Briefe Bonpland's an A. v. Humboldt. Dem Redacteur der Bonplandia. Berlin, 22. August 1854. Ich habe längst schon den Wunsch gehabt, verehrter Mann, Ihnen, wenn auch nur einen sehr kleinen Beweis der Dankbarkeit zu geben für die Ehre, die Sie meinem Reisebegleiter und Freunde, Bonpland, durch den Titel Ihrer interessanten Zeitschrift erwiesen haben. Die Bereicherung, welche unserer Wissenschaft durch meine Expedition nach der Tropenzone des neuen Continents geworden, ist das alleinige Verdienst des unermüdeten, immer heitern, nie entmuthigten, scharf beobachtenden Naturforschers (edeln und darum freien Gemüthes). Ich habe viele Pflanzen gesammelt, wenige beschrieben, einige abgebildet, wie die Kupfertafeln der Plantes equinoxiales angeben. Die Leser der "Bonplandia" erfreuen sich vielleicht der Übersetzungen von einigen Briefen, die ich bei meiner geringen Musse in sehr bewegter Zeit flüchtig und leider nur zu unleserlich niedergeschrieben. Die Briefe haben wenig wissenschaftliches Interesse, aber sie bieten ein lebendiges Bild von der individuellen Lage eines verdienstvollen Mannes dar; von den verspäteten Hoffnungen, die seine Einbildungskraft noch in so hohem Alter nährt. Vielleicht werden Sie gern auch Einiges aus einer Notiz von Herrn Demersay benutzen, der Bonpland in jener anmuthigen Einsamkeit gesehen und auch nicht übermässig lobt. Schreiben Sie mir, wo sich Ihr vortrefflicher Bruder Berthold gegenwärtig aufhält, und senden Sie ihm meine wärmsten Grüsse. Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung Ihr gehorsamster A. v. Humboldt. Auszüge aus Briefen von Aime Bonpland, correspondirendem Mitgliede der Akademie der Wissenschaften zu Paris, an Alexander von Humboldt. I. Montevideo, den 25. December 1853. Mein theurer Humboldt! Durch zufällige Hindernisse war mir keiner Deiner Briefe zugekommen seit dem vom 12. März 1850. Ich suchte Deinen Namen immer vergeblich in der Zeitung von Rio Janeiro, die wir regelmässig alle Monate in San Borja erhalten; indass las ich immer, wieder und wieder, Deine so freundschaftlichen, an mich gelangten Zeilen. Hier in Montevideo, nach einer langen Fahrt auf dem grossen Strome, angekommen, fand ich Deinen Brief aus Berlin vom 1. September 1853. Ich habe leider den, der ihn brachte , nicht gesehen, da er in Buenos Ayres blieb. Wie soll ich Dir die Freude schildern, die mir nach so langer Entbehrung Dein so lieber, herzlicher Brief gewährt hat! Unser hohes Alter mahnt uns gewiss beide oft an das, was uns nahe bevorstehet. Es ist recht schmerzlich, wenn man so viele Jahre zusammen gelebt und zusammen gearbeitet hat, sich nicht noch einmal sehen zu können. Wie lebhaft würden wir uns der ersten Eindrücke bei der Ankunft in der Tropenwelt, der Umgegend von Cumana, der Guayqueri-Indianer, der Nacht auf dem Cocollar, der Märsche in der Waldmission von Caripe, unserer mit vielen Freuden gemischten Leiden an den Ufern des Orinoco und Rio Negro und Cassiquiare erinnern! Mir ist das Alles noch so frisch im Gedächtniss, dass ich aus diesem die ganze Reise einfach, aber genau niederschreiben würde. Ich habe am 29. August 1852 meinen 81. Geburtstag gefeiert. Ich war 27 Jahr alt, als wir in Marseille auf die schwedische Fregatte (der Taramas) so viele Wochen harrten, ein Schiff, das uns nach Algier führen sollte, um über Tunis der egyptischen Expedition nachzureisen. Ich beschäftige mich, seitdem ich Paraguay habe verlassen müssen, noch immer mit praktischer Medizin, mit Pflanzen-Cultur und vor allem mit Botanik. Du erwähnst in Deinem Briefe der Freude, welche Dir ein Bürger der Vereinigten Staaten von Nordamerika gemacht hat durch Übersendung eines Lichtbildes von meiner kräftigen, aber uralten Gestalt. Vielleicht hat zu diesem recht zarten Benehmen von einem Dir Unbekannten eine Sendung von Samen des Mays del agua der Corentinos die Veranlassung gegeben, die ich vor drei Jahren als Geschenk nach Nordamerika machte. Mit vielem Danke vernehme ich von Dir, dass einige Personen von Berlin sich noch freundlich meines heitern dortigen Aufenthalts (1806?) erinnern. Der Tod von Adrien Jussieu, von Kunth, Richard, St. Hilaire hat in meiner Einsamkeit mich tief geschmerzt. Die Zeitungen von Montevideo zeigen so eben den Tod Deines edeln und berühmten Freundes Arago an. Die zwei Bände der Ansichten der Natur, in der neuen französischen Übersetzung, habe ich so eben erhalten. Ich werde Deine Schilderungen während der baldigen Schifffahrt aufwärts den mächtigen Uruguay lesen, dessen Ufer reicher geschmückt sind, als ich je an anderen Flüssen gesehen. Von dem Kosmos habe ich nur den ersten Band gesehen: ich verdanke die Mittheilung der Güte des Brasilianischen hiesigen Geschäftsträgers, des Dr. Portes. Was Du mir geschickt, hat mich (in meiner Wildniss) nicht erreicht. Wissenschaftliche Bücher sind hier in Buenos Ayres und in ganz Südamerika von der grössten Seltenheit. Ich hatte schon vor der Ankunft Deines letzten Briefes erfahren, dass Du unsere gemeinschaftlich abgefassten botanischen Reisemanuscripte in dem Museum des Jardin des Plantes zu Paris deponirt hast. Ich glaube, es werden 5--6 Bände in Folio und in Quart sein. Sie haben das grosse Interesse, dass die freilich meist fragmentarischen Beschreibungen jedesmal an Ort und Stelle, im Angesicht der frischgesammelten Exemplare entworfen sind und mit Zufügung aller Notizen, welche sich auf die Geographie der Pflanzen beziehen. Alles, was Du mir jetzt über diese deponirten Manuscripte, die Du als mein Eigenthum willst betrachtet sehen, geschrieben hast, soll pünktlich befolgt werden. Die Manuscripte einer langen botanischen Expedition tief durch das Innere eines grossen Continents und ganz innerhalb der Wendekreise müssen neben den Herbarien, die man in Paris von uns besitzt und deren Doubletten Du Deinem Lehrer Willdenow geschenkt, in einem grossen öffentlichen Institute verbleiben. Was mein Project, nach Frankreich zurückzukehren, betrifft, mein theurer Humboldt, so muss ich Dir vertrauen, dass ich lange schon vergebens gesucht habe, meine beiden Besitzungen an den Ufern des Uruguay zu verkaufen, wenigstens eine von beiden. Jetzt werde ich mich besonders mit der Cultur und mit neuen Anlagen in meiner Estancia de St. Anna beschäftigen. Wenn die Ruhe sich erhält, so kann diese Estancia bei wieder aufblühendem Handel auf dem Flusse mir einen ansehnlichen Gewinn verschaffen. Es ist mein fester Vorsatz, dass alle meine hiesigen Sammlungen nach Frankreich übergehen und dort im Jardin des Plantes deponirt werden sollen. Da ich die Genera Plantarum von Endlicher und den Prodromus von De Candolle besitze, so glaube ich zunächst eine neue Classification meines Herbariums vorher unternehmen zu können. Wenn ich mich nach Vollendung des 82. Jahrs noch stark genug fühle, eine Reise nach Frankreich zu unternehmen, so bringe ich meine trockenen Pflanzen, meine Gebirgsarten und Versteinerungen selbst in den Jardin des Plantes, bleibe einige Monate in Paris und kehre in meine Einöde nach Südamerika zurück, um dort in häuslicher Ruhe die Arbeiten fortzusetzen, die mich so viele Jahre beschäftigen. St. Borja erinnert mich durch Schönheit des Klimas und Anmuth der Vegetation an das Städtchen Llague am östlichen Abhange der Cordillen von Quindiu. San Borja kann einmal sehr wichtig werden, und hätte Rosas, den ich wie alle unternehmenden Parteiführer dieses Landes sehr genau gekannt, nicht seine mörderischen und verheerenden Waffen in die Provincia de Corrientes übergeführt, so würde ich durch meine Agricultur-Thätigkeit sehr wohlhabend geworden sein. Ich hätte mich dann längst nach Paris übergesiedelt und das Glück genossen, Dich in Berlin wiederzusehen; Dich, von dem ich mich nie getrennt hätte, wenn grosse äussere Ereignisse mich nicht bewogen hätten, Europa zu verlassen. Sollte ich mich nicht kräftig genug fühlen, meine wissenschaftlichen Sammlungen selbst nach Frankreich zu begleiten, so werde ich sie auf eine Weise schicken, in der Sicherheit verbürgt ist. So sehr auch schon dieser Brief angeschwollen ist, so muss ich doch noch klagend der Sendung erwähnen, die ich habe 1836 nach Paris unter der Adresse "de Messieurs les Professeurs du Museum d'Histoire naturelle au Jardin des Plantes" abgehen lassen. Diese Sammlung enthielt zwei Copien eines Catalogue des mineraux relatifs a la Geologie des rives de l'Uruguay, du Parana, du Rio de la Plata et des anciennes Missions des Jesuites. Sie bestand aus 154 Stücken Gebirgsarten mit frischem Bruch, sorgfältig abgeschlagen, so wie ich, mit Dir reisend, daran gewöhnt war; dazu eine Fülle von Versteinerungen, wie auch lebende terrastrische, fluviatile und oceanische Muscheln. Von allem waren Doubletten beigelegt und meine Bitte an die Professoren des Jardin des Plantes ging dahin, Dir eine der Copien des Catalogus mit einer vollständigen geologischen Doubletten-Sammlung nach Berlin für das Universitäts-Cabinet in meinem Namen zu senden. Ich schrieb auch an Dich, theurer Freund, um Dir das beabsichtigte Geschenk zu melden, da aber weder die Professoren des Jardin des Plantes, noch Du selbst mir nie über diese nicht unwichtige Sendung je ein Wort geschrieben haben, so halte ich es für nützlich, hier der Sendung zu erwähnen . Ich bin überzeugt, dass viel Brasilianisches schon früher und besser von dem längst verstorbenen Sellow, dessen Sammlungen in Berlin sind, gesehen worden ist, doch durfte ich hoffen, manches Neue nach Europa senden zu können, besonders von Petrefacten. Mein botanisches Reisejournal enthält nur 2574 Species, aber in meinem hiesigen Herbarium sind über 4000 Species enthalten, die nach dem Systeme von Jussieu in Familien geordnet sind . Die Gegenden von Südamerika, in denen ich habe sammeln können (Br. 26°--34°), sind allerdings minder reich an Phanerogamen, als die eigentliche Tropenzone, in der wir herbarisirt haben, und ist der Raum, den ich hier zwischen den grossen Strömen (Uruguay, Parana und Paraguay) durchforscht, um so vieles kleiner, als der, welchen Deine amerikanische Expedition umfasst hat! Ich habe aber hier einen Ersatz gefunden anderer Art. Wie man ein Land bewohnt, so kann man jede Pflanzenart in den verschiedenen Graden ihrer Entwickelung untersuchen. Man kann die vollkommenen Exemplare unter vielen Hunderten auswählen und eine grosse Zahl von Doubletten einlegen, die ich Dir für das gewiss schon sehr reiche Berliner Herbarium einst zu schicken hoffen darf. Mein kleiner Länderbesitz bei S. Borja am Uruguay hat an Oberfläche drei Cuadras, d. h. 30000 Quadrat-Varas; es würde mir leicht sein, den Besitz zu vergrössern, aber auch in seinem jetzigen Culturzustande gewährt er mir, neben der medicinischen Praxis, ein sehr anständiges Einkommen. Ich habe in S. Borja meine Estancia mit der grössten Mannichfaltigkeit von nützlichen Culturpflanzen, neuerdings auch mit Kartoffeln (Solanum tuberosum), bedeckt, 1600 Orangenbäume ge- Dr. Fonk, nach Chili gehend? H--t. Das angenehme Geschenk war von Herrn John Torrey, Professor of Botany at the College of Physicians at New York. Es kam in Berlin an im Sommer 1853. H--t. Ich habe diese botanischen Reise-Manuscripte von Bonpland und meiner Hand gleich nach dem Tode unseres Freundes und Mitarbeiters, des Prof. Kunth, zu sorgfältiger Aufbewahrung an das Museum des Jardin des Plantes zu Paris geschickt. Sie bestanden aus sechs gebundenen Bänden, 4528 Species und einige Zeichnungen von mir enthaltend. Von diesen sechs Bänden sind drei in 4., enthaltend: a. Beschreibungen 1--690, b. 691--1215, c. 1216--1591; und drei in Folio: a. 1592-- 2257, b. 2258--3698, c. 3699--4528. Diese sechs Bände sind als Bonpland's Eigenthum zu betrachten, der sie gewiss dem Museum schenken wird, damit sie bei dem von mir geschenkten Herbarium verbleiben. H--t. Durch den Ankauf der ganzen Herbarien von Willdenow und Kunth sind jetzt die von Bonpland und Humboldt von Juni 1799 bis Sommer 1804 gesammelten Pflanzen in das grosse königliche Herbarium des botanischen Gartens zu Schöneberg unter die Oberaufsicht des Dr. Klotzsch gekommen. H--t. Sollte die Sammlung verloren gegangen sein? Ich habe nie den Brief erhalten, in dem mir Herr Bonpland die Absendung gemeldet hat, und wie sollten bei meinem öfteren Aufenthalte in Paris von 1827 bis 1847, nachdem ich einen bleibenden Wohnsitz in Deutschland genommen, die mir befreundeten Gelehrten im Jardin des Plantes mir nie von den für Berlin bestimmten Doubletten der geognostischen Sammlung Bonpland's gesprochen haben! H--t. Von Bonpland seit seiner Übersiedelung nach Buenos Ayres gesammelte Pflanzen, von denen unserer gemeinschaftlichen Expedition zu unterscheiden. Die letzteren habe ich folgendermaassen vertheilt, da die Zahl der Doubletten die Bildung von drei Herbarien möglich machte: eines, das vollständigste, für Herrn Bonpland, das er mit nach Buenos Ayres nahm; ein zweites, das ich dem Jardin des Plantes schenkte, worauf Bonpland's Jahrgehalt von 3000 Francs gegründet ist; ein drittes für meinen botanischen Lehrer und Jugendfreund Willdenow. Ich selbst habe nichts von meinen botanischen, geologischen und zoologischen Sammlungen für mich behalten. H--t. Sechs Pariser Fuss sind gleich 2 [Formel] Varas Castillanas. H--t. pflanzt, von denen bereits 300 mir herrliche Früchte in diesem Jahre geben werden. In S. Anna habe ich 2000 Schafe, von denen viele reine Merinos der edelsten Race sind. Alle Fortschritte hängen in diesem, von der Natur so gesegneten Lande von der politischen Ruhe ab, die sich nach und nach einzustellen scheint. Dreizehn Jahre Bürgerkrieg haben in S. Borja viel Armuth in den Familien verbreitet. Gutmüthig, wie Du mich kennst, habe ich viele zu unterstützen gesucht. Es wird schwer sein, je wieder in den Besitz der vorgestreckten Capitalien zu gelangen. Mit demselben Schiffe, das Dir dieses Zeichen des Lebens und der herzlichsten, unverbrüchlichsten Anhänglichkeit bringt, schreibe ich nach Paris an den preussischen Gesandten, Grafen Hatzfeldt, der mir, von einem sehr ehrenvollen Schreiben begleitet, das Kreuz des Rothen Adlerordens dritter Classe im Namen Deines Königs geschickt hat. Du wirst von selbst errathen, aus welchen Gründen (bei aller Lebensphilosophie, die sich in der Einsamkeit ausbildet) eine solche unverdiente Auszeichnung, aus Deiner Vaterstadt kommend, mir besonders theuer sein muss. Aime Bonpland. II. Montevideo, 29. Januar 1854. Mein theurer Freund! Nach einem zweimonatlichen Aufenthalte in der Hauptstadt der Cisplatina bin ich endlich zu meiner grossen Freude meiner Abreise sehr nahe; aber ehe ich an die stillen Ufer des Uruguay zurückkehre, will ich mir den Genuss verschaffen, mich noch einmal mit Dir zu unterhalten. Die sehr gelungene französische Übersetzung Deiner "Ansichten der Natur" hat mich täglich beschäftigt und so viele Eindrücke erneuert, die uns Beiden freudig und schmerzlich wurden und die mir Deine Schilderungen so lebendig vor die Seele rufen. Auch der Ausdruck Deines tiefen Schmerzes bei der Nachricht von Arago's Tode hat mich sehr gerührt. Unsere Zeitungen haben Deine Worte, wenn auch sehr unvollkommen, wiederholt. Chateaubriand, der (im Hause der geistreichen Duchesse de Duras) Dir und dem Hingeschiedenen gleich zugethan war, würde meine Rührung getheilt haben. Sobald ich in meiner Estancia de S. Anna angekommen bin, will ich mich recht ernsthaft mit der zu vollendenden Anordnung meiner Herbarien und anderer naturhistorischen Sammlungen beschäftigen. Mein ganzes Bestreben geht jetzt dahin, dass diese Arbeit bis Juli oder August vollendet sei. Sie wird leider etwas gestört werden durch die Nothwendigkeit, in der ich mich befinde, den Aufträgen des Kriegsministers zu genügen, der mir eine grosse Liste von Culturpflanzen des Paraguay und Uruguay schickt, von denen ich Sämereien oder Stecklinge nach Algier senden soll. Diese Bereicherung einer französischen Colonie auf afrikanischem Boden mit südamerikanischen Gewächsen flösst mir ein lebhaftes Interesse ein. Es ist, als hätte ich die Forderung, die man erst jetzt an mich richtet, längst vorhergesehen. Als ich vor vielen Jahren an Mr. de Mirbel die erste botanische Beschreibung des Mayz del agua und alle Fructificationstheile in Alcohol schickte, übermachte ich ihm zugleich eine ganze Sammlung von Sämereien, von denen ich hoffen durfte, dass sie im Gebiet von Algier gedeihen würden. Ich richtete die Sendung von Corientes aus an Mr. Aime Roger, der damals das französische Consulat in Montevideo verwaltete. Entweder ist die Sammlung nie nach Paris gelangt, oder der traurige Krankheitszustand von Mr. de Mirbel ist die Ursache gewesen, dass ich nie eine Sylbe Antwort über diesen Gegenstand erhalten habe! Jetzt fordert man ohngefähr dieselben Sämereien, die ich damals unaufgefordert schickte. Es wird mir eine angenehme Pflicht sein, den Befehl des Herrn Kriegsministers zu vollziehen und meinem Vaterlande einigermaassen nützlich zu werden. -- Ich komme noch einmal auf den "Mayz del agua" zurück, weil ich weiss, dass diese schöne Pflanze in Europa so viel Interesse erregt hat. Ich will Dir sagen, was ich von derselben und von den Gattungen Euryale und Victoria halte. Das, was Du in Deiner letzten Schrift, bei Gelegenheit der Physiognomik der Gewächse nach Verschiedenheit der Familien, entwickelst, hat mich auf Endlicher's Genera Plantarum zurückgeführt. Die Charaktere, die Endlicher in seinem schönen Werke angibt, scheinen allerdings auf Verschiedenheit der Genera hinzudeuten, aber ich finde, dass die Frucht von Euryale und Victoria nicht richtig beschrieben ist. Ich glaube, dass diese beiden und mein Mayz del agua zu einem und demselben Genus gehören. Die Frucht des Mayz del agua ist eine "bacca exsucca, orbicularis, valde depressa, multilocularis, pulvedive dehiscens". Chaque loge contient 6--8 graines, chaque graine est enveloppee par une membrane, lache et plissee, suspendue par un fil (funiculus) d'une longueur remarquable. Tout me porte a croire que ces trois plantes appartiennent au meme genre. Mein Mayz del agua hat aber nicht so grosse Blüthen und Blätter, als Victoria und Euryale. In wenigen Wochen werde ich schöne Exemplare des Mayz del agua nach Europa senden. Mit Verwunderung sehe ich auch, dass so viele Botaniker noch immer unsicher sind über die Blätter des Genus Colletia. Nach meinen Beobachtungen haben alle Colletien Blätter, sie zeigen sich aber erst gegen die Zeit der Blüthe. Bald nach der Befruchtung fallen die Blätter ab . Mein Herbarium beweist dies durch Vergleichung der Exemplare. Was mich lebhaft seit Jahren beschäftigt, ist die Vergleichung mehrerer gleichartiger Species, die aus der Aequinoctial-Flora in die gemässigte südliche Zone übergehen. Diese Vergleichung hat ein grosses Interesse für die Geographie der Pflanzen. Meine süsseste Hoffnung ist (ich wiederhole es Dir, theurer Humboldt), meine Sammlungen und Beschreibungen selbst nach Paris zu bringen, mich mit der neuen Literatur, dem jetzigen Zustand der Wissenschaft, bekannt zu machen, Bücher zu kaufen und dann hierher zurückzukehren, um an den anmuthigen Ufern des Uruguay, von einer grossartigen Natur und ihrem Zauber umgeben, mein stilles Ende zu erwarten. Mit unverbrüchlicher Freundschaft und frohem Andenken an das, was wir zusammen erlebt an Genuss und unter harten Entbehrungen. Auf der Reise mit Bonpland wurde Colletia horrida fast ganz ohne Blättchen auf der kalten und wilden Hochebene (Paramo) von Guamani in Peru gesammelt. Ich fand barometrisch die Station 10320 Fuss hoch über dem Spiegel der Südsee. H--t. Dein Aime Bonpland.