— In der Sitzung der Stadtverordneten wurden zwei Antwortſchreiben von Ihrer Majeſtät der Königin und Sr. Königl. Hoheit dem Prinzen von Preußen mitgetheilt, welche auf Glückwunſchſchreiben der ſtädtiſchen Behörden zum Jahreswechſel erfolgt waren; in der Sitzung vom 24. Januar geſchah dieß von Seiten Sr. Majeſtät des Königs und der Ihrer Königl. Hoheit der Prinzeſſin von Preußen. In derſelben letzten Sitzung wurde auch mitgetheilt, daß an demſelben Tage durch einen Deputirten beider ſtädtiſcher Korporationen dem Herrn Alexander von Humboldt das Ehrenbürgerrecht Berlins überreicht worden ſei, bei welcher Gelegenheit der Oberbürgermeiſter Herr Krausnick die Anrede gehalten hatte. Herr von Humboldts Antwort war folgende: „Sie haben mir, hochverehrte Männer, durch den lebendigen und beredten Ausdruck des Wohlwollens dieſer großen Stadt, die ich heute mit erhöhtem Stolze meine Vaterſtadt nenne, eine Ehre erwieſen, die von keiner derer übertroffen wird, welche mir durch die frühe Aufmunterung meiner Zeitgenoſſen in einem langen und vielbewegten Leben zu Theil geworden ſind. Was von den ruhmvollen und großen ſcientifiſchen Vereinen ausgeht, bezieht ſich auf den Anbau des Wiſſens, des Erkennens, des Forſchens: auf die mühevollen, nicht immer gefahrloſen Beſtrebungen, die phyſiſche Welt der Erſcheinungen und das, was wir von ihren ewigen Geſetzen zu verſtehen glauben, vernunftmäßig zu deuten. Sie dagegen berühren durch das, was Sie mir ſo liebevoll darbieten, eine andere Region: die der Gefühle, der heiligen Pflichten und zarten Bande des Bürgerlebens. Sie ſchenken mir durch Ihre Gabe das ehrenvolle Zeugniß, daß Sie Ihre Billigung nicht verſagen den Richtungen meiner Geſinnung und Wünſche als Bürgers und Gliedes des gemeinſamen Vaterlandes; nicht der Wärme und Ausdauer, mit welcher ich (ſeit mehr als einem halben Jahrhundert) in allen meinen Schriften dieſe Richtungen unwandelbar zu vertheidigen ſtrebe. Worte fehlen mir, um dieſer großen, durch Kunſtliebe und Gewerbfleiß verherrlichten Stadt, die das Centrum der Monarchie bildet und mich zu ihrem Ehrenbürger ernannt hat, meinen tiefgefühlten Dank darzubieten. Dieſer Dank empfängt hier noch eine höhere Weihe in der Erinnerung an die immerfort wachſende Sorgfalt, mit der die Väter der Stadt (zur Frende eines hochbegabten, mein Alter durch ſeine Huld verſchönernden Monarchen) die Mittel vervielfältigen, durch welche zwanglos Erhöhung der Intelligenz und veredelnde Sittlichkeit auch in die ärmeren, arbeitenden und ſchon deshalb um ſo beachtenswertheren Schichten des Volkslebens dringen. Die edelſte und eine unverwelkliche Blüthe des Wohlſtandes iſt die, welche ſich im Schooße fortſchreitender geiſtiger Kultur entfaltet.“ Der Inhalt der Urkunde lautet: „Wir, der Magiſtrat hieſiger Königl. Haupt- und Reſidenzſtadt Berlin urkunden und bekennen hiermit, daß wir im Einverſtändniſſe mit der Stadtverordneten-Verſammlung Se. Exzellenz dem Königl. Wirklichen Geheimen Rath, Mitglied der Akademie der Wiſſenſchaften ꝛc., Ritter des Schwarzen Adlerordens, Herrn Freiherrn Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt, dem Ehrenmann des deutſchen Volkes, dem Er eine reiche Quelle der Fortbildung, Belehrung und ſittlichen Erhebung geworden iſt; — der im Dienſt der Wiſſenſchaft während eines langen mühevollen Lebens mit ſeltener Geiſtesklarheit und Herzenswärme die ausgezeichnetſten Erfolge erreichte, und Sich Selbſt einen unſterblichen Ruhm und Namen errang; — der insbeſondere den Geſetzen der Natur in dem organiſchen Leben in allen Erdtheilen nachforſchte, dieſe Geſetze mit Scharfſinn erkannte und da zur Klarheit brachte, wo bisher Verwirrung herrſchte, deſſen ſcharfem Blicke das Innere der Erde und das Geheimniß der Geſtaltung der Erdoberfläche ſich erſchloß und der in allen Gebieten der Naturwiſſenſchaft neue Erkenntniß gefördert und neue allſeitig bereits anerkannte Syſteme geſchaffen hat, und die Einheit der Welterſcheinungen zur Anſchauung brachte; im Anerkenntniſſe dieſer Seiner hervorragenden Stellung in der Wiſſenſchaft und im Anerkenntniſſe Seiner ſeltenen Eigenſchaften als Menſch und Bürger unſerer Stadt, der Er ſeit 86 Jahren angehört und in der Er bis auf dieſen Tag in ungeſchwächter Kraft und voller Geiſtesfriſche fortwirkt, „zum Ehrenbürger unſerer Stadt ernannt haben. Deſſen zur Urkunde und als ein Zeichen der ganz beſonderen und aufrichtigen Verehrung iſt dieſer „Ehrenbürgerbrief“ unter unſerer Unterſchrift und unter Anhängung unſeres großen Stadt-Inſiegels ausgefertigt worden. Berlin, den 24. Januar 1856. Magiſtrat hieſiger Königl. Haupt- und Reſidenzſtadt.“