Der vorsitzende Sekretar trug darauf folgende Mittheilung des Hrn. v. Humboldt vor, betreffend einen neuen Versuch über die größte Tiefe des Meeres. Das Problem des Verhältnisses der Erhöhungen der Continente zu den Tiefen des Meeres ist von Laplace in dem 5ten Bande der Mécanique céleste behandelt worden. Es hat die Lösung desselben ihn bei Annahme von mittleren Werthen auf Resultate geführt, die ich in einem Mémoire „sur le centre de gravité du volume des terres élevées au-dessus du niveau actuel des eaux de la mer” im Jahre 1843 mit einer großen Zahl wirklicher geodätischer Messungen verglichen und zum Theil bestritten habe. Ich habe geglaubt erweisen zu können, daß die mittlere Höhe der Continente über dem jetzigen Meere als obere Grenze wahrscheinlich nicht viel mehr als 948 Pariser Fuß beträgt, wenn der eben genannte große Geometer die mittlere Continental-Höhe mehr als dreimal größer, genau zu 3078 Fuß, annahm. Die Masse der Gebirgsketten ist so gering, daß z. B. die Kette der Pyrenäen, deren Volum wir mit mehr Sicherheit als das vieler anderen Ketten angeben können, auf die ganze Area von Frankreich verstreut, die mittlere Höhe des Landes nur um 18 Toisen erhöhen würde. Mehr Sicherheit als diese, theilweise auf Theorien gegründeten Betrachtungen gewähren directe Bestimmungen einzelner Maxima von Höhen der Berge und von Tiefen des Oceans. Wenn wir uns die Erde, wie den Mond, ohne eine flüssige Umhüllung denken, so erscheinen uns Bergmassen und Gipfel, ja die ganze Oberfläche der Erde dann erst in ihrer wahren Gestalt. Die neue Bestimmung einer ungeheuren Meerestiefe, welche mir der Oberst Sabine vor wenigen Tagen in einem Briefe aus Woolwich mitgetheilt hat, ist vielleicht würdig die Aufmerksamkeit der Akademie auf sich zu ziehen. Die größte Meerestiefe, die bisher erreicht worden war, ist die auf der antarctischen Expediton von Sir James Roß gemessene zu Voyage to the Antarctic Regions Vol. II. p. 382. 4600 engl. fathoms (27600 feet.) oder 25896 Pariser Fuß; lat. austr. 15° 3′, long. 23° 14′ westl. von Greenwich. Am 30 October 1852 hat Capitän Denham of the Royal Navy, commanding the Herald, statt in 4600, in einer Tiefe von 7706 fathoms (46236 feet), oder 7230 Toisen, oder 43380 Pariser Fuß, erst den Meeresboden (Grund) gefunden. Es wurden besondere Vorsichtsmittel angewandt, um ein genaues Resultat zu erhalten. Der Versuch geschah im südlichen atlantischen Ocean (lat. austr. 36° 49′, long. 37° 6′ westlich von Greenwich). Das Herabsinken des Bleis dauerte 9 Stunden 25 Minuten. Ich erinnere mich, daß vor 2 Jahren, ebenfalls im südlichen atlantischen Ocean, aber 9° nördlicher und 8° östlicher, der Lieut. Goldsborough, in Diensten der Vereinigten Staaten, auf einer Überfahrt von Rio Janeiro nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung auch tiefe Sonden bis 3100 fathoms oder 18600 feet geworfen hatte. Athenaeum 1851 No. 1226 p. 460. Die Meerestiefe von mehr als 43000 Par. Fuß, welche Cap. Denham vorigen Herbst erreicht hat, ist fast 17000 Par. Fuß größer als die Höhe des Kintschindjinga, des höchsten wohlgemessenen Gipfels des Himalaya-Gebirges, den wir seit meines Freundes, Joseph Hooker’s, tibetanischer Reise kennen. Der Kintschindjinga hat 4406 Toisen (26438 Par. Fuß). Der Gipfel ist also über diesem tiefsten Punkte der Erdoberfläche 11636 Toisen (69816 Par. Fuß), etwas über drei geographische Meilen, erhaben. Auf der Mond- Oberfläche ist in den zwei höchsten Bergen, Dörfel und Leibnitz, dieser Unterschied zwischen dem Maximum der Erhebung und den Mondebenen, sogenannten Meeren, nur 3800 Toisen oder eine geographische Meile. Die Anschwellung der Äquatorial-Gegend des Erdsphäroids beträgt kaum das Doppelte der eben angegebenen absoluten Höhe (11636 Toisen) eines Gipfelpunktes des Kintschindjinga über dem niedrigsten jetzt bekannten Punkte des Meeresbodens. Der Unterschied der Äquatorial- und Polar-Durchmesser ist nämlich 1718,9—1713,1 geogr. Meilen (jede zu 3807,23 Toisen oder 22843 Par. Fuß Länge gerechnet). Vergleichungen positiver und negativer Höhen stellten auch schon die alexandrinischen Philosophen an, wie Cleomedes (Cyclica Theor, lib. I cap. 10) und Plutarch uns lehren. Der Letztere sagt ausdrücklich im Leben des Aemilius Paulus (cap. 25), wo er der Bergmessung des Olympus durch Xenagoras und der von ihm dort eingegrabenen Inschrift erwähnt: „die Geometer glauben, daß kein Berg höher und kein Meer tiefer als 10 Stadien sei.”