-- Der Magistrat hiesiger Residenz hat im Einverständniß mit der Stadtverordneten-Versammlung beschlossen, dem k. Wirkl. Geh. Rath, Mitglied der Akademie der Wissenschaften u. s. w., Ritter des Schwarzen Adlerordens, Hrn. Frhrn. Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander v. Humboldt Exc., das Ehrenbürgerrecht der Stadt Berlin zu ertheilen. Gestern Vormittag 12 Uhr erfolgte die Ueberreichung des Ehrenbürgerbriefes in feierlicher Weise durch eine Deputation des Magistrats und der Stadtverordneten-Versammlung, bestehend aus dem Oberbürgermeister Krausnick, dem Bürgermeister Naunyn, dem Stadtrath Seeger, und dem Stadtrath Saust, dem Stadtverordneten-Vorsteher Fähndrich, dem Stellvertreter des Vorstehers, Lehnert, den Stadtverordneten: Fürsten Boguslav Radziwill, Cantian, Vollgold, Schäffer und Walther, welcher sich eine Deputation des betreffenden Stadtbezirks, unter Vortritt des Stadtverordneten Sittenfeld, und des Bezirksvorstehers Staegemann angeschlossen hatte. Der Hr. Oberbürgermeister Krausnick richtete an den Gefeierten folgende Worte: Ew. Excellenz sehen uns hier im Namen der Stadt Berlin, deren Gemeindebehörden uns entsendet haben, um die Huldigung ihrer Verehrung einem Manne darzubringen, auf den seine Vaterstadt, auf den das Vaterland, auf den die gesammte gebildete Welt stolz ist, dem Manne, der jeden Athemzug seines gottgesegneten Lebens der Wissenschaft und insbesondere -- oft unter mühevollem Erdulden und mit mannigfachen Entsagungen -- der Erforschung des Wissens von der Natur und ihrer Ordnung geweiht, in allen Gebieten dieses Wissens aber auch durch seine Forschungen die reichsten Erfolge erzielt und in ihnen die vollständigere Kenntniß unseres Erdballs und dessen Lebens, so wie die seiner Einfügung in die Weltordnung erschlossen hat, indem er uns die Welterscheinungen als ein Naturganzes aufzufassen und darin das Walten großer einheitlicher Gesetze erkennen lehrte. Aber nicht bloß dem Manne gilt unsere Verehrung, der auf der Höhe des Wissens steht und dessen Name die Generationen überdauern und vielleicht dereist nicht als der Name eines Einzelnen, sondern weil sein Wissen so umfassend und die von ihm im Erforschen und Erkennen ausgegangene Anregung so vielseitig ist, als ein Sammelname für mehrseitiges Streben verschiedener Personen erachtet werden wird; -- nicht bloß dem großen Lehrer und Vorbild für ferneres Forschen, nicht bloß dem Schöpfer großartiger, inhaltgewichtiger vollendeter Schriftwerke gilt sie; sie gilt auch dem Manne, dessen Herzensgüte und dessen rein menschlicher Werth ihm nicht minder die allgemeine Achtung und Liebe und Verehrung erworben haben, als sein umfangreiches Wissen, -- dem Manne, den Arme ihren Wohlthäter und hochherzige Monarchen ihren Freund nennen, -- dem Manne, dem der humanste Sinn für Förderung und Aufmunterung jedes achtungswerthen Strebens innewohnt und dem ein treues Herz im Busen schlägt für seine Freunde -- sie gilt dem ehrenwerthen Mitbürger seiner Vaterstadt, an deren Gedeihen er jederzeit den regsten Antheil genommen und gleicherweise und nicht minder gilt sie dem Manne von hohem vaterländischen Sinn, dem zu jeder Zeit für die Ehre und das Wohlergehen seines Heimathlandes das Herz erglühte, und der in ihm anvertrauten wichtigen Sendungen solches oft bethätigte. Solche Männer sind ein Ehrenschmuck des Landes, dem sie angehören, ein Ehrenschmuck der Stadt, die sie die Ihrigen nennen darf; solche Männer sind ein Vorbild zur Nacheiferung für die kommenden Geschlechter und die Stadt, welche sie in ihre Ehrenbücher eintragen läßt und damit den Ihrigen als ein solches Vorbild hinstellt, dem sie im Sein und Thun nachzustreben sich bemühen sollen, ehrt nur sich selbst. Der allgemeinen Verehrung, welche Ew. Excl. sich aller Orten errungen haben, wohin Ihr Name gedrungen ist -- und wo wäre dies nicht der Fall? -- kann zwar ein besonderer, von den Gemeindebehörden unserer Stadt ausgehender Ausdruck der Verehrung, die sie im Namen der Vaterstadt Ihnen widmen, etwas Ergänzendes oder Erhöhendes nicht hinzufügen; wenn aber im Alterthum sieben größere Städte darum stritten, welcher von ihnen die Ehre gebühre, daß aus ihr ein Dichterfürst entsprossen, so mag immerhin unsere Stadt durch einen solchen besonderen Ausdruck es darlegen, wie sehr sie sich des Vorzuges erfreue, und der Ehre rühme, daß ihr einst Alexander v. Humboldt angehörte. In diesen Gesinnungen bringen wir Ew. Excellenz hiermit das Ehrenbürgerrecht unserer Stadt dar; wir bringen es an einem Tage, der unserm Vaterlande einst den großen König gab, dem Land und Volk und Kunst und Wissenschaft so viel verdanken, und möchten gern auch durch die Wahl dieses Tages die Höhe der Verehrung bezeichnen, die wir Ihnen zollen; -- wir möchten Sie durch die über dies Ehrenbürgerrecht ausgefertigte Urkunde nicht blos für jetzt und für uns -- als den Unsrigen erklären, denn das sind Ew. Excellenz in der That schon eine lange, lange Reihe von Jahren zu unserer Freude, -- nein wir möchten dadurch im Namen der Stadt -- für die späteste Zukunft und für die noch lange nach uns Kommenden es aussprechen, daß Ew. Excellenz einst der Unsrige waren und daß die Stadt sich dadurch hochgeehrt weiß. Nehmen denn Ew. Excellenz die Urkunde, die ich hiermit überreiche, als einen solchen Ausdruck unserer innigsten Verehrung freundlich entgegen und seyn Sie versichert, daß Ihnen in den Mauern unserer Stadt die Herzen überall achtungsvoll entgegenschlagen! Möge Gott Ihr segensreiches Leben und Wirken noch lange mit seiner Kraft ausrüsten und Sie dem Könige und dem Vaterlande, der Wissenschaft und uns noch lange erhalten! Worauf dieser erwiderte: Sie haben mir, hochverehrte Männer, durch den lebendigen und beredten Ausdruck des Wohlwollens dieser großen Stadt, die ich heute mit erhöhtem Stolze meine Vaterstadt nenne, eine Ehre erwiesen, die von keiner derer übertroffen wird, welche mir durch die frühe Aufmunterung meiner Zeitgenossen in einem langen und vielbewegten Leben zu Theil geworden sind. Was von den ruhmvollen und großen scientifischen Vereinen ausgeht, bezieht sich auf den Anbau des Wissens, des Erkennens, des Forschens; auf die mühevollen, nicht immer gefahrlosen Bestrebungen, die physische Welt der Erscheinungen und das, was wir von ihren ewigen Gesetzen zu verstehen glauben, vernunftmäßig zu deuten. Sie dagegen berühren durch das, was Sie mir so liebevoll darbieten, eine andere Region: die der Gefühle, der heiligen Pflichten und zarten Bande des Bürgerlebens. Sie schenken mir durch Ihre Gabe das ehrenvolle Zeugniß, daß Sie Ihre Billigung nicht versagen den Richtungen meiner Gesinnung und Wünsche als Bürgers und Gliedes des gemeinsamen Vaterlandes; nicht der Wärme und Ausdauer, mit welcher ich (seit mehr als einem halben Jahrhundert) in allen meinen Schriften diese Richtungen unwandelbar zu vertheidigen strebe. Worte fehlen mir, um dieser großen, durch Kunstliebe und Gewerbfleiß verherrlichten Stadt, die das Centrum der Monarchie bildet und mich zu ihrem Ehrenbürger ernannt hat, meinen tiefgefühlten Dank darzubieten. Dieser Dank empfängt hier noch eine höhere Weihe in der Erinnerung an die immerfort wachsende Sorgfalt, mit der die Väter der Stadt (zur Freude eines hochbegabten, mein Alter durch seine Huld verschönernden Monarchen) die Mittel vervielfältigen, durch welche zwanglos Erhöhung der Intelligenz und veredelnde Sittlichkeit auch in die ärmeren, arbeitenden und schon deshalb um so beachtungswertheren Schichten des Volkslebens dringen. Die edelste und eine unverwelkliche Blüte des Wohlstandes ist die, welche sich im Schooße fortschreitender geistiger Cultur entfaltet. Die Urkunde lautet: Wir, der Magistrat hiesiger Königlicher Haupt- und Residenzstadt Berlin urkunden und bekennen hiermit, daß wir im Einverständnisse mit der Stadtverordneten-Versammlung Se. Excellenz dem Königlichen Wirklichen Geheimen Rath, Mitglied der Akademie der Wissenschaften etc., Ritter des Schwarzen Adlerordens, Herrn Freiherrn Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander v. Humboldt, dem Ehrenmann des deutschen Volkes, dem Er eine reiche Quelle der Fortbildung, Belehrung und sittlichen Erhebung geworden ist; -- der im Dienste der Wissenschaft während eines langen mühevollen Lebens mit seltener Geistesklarheit und Herzenswärme die ausgezeichnetsten Erfolge erreichte, und Sich Selbst einen unsterblichen Ruhm und Namen errang; -- der insbesondere den Gesetzen der Natur in dem organischen Leben in allen Erdtheilen nachforschte, diese Gesetz mit Scharfsinn erkannte und da zur Klarheit brachte, wo bisher Verwirrung herrschte, dessen scharfem Blicke das Innere der Erde und das Geheimniß der Gestaltung der Erdoberfläche sich erschloß und der in allen Gebieten der Naturwissenschaft neue Erkenntniß gefördert und neue allseitig bereits anerkannte, Systeme geschaffen hat, und die Einheit der Welterscheinungen zur Anschauung brachte; im Anerkenntnisse dieser Seiner hervorragenden Stellung in der Wissenschaft und im Anerkenntnisse Seiner seltenen Eigenschaften als Mensch und Bürger unserer Stadt, der Er seit 86 Jahren angehört und in der Er bis auf diesen Tag in ungeschwächter Kraft und voller Geistesfrische fortwirkt. zum Ehrenbürger unserer Stadt ernannt haben. Dessen zur Urkunde und als ein Zeichen der ganz besonderen und aufrichtigen Verehrung ist dieser Ehrenbürgerbrief unter unserer Unterschrift und unter Anhängung unseres großen Stadt-Insiegels ausgefertigt worden. Berlin, den 24. Januar 1856. Magistrat hiesiger Königl. Haupt- und Residenzstadt. Der Ehrenbürgerbrief hat ein Format von 25" Länge und 20" Breite. Er ist verziert mit einem von Golde strahlenden Rande und prächtigen Farben, Arabesken mit tropischen Pflanzen darstellend, in dessen Mitte rechts eine Skizze von Nord-Amerika (der Niagara-Wasserfall), links eine dergl. von Australien (Nukahiva) und unten verschiedene Embleme, als: der Kosmos, im Hintergrunde ägyptische Pyramiden, Vulkane, geometrische Instrumente etc. Der Anfangsbuchstabe ist ein sehr kunstreich in einander verschlungenes Doppel-W von Gold und Farben; der eigentliche Schrifttext von gothischen Buchstaben, sehr scharf und correct, in schwarz, blau und roth mit Gold- und Silberschatten gehalten. Die Worte Ehren-Bürger-Brief sind in einer ganz besonderen, wie es scheint, vom Verfasser eigends erfundenen, eigenthümlichen Schriftgattung dargestellt. Der Name mit einer Schrift von Gold und Roth auf einem grünen Hintergrunde (feine Ranken, Blätter und Blumen darstellend) hervorgehoben und mit Handzügen von Gold und Silber umgeben, macht einen schönen Effect. Das Ganze ist für das Auge ein wahrer Genuß und gereicht dem Verfertiger, Kanzlei-Inspector Weiß bei der hiesigen Armen-Direction, zur größten Ehre, um so mehr, da er dies unendlich mühevolle Werk, wie wir erfahren haben, außer seinen Dienststunden, meist bei Lampenlicht, in sehr kurzer Zeit vollendet hat. Das Etui, von grünem Sammet, ist von dem Hofbuchbinder David Schwartz und die silber-vergoldeten Eckstücke nebst Kapsel, worin das Stadtsiegel, von dem Hofgoldschmidt Hossauer. II. kk. HH. der Prinz und die Prinzessin von Preußen, welche dieses Kunstwerk zu sehen gewünscht, haben geruhet, persönlich gegen den Verfertiger die vollste Anerkennung und Befriedigung auszusprechen. Hr. Weiß hat unter anderen auch die Ehrenbürgerbriefe für den Frhrn. v. Gagern, den Grafen v. Brandenburg, den Ministerpräsidenten Frhrn. v. Manteuffel, den General v. Wrangel und den Oberpräsidenten Flottwell angefertigt.