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Alexander von Humboldt: „Briefe Bonpland’s an A. v. Humboldt“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1854-Briefe_Bonplands_an-2-neu> [abgerufen am 19.04.2024].

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Titel Briefe Bonpland’s an A. v. Humboldt
Jahr 1854
Ort München
Nachweis
in: Neue Münchener Zeitung 228 (25. September 1854), Beilage, S. [2495]–2496; 229 (26. September 1854), Beilage, S. [2509].
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur; Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: VII.74
Dateiname: 1854-Briefe_Bonplands_an-2-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 3
Spaltenanzahl: 4
Zeichenanzahl: 23858

Weitere Fassungen
Briefe Bonpland’s an A. v. Humboldt (Hannover, 1854, Deutsch)
Briefe Bonpland’s an A. v. Humboldt (München, 1854, Deutsch)
To the editor of the ,Bonplandia‘ (London, 1854, Englisch)
|2495|

Briefe Bonpland’s an A. v. Humboldt.

Die von Dr. Berthold Seemann gegründete und in Ge- meinſchaft mit seinem Bruder Wilhelm gemeinſchaftlich redigirte Zeit- ſchrift Bonplandia (offizielles Organ der kaiſerl. Leopoldiniſch-Ka roliniſchen Akademie der Naturforſcher) bringt am 15. Sept. nachſte- hende höchſt intereſſante Korreſpondenz:

Briefe Bonpland’s an A. v. Humboldt. Dem Redakteur der Bonplandia.

Ich habe längſt ſchon den Wunſch gehabt, verehrter Mann, Ihnen, wenn auch nur einen ſehr kleinen Beweis der Dankbarkeit zu geben für die Ehre, die Sie meinem Reiſebegleiter und Freunde, Bonpland, durch den Titel Ihrer intereſſanten Zeitſchrift erwiesen haben. Die Bereicherung, welche unserer Wiſſenſchaft durch meine Expedition nach der Tropenzone des neuen Kontinents geworden, iſt das alleinige Ver- dienſt des unermüdeten, immer heitern, nie entmuthigten, ſcharf beob- achtenden Naturforſchers (edeln und darum freien Gemüthes). Ich habe viele Pflanzen geſammelt, wenige beſchrieben, einige abgebildet,|Spaltenumbruch| wie die Kupfertafeln der Plantes équinoxiales angeben. Die Leſer der „Bonplandia‟ erfreuen sich vielleicht der Ueberſetzungen von einigen Briefen, die ich bei meiner geringen Muße in ſehr bewegter Zeit flüchtig und leider nur zu unleſerlich niedergeſchrieben. Die Briefe haben wenig wiſſenſchaftliches Intereſſe, aber ſie bieten ein lebendiges Bild von der individuellen Lage eines verdienſtvollen Mannes dar; von den verſpä- teten Hoffnungeu, die ſeine Einbildungskraft noch in ſo hohem Alter nährt. Vielleicht werden Sie gern auch Einiges aus einer Notiz von Hrn Demerſay benutzen, der Bonplandin jener anmuthigen Einſamkeit geſehen und auch nicht übermäßig lobt. Schreiben Sie mir, wo ſich Ihr vortrefflicher Bruder Berthold gegenwärtig aufhält, und ſenden Sie ihm meine wärmſten Grüße. Mit der ausgezeichnetſten Hochachtung Ihr gehorſamster

A. v. Humboldt.

P.S. Vielleicht wäre es nützlich, daß Sie dieſe wenigen an Sie gericht- teten Zeilen als Einleitung mitdrucken ließen. Das Ganze ſoll an mehrere andere Zeitungen vertheilt werden. H — t.
Auszüge aus Briefen von Aimé Bonpland, korreſpondirendem Mitgliede der Akademie der Wiſſenſchaften zu Paris, an Alexander von Humboldt. I.
Mein theurer Humboldt! Durch zufällige Hinderniſſe war mir keiner Deiner Briefe zugekommen, ſeit dem vom 12. März 1850. Ich suchte Deinen Namen immer vergeblich in der Zeitung von Rio Ja- neiro, die wir regelmäßig alle Monate in San Borja erhalten; indeß las ich immer, wieder und wieder, Deine ſo freundſchaftlichen, an mich gelangten Zeilen. Hier in Montevideo, nach einer langen Fahrt auf dem großen Strome, angekommen, fand ich Deinen Brief aus Berlin vom 1. September 1853. Ich habe leider den, der ihn brachte 1) , nicht geſehen, da er in Buenos Ayres blieb. Wie ſoll ich Dir die Freude ſchildern, die mir nach ſo langer Entbehrung Dein ſo lieber, herzlicher Brief gewährt hat! Unſer hohes Alter mahnt uns gewiß beide oft an das, was uns nahe bevorſteht. Es ist recht ſchmerzlich, wenn man ſo viele Jahre zuſammen gelebt und zuſammen gearbeitet hat, ſich nicht noch einmal ſehen zu können. Wie lebhaft würden wir uns der erſten Eindrücke bei der Ankunft in der Tropenwelt, der Um- gegend von Cumana, der Guayqueri-Indianer, der Nacht auf dem Co- collar, der Märſche in der Waldmiſſion von Caripe, unſere mit vielen Freuden gemiſchten Leiden an den Ufern des Orinoco und Rio Negro und Caſſiquiare erinnern! Mir iſt das Alles noch ſo friſch im Ge- dächtniß, daß ich aus dieſem die ganze Reiſe einfach, aber genau nie- derſchreiben würde. Ich habe am 29. Auguſt 1852 meinen 81. Ge- burtstag gefeiert. Ich war 27 Jahr alt, als wir in Marſeille auf die ſchwediſche Fregatte (der Taramas) ſo viele Wochen harrten, ein Schiff, das uns nach Algier führen ſollte, um über Tunis der ägyptiſchen Ex- pedition nachzureiſen. Ich beſchäftige mich, ſeitdem ich Paraguay habe verlaſſen müſſen, noch immer mit praktiſcher Medizin, mit Pflanzen- Kultur und vor Allem mit Botanik. Du erwähnſt in Deinem Briefe der Freude, welche Dir ein Bürger der Vereinigten Staaten von Nord- Amerika gemacht hat durch Ueberſendung eines Lichtbildes von meiner kräftigen, aber uralten Geſtalt. 2) Vielleicht hat zu dieſem recht zarten Benehmen von einem Dir Unbekannten eine Sendung von Samen des Mays del agua der Correntinos die Veranlaſſung gegeben, die ich vor drei Jahren als Geſchenk nach Nordamerika machte. Mit vielem Danke vernehme ich von Dir, daß einige Perſonen von Berlin ſich noch freundlich meines heitern dortigen Aufenthalts (1806?) erinnern. Der Tod von Adrien Juſſieu, von Kunth, Richard, St. Hilaire hat in meiner Einſamkeit mich tief geſchmerzt. Die Zeitungen von Montevideo zeigen ſo eben den Tod Deines edeln und berühmten Freun- des Arago an. Die zwei Bände der Ansichten der Natur, in der neuen, franzöſiſchen Ueberſetzung, habe ich ſo eben erhalten. Ich werde Deine Schilderungen während der baldigen Schifffahrt aufwärts den mächtigen Uruguay leſen, deſſen Ufer reicher geſchmückt ſind, als ich je an anderen Flüſſen geſehen. Von dem Kosmos habe ich nur den erſten Band geſehen: ich verdanke die Mittheilung der Güte des Braſilianiſchen hieſigen Geſchäftsträgers, des Dr. Portes. Was Du mir geſchickt, hat mich (in meiner Wildniß) nicht erreicht. Wiſſenſchaftliche Bücher ſind hier in Buenos Ayres und in ganz Südamerika von der größten Seltenheit. Ich hatte ſchon vor der Ankunft Deines letzten Briefes erfahren, daß Du unſere gemein-
1) Dr. Fonk, nach Chili gehend? H — t. 2) Das angenehme Geſchenk war von Hrn. John Torrey, Professor of Bo-tany at the College of Physicians at New York. Es kam in Berlin anim Sommer 1853. H — t.
|2496| schaftlich abgefaßten botanischen Reiſemanuſcripte 3) in dem Museum des Jardin des Plantes zu Paris deponirt haſt. Ich glaube, es werden 5—6 Bände in Folio und in Quart ſein. Sie haben das große Intereſſe, daß die freilich meiſt fragmentariſchen Beſchreibungen jedesmal an Ort und Stelle, im An- geſicht der friſchgeſammelten Exemplare entworfen ſind und mit Zufügung aller Notizen, welche ſich auf die Geographie der Pflanzen beziehen. Alles, was Du mir jetzt über dieſe deponirten Manuſcripte, die Du als mein Eigenthum willst betrachtet ſehen, geſchrieben haſt, ſoll pünktlich be- folgt werden. Die Manuſcripte einer langen botaniſchen Expedition tief durch das Innere eines großen Continents und ganz innerhalb der Wendekreiſe müſſen neben den Herbarien, die man in Paris von uns beſitzt, und deren Doubletten Du Deinem Lehrer Willdenow geſchenkt, in einem großen öffentlichen Inſtitute verbleiben. 4) Was mein Projekt, nach Frankreich zurück- zukehren, betrifft, mein theurer Humboldt, ſo muß ich Dir vertrauen, daß ich lange ſchon vergebens geſucht habe, meine beiden Besitzungen anß den Ufern des Uruguay zu verkaufen, wenigſtens eine von beiden. Jetzt werde ich mich beſonders mit der Kultur und mit neuen Anlagen in meiner Estancia de St. Anna beschäftigen. Wenn die Ruhe ſich erhält, ſo kann dieſe Eſtancia bei wieder aufblühendem Handel auf dem Fluſſe mir einen anſehnlichen Gewinn verschaffen. Es iſt mein feſter Vorſatz, daß alle meine hieſigen Sammlungen nach Frankreich übergehen und dort im Jar- din des Plantesdeponirt werden ſollen. Da ich die Genera Plan- tarum von Endlicher und den Prodromus von De Candolle beſitze, ſo glaube ich zunächſt eine neue Claſſifikation meines Herbariums vorher un- ternehmen zu können. Wenn ich mich nach Vollendung des 82. Jahres noch ſtark genug fühle, eine Reiſe nach Frankreich zu unternehmen, ſo bringe ich meine trockenen Pflanzen, meine Gebirgsarten und Verſteinerungen ſelbſt in den Jardin des Plantes, bleibe einige Monate in Paris und kehre in meine Einöde nach Südamerika zurück, um dort in häuslicher Ruhe die Arbeiten fortzuſetzen, die mich ſo viele Jahre beſchäftigen. St. Borja er- innert mich durch Schönheit des Klimas und Anmuth der Vegetation an das Städtchen Llague am öſtlichen Abhange der Cordillen von Quindiu. San Borja kann einmal ſehr wichtig werden, und hätte Roſas, den ich wie alle unternehmenden Parteiführer dieſes Landes sehr genau gekannt, nicht ſeine mörderiſchen und verheerenden Waffen in die Provincia de Cor- rientes übergeführt, ſo würde ich durch meine Agrikultur-Thätigkeit ſehr wohlhabend geworden ſein. Ich hätte mich dann längſt nach Paris überge- ſiedelt und das Glück genoſſen, Dich in Berlin wiederzuſehen; Dich, von dem ich mich nie getrennt hätte, wenn große äußere Ereigniſſe mich nicht bewogen hätten, Europa zu verlaſſen. Sollte ich mich nicht kräftig genug fühlen, meine wiſſenſchaftlichen Sammlungen ſelbſt nach Frankreich zu be- gleiten, ſo werde ich ſie auf eine Weiſe ſchicken, in der Sicherheit verbürgt iſt. So ſehr auch ſchon dieſer Brief angeſchwollen ist, ſo muß ich doch noch klagend der Sendung erwähnen, die ich habe 1836 nach Paris unter der Adreſſe „de Messieurs les Professeurs du Museum d’Hi- stoire naturelle au Jardin des Plantes‟ abgehen laſſen. Dieſe Sammlung enthielt zwei Kopien eines Catalogue des mine- raux relatifs à la Géologie des rives de l’Uruguay, du Parana, du Rio de la Plata et des anciennes Missions des Jesuites. Sie bestand aus 154 Stücken Gebirgsarten mit friſchem Bruch, ſorgfältig abgeſchlagen, ſo wie ich, mit Dir reiſend, daran gewöhnt war; dazu eine Fülle von Verſteinerungen, wie auch lebende terraſtriſche, fluviatile und oceaniſche Muſcheln. Von allem waren Doubletten beigelegt und meine Bitte an die Profeſſoren des Jardin des Plantes ging dahin, Dir eine der Kopien des Katalogus mit einer vollſtändigen geologiſchen Doubletten-Sammlung nach Berlin für das Univerſitäts-Kabinet in meinem Namen zu ſenden. Ich ſchrieb auch an Dich, theurer Freund, um Dir das beabſichtigte Geschenk zu melden; da aber weder die Profeſſoren des Jardin des Plantes, noch Du ſelbst mir nie über dieſe nicht unwichtige Sendung je ein Wort geſchrieben haben, ſo halte ich es für nützlich, hier der Sen- dung zu erwähnen 5). Ich bin überzeugt, daß viel Braſilianisches schon früher und beſſer von dem längſt verſtorbenen Sellow, dessen Sammlun- gen in Berlin ſind, geſehen worden iſt, doch durfte ich hoffen, manches Neue nach Europa ſenden zu können, beſonders von Petrefacten. Mein bo- tanisches Reiſejournal enthält nur 2574 Species, aber in meinem hieſigen Herbarium ſind über 4000 Species enthalten, die nach dem Syſteme von Juſſieu in Familien geordnet sind 6). Die Gegenden von Südamerika,|Spaltenumbruch| in denen ich habe ſammeln können (Br. 26°—34°), sind allerdings minder reich an Phanerogamen, als die eigentliche Tropenzone, in der wir herbari- ſirt haben, und iſt der Raum, den ich hier zwiſchen den großen Strömen (Uruguay, Parana und Paraguay) durchforſcht, um ſo vieles kleiner, als der, welchen Deine amerikaniſche Expedition umfaßt hat! Ich habe aber hier einen Ersatz gefunden anderer Art. Wie man ein Land bewohnt, ſo kann man jede Pflanzenart in den verſchiedenen Graden ihrer Entwickelung un- terſuchen. Man kann die vollkommenen Exemplare unter vielen Hunderten auswäh- len und eine große Zahl von Doubletten einlegen, die ich Dir für das gewiß ſchon ſehr reiche Berliner Herbarium einſt zu ſchicken hoffen darf. Mein kleiner Länderbesitz bei S. Borja am Uruguay hat an Oberfläche drei Cuadras, d. h. 30,000 Quadrat-Varas 7); es würde mir leicht ſein, den Besitz zu vergrößern, aber auch in ſeinem jetzigen Kulturzuſtande gewährt er mir, neben der mediziniſchen Praxis, ein ſehr anständiges Einkommen. Ich habe in S. Borja meine Eſtancia mit der größten Mannigfaltig- keit von nützlichen Kulturpflanzen, neuerdings auch mit Kartoffeln (So- lanum tuberosum), bedeckt, 1600 Orangenbäume gepflanzt, von denen bereits 300 mir herrliche Früchte in dieſem Jahre geben werden. In S. Anna habe ich 2000 Schafe, von denen viele reine Merinos der edelſten Race ſind. Alle Fortſchritte hängen in dieſem, von der Natur ſo geſegneten Lande von der politiſchen Ruhe ab, die ſich nach und nach einzuſtellen ſcheint. Dreizehn Jahre Bürgerkrieg haben in S. Borja viel Armuth in den Familien verbreitet. Gutmüthig, wie Du mich kennſt, habe ich viele zu unterſtützen geſucht. Es wird schwer ſein, je wieder in den Besitz der vorgeſtreckten Kapitalien zu gelangen. Mit demſelben Schiffe, das Dir dieſes Zeichen des Lebens und der herzlichſten, unverbrüchlichſten Anhänglichkeit bringt, ſchreibe ich nach Paris an den preußiſchen Geſandten, Grafen Hatzfeldt, der mir,ß von einem ſehr ehrenvollen Schreiben begleitet, das Kreuz des Rothen Adler-Ordens dritter Klaſſe im Namen Deines Königs geſchickt hat. Du wirſt von ſelbſt errathen, aus welchen Gründen (bei aller Lebens- Philosophie, die ſich in der Einſamkeit ausbildet) eine ſolche unver- diente Auszeichnung, aus Deiner Vaterstadt kommend, mir be- ſonders theuer ſein muß.

Aimé Bonpland.

(Schluß folgt.)

3) Ich habe dieſe botaniſchen Reiſemanuſcripte von Bonpland und meinerHand gleich nach dem Tode unſeres Freundes und Mitarbeiters, des Prof.Kunth, zu ſorgfältiger Aufbewahrung an das Muſeum des Jardin desPlantes zu Paris geſchickt. Sie beſtanden aus ſechs gebundenen Bänden,4528 Species und einige Zeichnungen von mir enthaltend. Von dieſen ſechsBänden ſind drei in 4°, enthaltend: a. Beſchreibungen 1—690, b. 691—1215, c. 1216—1591; und drei in Folio: a. 1592—2257, b. 2258—3698, c. 3699—4528. Diese sechs Bände sind als Bonpland’s Eigenthum zu betrachten, der ſie gewiß dem Muſeum ſchenken wird, damit ſiebei dem von mir geſchenkten Herbarium verbleiben. H—t. 4) Durch den Ankauf der ganzen Herbarien von Willdenow und Kunthſind jetzt die von Bonpland und Humboldt von Juni 1799 bisSommer 1804 geſammelten Pflanzen in das große königliche Herbarium desbotaniſchen Gartens zu Schöneberg unter die Oberaufſicht des Dr. Klotzſchgekommen. H—t. 5) Sollte die Sammlung verloren gegangen ſein? Ich habe nie den Brief er-halten, in dem mir Herr Bonpland die Abſendung gemeldet hat, undwie ſollten bei meinem öfteren Aufenthalte in Paris von 1827 bis 1847,nachdem ich einen bleibenden Wohnſitz in Deutſchland genommen, die mir be-freundeten Gelehrten im Jardin des Plantes mir nie von den für Berlinbeſtimmten Doubletten der geognoſtiſchen Sammlung Bonpland’s geſpro-chen haben ! H—t. 6) Von Bonpland ſeit ſeiner Ueberſiedelung nach Buenos Ayres geſammeltePflanzen, von denen unſerer gemeinſchaftlichen Expedition zu unterſcheiden.Die letzteren habe ich folgendermaſſen vertheilt, da die Zahl der Doublettendie Bildung von drei Herbarien möglich machte: eines, das vollſtändigſte,|Spaltenumbruch|für Herrn Bonpland, das er mit nach Buenos Ayres nahm; ein zwei-tes, das ich dem Jardin des Plantes ſchenkte, worauf Bonpland’s Jahr-gehalt von 3000 Francs gegründet iſt; ein drittes für meinen botaniſchenLehrer und Jugendfreund Willdenow. Ich ſelbſt habe nichts von mei-nen botaniſchen, geologiſchen und zoologiſchen Sammlungen für mich be-halten. H—t. 7) Sechs Pariſer Fuß ſind gleich 2\( \frac{33}{100} \) Varas Caſtillanas.
|2509| Briefe Bonpland’s an A. v. Humboldt. (Schluß.)II.
Mein theurer Freund! Nach einem zweimonatlichen Aufenthalte in der Hauptſtadt der Cisplatina bin ich endlich zu meiner großen Freude meiner Abreiſe ſehr nahe; aber ehe ich an die ſtillen Ufer des Uruguay zurückkehre, will ich mir den Genuß verſchaffen, mich noch einmal mit Dir zu unterhalten. Die ſehr gelungene franzöſische Ueber- ſetzung Deiner „Anſichten der Natur‟ hat mich täglich be- ſchäftigt und zu viele Eindrücke erneuert, die uns Beiden freudig und ſchmerzlich wurden und die mir Deine Schilderungen ſo lebendig vor die Seele rufen. Auch der Ausdruck Deines tiefen Schmerzes bei der Nachricht von Aragos Tode hat mich ſehr gerührt. Unſere Zeitungen haben Deine Worte, wenn auch ſehr unvollkommen, wiederholt. Cha- teaubriand, der (im Hauſe der geiſtreichen Ducheſſe de Duras) Dir und dem Hingeſchiedenen gleich zugethan war, würde meine Rührung getheilt haben. Sobald ich in meiner Eſtancia de S. Anna ange- kommen bin, will ich mich recht ernſthaft mit der zu vollendenden An- ordnung meiner Herbarien und anderer naturhiſtoriſchen Samm- lungen beſchäftigen. Mein ganzes Beſtreben geht jetzt dahin, daß dieſe Arbeit bis Juli oder Auguſt vollendet ſei. Sie wird leider etwas geſtört werden durch die Nothwendigkeit, in der ich mich befinde, den Aufträgen des Kriegsminiſters zu genügen, der mir eine große Liſte von Kulturpflanzen des Paraguay und Uruguay ſchickt, von denen ich Sämereien oder Stecklinge nach Algier ſenden ſoll. Dieſe Be- reicherung einer franzöſiſchen Kolonie auf afrikaniſchem Boden mit ſüd- amerikaniſchen Gewächſen flößt mir ein lebhaftes Intereſſe ein. Es iſt, als hätte ich die Forderung, die man erſt jetzt an mich richtet, längſt vorhergeſehen. Als ich vor vielen Jahren an Mr. de Mirbel die erſte botaniſche Beſchreibung des Mayz del agua und alle Fructi- ficationstheile in Alcohol ſchickte, übermachte ich ihm zugleich eine ganze Sammlung von Sämereien, von denen ich hoffen durfte, daß ſie im Gebiet von Algier gedeihen würden. Ich richtete die Sendung von Corrientes aus an Mr. Aimé Roger, der damals das franzöſiſche Kon- ſulat in Montevideo verwaltete. Entweder iſt die Sammlung nie nach Paris gelangt, oder der traurige Krankheitszuſtand von Mr. de Mirbel iſt die Urſache geweſen, daß ich nie eine Sylbe Antwort über dieſen Gegenſtand erhalten habe! Jetzt fordert man ohngefähr dieſelben Sä- mereien, die ich damals unaufgefordert ſchickte. Es wird mir eine an- genehme Pflicht sein, den Befehl des Herrn Kriegsminiſters zu voll- ziehen und meinem Vaterlande einigermaßen nützlich zu werden. — Ich komme noch einmal auf den „Mayz del agua‟ zurück, weil ich weiß, daß dieſe ſchöne Pflanze in Europa ſo viel Intereſſe erregt hat. Ich will Dir ſagen, was ich von derſelben und von den Gattungen Euryale und Victoria halte. Das was Du in Deiner letzten Schrift, bei Gelegenheit der Phyſiognomik der Gewächſe nach Verſchiedenheit der Familien, entwickelſt, hat mich auf Endlichers Genera Plantarum zurückgeführt. Die Charaktere, die Endlicher in ſeinem ſchönen Werke angibt, ſcheinen allerdings auf Verſchiedenheit der Genera hinzudeuten, aber ich finde, daß die Frucht von Euryale und Victoria nicht richtig beſchrieben iſt. Ich glaube, daß dieſe beiden und mein Mayz del agua zu ein und demſelben Genus gehören. Die Frucht des Mayz del agua iſt eine „bacca exsucca, orbicularis, valde depressa, multilocularis, pulvedive dehiscens‟. Chaque loque contient 6—8 graines, cha- que graine est enveloppée par une membrane lâche et plissée, sus- pendue par un fil (funiculus), d’une longueur remarquable. Tout me porte a croire que ces trois plantes appartiennent au même genre. Mein Mayz del agua hat aber nicht ſo große Blüthen und Blätter, als Victoria und Euryale. In wenigen Wochen werde ſchöne Exemplare des Mayz del agua nach Europa ſenden. Mit Ver- wunderung ſehe ich auch, daß ſo viele Botaniker noch immer unſicher ſind über die Blätter des Genus Colletia. Nach meinen Beobachtun- gen haben alle Colletien Blätter, ſie zeigen ſich aber erſt gegen die Zeit der Blüthe. Bald nach der Befruchtung fallen die Blätter ab 1). Mein Herbarium beweist dies durch Vergleichung der Exemplare. Was mich lebhaft ſeit Jahren beſchäftigt, iſt die Vergleichung mehrerer gleichartiger Species, die aus der Aequinoctial-Flora in die gemäßigte|Spaltenumbruch| ſüdliche Zone übergehen. Diese Vergleichung hat ein großes Intereſſe für die Geographie der Pflanzen. Meine ſüßeſte Hoffnung iſt (ich wie- derhole es Dir, theurer Humboldt), meine Sammlungen und Beſchrei- bungen ſelbſt nach Paris zu bringen, mich mit der neuen Literatur, dem jetzigen Zuſtand der Wiſſenſchaft, bekannt zu machen, Bücher zu machen, Bücher zu kaufen und dann hierher zurückzukehren, um an den anmuthigen Ufern des Uruguay, von einer großartigen Natur und ihrem Zauber umgeben, mein ſtilles Ende zu erwarten. Mit unver- brüchlicher Freundſchaft und frohem Andenken an das, was wir zu- ſammen erlebt an Genuß und unter harten Entbehrungen. Dein

Aimé Bonpland.

III. Montevideo, 3. Februar 1854. Es iſt mir eine doppelte Freude geworden; ich habe Deinen theuren Brief vom 4. Oktober (aus Sansſouci datirt) empfangen und gleich- zeitig die froheſten Nachrichten von Deinem Wohlbefinden und nächt- licher Arbeitſamkeit. Das angenehme Zuſammentreffen mit Herrn von Gülich verdanke ich dem bloßen Zufall. Faſt drei Wochen bin ich gegen meinen Willen hier aufgehalten, aus Mangel von Dampf- und Segelſchiffen auf dem Fluſſe. Am 30., ſehr frühen Morgens, begab ich ich mich, vom Admiral de Suin eingeladen, an Bord der Fregatte Andromeda, deren Befehlshaber, Mr. de de Fournier, ein eifriger Sammler von Petrefacten iſt. Ich ſollte ihn an einen Ort führen, wo ſich verſteinerte Conchylien fänden. Als wir von dieſer gelungenen Exkurſion zurückkamen und noch bei Tiſche ſaßen, meldete ſich bei dem Admiral de Suin der Kapitän eines Handelsſchiffes von Havre, der eben in Montevideo und Chili gehe und Briefe aus Deutſchland für Mr. Bonpland habe. Ich bat dringend den Admiral, mich ans Land ſetzen zu laſſen, und ſuchte nun vergeblich, in allen Wirthshäuſern bis in die tiefe Nacht nachfragend, den preußiſchen Bevollmächtigten. Ich ſchlief in einem Landhauſe nahe bei der Stadt und erſt am folgenden Morgen war ich ſo glücklich, Herrn von Gülich aufzufinden, einen überaus gebildeten, liebenswürdigen Mann, der Dich, mein theurer Humboldt, von Angeſicht geſehen hatte. Er ſchien tief gerührt von dem ſo natürlichen, lebhaften Ausbruch meiner Freude. Welche Zeit und welcher Raum liegen zwiſchen uns, dem Aufenthalt bei den Moraſten am Cassiquiare und oberen Orinoco, unserem Leben in Paris und ind er Malmaiſon, meiner neunjährigen Gefangenſchaft im Paraguay, Deiner Expedition an die chineſiſche Grenze durch Sibi- rien, unſrem Leben in den Wildniſſen des Uruguay, und der kühnen Hoffnung, Dich noch einmal zu ſehen in vereintem Alter von 165 Jah- ren! Solche Maſſe von Erinnerungen erweckt in mir der Anblick eines Mannes, der Dich vor wenigen Monaten geſehen. Meine liebſte Be- ſchäftigung iſt pflanzen und ſäen. Ich ſäe in S. Borja unter vielen Kulturpflanzen chineſiſchen Thee. Der Same iſt mir reichlich geſchickt worden von einem vortrefflichen Braſilianer, Don Candido Baptiſta, den ich in Porto Allegro hatte kennen gelernt und der jetzt zugleich, Senator und Direktor des botaniſchen Garten von Berlin, wie Gebirgsarten für Euer Mineralien-Kabinet ſenden. Du ſchreibſt mir von einem intereſſanten botaniſchen Journale, das meinen Namen führt (Bonplandia). Warum ſollte ich nicht frei geſtehen, daß die Nach- richt in mir zugleich Freude und Erſtaunen erregte. Wie gedenkt man noch meines Namens, wie eines Greiſes, der in tiefer Einſamkeit lebt. „Comment puis-je correspondre à cet insigne honneur! Sans doute en envoyant des memoires pour le même Journal, les adressant aux éditeurs, qui montrent tant de bienveillance pour ton ami. Mais helas! depourvu que je suis de livres et ne pouvant verifier si les especes que j’appele nouvelles dans mes mannscrits rédigés ici, le sont effectivement, je ne hazarde point d’offrir de mes travaux.‟ Zu der Annehmlichkeit meines Lebens im Uruguay wird die Ernennung des Herrn Pujol als Gouverneur von Corrientes beitragen. Es iſt ein mir befreundeter, ſehr unterrichteter, den Fremden zugethaner Ad- miniſtrator. Ich hoffe, im Auguſt oder September wieder hier zu ſein, weil um dieſe Zeit die Luft auf meiner Eſtancia mit einem ſchwer zu ertragenden Geruch von Orangenblüthen geſchwängert iſt. (A cette époque l’air devient insupportable à cause de la sorte d odeur que’ repandent les fleurs d’orangers. Ich ſchließe, weil Herr von Gü- lich, der dieſe unzuſammenhängenden Zeilen nach Berlin zu befördern verſpricht, ſeine Abreiſe auf morgen feſtgeſetzt hat.

Aimé Bonpland.


1) Auf der Reiſe mit Bonpland wurde Colletia horrida fast ganz ohneBlättchen auf der kalten und wilden Hochebene (Paroma) von Guamani inPeru geſammelt. Ich fand barometriſch die Station 10320 Fuß hoch überdem Spiegel der Südſee. H—t.