Möllhausen’s Reise in den westlichen Theilen der Vereinigten Staaten. Die Verlagsbuchhandlung von H. Mendelssohn in Leipzig legt dem Publicum den Prospect eines Prachtwerkes vor, welches unter dem Titel: „Tagebuch einer Reise vom Mississippi nach den Küsten der Südsee. Von Balduin Möllhausen. Nebst einem Vorwort von Alexander von Humboldt“ demnächst erscheinen wird. Der Verfasser hatte schon vor der Reise, deren Resultate in dem angekündigten Werke niedergelegt werden sollen, Gelegenheit gehabt, das Gebiet, dessen Erforschung er sich mit Vorliebe gewidmet hat, kennen zu lernen, da er an dem Reise-Unternehmen, welches S. K. H. der Herzog Paul Wilhelm von Würtemberg nach den Rocky Mountains veranstaltete, Theil genommen und vom Fort Laramie ab, wo sich diese Expedition durch die Unwegsamkeit des Bodens, durch starken, den Augen verderblichen Schneefall und das Hinsterben der Pferde zur Umkehr veranlaßt fand, theils mit Ottoe-Indianern, theils mit Omahas drei Monate hindurch die nördlichen Landschaften als Jäger durchstrichen hat. Der Eifer des jungen Reisenden und sein schönes Talent, Scenen aus der Natur und dem Volksleben der Indianerstämme in charakteristischer Auffassung durch Zeichnungen wiederzugeben, verschafften ihm die Gunst Alexander v. Humboldt’s, der dem lebhaften Wunsche Möllhausen’s, die von ihm besuchten Gegenden genauer durchforschen zu können, durch warme Empfehlungen bei den Behörden der Vereinigten Staaten und bei der Smithsonian Institution gern förderlich war. Diese Empfehlungen hatten den gewünschten Erfolg: Möllhausen wurde als Zeichner und Topograph bei der Expedition angestellt, die unter Leitung des Lieutenants Whipple im Auftrage der Regierung zur Bestimmung der südlichen Eisenbahnrichtung nach dem Stillen Ocean abgesandt wurde. Nach einer Abwesenheit von einem Jahre und fünf Monaten kehrte Möllhausen im März 1854 nach Europa zurück und legte seine Beobachtungen in dem Werke nieder, dessen Publication wir nun in Kurzem erwarten dürfen. Im gegenwärtigen Moment ist der Verf. auf einer dritten Forschungsreise begriffen, da er sich der Expedition zur Erkundung des R. Colorado und R. Gila unter Lieut. Ives angeschlossen hat. Möllhausen’s „Tagebuch“ bezieht sich demnach auf das Gebiet zwischen dem Mississippi und den Rocky Mountains, — ein Gebiet, welches in Folge der immer dringlicher hervortretenden Nothwendigkeit, eine bequeme Communication zwischen den pacifischen und atlantischen Staaten der nordamerikanischen Union herzustellen, einer großen Bedeutung und einer schnellen Entwickelung entgegengeht. Aber das erwähnte Gebiet ist noch in einer anderen, in ethnographischer Hinsicht von hervorragender Wichtigkeit. A. v. Humboldt hat sie in seinem Vorwort zu Möllhausen’s Werke so meisterhaft hervorgehoben, daß wir es uns nicht versagen können, die betreffende Stelle unsern Lesern vollständig mitzutheilen. „Die Horden“, sagt A. v. Humboldt, „welche zwischen Neu-Mexico und dem Rio Gila leben, ziehen aus örtlichen Ursachen noch darum die Aufmerksamkeit auf sich, weil sie auf der Straße der großen Völkerzüge zerstreut sind, die, von Norden gegen Süden gerichtet, vom sechsten bis zum zwölften Jahrhundert unter den Namen der Tolteken, der Chichimeken, der Nahuatlaken und der Azteken das südliche tropische Mexico durchwandert und theilweise bevölkert haben. Bauwerke und Reste des Kunstfleißes dieser, zu einer Art höherer Cultur gelangten, Nationen sind übrig geblieben. Man bezeichnet noch, durch alte Traditionen und historische Malereien geleitet, die verschiedenen Stationen, d. h. das Verweilen der Azteken am Rio Gila und an mehreren süd-süd-östlichen Punkten. Es sind dieselben in meinem mexicanischen Atlas angegeben; und die 1846 vom Ingenieur-Lieutenant W. Abert und später von Möllhausen gesehene, vielstöckige Bauart großer Familienhäuser (Casas grandes), zu denen man durch, nächtlich eingezogene, Leitern aufstieg, bietet noch jetzt Analogien der Construction bei einzelnen Stämmen.“ „Da die übrig gebliebenen, zum Theil gigantesken Sculpturen, wie die Unzahl religiöser und historischer Malereien der pyramidenbauenden, der Jahrescyclen kundigen Tolteken und Azteken sehr übereinstimmend menschliche Gestalten darstellen, deren physiognomischer Charakter besonders in Hinsicht der Stirn und der außerordentlich großen, weit hervortretenden Habichtsnasen von der Bildung der jetzt Mexico, Guatemala und Nicaragua in der Zahl vieler Millionen bewohnenden, ackerbautreibenden Eingeborenen abweicht: so ist von großer ethnographischer Wichtigkeit die Lösung des, schon von dem geistreichen Catlin behandelten, Problems, ob und wo unter den nördlichen Stämmen sich Gestalten und Gesichtsbildungen finden lassen, die nicht bloß als Individuen, sondern raçenweise mit den älteren monumentalen übereinstimmen. Sollten nicht bei der amerikanischen nord-südlichen Völkerwanderung, wie bei der asiatischen ost-westlichen, zu welcher der Anfall der Hiungnu auf die blonden Yueti und Usün den frühesten Anstoß gab, nördlich vom Gila, wie dort im Caucasus (auf dem pontischen Isthmus), einzelne Stämme zurückgeblieben sein? Alles, was in dem Neuen Continent mit den gewagten Vermuthungen über die Quelle eines gewissen Grades erlangter Civilisation, was mit den Ursitzen der wandernden Völker (Huehuetlapallan, Aztlan und Quivira) zusammenhängt, fällt bisher wie in den Abgrund der historischen Mythen. Unglaube an eine befriedigende Lösung des Problems bei dem bisherigen, noch so bedauernswürdigen Mangel von Materialien, darf aber nicht dem fortgesetzten Bestreben nach muthiger Forschung Schranken setzen. Die Frage nach solchen Ueberbleibseln der wandernden Völker im Norden findet in Catlin’s, auf dem Berliner Museum auf bewahrten Oelbildern, wie in Möllhausen’s Zeichnungen mannichfaltige Befriedigung. Auch hat sie eine werthvolle Arbeit auf dem Felde der Sprachen veranlaßt, welche die Spuren des Azteken-Idioms (nahuatl) auf der Westseite des nördlichen Amerika’s verfolgt. Professor Buschmann, mein talentvoller, vieljähriger Freund, hat in einem von ihm unternommenen Werke einige vor einem halben Jahrhundert von mir geäußerte Ueberzeugungen bekräftigt und in Arbeiten, die er gemeinschaftlich einst mit meinem Bruder, Wilhelm von Humboldt, unternommen, seine tiefen Kenntnisse der alten Azteken-Sprache historisch nutzbar gemacht.“ Wir dürfen also in Möllhausen’s Werke mannichfacher Belehrung entgegensehen, wie sie ein unbefangener, an Auffassung des Charakteristischen geübter Beobachter zu bieten vermag. Die Verlagshandlung hat das Ihrige gethan, durch elegante Ausstattung, Druck und Papier das Werk in einer wohlgefälligen Form vorzulegen, die mit gutem Recht als ein Zeugniß für die Fortschritte der Typographie in Deutschland betrachtet werden darf. Die zahlreichen Illustrationen in Farben- und Tondruck, welche dem Werke beigegeben werden sollen, sind, sämmtlich nach den im Besitze Sr. Majestät des Königs befindlichen Original- Aquarellen des Verfassers, theils von Winckelmann und Söhne, theils von Storch und Kramer ausgeführt worden; das dem Prospect beigegebene Blatt, ein Jagdtrupp von Ottoe-Indianern, verspricht lebhafte, höchst anschauliche Darstellungen. Ein von Prof. E. Hildebrandt gemaltes Titelblatt: Colorado River und Bill Williams Fork soll von Kretzschmar’s Meisterhand in Holzschnitt ausgeführt werden; demselben Künstler ist auch die Ausführung der anderen Holzschnitt-Illustrationen übertragen worden. Den Entwurf und die Zeichnung einer speciellen Karte hat Herr Lange in Leipzig übernommen. So verspricht das Werk, für dessen innern Werth Humboldt’s Vorwort bürgt, auch in seiner äußern Ausstattung eine jeder Bibliothek zur Zierde gereichende Erscheinung zu werden und wir können nur wünschen, daß die Bemühungen der Verlagshandlung bei dem Publicum die verdiente Anerkennung und Aufmunterung finden.