Neueste Nachrichten über den Botaniker Aime Bonpland. Des innigen Antheils bewußt, den so viele mir wohlwollende Menschen an dem tiefen Schmerze nehmen, welchen die so weit verbreitete Nachricht von dem Tode meines theuren, edlen Freundes und Reisebegleiters Bonpland in mir erregt, halte ich es für eine Pflicht, wenigstens eine vorläufige Notiz über diesen Gegenstand zu veröffentlichen, die ich der freundschaftlichen Thätigkeit des Herrn Dr. Lallemant (des Verfassers einer wichtigen Schrift über die Krankheiten der Europäer in den Tropenländern) verdanke. Dieser vielbegabte Mann hat, um mir eine Freude zu bereiten, seitdem er sich von der kais. österreichischen Expedition der Fregatte Novara getrennt, von Rio Janeiro aus im Februar dieses Jahres eine Reise nach Rio grande und von da über Porto Alegre durch die ehemaligen Jesuiter-Missionen nach San Borja gemacht, wo er Bonpland irrig noch angesiedelt glaubte, wie er es früher (seit 1831) gewesen. Ich besitze zwei Briefe des Dr. Lallemant: einen aus San Borja am Uruguay vom 10. April; den anderen, nachdem er Bonpland in Santa Anna gesprochen, aus der Villa de Uruguaiana am 19. April 1858 geschrieben. Einen umständlicheren Auszug dieser Briefe habe ich an die Redaction des vielgelesenen, interessanten botanischen Journals Bonplandia nach Hannover gesandt. Hier mögen folgende kürzere Notizen dienen: "In San Borja", schreibt Dr. Lallemant, "wohnte ich bei einem genauen Freunde Bonpland's, dem Vicarius Gay: mit welchem ich den, lange wohl gepflegten, jetzt öden und verwüsteten Garten des Botanikers besuchte. Der Vicarius Gay hatte zu Ende des Jahres 1857 den letzten Brief von Bonpland erhalten. Seitdem kam die Nachricht von schwerer Erkrankung desselben. Briefe geschrieben, um seinen Gesundheitszustand zu erforschen, blieben ohne Antwort; ja, trotz der Nähe, war man in San Borja selbst ungewiß, ob ich Ihren Reisegefährten noch am Leben finden würde. Im Jahr 1853 hatte Bonpland San Borja verlassen und den Aufenthalt in seinem größeren Besitzthum, Santa Anna, vorgezogen, wo ihn lange die Cultur selbstgepflanzter Orangenbäume beschäftigte. Die Wohnung des alten Gelehrten besteht (in der Estancia von S. Anna) in zwei großen Hütten, deren Lehmwände von Bambusstäben und einigen Balken unter einem Strohdach zusammengehalten werden. Die beiden Hütten haben Thüren, aber keine Fenster, weil das Licht durch die Oeffnungen zwischen den Bambusstäben der Wände hineinfällt. Ich wurde herzlich und freundlich empfangen. Trotz der tiefen Furchen, welche ein so viel bewegtes Leben dem lieben Antlitz gegeben hat, schaute das Auge noch rein, klar und sinnig um sich. Lebhafte Gespräche, die er veranlaßte, schienen ihn sehr zu ermüden; er leidet stark an einem chronischen Blasen-Katarrh. Die Entbehrungen, die er sich so wundersam auferlegt, sind keinesweges Folge der Dürftigkeit oder nothwendiger Einschränkung, sondern langer Gewohnheit, großer Selbstbeherrschung, charakteristischer Individualität. Die Regierung von Corrientes hat ihm einen Landbesitz von 10,000 spanischen Piastern Werth geschenkt, auch genießt er einer französischen Pension von 3000 Franken jährlich. Die medicinische Praxis hat er von jeher mit völliger Uneigennützigkeit ausgeübt. Er ist allgemein geachtet, liebt aber die Einsamkeit und vermeidet besonders Die, welche ihm Rath und Hülfe anbieten möchten. Sein wissenschaftlicher Eifer ist noch nicht erschlafft; seine Sammlungen und Manuscripte liegen in Corrientes, wo er ein vaterländisches Museum errichtet hat. Am folgenden Morgen fand ich ihn beträchtlich mehr angegriffen und schwächer. Die Nacht war schmerzvoll gewesen. Ich bat ihn dringend, mir zu sagen, ob ich nicht in irgend einer Weise ihm dienen könnte, wie es auch immer sein möchte; aber es ging mir wie allen seinen Freunden: er bedurfte keiner Dienstleistung. Ich nahm Abschied von ihm mit gerührtem Herzen. Wie gern hätte ich ihn beredet, zur cultivirten Welt zurückzukehren! Aber ich fühlte es mit ihm, seine Zeit war vorbei. Er gehört der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhundertes , nicht der zweiten an. Mir schien Ihr Freund selbst bewegt zu seyn, als ich seine beiden welken Hände mit meinen Händen drückte zum Abschied. Die ihn umgeben, finden ihn seit drei Monaten sehr an Kräften abnehmend. Vielleicht hatte der alte Mann dieselbe Empfindung bei der Trennung als ich, der ich wohl einer der letzten Sendboten europäischen Stammes seyn möchte, welcher viele Meilen weit in diese Wildniß gekommen war, um ihm im Namen der Wissenschaft, die er erweitert, Hochachtung, Liebe und Dank darzubieten. Ich bestieg mein Pferd und jagte in nördlicher Richtung durch das immer grüne Gefilde. Kein Weg führte mich, durch keinen Begleiter ward ich gestört; ich war allein mit meinen wehmüthigen Gedanken an den vergangenen Bonpland." Wie lebensfroh war noch der letzte Brief, den ich von Bonpland erhielt, aus Corrientes vom 7. Juni 1857! J'irai", sagt er darin, "porter mes collections et mes manuscrits moi-meme a Paris, pour les deposer au Museum. Mon voyage en France ne sera que tres court; je retournerai a mon S. Ana, ou je passe une vie tranquille et heureuse. C'est la que je veux mourir, et ou ma sepulture mon tombeau se trouvera a l'ombre des arbres nombreux que j'ai plantes. Que je serais heureux, cher Humboldt, de te revoir encore une fois et de renouveler nos souvenirs communs. Le mois d'aoaut prochain, le 28, je completerai ma 84eme annee, et j'ai trois (4) ans de moins que toi. Il vient de mourir dans cette province un homme de 107 ans. Quelle perspective pour deux voyageurs qui ont passe leur 80eme annee!" Dieser heitere, fast lebensdurstige Brief contrastirt wunderbar mit der trüben Schilderung von dem Besuche des Dr. Lallemant. In Montevideo glaubte man (nach Herrn v. Tschudi) am 29. Mai Bonpland todt, und zwar gestorben in San Borja, ohne Angabe des Todestages. Am 18. April sprach Lallemant mit ihm in S. Anna. Am 19. Mai wurde sein Tod geläugnet in Porto Alegre. Es bleibt also noch Hoffnung, daß nicht der jüngere von Beiden zuerst abgerufen worden ist. In solchen Entfernungen ist leider oft die Ungewißheit von langer Dauer; so die Sehnsucht nach Eduard Vogel in Inner-Afrika, nach Adolph Schlagintweit in Inner-Asien, den schmerzlich Vermißten! Berlin, den 12. Juli 1858. Alexander v. Humboldt.