere maͤnnliche ſind. Jede Bluͤ-the ſteckt in einem Kelch von zwey Spelzen; Bluͤ-thenſtand und Spelzenform ziemlich wie in Poa. Halm aber baumartig, 6 Staubfaͤden. Griffel tiefdreyſpaltig und 3 Schuppen um die Frucht. Bey Naſtus hingegen iſt die Aehre laͤnglich, gedruͤckt, ent-haͤlt eine beſtimmte Anzahl Spelzen in zwey Reibenuͤbereinander, faſt wie bey Cyperaceae; nur in denzwey obern Spelzen eine Bluͤthe wie Bambuſa, nehmlich ein dreyſpaltiger Griffel, 6 Staubfaͤdenund 3 Schuppen. Die zwey untern Spelzen ent-ſprechen dem Kelch in Bambuſa, die andern moͤgenals geſchlechtsloſe Bluͤthen nur mit einer Spelzegedacht werden. Zu Bambuſa gehoͤren arundina-cea und ſtricta Roxb., verticillata Willd., lati-folia und Guaduae Bonpl., und eine von der Inſel Bourbon. Zu Naſtus gehoͤrt Calumet des hautsde Bourbon, eine auf Madagaskar, welche du Pe-tit Thouars hat. Bory St. Vincent hat denGriffel und die Honigſchuppen von Naſtus richtigbeſchrieben.