Alexander v. Humboldt über die Sclaven-Frage. x Köln, 27. Juli. Die ungemeine Wichtigkeit der Sclaven-Frage für die alte sowohl wie für die neue Welt tritt mit jedem Tage mehr ins Bewußtsein der gebildeten Menschheit. Mit ihr in innigster Wechselwirkung steht die Auswanderungs- und Colonisations- Frage. Die in vieler Beziehung so reich gesegneten Länder Mittel-America's und Westindiens werden erst dann ihre mannigfaltigen großen Schätze erschließen, wenn diese Doppelfrage aus dem jetzigen heillosen Experimentiren zu einer befriedigenden praktischen Lösung gediehen ist, und die Vereinigten Staaten von Nordamerica werden erst dann wieder zu einer besseren, erquicklicheren inneren Politik gelangen, wenn die große Controverse der Gegenwart zwischen Nord und Süd zu einer wirklichen gründlichen Entscheidung gelangte. Was bis jetzt geschah, war Flickwerk, und weil es nichts weiter war, so hat der Süden mit der Consequenz des Egoismus und der Energie einer durch gemeinsame Vortheile und Vorurtheile fest geschlossenen Phalanx Schritt für Schritt Concessionen errungen, vor denen die nordischen Staaten, schamroth zu werden, längst volle Ursache hatten. Es ist notorisch, daß die Verwilderung im Süden der Vereinigten Staaten in Betreff der Sclaven-Verhältnisse nur seine jetzige Höhe erreicht hat, weil die politischen Führer in den nördlichen Staaten eben rein aus engherzigen politischen und Partei- Ursachen nicht den Muth einer consequenten Kundgebung und Verfechtung ihrer @ Überzeugung besaßen. Diese @ sonst Namen haben, diese g@echerischen Republikaner, die der edlen Gründer der Union so wenig eingedenk zu sein wagen, mögen sie sich ein Beispiel an dem Nestor der deutschen Naturforscher und Menschenfreunde nehmen, an dem Manne, dessen gewichtiges Urtheil neuerdings auch in der central-americanischen Verwicklung wieder angerufen wurde -- an Alexander v. Humboldt, dem Stolze Deutschlands und dem Ruhme unserer jetzigen Epoche! Alexander v. Humboldt ließ im Jahre 1826 ein Werk erscheinen, welches in Bezug auf das Agricultur- und Sclavenwesen der Antillen als eine der wichtigsten Quellen anerkannt ist. Obgleich diese Arbeit schon dreißig Jahre alt ist, so steht sie doch noch so vollständig auf der Höhe der Zeit, daß ein Nordamericaner dieselbe erst kürzlich übersetzt und in New-York herausgegeben, merkwürdig genug aber das Schluß- Capitel weggelassen hat. Diese für die jetzigen nordamericanischen Verhältnisse so durchaus charakteristische Unterlassungs- Sünde hat Alexander v. Humboldt zu einer "Erklärung veranlaßt, welche in der Spener'schen Zeitung erschien und welche -- so hoffen wir -- als ein gewichtiges Wort in die Wagschale der öffentlichen Meinung auch jenseit des atlantischen Oceans fallen und Schamröthe selbst auf solche Wangen rufen wird, die längst -- sobald etwas die Sclavenfrage betrifft -- zu erröthen verlernt haben. Alexander v. Humboldt's Erklärung lautet: Ich habe in Paris im Jahre 1826 unter dem Titel: Essai politique sur l'Isle de Cuba in zwei Bänden alles vereinigt, was die große Ausgabe meines Voyage aux Regions equinoxiales du Nouveau Continent im T. III. p. 445--459 über den Agricultur- und Sclaven-Zustand der Antillen enthält. Eine englische und eine spanische Uebersetzung sind von diesem Werke zu derselben Zeit erschienen, letztere als Ensayo politico sobre la isla de Cuba, und ohne etwas von den sehr freien Aeußerungen wegzulassen, welche die Gefühle der Menschlichkeit einlößen. Jetzt eben erscheint, sonderbar genug, aus der spanischen Ausgabe und nicht aus dem französischen Original übersetzt, in New-York in der Buchhandlung von Derby und Jackson ein Octavband von 400 Seiten unter dem Titel: The Island of Cuba, by Alexander Humboldt. With notes and a preliminary Essay by J. S. Trasher. Der Uebersetzer, welcher lange auf der schönen Insel gelebt, hat mein Werk durch neuere Thatsachen über den numerischen Zustand der Bevölkerung, der Landescultur und der Gewerbe bereichert, und überall in der Discussion über entgegengesetzte Meinungen eine wohlwollende Mäßigung bewiesen. Ich bin es aber einem inneren moralischen Gefühle schuldig, das heute noch eben so lebhaft ist, als im Jahre 1826, eine Klage darüber öffentlich auszusprechen, daß in einem Werke, welches meinen Namen führt, das ganze 7. Capitel der spanischen Uebersetzung (p. 261--287), mit dem mein Essal politique endigte, eigenmächtig weggelassen worden ist. Auf diesen Theil meiner Schrift lege ich eine weit größere Wichtigkeit, als auf die mühevollen Arbeiten astronomischer Ortsbestimmungen, magnetischer Intensitäts-Versuche oder statistischer Angaben. "J'ai examine avec franchise (ich wiederhole die Worte, deren ich mich vor 30 Jahren bediente) @ qui concerne l'organisa- @ dans les Colonies, l'inegale re- @ jouissances de la vie, les danger@ @ des legislateurs et la moderation @ eloigner, quelle que soi@la forme @. Il appartient au voyageur qui a vu de @ degrade la nature humaine, de faire @ de l'infortune @ux qui ont le devoir @. J'ai rappele dans cet expose, combien @ legislation espagnole de l'es clavage @ inhumaine et mein@ atroce que celle @ dans l'Amerique continentale an nord et au sud de l'equateur." Ein beharrlicher Vertheidiger der freiesten Meinungsäußerung in Rede und Schrift, würde ich mir selbst nie eine Klage erlaubt haben, wenn ich auch mit großer Bitterkeit wegen meiner Behauptungen angegriffen würde; aber ich glaube, dagegen auch fordern zu dürfen, daß man in den freien Staaten des Continents von America lesen könne, was in der spanischen Uebersetzung seit dem ersten Jahre des Erscheinens hat circuliren dürfen. Berlin, im Juli 1856. Alexander v. Humboldt.