Digitale Ausgabe – Übersetzung

Brief an den Sekretär der Vereinigten Mexikanischen Bergbau-Gesellschaft

Nachdem die Direktoren dem Baron von Humboldt in Paris ihren Bericht vom vergangenen 7. September hatten zukommen lassen, der einige Bemerkungen von Herrn ALAMAN über die Veta Madre in Guanaxuato enthielt, wandte sich der Herr Baron, Bezug nehmend auf seine Untersuchungen in jenem Bergbaugebiet, mit dem folgenden Brief an den Herrn Sekretär, einem Brief, der sich durch seine Gewandtheit, Freimütigkeit, Großzügigkeit und Wissenschaftlichkeit auszeichnet. Die Herren Direktoren wollen nun sogleich die Gelegenheit nutzen, Herrn von Humboldt für seine große Güte öffentlich zu danken und mit dieser untertänigsten Aufmerksamkeit ihrem Respekt Ausdruck verleihen. Paris, 3. November 1825. Verehrter Herr, ich bin Ihnen sehr verbunden für die gütige und besondere Aufmerksamkeit, die Sie und die Herren Direktoren der Vereinigten Mexikanischen Bergbaugesellschaft mir freundlicherweise erwiesen haben. Gestatten Sie mir, mit dem größten Respekt meinen Dank auszusprechen und zugleich meinem tief empfundenen Wunsch Ausdruck zu verleihen, daß einem Unterfangen von solcher Tragweite Erfolg beschieden sein und es die Zivilisation voranbringen möge. Ihr ‚Bericht‘ verdient es, zum Vorbild genommen zu werden; – er ist präzise, offen, enthält sehr interessante Pläne und ist voller Beobachtungen, die für die Welt der Naturwissenschaften von großer Bedeutung sind. Schon seit langem habe ich meine Zweifel an der allgemeinen Anwendbarkeit von Dampfmaschinen in Mexiko geäußert, und bin davon überzeugt, daß die Bergbauwissenschaft mit großen Schritten vorankommen wird, ohne daß zu einer solchen Unterstützung gegriffen werden muß, wenn man die Maschinen, die derzeit genutzt werden, verbessert und dort, wo sehr viel Wasser eintritt, Wasser-Druckwerke (machines à colonne d’eau) zum Einsatz bringt; und zwar nicht solche, wie sie in Ungarn, Sachsen und in Moran benutzt werden, sondern wie sie in den Salzbergwerken Bayerns oder von Herrn Junger in Poulhaouenne in der Bretagne verwendet werden, gebaut nach den Prinzipien von Herrn Reichenbach, die jetzt in Paris von Herrn Wilson hergestellt werden, mit 350 Pferdestärken, und ohne den großen Balken. In der Person von DON LUCAS ALAMAN, dem Außenminister der Republik Mexiko, hat Ihre Gesellschaft alles, was man von der Vereinigung großen Talents, weitreichender Bildung und noblem Charakter erwarten kann. Wie, mein Herr, kommen Sie nur auf den Gedanken, daß ich, ein Mann der Wissenschaft, aus einer lächerlichen Anmaßung von Unfehlbarkeit heraus, verärgert über Korrekturen meiner Beobachtungen sein könnte? Ich bin an solchen Korrekturen sehr interessiert und lade in all meinen Schriften immer wieder dazu ein. Der etwas bestimmte Ton, in dem Herr ALAMAN meine drei ‚großen Fehler‘ verkündet, ist sicher dem Habitus seiner gehobenen Stellung zuzuschreiben. Bei der Diskussion der Fakten darf man nicht zu empfindlich sein, was den Ton der Kritik betrifft. Man wirft mir vor, zu behaupten:1 Erstens, daß Schiefer im Dach des Ganges vorkommt. Zweitens, daß die Ader in Santo Cristo de Burgos nur einen halben Meter mächtig ist. Drittens, daß die Ebenen von Temascatio, die tiefer liegen als der Grund von VALENCIANA, den Bergmann zu einem Vorgehen einzuladen scheinen, das zugleich den Abfluß des Wassers und den Transport der Erze zu den Schmelz- und Amalgamationswerkstätten bewältigt. (Siehe Essai Politique, Quart-Ausgabe, Band II, Seite 528) Ich denke, genau wie Herr ALAMAN, daß die wahren Verhältnisse innerhalb des Erzganges, in dem Porphyr und Schiefer nahe beieinander liegen, noch nicht ausreichend untersucht sind: Kann aber generell festgehalten werden, daß die metallhaltige Masse auf dem Schiefer ruht und von Porphyr bedeckt ist? Dann würde es sich um ein Lager handeln und nicht um einen Gang. Kann im Nord-Westen irgendein Punkt bezeichnet werden, wo dieser aufliegende Porphyr zu finden ist? Sollte in keinem Teil des Daches Schiefer zu finden sein, woher kommt dann der Tonschiefer, der zwischen Guanaxuato und Valenciana so deutlich zu sehen ist, und der, betrachtet man das Streichen der Schichten und ihr Fallen nach Süd-Westen, auf jeden Fall Teil des Daches über der metallführenden Masse sein muß? Wenn wir im Besitz von Plänen oder von geognostischen Schnitten der Veta Madre sind, werden wir Herrn ALAMANS Ansichten zu diesen Beziehungen leichter verstehen können. Abgeleitet aus einer großen Zahl ähnlicher, in Europa beobachteter Fakten scheint die wahrscheinliche Schlußfolgerung, daß die porphyrartigen Felsarten, die den Schiefer zu bedecken scheinen, ihn tatsächlich durchkreuzen, da sie von unten hochgeschoben wurden. Niemand hat mehr Gelegenheit als Herr ALAMAN, diese Fakten in ein helles Licht zu rücken – selbst der arbeitende Bergmann wird daran interessiert sein, aber jeder geognostisch Forschende wird darauf hoffen, daß Herr ALAMAN seine Ausführungen erweitert und daß er sie vor allem durch Pläne ergänzt, die auf Messungen beruhen. Zu der bemerkenswerten Verengung der Veta Madre bei Santo Cristo de Burgos kann man sich erst eine Meinung bilden, wenn das Wasser abgeleitet ist. Meine Aussage beruhte auf der Kompetenz der Bergarbeiter, die ich in Bezug auf die variierende Breite des Erzganges befragte, welcher in der Mine von VALENCIANA bis zu einer Tiefe von 180 Ellen keine Teilungen aufwies. Ich bin ganz der Meinung von Herrn ALAMAN, daß man beim gegenwärtigen Stand der Dinge nicht erwarten kann, daß die Besitzer so vieler verschiedener Bergwerke es gemeinsam auf sich nehmen, einen riesigen Tunnel von den Ebenen von Temascatio oder der Schlucht von Marfil aus zu graben, der sowohl als Stollen dienen könnte, um das Wasser abzuleiten, als auch dazu, das Erz zu den Hüttenwerken zu transportieren. Wenn wir aber sehen, daß es in einem so armen Land wie Sachsen einen 207.400 englische Fuß langen Stollen gibt, dann muß es erlaubt sein anzumerken, daß die Nachbarschaft dieser Ebenen zu einem solchen Unternehmen ‚einzuladen scheint‘, dessen Vorteile, wäre die gesamte Veta Madre von Guanaxuato Eigentum einer einzigen Gesellschaft, die das große Ganze im Blick hätte, unschätzbar sein dürften. Ich habe nur einen Monat in Guanaxuato verbracht. Fast täglich bin ich in die Gruben hinabgestiegen. Ich habe die Lagerungsbeziehungen der Formationen erforscht, auf der Grundlage der in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts gültigen geognostischen Prinzipien. Ich habe das Barometer in alle Höhen gebracht. Ich habe astronomische Beobachtungen vorgenommen und solche der magnetischen Inklination, der Winkel und der Intensität. Ich habe statistisches Material zusammengetragen, habe mit Bergarbeitern und allen gebildeten Menschen gesprochen, die mich ihrer Aufmerksamkeit für würdig befanden. Alles in allem glaube ich, daß ich alles geschafft habe, was ein aktiver Mensch in der kurzen Zeit von 30 Tagen, die er in Guanaxuato, Sierra de Santa Rosa und Comangillas verbrachte, erreichen konnte. Ich hoffe ganz aufrichtig, daß die fähigen Geologen, die heute in Valenciana und Rayas sind, uns schon bald eine trigonometrische Vermessung des Gebietes von Guanaxuato und Teilen der Gesteinsschichten liefern werden. Eine solche Arbeit würde weit über die sehr unvollkommene Zeichnung hinausgehen, die ich angefertigt habe, ähnlich wie die großartige Karte meines klugen und geschätzten Freundes Don Felipe Bauza hoffentlich meine unzureichende und unvollständige Karte von Mexiko ersetzen wird. Ich habe die Ehre und verbleibe mit größtem Dank, mein Herr, Ihr ergebenster und gehorsamster Diener, Alexander von Humboldt.“ „Richard Heathfield, Esq. London.“