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Alexander von Humboldt: „An Se. Majestät den König über des General-Major Baeyer ,Entwurf zur Anfertigung einer guten Karte von den östlichen Provinzen des Preußischen Staates nach dem heutigen Standpunkte der Wissenschaft und Technik‘ erstattetes Gutachten“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1856-An_Se_Majestaet-1> [abgerufen am 19.04.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1856-An_Se_Majestaet-1
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Titel An Se. Majestät den König über des General-Major Baeyer ,Entwurf zur Anfertigung einer guten Karte von den östlichen Provinzen des Preußischen Staates nach dem heutigen Standpunkte der Wissenschaft und Technik‘ erstattetes Gutachten
Jahr 1856
Ort Berlin
Nachweis
in: Archiv für Landeskunde der Preußischen Monarchie 2 (April–Juni 1856), S. [35]–40. Satzidentisch erneut in: 2 (April–Juni 1857) und 2 (April–Juni 1858).
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: VII.101
Dateiname: 1856-An_Se_Majestaet-1
Statistiken
Seitenanzahl: 6
Zeichenanzahl: 8735
Bilddigitalisate

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An Se. Majeſtät den König überdes General-Major Baeyer „Entwurf zur Anfertigung einer guten Karte vonden öſtlichen Provinzen des Preußiſchen Staates nach dem heutigen Standpunkteder Wiſſenſchaft und Technik“ erſtattetes GutachtenvonAlexander von Humboldt.

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Ew. Königliche Majeſtät

haben geruht, mir allergnädigſt zu befehlen, über den „Entwurf des General Baeyer zur Anfertigung einer, nach dem heutigen Standpunkte der Wiſſenſchaft und Tech-nik entworfenen Karte der öſtlichen Provinzen des Preußiſchen Staates“ gutachtlichzu berichten. Die eingereichte vortreffliche Arbeit enthält die Elemente, welche für alleZeiten beachtet werden müſſen, in denen das Gefühl der Nothwendigkeit der Er-füllung eines ſolchen Bedürfniſſes in der Staatsregierung aufſteigen wird. — Ge-neral Baeyer, mit deſſen Kenntniſſen und glücklichen Beſtrebungen als Mathema-tiker, Aſtronom und Geodät, ich ſeit mehr als dreißig Jahren durch die von demInſtitute zu Paris ſo belobten hydrauliſchen Abhandlungen, durch den Antheil anden aſtronomiſchen Beſtimmungen in Beſſel’s oſtpreußiſcher Gradmeſſung, durchdie weit fortgeführte Triangulation und Meſſung einer Baſis am Rhein vonſeltenſter Uebereinſtimmung, bekannt bin, verbindet in einem hohen Grade die All-gemeinheit der Anſicht und den praktiſchen Blick, der überall aus dem langenVerkehr mit der Wirklichkeit entſpringt. — Mangel einheitlicher Leitung, einvoreiliges Beginnen mit ſchlechten Kataſtrirungen ohne vorhergehende Meſſung vonHauptdreiecken und allmälichen Uebergang in Dreiecke der zweiten und dritten Ord-nung, haben zu einem ungeheuren Koſtenaufwand geführt, ohne Materialien darzu-bieten, welche bei einer gründlichen Landesvermeſſung des Staates verlangt werden, |38| und wie ſie Frankreich und, in noch höherem Grade der Vollkommenheit, die eng-liſche Regierung in Irland jetzt ausführen laſſen. Es iſt deshalb mit vielem Rechtegeſagt worden: „der praktiſche Sinn der Engländer habe die Regierung ſchon längſterkennen laſſen, daß eine ungenügende Aufnahme der Koſten nicht werth iſt, die darangeſetzt werden, und daß die vollkommenſte Karte zugleich auch die wohlfeilere iſt.“ —Der wachſende Zuſtand der Bodencultur, die Bedürfniſſe der Induſtrie und desVerkehrs machen die Nothwendigkeit immer fühlbarer, eine vollſtändige Karte zubeſitzen, in der die Coordinate der Höhe nicht (wie bei dem Kataſter) vernach-läſſigt iſt. Man muß ſich überzeugen, daß die Zeiten längſt vorüber ſind, in denenLänder-Aufnahmen nur zur Regulirung der Grundſteuern, nicht zur Erforſchungder Hülfsquellen des Landes angeordnet wurden. In dem Aufſatze des General Baeyer iſt trefflich entwickelt worden, wiedie Arbeit nicht als eine handwerksmäßige, mechaniſche, ſondern als eine wiſſen-ſchaftlich begründete betrachtet werden muß, wie die Landes-Vermeſſung gut, d. h.nach allgemeinen Anſichten organiſirt, den intellectuellen Vortheil gewährt, jungetheoretiſch vorgebildete Männer für alle darauf bezüglichen Zweige des Staatsdienſtes,des Bau- und Schulweſens, der erhöhten Bodencultur und der Induſtrie praktiſchvollkommen auszubilden. Hier iſt der wichtige Punkt, wo die Arbeit in ihren höhernTheilen mit Recht von Militär-Perſonen allein ausgeführt, einen wohlthätigen Re-flex auf das militäriſche Erziehungs-Weſen und die längſt erwünſchte Ver-beſſerung der Diviſions-Schulen ausüben ſollte. Die Erlernung mathematiſcherWiſſenſchaften in Einklang zu bringen mit ihrer Anwendung, allgemeinere Einübungim Gebrauch vollkommner Winkelmeſſungs-Inſtrumente (über die alterthümlichen,nur zur Conſtruction horizontaler Figuren in Parcellen-Vermeſſungen einzelner Feld-abtheilungen nützlichen Meßtiſche hinaus) war der edle Vorſatz des hingeſchiedenengeiſtreichen Chefs des gemeinſamen Militär-Bildungs-Weſens, des General-Lieutenants von Radowitz. Organismus der Schulen in ihren verſchiedenen Abſtufungen undMöglichkeit dauernder Beſchäftigung einer kleinen Zahl derſelben Offiziere beider Landes-Vermeſſung für 6—8 Jahre ſind die pia desideria der Zeit!Der umfangreiche Geſchäftsbetrieb nach drei Abtheilungen (von denen die erſte dieMeſſung von Grundlinien, die aſtronomiſchen Ortsbeſtimmungen zur genauen Orien-tation der Karte, Meſſung der Haupt-Dreiecke und Haupt-Nivellements-Linien, wieMeſſung der Dreiecke zweiter und dritter Ordnung; die zweite die Detail-Triangu-lation der einzelnen Feldmarken und die Special-Nivellements der Waſſerläufe; die dritte die Parcellen-Vermeſſung durch die gewöhnlichen mit Kette und Bouſſolebewaffneten Geometer umfaßt) und die Veranſchlagung der Koſten, auf 21 oder42 Jahre berechnet, zwei Perioden, in denen der Königliche Generalſtab, der her-kömmlich jetzt 12000 Thlr. jährlich auf Vermeſſungen verwendet, eines Zuſchuſſes |39| von 109000 oder nur 48000 Thlr. jährlich bedürfte, ſind in dem Aufſatze ſo bün-dig und mit ſo viel Klarheit dargeſtellt, daß ich es für unnütz halte, ſie hier zuwiederholen. Ich erlaube mir nur die Bemerkung, daß in den hier bezeichnetenKoſten der zur Veröffentlichung nach dem Beiſpiel ſo vieler Nachbarſtaaten noth-wendige Kupferſtich der Landes-Vermeſſung der öſtlichen Provinzen mit 169000 Thlr.ſchon inbegriffen iſt. Es werden nach dem Maßſtabe von \( \frac{1}{80000} \) an 211 Blätter,von ebenſo vielen Kupferplatten abgezogen, entſtehen. Die auch bei uns ſo rühmlichſt vervollkommnete Lithographie iſt bei einemſo großen, auf den dauernden Nutzen berechneten Unternehmen keineswegs für dasGanze vorzuziehen; denn bei dem täuſchenden Vortheil, daß ſie um mehr als dieHälfte wohlfeiler iſt, gewährt ſie den unausbleiblichen Nachtheil, daß die bei zuneh-mender Cultur entſtehenden Veränderungen der Wege, Straßen und kleinen Waſſer-läufe nicht nachgetragen werden können. Da man zu einer neuen Lithographirungſchreiten müßte, ſo würde man, wie in dem Aufſatze erwieſen und in England längſterkannt worden iſt, nicht bloß nach 60 Jahren mehr Unkoſten haben, als gleichAnfangs der Kupferſtich erforderte, ſondern man würde auch, während dieſer ganzenZeit, eine mangelhafte und ganz unbrauchbare Karte beſitzen. Für einzelne localeBedürfniſſe, Stadt-Pläne, Ueberſichts-Karten, Pläne von einzelnen Gegenden wirddie Lithographie immer durch Schnelligkeit und Wohlfeilheit fortfahren, vortrefflicheDienſte zu leiſten. Der endlich einmal zu faſſende Entſchluß, die Mittel zu gewähren, eineſyſtematiſch vorbereitete „Karte der öſtlichen Provinzen“ darzuſtellen, kann bei derallgemeinen Regſamkeit, die uns umgiebt und wohlthätig von der Regierung ſelbſtveranlaßt wird, keineswegs als eine Befriedigung von einem wiſſenſchaftlichenLuxus betrachtet werden. „Eine ſolche Aufnahme, ſetzt der General Baeyer amSchluß ſeines Aufſatzes hinzu, wird nicht bloß alle künftigen Vermeſſungen entbehr-lich machen und alle derartigen Arbeiten bei weitem übertreffen, ſondern ſie wirdauch dem Preußiſchen Staate, den auf dieſem Gebiete leider! verlorenen höchſtenwiſſenſchaftlichen Standpunkt wieder erobern.“ — Wird die Ausgabe im Augenblickfür unerſchwinglich gehalten, ſo können vielfache Erſparungen noch eintreten, die all-mälich dem Ziele näher führen. Das Wort „Erſchwinglichkeit“ iſt von ſehr relativem Sinne im Staatshaus-halte. — In dem Betriebe, der ſo glänzend zugenommen hat, ſeitdem die Wiſſen-ſchaft, d. h. beſſere Kenntniß der Naturkräfte, in denſelben eingedrungen und zu demich (als bloß praktiſcher Bergmann) viele Jahre gehört, iſt man ſeit drei Jahrhun-derten nie vor großen Unternehmungen zurückgeſchreckt, weil man wußte, durch Ausdauer die Wirkung der Anſtrengung zu vermehren. Arme Grubenbeſitzer haben |40| im ſächſiſchen Erzgebirge einen Stollen vollendet, der mit allen ſeinen Stollenflügelnan Länge den Canal von Calais nach Dower mehrmals übertrifft. Ich wünſche der glorreichen und wohlthätigen Regierung Ew. Majeſtät auchden Ruhm, daß recht bald Anſtalt getroffen werden könne, den ſo tief durchdachtenund in allen ſeinen Theilen organiſch zuſammenhängenden Entwurf des General Baeyer der Ausführung näher zu bringen und die Grundlage einer Allerhöchſten officiellen Billigung zu gewähren. — Der Mann, deſſen Namen in der Wiſ-ſenſchaft hoch ſteht, iſt durch Dienſtleiſtungen ausgezeichnet, die mit der Vervoll-kommnung der ſo wichtigen Militär-Bildungsanſtalten in innigem Zuſammenhangeſtehen. — Was bis jetzt unter der vortrefflichen ſorgſamen Leitung des Chefs desGeneralſtabes der Armee, General-Lieutenant von Reyher, mit geringen ungenü-genden Mitteln, in partiellen Aufnahmen anſtrengend geleiſtet worden iſt, wird mitdem, was das große Unternehmen als ein ſyſtematiſches Ganze bezweckt, harmoniſchzuſammen treten.

In tiefſter Ehrerbietung Ew. Königliche Majeſtät allergetreueſter (gez.) Alexander von Humboldt.