Alexander v. Humboldt über Möllhauſens Reiſe nach der Südſee. Die Nähe nordamerikaniſcher und europäiſcher Anſiedler gereicht den unabhängigen Stämmen, wie eine traurige Erfahrung faſt in allen Zonen lehrt, zum Verderben. Allmählich auf engere Räume zuſammengedrängt, und wo der nahe Contact Beute verheißt, an Verwilderung zunehmend, reiben ſie ſich meiſtentheils in ungleichen Kämpfen auf. Wenn im früheſten Anfang des Inca- Reiches von Peru, in den Cordilleren von Quito, auf der Hochebene von Neu-Granada (dem alten Cundinamarca) und in dem mexicaniſchen Anahuac, ſüdlich von dem 28ſten Parallelkreiſe, die alte indianiſche Bevölkerung ſich erhalten, ja ſogar an einigen Punkten anſehnlich vermehrt hat, ſo iſt die Urſache davon größtentheils darin zu ſuchen daß viele Jahrhunderte lang vor der ſpaniſchen Conquiſta die Bevölkerung dort aus friedlichen, ackerbauenden Stämmen beſtand. Alles was ſich in Hrn. Möllhauſens Reiſebericht auf Ethnographie und auf die phyſiſchen und ſittlichen Verhältniſſe der ſelten kupferfarbigen, häufiger mehr braunrothen Ureinwohner zwiſchen dem Miſſouri und den Rocky Mountains, zwiſchen dem Rio Colorado und dem Littoral der Südſee bezieht, iſt auf zwiefache Weiſe anziehend. Es berührt entweder allgemeine Betrachtungen über die bald fortſchreitende, bald in ihrem Fortſchritt gehemmte Cultur, oder beſondere, locale, mit hiſtoriſchen Erinnerungen zuſammenhängende Verhältniſſe. Bei Verallgemeinerung der Anſicht reizen die mannichfaltigen Stufen unentwickelter Intelligenz in dem Urzuſtande der Horden, welche man ſo unbeſtimmt und oft ſo unpaſſend Wilde (Indios bravos) nennt, die Einbildungskraft dazu an, aus der eng begränzten Räumlichkeit der Gegenwart zu einer geheimnißvollen Vergangenheit, zu der Zeit aufzuſteigen wo ein großer Theil des Menſchengeſchlechts, der jetzt ſich einer hohen Blüthe der Cultur, in Wiſſenſchaft und bildender Kunſt erfreut, in eben ſolcher Rohheit der Sitte lebte. Wie oft habe ich ſelbſt die lebendigſte Anregung zu dieſen Betrachtungen erfahren auf einer Flußſchifffahrt von mehr als 380 deutſchen Meilen in den Wildniſſen des Orinoco, ſüdlich von den Katarakten von Atures, auf dem Atabapo, Caſſiquiare und Rio Negro! Aber auch in den Zuſtänden der Ungeſittung erkennt man hier und da mit Erſtaunen einzelne Spuren des Erwachens ſelbſtthätiger Geiſteskraft; man erkennt ſie in dem gleichzeitigen, den Verkehr zwiſchen nahen Stämmen erleichternden Beſitz mehrerer Sprachen; „in Ahnungen von einer überirdiſchen, furcht- oder freudebringenden Zukunft, in traditionellen Sagen, die kühn bis zur Entſtehung des Menſchen und ſeines Wohnſitzes aufſteigen.“ Die Horden welche zwiſchen Neu-Mexico und dem Rio Gila leben, ziehen aus örtlichen Urſachen noch darum die Aufmerkſamkeit auf ſich, weil ſie auf der Straße der großen Völkerzüge zerſtreut ſind, die, von Norden gegen Süden gerichtet, vom 6ten bis zum 12ten Jahrhundert unter dem Namen der Tolteken, der Chichimeken, der Nahuatlaken und der Azteken das ſüdliche tropiſche Mexico durchwandert und theilweiſe bevölkert haben. Bauwerke und Reſte des Kunſtfleißes dieſer, zu einer Art höherer Cultur gelangten, Nationen ſind übrig geblieben. Man bezeichnet noch, durch alte Traditionen und hiſtoriſche Malereien geleitet, die verſchiedenen Stationen, d. h. das Verweilen der Azteken am Rio Gila und an mehreren ſüd-ſüd-öſtlichen Punkten. Es ſind dieſelben in meinem mexicaniſchen Atlas angegeben; und die 1846 vom Ingenieur-Lieutenant W. Abert und ſpäter von Möllhauſen geſehene, vielſtöckige Bauart großer Familienhäuſer (Caſas Grandes), zu denen man durch nächtlich eingezogene Leitern aufſtieg, bietet noch jetzt Analogien der Conſtruction bei einzelnen Stämmen. Da die übrig gebliebenen, zum Theil gigantesken Sculpturen, wie die Unzahl religiöſer und hiſtoriſcher Malereien der pyramidenbauenden, der Jahrescyclen kundigen Tolteken und Azteken ſehr übereinſtimmend menſchliche Geſtalten darſtellen, deren phyſiognomiſcher Charakter beſonders in Hinſicht der Stirn und der außerordentlich großen, weit hervortretenden Habichtsnaſen von der Bildung der jetzt Mexico, Guatemala und Nicaragua in der Zahl vieler Millionen bewohnenden, ackerbautreibenden Eingebornen abweicht: ſo iſt von großer ethnographiſcher Wichtigkeit die Löſung des, ſchon von dem geiſtreichen Catlin behandelten Problems, ob und wo unter den nördlichen Stämmen ſich Geſtalten und Geſichtsbildungen finden laſſen, die nicht bloß als Individuen, ſondern racenweiſe mit den älteren monumentalen übereinſtimmen. Sollten nicht bei der amerikaniſchen nord-ſüdlichen Völkerwanderung, wie bei der aſiatiſchen oſt-weſtlichen, zu welcher der Anfall der Hiungnu auf die blonden Yueti und Uſün den früheſten Anſtoß gab, nördlich vom Gila, wie dort im Caucaſus (auf dem pontiſchen Iſthmus), einzelne Stämme zurückgeblieben ſeyn? Alles was in dem neuen Continent mit den gewagten Vermuthungen über die Quelle eines gewiſſen Grades erlangter Civiliſation, was mit den Urſitzen der wandernden Völker (Huehuetlapallan, Aztlan und Quivira) zuſammenhängt, fällt bisher wie in den Abgrund der hiſtoriſchen Mythen. Unglaube an eine befriedigende Löſung des Problems, bei dem bisherigen noch ſo bedauernswürdigen Mangel von Materialien, darf aber nicht dem fortgeſetzten Beſtreben nach muthiger Forſchung Schranken ſetzen. Die Frage nach ſolchen Ueberbleibſeln der wandernden Völker im Norden findet in Catlins auf dem Berliner Muſeum aufbewahrten Oelbildern wie in Möllhauſens Zeichnungen mannichfaltige Befriedigung. Auch hat ſie eine werthvolle Arbeit auf dem Felde der Sprachen veranlaßt, welche die Spuren des Azteken-Idioms (Nahuatl) auf der Weſtſeite des nördlichen Amerika’s verfolgt. Profeſſor Buſchmann, mein talentvoller, vieljähriger Freund, hat in einem von ihm unternommenen Werk einige vor einem halben Jahrhundert von mir geäußerte Ueberzeugungen bekräftigt und in Arbeiten, die er gemeinſchaftlich einſt mit meinem Bruder, Wilhelm v. Humboldt, unternommen, ſeine tiefen Kenntniſſe der alten Azteken-Sprache hiſtoriſch nutzbar gemacht. Neben dem ethnologiſchen und hiſtoriſchen Intereſſe, das ſich an den ſo wenig bekannten Erdraum knüpft, deſſen genauere Beſchreibung der Gegenſtand der nachfolgenden Blätter iſt, tritt in gleichem Maß anregend hervor das politiſche Intereſſe des allgemeinen Weltverkehrs wie der Culturverhältniſſe des Bodens, welche durch jenen Verkehr mittelbar begünſtigt werden. Die reichen atlantiſchen Staaten, die am Ohio und Miſſiſſippi, fühlen ſich durch den Lauf der Begebenheiten gedrängt, die geeignetſten Wege nach den neu errungenen und in den mächtigen nordamerikaniſchen Staatenbund aufgenommenen Küſtenländern des ſtillen Meeres zu finden. Dieſe Küſtenländer ſind reicher als das Europa gegenüber liegende öſtliche Littoral, mit ſicheren und ſchönen Häfen, mit Schiffsbauholz und dem geſuchteſten aller Mineralproducte verſehen. Die neue Heimath, lange von Mönchen, ſtreng, aber friedlich, regiert, und dem einträglichen Fiſchotterfange geöffnet, iſt durch ihre natürlichen Verhältniſſe und in den Händen einer raſtlos thätigen, unternehmenden, intelligenten Bevölkerung berufen eine wichtige Rolle in dem chineſiſchen, japaniſchen und langſam aufkeimenden oſt-ſibiriſchen Handel zu ſpielen. Wenn zu der Zeit der zweiten Entdeckung von Amerika durch Chriſtoph Columbus Ackerbau, bürgerliche und ſtaatliche Einrichtungen, weite Verbreitung derſelben Form des religiöſen Cultus; wenn Verkehr, durch Kunſtſtraßen über hohe Gebirge befördert; monumentale Sculpturen, wie große Bauwerke (Tempel, Treppen- Pyramiden, Wohnungen der Fürſten und Befeſtigungsmittel) ſich vom mexicaniſchen Anahuac bis Chili allein Aſien gegenüber, im weſtlichen Theile des neuen Continents fanden: ſo war der vielfach größere, verhältnißmäßig flächere, von Flußnetzen durchzogene öſtliche Theil ein Sitz der Wildheit, von Volksſtämmen bewohnt welche vereinzelt, ſelten in Conföderationen zu kriegeriſchen gemeinſamen Unternehmungen verbunden, ſich faſt allein vom Jagdleben und Fiſchfang ernährten. Dieſer ſonderbare alte, nach den Weltgegenden zu bezeichnende Contraſt der Cultur und Uncultur begann aufgehoben zu werden, ſeitdem in zwei, durch ein halbes Jahrtauſend getrennten Epochen, von dem nördlichſten und ſüdlichſten Theile Europa’s aus, das große oceaniſche Thal überſchritten wurde, welches zwei Continente ſcheidet. Die erſte, ſcandinaviſch-isländiſche Anſiedelung, veranlaßt von Leif, dem Sohne Eriks des Rothen, war ſchwach, von vorübergehender Art und ſittlich fruchtlos geweſen, ohne alle Einwirkung auf den Zuſtand der Eingebornen, obgleich die amerikaniſchen Küſten in der kalten und gemäßigten Zone vom 73ſten Grade (von der kleinen Gruppe der weſt-grönländiſchen Weiber-Inſeln) bis zu 41 ½° der Breite von kühnen chriſtlichen Seefahrern beſucht wurden. Erſt zu der Zeit der zweiten Entdeckung von Amerika durch Chriſtoph Columbus, der Entdeckung innerhalb der tropiſchen Zone hat ſich recht eigentlich eine Erdhälfte der andern zu offenbaren angefangen. Des Aſtronomen und Arztes Toscanelli alte Verheißung: buscar el levante por el poniente, den goldreichen Orient durch eine Schifffahrt nach Weſten aufzufinden, wurde erfüllt. Steigt man in der Erinnerung zu den Weltaltern hinauf, in welchen den Culturvölkern die das Becken des Mittelmeeres umwohnten, durch die Gründung von Tarteſſus und die wichtige Irrfahrt des Coläus von Samos die gadeiriſche Pforte, die mittelländiſche Meerenge, geöffnet wurde, ſo erkennt man in derſelben oſtweſtlichen Richtung ein unausgeſetztes Streben atlantiſcher Seefahrer nach der jenſeitigen Ferne. Die weltgeſchichtlichen Begebenheiten, in denen ſich ein großer Theil der Menſchheit von einer gewiſſen Gleichmäßigkeit der Tendenz belebt zeigt, bereiten Großes langſam und allmählich, aber um ſo ſicherer vor; ſie entwickeln ſich aus einander nach ewigen Geſetzen, ganz wie die welche walten in der organiſchen Natur. Obgleich die Südſee erſt ſieben Jahre nach dem Tode Chriſtoph Columbus von dem Gipfel der Sierra de Quarequa auf dem Iſthmus von Panama durch Vasco Nuñez de Balboa geſehen und wenige Tage darauf in einem Canot von Alonzo Martin de Don Benito beſchifft wurde, ſo hatte doch ſchon Columbus im Jahre 1502, alſo 11 Jahre vor Balboa, auf der vierten Reiſe, in welcher er am meiſten die Thatkraft ſeines Geiſtes erwieſen, im Puerto de Retrete an der Oſtküſte Veragua’s eine genaue Kenntniß von der Exiſtenz der Südſee erhalten. Er bezeichnet in der Carta rarissima vom 7 Julius 1503, in dem Briefe in welchem er ſo poetiſch ſeinen großartigen Wundertraum beſchreibt, auf das deutlichſte die zwei einander gegenüberliegenden Meere, oder, wie der Sohn in der Lebensbeſchreibung des Vaters ſagt, die „geſuchte Verengung (estrecho) des Feſtlandes.“ Dieſer ihm durch die Eingebornen offenbarte Ocean ſollte nach ſeiner Meinung ihn führen nach dem Gold-Cherſones des Ptolemäus, nach dem oſtaſiatiſchen Gewürzlande; dahin, wo einſt in großer Zahl, durch Chronometer geleitet, nordamerikaniſche, in San Francisco gebaute Schiffe ſegeln werden. In einer Zeit, wo Entwürfe zu rieſenhaftem Bau ſowohl von Eiſenbahnen (die geradlinige Entfernung der atlantiſchen Küſte zu der Küſte von San Francisco in Californien iſt ungefähr 550 deutſche Meilen), als von oceaniſchen Canälen: durch den Naipi und Cupica, durch den Atrato und Rio Truando, durch den Huaſacualco und den Chimalapa, durch den Rio de San Juan und den See Nicaragua auf das lebhafteſte den Menſchengeiſt beſchäftigen, gedenkt man gern an den erſten kleinen Anfang der Kenntniß vom ſtillen Meere, an das was Columbus auf ſeinem Todtenbette davon wiſſen konnte. Der große, ſchon von ſeinen Zeitgenoſſen, wie ich an einem andern Ort erwieſen, halb vergeſſene Mann ſtarb in Valladolid den 20 Mai 1506 in dem feſten Glauben, welchen auch noch Amerigo Veſpucci bis zu ſeinem Tode in Sevilla (am 22 Febr. 1512) theilte, nur Küſten des Continents von Aſien und keines neuen Welttheiles entdeckt zu haben. Columbus hielt das Meer, welches den weſtlichen Theil von Veragua beſpült, für den Gold-Cherſones, ſo nahe daß er das Lagenverhältniß der Provinz Ciguare in Weſt-Veragua zum Puerto Retrete (Puerto Escrivanos) verglich mit dem von „Venedig zu Piſa, oder von Tortoſa an der Mündung des Ebro zu Fuenterabia an der Bidaſſoa in Biscaya;“ auch rechnete er von Ciguare bis zum Ganges nur 9 Tagreiſen. Sehr beachtungswerth ſcheint mir dazu noch der Umſtand daß heutiges Tages der Goldreichthum welchen die Carta rarissima des Columbus in den öſtlichen Theil Aſiens ſetzt, in Californien an der Weſtküſte des neuen Continents zu finden iſt. Eine überſichtliche Schilderung dieſer Contraſte zwiſchen der Jetzt- und Vorzeit, wie des großen Gewinnes, welchen verſtändige Durchforſchungen der Terra incognita des fernen Weſtens in dem Gebiet der Vereinigten Staaten der allgemeinen Länderkenntniß noch für viele Jahrzehnte werden darbieten können, iſt der Hauptzweck dieſes Vorwortes geweſen. Es bleibt mir am Schluß desſelben noch die angenehme Pflicht zu erfüllen übrig, den Leſer daran zu erinnern daß der Verfaſſer des nachfolgenden Reiſeberichtes vom Miſſiſſippi und Arkanſas zu den Ufern des ſtillen Meeres den Vortheil gehabt hat, durch eine frühere Reiſe nach dem Nebraska-Fluſſe an das Leben unter Indianerſtämmen lange gewöhnt zu ſeyn. Nachdem er, der Sohn eines preußiſchen Artillerie-Officiers, den Militärdienſt im Vaterland mit belobenden Zeugniſſen ſeiner Oberen verlaſſen, gieng er, kaum 24 Jahre alt, nach dem weſtlichen Theile der Vereinigten Staaten: unabhängig, allein; unwiderſtehlich getrieben (wie es bei ſtrebſamen und kräftigen Gemüthern vorzugsweiſe der Fall iſt) von einem unbeſtimmten Hang nach der Ferne, nach dem Anblick einer wilden, freien Natur. Nahe bei den Ufern des Miſſiſſippi erhielt er Kunde von dem ſchönen, vielverſprechenden naturhiſtoriſchen Unternehmen, das Se. königl. Hoheit der Herzog Paul Wilhelm von Württemberg nach dem Felſengebirge (den Rocky Mountains) eben vorbereitete. Der junge Mann bat um die Erlaubniß ſich dieſem Unternehmen anſchließen zu dürfen, und erhielt ſie auf eine edle, wohlwollende Weiſe. Die Expedition gelangte ohne Unfall bis in die Gegend des Forts Laramie am Platte-Fluß als große Unwegſamkeit des Bodens, ein furchtbarer, allgemeines Augenübel erregender Schneefall, wiederholte Raubanfälle der Eingebornen und das Abſterben der ſo nothwendigen Pferde den Herzog für jetzt zum Aufgeben des Unternehmens nöthigten. Von dieſem getrennt, aber ſich anſchließend vorbeiziehenden Ottoe-Indianern, die ihn mit einem Pferd verſahen, wandte ſich Hr. Möllhauſen nun nördlicher nach Bellevue, dermalen dem Sitz einer Agentur und Niederlage des Pelzhandels. Nach einem dreimonatlichen Aufenthalt und thätigen Jagdleben bei den Omahas ſchiffte er den Miſſiſſippi herab und hatte die Freude, wieder mit dem Herzog Paul Wilhelm von Württemberg zuſammenzutreffen und in mehrfachen Excurſionen an der Vermehrung der wichtigen zoologiſchen Sammlungen dieſes Fürſten mitzuarbeiten. Im Jahr 1852 ſchiffte er ſich in New-Orleans nach Europa ein, von dem verdienſtvollen preußiſchen Conſul, Hrn. Angelrodt, in St. Louis an der Mündung des Miſſouri, beauftragt, während der Reiſe für die glückliche Ueberkunft einer Zahl intereſſanter, dem Berliner zoologiſchen Garten beſtimmter Thiere einige Sorge zu tragen. Der muthigſte Entſchluß, mit vermehrten Kenntniſſen und vermehrter künſtleriſcher Ausbildung, wenn gleich mit ſehr beſchränkten Mitteln, eine zweite Excurſion nach dem Weſten der nordamerikaniſchen Freiſtaaten zu wagen, ſtand bei Hrn. Möllhauſen feſt. Meinem innigen und vieljährigen Freunde, dem geheimen Medicinalrath und Profeſſor Lichtenſtein, verdanke ich die Bekanntſchaft des jungen Reiſenden. Wie ſollte ich, vielleicht der älteſte unter den Reiſenden dieſes Jahrhunderts, der ich mich in früheſter Jugend von ähnlicher, unbeſtimmter Wanderungsluſt gedrängt fühlte, nicht Intereſſe für den mir ſo warm Empfohlenen gewonnen haben? Die Huld des hochherzigen, jedem aufkeimenden Talente gern hülfreichen Monarchen geſtattete es daß Balduin Möllhauſen ſeine ſehr ausgezeichneten, phyſiognomiſch wahren Reiſeſkizzen aus dem Leben der Indianer ihm perſönlich vorlegen durfte. Bei dem wachſenden Wohlwollen, deſſen meine Arbeiten und Beſtrebungen ſich in den Vereinigten Staaten von Nordamerika zu erfreuen haben, bei den edlen Aufopferungen, welche ſo viele der einzelnen Regierungen dort zur Beförderung des freien geiſtigen Fortſchrittes, beſonders in allen Theilen des aſtronomiſchen, geographiſchen und naturhiſtoriſchen Wiſſens machen, durfte ich hoffen daß Empfehlungen von mir, vereint mit denen eines anderen mir theuren Freundes, des preußiſchen Geſandten, Hrn. v. Gerolt, dem Zurückkehrenden bei den oberſten Behörden und bei der edeln Smithſonian Inſtitution von erſprießlichem Nutzen ſeyn würden. Unſere Hoffnungen ſind bald erfüllt worden. Hr. Möllhauſen hat ſelbſt im Eingang zu dem Reiſebericht ſeine Anſtellung als Topograph und Zeichner bei der, auch wiſſenſchaftlich wohl ausgerüſteten Expedition des Lieutenant Whipple erzählt. Trotz der Mühſeligkeiten, die von einem, bloß auf dem Landweg 11 Monate dauernden, ernſten Unternehmen unzertrennlich ſind, hat der Reiſende doch während desſelben mehrmals Abhandlungen an die geographiſche Geſellſchaft zu Berlin geſandt, unter denen zwei von allgemeinem Intereſſe waren. Die eine Abhandlung betraf die Sitten und die Verſchiedenheit des Körperbaues der am großen Colorado und im nahen Gebirge lebenden, wenig bekannten Indianerſtämme: der Mohawes, Cutchanas und Cosninos; die andere den ſogenannten verſteinerten Urwald zwiſchen der „alten Stadt“ (Pueblo de Zuñi) und dem kleinen Colorado. Dieſes merkwürdige Phänomen, in welchem Coniferen mit einigen baumartigen Farren vereinigt ſind, iſt auch von dem Geologen der Expedition, Hrn. Jules Marcou, jetzt Profeſſor an der föderalen polytechniſchen Schule zu Zürich, in ſeiner ſo überaus lehrreichen „allgemeinen Orographie von Canada und den Vereinigten nordamerikaniſchen Staaten“ beſchrieben worden. Der nachfolgende Reiſebericht hat durch wiſſenſchaftliche Auszüge aus den gelehrten, bereits gedruckten Arbeiten des Hrn. Marcou bereichert werden können. Der Zweck der großen Expedition unter den Befehlen des Lieutenants Whipple ward glücklich erreicht am 23 März 1854 durch die Ankunft an der Küſte der Südſee bei dem Hafen San Pedro, nördlich von dem californiſchen Miſſionsdorfe San Diego. Die ſchnelle Rückreiſe gieng von San Francisco über den Iſthmus von Panama nach New-York, ſo daß Hr. Möllhauſen nach einer Abweſenheit von einem Jahr und fünf Monaten mit ſeinen Sammlungen aus dem Far Weſt und einer großen Zahl intereſſanter, im Angeſicht der Naturſcenen ſinnig aufgefaßter, maleriſcher Entwürfe in Berlin ankam.