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Alexander von Humboldt: „Neueste Nachrichten über den Botaniker Aimé Bonpland“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1858-Neueste_Nachrichten_ueber-04-neu> [abgerufen am 23.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1858-Neueste_Nachrichten_ueber-04-neu
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Titel Neueste Nachrichten über den Botaniker Aimé Bonpland
Jahr 1858
Ort München
Nachweis
in: Abendblatt zur Neuen Münchener Zeitung 168 (16. Juli 1858), S. 668–669.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur; Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: VII.159
Dateiname: 1858-Neueste_Nachrichten_ueber-04-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 2
Spaltenanzahl: 2
Zeichenanzahl: 6354

Weitere Fassungen
Neueste Nachrichten über den Botaniker Aimé Bonpland (Berlin, 1858, Deutsch)
Neueste Nachrichten über Aimé Bonpland von Alexander v. Humboldt (Hannover, 1858, Deutsch)
Letzter Zusatz von Alexander v. Humboldt (Hannover, 1858, Deutsch)
Neueste Nachrichten über den Botaniker Aimé Bonpland (München, 1858, Deutsch)
Aimé Bonpland (Augsburg, 1858, Deutsch)
Aimé Bonpland (London, 1858, Englisch)
Aime Bonpland (Dublin, 1858, Englisch)
Aime Bonpland (Dublin, 1858, Englisch)
[Neueste Nachrichten über den Botaniker Aimé Bonpland] (Paris, 1858, Französisch)
Letter from Berlin, Prussia. Rumored Death of Amie Bonpland, the Botanist – Letter from Alexander V. Humboldt (Boston, Massachusetts, 1858, Englisch)
A letter from Humboldt on the death of Bonpland (New York City, New York, 1858, Englisch)
A Letter from Humboldt on the Death of Bonpland (New York City, New York, 1858, Englisch)
A Letter from Humboldt on the Death of Bonpland (Washington, District of Columbia, 1858, Englisch)
Amie Bonpland–The Naturalist (Boston, Massachusetts; New York City, New York, 1858, Englisch)
Extrait d’une Lettre de M. De Humboldt à M. F. Delessert (Paris, 1858, Französisch)
[Extrait d’une Lettre de M. De Humboldt à M. F. Delessert] (Paris, 1858, Französisch)
Une lettre de M. de Humboldt (Paris, 1858, Französisch)
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Neueſte Nachrichten über den Botaniker Aimé Bonpland. *)

Des innigen Antheils bewußt, den ſo viele mir wohlwollende Menſchenan dem tiefen Schmerze nehmen, welchen die ſo weit verbreitete Nachrichtvon dem Tode meines theuren, edlen Freundes und Reiſebegleiters Bonplandin mir erregt, halte ich es für eine Pflicht, wenigſtens eine vorläufige Notizüber dieſen Gegenſtand zu veröffentlichen, die ich der freundſchaftlichen Thä-tigkeit des Herrn Dr. Lallemant (des Verfaſſers einer wichtigen Schrift überdie Krankheiten der Europäer in den Tropenländern) verdanke. Dieſer viel-begabte Mann hat, um mir eine Freude zu bereiten, ſeitdem er ſich von derkaiſ. öſterreichiſchen Expedition der Fregatte „Novara“ getrennt, von RioJaneiro aus im Februar dieſes Jahres eine Reiſe nach Rio grande und vonda über Porto Alegre durch die ehemaligen Jeſuiten-Miſſionen nach SanBorja gemacht, wo er Bonpland irrig noch angeſiedelt glaubte, wie er esfrüher (ſeit 1831) geweſen. Ich beſitze zwei Briefe des Dr. Lallemant:einen aus San Borja am Uruguay vom 10. April; den anderen, nachdemer Bonpland in Santa Anna geſprochen, aus der Villa de Uruguaiana am19. April 1858 geſchrieben. Einen umſtändlicheren Auszug dieſer Briefehabe ich an die Redaction des vielgeleſenen Journals Bonplandia nach Han-nover geſandt. Hier mögen folgende kürzere Notizen dienen: „In San Borja“, ſchreibt Dr. Lallemant, „wohnte ich bei einem ge-nauen Freunde Bonplands, dem Vicarius Gay, mit welchem ich den, langewohl gepflegten, jetzt öden und verwüſteten Garten des Botanikers beſuchte.Der Vicarius Gay hatte zu Ende des Jahres 1857 den letzten Brief vonBonpland erhalten. Seitdem kam die Nachricht von ſchwerer Erkrankungdesſelben. Briefe, geſchrieben, um ſeinen Geſundheitszuſtand zu erforſchen,blieben ohne Antwort; ja, trotz der Nähe, war man in San Borja ſelbſtungewiß, ob ich Ihren Reiſegefährten noch am Leben finden würde. ImJahr 1853 hatte Bonpland San Borja verlaſſen und den Aufenthalt in ſei-nem größeren Beſitzthum, Santa Anna, vorgezogen, wo ihn lange die Cul-tur ſelbſtgepflanzter Orangenbäume beſchäftigte. Die Wohnung des altenGelehrten beſteht (in der Eſtancia von S. Anna) in zwei großen Hütten,deren Lehmwände von Bambusſtäben und einigen Balken unter einem Stroh-dach zuſammengehalten werden. Die beiden Hütten haben Thüren, aber keineFenſter, weil das Licht durch die Oeffnungen zwiſchen den Bambusſtäben derWände hineinfällt. Ich wurde herzlich und freundlich empfangen. Trotzder tiefen Furchen, welche ein ſo viel bewegtes Leben dem lieben Antlitz ge-geben hat, ſchaute das Auge noch rein, klar und ſinnig um ſich. LebhafteGeſpräche, die er veranlaßte, ſchienen ihn ſehr zu ermüden; er leidet ſtark aneinem chroniſchen Blaſen-Katarrh. Die Entbehrungen, die er ſich ſo wun-derſam auferlegte, ſind keinesweges Folge der Dürftigkeit oder nothwendigerEinſchränkung, ſondern langer Gewohnheit, großer Selbſtbeherrſchung, charak-teriſtiſcher Individualität. Die Regierung von Corrientes hat ihm einenLandbeſitz von 10,000 ſpaniſchen Piaſtern Werth geſchenkt, auch genießt ereiner franzöſiſchen Penſion von 3000 Franken jährlich. Die mediciniſchePraxis hat er von jeher mit völliger Uneigennützigkeit ausgeübt. Er iſt all-gemein geachtet, liebt aber die Einſamkeit und vermeidet beſonders die, welcheihm Rath und Hilfe anbieten möchten. Sein wiſſenſchaftlicher Eifer iſt nochnicht erſchlafft; ſeine Sammlungen und Manuſcripte liegen in Corrientes,wo er ein vaterländiſches Muſeum errichtet hat. Am folgenden Morgen fandich ihn beträchtlich mehr angegriffen und ſchwächer. Die Nacht war ſchmerz-voll geweſen. Ich bat ihn dringend, mir zu ſagen, ob ich nicht in irgendeiner Weiſe ihm dienen könnte, wie es auch immer ſein möchte; aber esging mir wie allen ſeinen Freunden: er bedurfte keiner Dienſtleiſtung. Ichnahm Abſchied von ihm mit gerührtem Herzen. Wie gern hätte ich ihn be-redet, zur cultivirten Welt zurückzukehren! Aber ich fühlte es mit ihm, ſeineZeit war vorbei. Er gehört der erſten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts,nicht der zweiten an. Mir ſchien Ihr Freund ſelbſt bewegt zu ſein, als ichſeine beiden welken Hände mit meinen Händen drückte zum Abſchied. Dieihn umgeben, finden ihn ſeit drei Monaten ſehr an Kräften abnehmend.
*) Aus der Spenerſchen Zeitung.
|669| |Spaltenumbruch| Vielleicht hatte der alte Mann dieſelbe Empfindung bei der Trennung als ich,der ich wohl einer der letzten Sendboten europäiſchen Stammes ſein möchte,welcher viele Meilen weit in dieſe Wildniß gekommen war, um ihm im Na-men der Wiſſenſchaft, die er erweitert, Hochachtung, Liebe und Dank dar-zubieten. Ich beſtieg mein Pferd und jagte in nördlicher Richtung durchdas immer grüne Gefilde. Kein Weg führte mich, durch keinen Begleiterward ich geſtört; ich war allein mit meinen wehmüthigen Gedanken an denvergangenen Bonpland.“
Wie lebensfroh war noch der letzte Brief, den ich von Bonpland er-hielt, aus Corrientes vom 7. Juni 1857: „J’irai,“ ſagt er darin; „por-ter mes collections et mes manuscrits moi-mème à Paris,pour les déposer au Muséum. Mon voyage en France ne sera quetrés court; je retournerai à mon S. Ana, où je passe une vie tran-quille et heureuse. C’est là que je veux mourir, et où ma sépul-ture, mon tombeau se trouvera à l’ombre des arbres nombreux quej’ai plantés. Que je serai heureux, cher Humboldt, de te revoir en-core une fois et de renouveler nos souvenirs communs. Le moisd’aout prochain, le 28., je compléterai ma 84ème année, et j’aitrois (4) ans de moins que toi. Il vient de mourir dans cette pro-vince un homme de 107 ans. Quelle perspective pour deux voya-geurs, qui ont passés leur 80ème année!“ Dieſer heitere, faſt lebens-durſtige Brief contraſtirt wunderbar mit der trüben Schilderung von demBeſuche des Dr. Lallemant. In Montevideo glaubte man (nach Herrn v.Tchudi) am 29. Mai Bonpland todt, und zwar geſtorben in San Borja, ohneAngabe des Todestages. Am 18. April ſprach Lallemant mit ihm in St.Anna. Am 19. Mai wurde ſein Tod geleugnet in Porto Alegre. Es bleibtalſo noch Hoffnung, daß nicht der jüngere von Beiden zuerſt abgerufen wor-den iſt. In ſolchen Entfernungen iſt leider oft die Ungewißheit von langerDauer; ſo die Sehnſucht nach Eduard Vogel in Inner-Afrika, nach AdolphSchlagintweit in Inner-Aſien, den ſchmerzlich Vermißten!

Alexander v. Humboldt.