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Alexander von Humboldt: „Bemerkungen des Herrn Al. von Humboldt“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1854-Bemerkungen_des_Herrn-1> [abgerufen am 20.04.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1854-Bemerkungen_des_Herrn-1
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Titel Bemerkungen des Herrn Al. von Humboldt
Jahr 1854
Ort Berlin
Nachweis
in: „Ueber die Winterkälte, welche größere Säugethiere ertragen können“, in: Zeitschrift für allgemeine Erdkunde 3 (1854), S. 42– 43, hier S. 43.
Postumer Nachdruck
Briefwechsel zwischen Alexander von Humboldt und Emil du Bois-Reymond, herausgegeben von Ingo Schwarz und Klaus Wenig, Berlin 1997, S. 180–181 [Wiederabdruck des Briefs S. 181].
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: VII.72
Dateiname: 1854-Bemerkungen_des_Herrn-1
Statistiken
Seitenanzahl: 2
Zeichenanzahl: 4477
Bilddigitalisate

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Ueber die Winterkälte, welche größere Säugethiereertragen können.

1) Schreiben des Herrn Jules Gérard, Lieutenant bei denSpahis, an Herrn Al. von Humboldt.

.... Sie haben mir die Ehre erzeigt, mich zu befragen, welches diegrößte Kälte ſein möchte, die der Löwe ertragen könnte. Die Aurès-Ge-birge, die höchſten in Algerien, ſind immer von einigen Löwen bewohnt.Im Sommer halten ſie ſich nicht fern von den Rücken der Gebirge auf, woes immer luftig und kühl iſt; im Winter ziehen ſie ſich tiefer hinab, in dasHügelland, welches an das Meer grenzt, das aber auch während zweier Mo-nate etwa mit Schnee bedeckt wird, und zuweilen noch länger. Die größteKälte in dieſen Gegenden ſinkt nie unter 10° unter Null; in den MonatenDecember, Januar und Februar hält die Kälte 2 bis 6 Grade unter dem Ge-frierpunkt an. Sie iſt alſo ſchärfer, als in Südfrankreich. Im ganzen übri-gen Jahre ſind die Löwen nie lebendiger und friſcher, als bei größerer Kälte;dann ſind ſie für die Araber viel verderblicher, als in der ganzen übrigenJahreszeit. Wenn die Löwen jene größten Höhen oder halbe Höhen der Hochrückender Gebirge verlaſſen, ſo geſchieht dies weniger der Kälte, als des hohenSchnees wegen, welcher alle Wege überdeckt. Der Löwe iſt das reinlichſtealler Thiere und übertrifft darin ſelbſt den Menſchen; den geringſten Schmutz,den kleinſten Fleck leidet er nicht. Muß er über feuchten, oder moraſtigenBoden gehen, ſo wählt er immer den trockenſten Pfad und er biegt lieber ausdem ſchmutzigen Wege in den Wald ein, um dann wieder auf den trockengewordenen Pfad zurückzukehren. Muß er durch den Schnee gehen, ſo bleibter von Zeit zu Zeit ſtill ſtehen und ſchüttelt den Schnee von den Tatzen unddem Körper ab, an den ſich derſelbe gehängt hat. Dann iſt der Löwe nach mei-nen Beobachtungen viel weniger träge, wie in der Sommerzeit, wo er ſichmehr keuchend und angegriffen zeigt. Aus meinen Beobachtungen ergiebt ſich, daß der Löwe die große Kältebeſſer erträgt, als die große Hitze, und daß er in weit kälteren Gegenden, alsdie von Algerien ſind, wohl leben könnte, wenn er daſelbſt nur hinreichendeHeerden und Waldung fände. Ich muß es bedauern, daß ich bis jetzt der Einzige bin, der ſich im All-gemeinen mit der Löwenjagd beſchäftigt hat. Wie würde es mich freuen,wenn ich aus den verſchiedenſten Nationen Theilnehmer an dieſer Arbeit unddieſer Jagd fände; ich würde ſie brüderlich aufnehmen. Ich habe beim fran- |43| zöſiſchen Gouvernement den Antrag auf Einrichtung einer Löwenjägerei ge-macht, das heißt, eine Anzahl Jäger zu inſtalliren, die ſich dieſem Geſchäftewidmeten; man hat gemeint, daß dieſe nur eine perſönliche, mich betreffende Ein-richtung ſein und mit meinem Abgange auch wieder in ſich zerfallen würde.Ich habe ein größeres Vertrauen zu ſolchem Unternehmen, und ſchon verei-nigt ſich ein niederländiſcher Officier mit mir, freilich nur zu einer erſten Probe;hoffentlich werden wir noch mehrere andere Theilnehmer finden. Ich werdemeine Aufgabe in dieſer Beziehung, wenn es mir die Umſtände geſtatten, wei-ter führen, und bereit ſein, über jede weitere Anfrage, die Sie an mich thunmöchten, weitere Auskunft zu geben.

2) Bemerkungen des Herrn Al. von Humboldt.

Nachſchrift. Auch der Tiger im nördlichen Aſien, der von dem ben-galiſchen gar nicht verſchieden iſt, verträgt eine große Winterkälte, wie Ehren-berg in den Annales de Scienc. naturelles T. XXI p. 387—412 und ichin der Asie centrale T. I, p. 339 und T. III, p. 96, von der ſibiriſchenExpedition zurückkehrend, ausführlich entwickelt haben. Tiger zeigen ſich imSommer in Aſien am Obi bis in die Breite von Hamburg, Rennthiere ge-hen bisweilen gegen Süden (nach Helmerſen) bis in die Gegend von Oren-burg, Breite 51\( \frac{3}{4} \)°. Der Corvetten-Capitain Alexis Butakoff, dem wir diegenauere Aufnahme des ganzen Aralſees verdanken, ſchreibt mir von Arals-koi Krepoſt an der Mündung des Syr Dariah, daß im Winter 1852, wovom November bis April das Réaum. Thermometer meiſt 18° unter demNullpunkt zeigte, die Tiger lüſtern im Schilf am öſtlichen Ufer des Aral-ſees lebten und viele Pferde und zwei Kirghiſen fraßen (Breite von Genf).Im ſüdlichen Theil des Altai leben in gewiſſen Jahreszeiten das Elenthier,der Tiger, das Rennthier und der langhaarige Panther (Irbit). Die Kno-chen dieſer Thiere könnten ſich demnach friſch in einer Lagerſtätte in der Jetzt-welt finden und den Geognoſten in Erſtaunen ſetzen.

A. von Humboldt.