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Alexander von Humboldt: „Die Schönheit des südlichen Sternen-Himmels in der heißen Zone“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1816-The_Southern_Constellations-06-neu> [abgerufen am 04.05.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1816-The_Southern_Constellations-06-neu
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Titel Die Schönheit des südlichen Sternen-Himmels in der heißen Zone
Jahr 1827
Ort Bamberg; Aschaffenburg
Nachweis
in: Leonhard Martin Eisenschmid, Polymnia, oder theoretisch-praktische Sammlung über das Gesammt-Gebiet teutscher Prosa und Dichtkunst in systematischer Ordnung, 4 Bände, Bamberg/Aschaffenburg: Joh. Cas. Dresch 1827–1829, Band 1.2 (1827), S. 160–164.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken; Schmuck: Initialen.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: III.34
Dateiname: 1816-The_Southern_Constellations-06-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 5
Zeichenanzahl: 5757

Weitere Fassungen
The Southern Constellations (Chillicothe, Ohio, 1816, Englisch)
The cross of the south (London, 1821, Englisch)
The cross of the south (Philadelphia, Pennsylvania, 1821, Englisch)
The cross of the south (Boston, Massachusetts, 1821, Englisch)
Cross of the south (London, 1825, Englisch)
Die Schönheit des südlichen Sternen-Himmels in der heißen Zone (Bamberg; Aschaffenburg, 1827, Deutsch)
Cross of the South (New York City, New York, 1828, Englisch)
[The Southern Constellations] (München, 1833, Deutsch)
[The Southern Constellations] (Wien, 1833, Deutsch)
Der Aequator (Bayreuth, 1833, Deutsch)
[The Southern Constellations] (Wien, 1833, Deutsch)
Der Übergang aus einer Hemisphäre in die andere (Linz, 1834, Deutsch)
Äquatornähe (Wien, 1836, Deutsch)
Das Kreuz des Südens. / Die südamerikanischen Llanos (Frankfurt am Main, 1838, Deutsch)
Das Kreuz des Südens (Nördlingen, 1841, Deutsch)
(Schönheit der Äquinoctialgegenden) (Wien, 1841, Deutsch)
Das Kreuz des Südens (Passau, 1843, Deutsch)
Time by the Stars (London, 1844, Englisch)
Das Kreuz des Südens (Leipzig, 1843, Deutsch)
The Constellation of the Southern Cross (London, 1850, Englisch)
The Constellation of the Southern Cross (Coventry, 1850, Englisch)
The Constellation of the Southern Cross (Reading, 1850, Englisch)
The Constellation of the Southern Cross (London, 1850, Englisch)
The Constellation of the Southern Cross (London, 1850, Englisch)
The Constellation of the Southern Cross (Manchester, 1850, Englisch)
The Constellation of the Southern Cross (Washington, District of Columbia, 1850, Englisch)
The Constellation of the Southern Cross (Raleigh, North Carolina, 1850, Englisch)
Das Kreuz des Südens (London, 1850, Deutsch)
The Constellation of the Southern Cross. (Geelong, 1851, Englisch)
Constellation of the southern cross (London, 1851, Englisch)
The constellation of the southern cross (Edinburgh, 1851, Englisch)
Schönheit des südlichen Sternenhimmels (Bamberg, 1852, Deutsch)
The Constellation of the Southern Cross (Wells, 1853, Englisch)
The Constellation of the Southern Cross (Sligo, 1853, Englisch)
A déli ég keresztje (Budapest, 1853, Ungarisch)
[The Southern Constellations] (Richmond, Virginia, 1853, Englisch)
Der südliche Sternenhimmel (Leipzig, 1853, Deutsch)
Das Kreuz des Südens (Hildburghausen; New York City, New York, 1853, Deutsch)
A déli kereszt (Budapest, 1855, Ungarisch)
Das Kreuz des Südens (New York City, New York, 1855, Deutsch)
The Southern Cross (Philadelphia, Pennsylvania, 1857, Englisch)
The southern cross (Buffalo, New York, 1858, Englisch)
Die Schönheit des südlichen Sternenhimmels (Prag, 1858, Deutsch)
|160|

Die Schoͤnheit des ſuͤdlichen Sternen-Himmels in der heißen Zone.

Seit wir in die heiße Zone eingetreten waren,konnten wir jede Nacht die Schoͤnheit des ſuͤd-lichen Himmels nicht genugſam bewundern, wel-cher in dem Maß, als wir nach Suͤden vorruͤck-ten, neue Sternbilder unſern Augen entfaltete.Man hat ein wunderbar unbekanntes Gefuͤhl,wenn man bei der Annaͤherung gegen den Äqua-tor und beſonders, wenn man von der einen He-miſphaͤre in die andere uͤbergeht, allmaͤhlig dieSterne niederer werden und zuletzt verſchwindenſieht, welche man von ſeiner erſten Kindheit ankennt. Nichts erinnert einen Reiſenden lebhafteran die unermeßliche Entfernung ſeines Vaterlan-des, als der Anblick eines neuen Himmels. DieGruppirung der großen Sterne, einige zerſtreuteNebelſterne, welche an Glanz mit der Milchſtraßewetteifern; und Raͤume, welche durch eine außer-ordentliche Schwaͤrze ausgezeichnet ſind; gebendem ſuͤdlichen Himmel eine eigenthuͤmliche Phy-ſionomie. Dieſes Schauſpiel ſetzt ſelbſt die Ein-bildungskraft derjenigen in Bewegung, welche,ohne Unterricht in den hoͤhern Wiſſenſchaften, dasHimmelsgewoͤlbe gern betrachten, wie man eine |161|ſchoͤne Landſchaft oder eine majeſtaͤtiſche Ausſichtbewundert. Man hat nicht noͤthig Botaniker zuſeyn, um die heiße Zone bei dem bloßen Anblickder Vegetation zu erkennen; ohne Kenntniß inder Aſtronomie erlangt zu haben, ohne mit denHimmels Charten von Flamstead und laCaille vertraut zu ſeyn, fuͤhlt man, daß mannicht in Europa iſt, wenn man das ungeheureSternbild des Schiffs, oder die phosphoresciren-den Wolken Magellans am Horizont aufſteigenſieht. Die Erde und der Himmel, Alles nimmtin der Äquinoctial-Gegend einen exotiſchen Cha-rakter an. Die niedern Gegenden der Luft waren ſeit ei-nigen Tagen mit Daͤmpfen angeſchwaͤngert. Wirſahen erſt in der Nacht vom 4. zum 5. Julius *) im 16. Grad der Breite, das Kreuz des Suͤdenszum erſtenmal deutlich: es war ſtark geneigt, underſchien von Zeit zu Zeit zwiſchen Wolken, derenMittelpunkt von dem Wetterleuchten gefurcht, einſilberfarbnes Licht zuruͤckwarf. Wenn es einemReiſenden erlaubt iſt, von ſeinen perſoͤnlichen Ruͤh-rungen zu reden, ſo ſetze ich hinzu, daß ich indieſer Nacht einen der Traͤume meiner erſten Ju-gend in Erfuͤllung gehen ſah. Wenn man anfaͤngt, den Blick auf geogra-phiſche Charten zu heften und die Beſchreibungender Reiſenden zu leſen, ſo fuͤhlt man eine Art
*) 1799.
|162|von Vorliebe fuͤr gewiſſe Laͤnder und Klimate,von welcher man ſich in einem hoͤhern Alter nichtwohl Rechenſchaft geben kann. Dieſe Eindruͤckehaben einen merkbaren Einfluß auf unſere Ent-ſchluͤſſe; und wir ſuchen uns wie inſtinktmaͤßigmit den Gegenſtaͤnden in Beziehung zu ſetzen,welche ſeit langer Zeit einen geheimen Reiz fuͤruns hatten. In einer Epoche, wo ich den Him-mel ſtudierte, nicht um mich der Aſtronomie zuwidmen, ſondern um die Sterne kennen zu lernen,wurde ich von einer Furcht in Bewegung geſetzt,welche denjenigen unbekannt iſt, die eine ſitzendeLebensart lieben. Es ſchien mir ſchmerzhaft, derHoffnung zu entſagen, die ſchoͤnen Sternbilder zuſehen, welche in der Naͤhe des Suͤdpols liegen: Ungeduldig, die Gegenden des Äquators zu durch-wandern, konnte ich die Augen nicht gegen dasgeſtirnte Gewoͤlbe des Himmels erheben, ohne andas Kreuz des Suͤdens zu denken, und ohne mirdie erhabene Stelle des Dante ins Gedaͤchtnißzuruͤckzurufen, welche die beruͤhmteſten Commen-tatoren auf dieſes Sternbild bezogen haben:
*) Jo mi volsi a man destra, e puosi mente All’ altro polo e vidi quattro stelle Non viste mai fuor ch’ alla prima gente. Goder pareva il ciel di lor fiamelle: O settentrional vedovo sito Poi che privato se’ di mirar quelle!

*)
Zur Rechten kehrt’ ich mich, den Geiſt gewandt, Zum andern Pol, u. ſah vier Stern’ im Schimmer, Die Niemand als das erſte Paar erkannt.
|163| Die Befriedigung, welche wir bei der Ent-deckung dieſes Kreuzes des Suͤdens empfanden,wurde lebhaft von denjenigen Perſonen der Schiffs-mannſchaft getheilt, welche die Colonien bewohnthatten. In der Einſamkeit der Meere gruͤßt maneinen Stern wie einen Freund, von dem manlange Zeit getrennt war. Bei den Portugieſenund Spaniern ſcheinen noch beſondere Gruͤndedieſes Intereſſe zu vermehren; ein religioͤſes Ge-fuͤhl macht ihnen ein Sternbild lieb, deſſen Formihnen das Zeichen des Glaubens ins Gedaͤchtnißruft, welches von ihren Voraͤltern in den Wuͤſtender neuen Welt aufgepflanzt wurde. Da die beiden großen Sterne, welche dieSpitze und den Fuß des Kreuzes bezeichnen, un-gefaͤhr die naͤmliche gerade Aufſteigung haben, ſomuß das Sternbild in dem Augenblick, wo esdurch den Meridian geht, beinahe ſenkrecht ſtehen.Dieſen Umſtand kennen alle Voͤlker, welche jen-ſeits des Wendekreiſes oder in der ſuͤdlichen He-miſphaͤre wohnen. Man hat beobachtet, um welcheZeit in der Nacht, in verſchiedenen Jahrszeiten,das Kreuz im Suͤden gerade oder geneigt iſt. Esiſt dies eine Uhr, welche ziemlich regelmaͤßig, nahezu um 4 Minuten taͤglich, vorruͤckt, und kein an-deres Sternbild bietet bei dem bloßen Anblick eine
Den Himmel letzt’ ihr funkelndes Geflimmer; O du verwaistes Land, du oͤder Nord! Du ſiehſt den Glanz der ſchoͤnen Lichter nimmer! Streckfuß.
|164|ſo leicht anzuſtellende Beobachtung der Zeit dar.Wie oft hoͤrten wir in den Savanen von Vene-zuela oder in der Wuͤſte, welche ſich von Limanach Truxillo erſtreckt, unſere Wegweiſer ſagen:„Mitternacht iſt vorbei, das Kreuz faͤngt an ſichzu neigen.“ Wie oft haben dieſe Worte uns dieruͤhrende Scene ins Gedaͤchtniß gerufen, wo Paul und Virginie, ſitzend an der Quelle des Fluſſesder Latanien, ſich zum Letztenmal unterhalten, undwo der Greis, bei dem Anblick des Kreuzes inSuͤden ſie erinnert, daß es Zeit iſt zu ſcheiden! —

Alex. v. Humboldt.