Alexander von Humboldt. Alexander von Humboldt hatte die Güte, der dringenden Bitte des Herausgebers und Verlegers des "Conversations-Lexikon" nachgebend, den ihn betreffenden Artikel der neunten Auflage dieses Werks einer Durchsicht zu unterwerfen. Der berühmte Gelehrte theilte infolge Dessen der Verlagshandlung freundlichst eine vollständige Zusammenstellung seiner Reisen nebst Angabe der Zeitfolge, der Richtung und des Zweckes mit, welche für den Artikel "Alexander von Humboldt" in der zehnten Auflage des "Conversations-Lexikon" benutzt wurde, und hiermit den Lesern der "Gegenwart" als ein höchst interessantes Document dargeboten wird. Die mit Anführungszeichen ("") bezeichneten Stellen sind wörtlich der Handschrift Humboldt's entlehnt; der verbindende Text gehört dem betreffenden Artikel der neunten Auflage des "Conversations-Lexikon" an. D. Red. Friedrich Heinrich Alexander Freiherr von Humboldt wurde in Berlin am 14. Sept. 1769 geboren, studirte in Frankfurt a. O. und Göttingen, besuchte eine Zeit lang die Handelsakademie von Büsch und Ebeling in Hamburg und verlebte hierauf, 1790 --91, ein Jahr auf der Bergakademie in Freiberg. Die ihm von der preußischen Regierung 1792 gegebene Anstellung als Assessor im Bergwerksdepartement, welche später mit dem Amte eines Oberbergmeisters in Baireuth vertauscht wurde, gab er 1795 wieder auf, um einen Lebensweg einzuschlagen, auf welchem es ihm gelungen ist, das Außerordentlichste für die Wissenschaften zu leisten und sich einen unvergänglichen Namen zu bereiten. Von Jugend auf zur Naturforschung durch innern Genius getrieben, angeregt durch erfolgreiche kleinere Reisen, zumal aber durch den Umgang mit J. G. Forster, den er 1790 auf einem Ausfluge nach dem Niederrhein, England und Holland begleitet hatte, begann er nach einem Lande umzublicken, dessen natürlicher und wenig gekannter Reichthum dem fleißigen Forscher die Aussicht auf zahlreiche und werthvolle Entdeckungen eröffnen könnte. War auch die Wahl desselben nicht sogleich fest entschieden, so wurden doch seit 1795 die wissenschaftlichen Vorstudien mit großem Eifer begonnen und mehre Reisen zu diesem Zwecke unternommen. "Folgendes sind chronologisch geordnet die Ereignisse seiner frühern Jugend. Humboldt verlor seinen Vater, der im Siebenjährigen Kriege, als Major, Adjutant des Herzogs Ferdinand von Braunschweig und nachher königlicher Kammerherr war, als er noch nicht das zehnte Jahr erreicht hatte. Er genoß, gemeinschaftlich mit seinem ältern Bruder Wilhelm, im Hause der Mutter, unter der Leitung eines talentvollen Mannes (des nachmaligen Geheimen Oberregierungsraths Kunth) einer überaus sorgfältigen wissenschaftlichen Erziehung. Privatcollegia wurden beiden Brüdern von Fischer in Mathematik, von Engel in Philosophie, von Dohm in politischen Wissenschaften gelesen. Herbst und Winter 1787--88 brachte Humboldt auf der Universität Frankfurt a. O., den folgenden Sommer und Winter wieder in Berlin zu, um Technologie, auf das Fabrikwesen angewandt, zu studiren und, nun erst seinem fleißigern Bruder nachstrebend, sich ernsthafter mit der griechischen Sprache zu beschäftigen. In dieser Zeit schloß Humboldt sich mit warmer Freundschaft an den jungen aber schon berühmten Botaniker Willdenow an, und zeigte besondere Vorliebe für das Studium der Kryptogamen und der zahlreichen Familie der Gräser. Im Frühjahr 1789 bezog er die Universität Göttingen, deren reiche Schätze er ein Jahr lang benutzte. Er frequentirte gemeinschaftlich mit seinem Bruder (der bald mit Campe, wenige Wochen nach dem Sturm der Bastille, die Reise nach Paris machte) die philologischen Collegia des Heyne'schen Seminars. Sein erster Versuch einer literarischen Arbeit war eine kleine Schrift über die Webereien der Griechen, die nie erschienen ist, aber (wie man aus der Correspondenz von W. von Humboldt erfährt) 1794 an F. A. Wolf zur Durchsicht geschickt wurde. Die Liebe zu naturhistorischen Studien wurde in Göttingen mannichfach genährt durch den Unterricht von Blumenbach, Beckmann, Lichtenberg und Link, durch Reisen an den Harz und an die Rheinufer. Eine Frucht der letzten Excursion war Humboldt's erstes gedrucktes Buch: "Über die Basalte am Rhein (vorzüglich den Unkeler Steinbruch), nebst Untersuchungen über Syenit und Basanit der Alten." Im Frühjahr und Sommer 1790 begleitete Humboldt von Mainz aus Georg Forster, der mit seinem Vater dem Capitän Cook bei seiner zweiten Weltumsegelung gefolgt war, auf einer schnellen aber überaus lehrreichen Reise durch Belgien, Holland, England und Frankreich. Diese Begleitung, das Wohlwollen von Sir J. Banks, eine große, plötzlich erwachende Leidenschaft für das Seewesen und den Besuch ferner tropischer Länder äußerten den belebendsten Einfluß auf Entschlüsse, die nach dem Tode der Mutter einst zur Ausführung kommen sollten. Im Monat Juli 1790 aus England nach Deutschland zurückgekehrt und damals noch zu einer praktischen Laufbahn im Finanz- und Kameralfache bestimmt, begab sich Humboldt nach Hamburg auf die Handelsakademie von Büsch und Ebeling, um ein Collegium über den Geldumlauf zu hören, das Buchhalten zu erlernen und von den Comptoirgeschäften genaue Kenntniß zu nehmen. Der Zusammenfluß so vieler jungen Leute aus den verschiedensten Theilen von Europa gab auf diesem Institute die günstigste Gelegenheit zur Übung in lebenden Sprachen; auch machte der Contact mit Klopstock, Voß, Claudius und den beiden Stolberg (im nahen Holstein) den hamburger Aufenthalt sehr angenehm und lehrreich. Nach einem fünfmonatlichen Aufenthalte in Berlin und Tegel im mütterlichen Hause, erlangte endlich Humboldt die Erlaubniß seine nächste Lebensbestimmung zu verändern und nach seinem sehnlichsten Wunsche außerhalb der Städte in der freien Natur zu leben, zum praktischen Bergbau überzugehen. Er hatte indessen seine botanischen Excursionen mit Willdenow fortgesetzt, fleißig gearbeitet an Usteri's "Journal der Pflanzenkunde", und bei Keimversuchen die reizende, alle Keimkraft so auffallend beschleunigende Eigenschaft des Chlors aufgefunden. Im Juni 1791 bezog Humboldt die Bergakademie zu Freiberg, genoß des Privatunterrichts von Werner, der Freundschaft von Freiesleben, Leopold von Buch und Andreas Del Rio, den er 12 Jahre später in Mexico angesiedelt sah. Die Frucht eines achtmonatlichen Aufenthalts im Erzgebirge waren die Beschreibung der unterirdischen kryptogamischen Pflanzen und die Versuche über die grüne Farbe der aller Lichteinwirkung entzogenen phanerogamischen Gewächse, wenn sie von irrespirabeln Gasarten umgeben sind. (Die "Flora subterranea Fribergensis et aphorismi ex physiologia chemica plantarum erschien indessen erst 1793.) Mit Freiesleben gab Humboldt die erste geognostische Beschreibung des böhmischen Mittelgebirges heraus. Durch das ausgezeichnete Wohlwollen des Ministers Fr. von Heinitz schon im Februar 1792 zum Assessor im Bergdepartement ernannt, begleitete er diesen Staatsmann im Juli 1792 in das Markgrafthum Baireuth und wurde zur Untersuchung des dasigen Berg- und Hüttenwesens berufen. Nach seinem Wunsche, nur der Vorrichtung des unterirdischen Grubenbaus fortan anzugehören, zum Oberbergmeister am Fichtelgebirge in den fränkischen Fürstenthümern ernannt, nahm er seinen Hauptwohnsitz in dem kleinen Bergorte Steben bei Naila. Er behielt die Direction des praktischen Bergbaus fast fünf Jahre lang, von 1792--97, aber mit vielen und zwar sehr heterogenen Unterbrechungen. In Aufträgen des berliner Bergdepartements, von dem das fränkische gänzlich getrennt war, wurde Humboldt, im Herbste 1793, zur Untersuchung der Steinsalzgruben und Siedvorrichtungen nach Oberbaiern, Salzburg, dem östreichischen Salzkammergute und (über Tarnowitz) nach Galizien; im Sommer 1794 aber, wieder zu halurgischen Zwecken, nach Kolberg, dem Netzedistrict, den Weichselufern südlich von Thorn und nach Südpreußen geschickt. Politische Begebenheiten, die eine Folge der großen Kriegsereignisse waren, zogen Humboldt nach der Rückkunft aus Posen, ihm selbst sehr unerwartet, nach den Rheinufern. Ein im April 1794 mit England und Holland abgeschlossener Subsidientractat vermochte Preußen zur Fortsetzung des Kriegs gegen die Französische Republik. Der dirigirende Minister in den fränkischen Fürstenthümern Baron von Hardenberg wurde nach Frankfurt gesandt, um dort (für die Zeit der Dauer des Subsidientractats) mit dem englischen und holländischen Gesandten, Lord Malmesbury und Admiral Kynkel zu unterhandeln. Humboldt erhielt von dem preußischen Staatsmanne, dessen Vertrauen und freundschaftlichen Umgang er lange genossen, die Auffoderung, ihn nach der Armee zu begleiten, um seine Thätigkeit zu Missionen nach dem Hauptquartier des Feldmarschalls von Möllendorf und zur Cabinetscorrespondenz zu benutzen. Der Aufenthalt in Frankfurt und bei der Armee zwischen Munzernheim, Mainz und Wesel, ja bis zum holländischen Lager dauerte vier Monate, und erst im October 1794 war Humboldt zurück im baireuther Gebirge. Er setzte eifrigst fort seine chemische Arbeit über die Natur der Grubenwetter wie seine oft gefahrvollen Versuche über eine von ihm construirte, nicht verlöschende Lampe und die Respirationsmaschine nach dem Principe von Beddoes in Räumen, die er künstlich mit irrespirablen Gasarten gefüllt hatte. In den Sommer und Herbst 1795 fällt eine geognostische Reise durch Tirol nach Venedig, durch die Euganeen, die ganze Lombardei und die Schweiz in angenehmer Begleitung von Freunden, erst mit Reinhard von Haeften und später mit Karl Freiesleben. Humboldt sammelte schon seit 1792, wo er bei seinem ersten Aufenthalte in Wien Nachricht von Galvani's bewundernswürdiger Entdeckung erhalten, Materialien zu seinem großen Werke "Über die gereizte Muskel- und Nervenfaser, nebst Vermuthungen über den chemischen Proceß des Lebens in der Thier- und Pflanzenwelt", das erst 1797 in zwei Bänden erscheinen konnte, von ihm selbst herausgegeben, keineswegs von Blumenbach, der das Manuscript nie gesehen. Die italienische Reise brachte Humboldt in belehrenden Verkehr mit Volta in Como und mit Scarpa in Pavia. Vom November 1795 bis Februar des folgenden Jahres blieb Humboldt wieder auf dem Gebirge praktisch beschäftigt in Steben, Lauenstein, Goldkronach und Arzberg bei Wunsiedel. Die schweren Leiden seiner kranken Mutter zogen ihn nach Berlin, doch nur auf einige Monate. Der plötzliche Einfall des französischen Heeres unter Moreau in das Herzogthum Würtemberg und die Flucht des Landesherrn ließen den König von Preußen besorgen, daß die fürstlich Hohenlohe'schen Besitzungen, in denen im Anfange der Französischen Revolution (1791) der Vicomte de Mirabeau eine der Emigrantenlegionen des Conde'schen Corps errichtet hatte, aus Motiven der Rache Plünderung und Unbill von den weiter gegen Franken vordringenden Heeren von Moreau oder Jourdan erleiden würden. Man hoffte den commandirenden General dazu bewegen zu können, da seit dem Frieden, den der Minister von Hardenberg zu Basel den 5. April 1795 abgeschlossen hatte, ein sehr freundschaftliches Verhältniß zwischen Frankreich und Preußen eingetreten war, die kleinen Hohenlohe'schen Länder wie eine preußische Enclave zu betrachten. Humboldt erhielt den Auftrag sich mit dem Hauptmann von Pirch, von einem einzelnen Trompeter begleitet, Ende Juli 1796 von Ingelfingen aus nach dem französischen Hauptquartier in Schwaben zu begeben. Es war kurze Zeit nach dem Treffen bei Cannstadt. Man sah auf dem Wege noch den General St.-Cyr in einem durch Seile gehaltenen, mehre Monate lang gefüllt bleibenden Conte'schen Luftballon (Ballon captif) den Feind recognosciren. Bei der Milde des Charakters, die den General Moreau auszeichnete, wurde es nicht schwer, in wenigen Tagen zu erlangen, was man erwünschte. Es sollten die Hohenlohe'schen Besitzungen mit preußischen Adlern umgeben werden. In dem französischen Hauptquartier hatte Humboldt die Freude, den General Desaix zu finden, der schon damals, 14 Monate vor dem Frieden von Campo-Formio, mit Bonaparte's ägyptischen Planen bekannt war, ja mehrmals Humboldt auffoderte nicht die Tropenländer des Neuen Continents zu besuchen, sondern sich einer französischen Expedition nach dem Orient anzuschließen. Die Rückkehr aus dem Moreau'schen Hauptquartier, begleitet von dem französischen Ingenieur, der die Adler aufpflanzen sollte, war trotz der sichernden Töne des preußischen Trompeters, in einem Walde bei Nacht, wo östreichische und französische Vorposten stark gemengt standen, sehr unbequem. Die lang gefürchtete Nachricht von dem Tode der Mutter (November 1796) brachte nun Humboldt's Entschluß einer großen wissenschaftlichen Expedition der Ausführung näher. Auf den Rath des Freiherrn von Zach hatte er schon längst angefangen sich mit praktischer Astronomie, d. h. mit Sextantenbeobachtungen zu geographischen Ortsbestimmungen ernsthaft zu beschäftigen. Es war dabei sein reger Wunsch, ehe er Europa auf mehre Jahre verließ, brennende Vulkane zu sehen, den Vesuv, Stromboli und den Ätna. Sein Bruder Wilhelm wollte ihn mit seiner Familie auf dieser zweiten italienischen Reise begleiten. Um sich nun mit Diesem zu vereinigen, löste er seine dienstlichen Verhältnisse gänzlich auf, und beschloß in völliger Unabhängigkeit und mit Instrumenten ausgerüstet, in deren Gebrauch er sich lange eingeübt, allein dem Studium der Natur zu leben. Er verließ Baireuth im Jahre 1797 und verweilte in inniger Verbindung mit Goethe und Schiller drei Monate in Jena. Da er nur rhapsodisch unter Sommerring, dem er sein Werk über die gereizte Muskelfaser zugeeignet, menschliche Anatomie studirt hatte, so erlangte er von Loder, den er 23 Jahre später auf der sibirischen Expedition wieder in Moskau begrüßte, ihm ein Privatcollegium zu lesen, das mit Anleitung zum Seciren verbunden war. Über Dresden, Freiberg, Prag und Wien ging Humboldt nach Salzburg, auf dem Wege die Schätze des schönbrunner Gartens, die Freundschaft des jungen brasilischen Reisenden, Joseph van der Schott, und das Wohlwollen des alten Jacquin und Peter Frank's genießend. Der kriegerische und revolutionäre Zustand von Italien entfernte jede Idee des Genusses einer wissenschaftlichen Reise; Humboldt's Bruder ging von Wien unmittelbar nach Paris, während er sich entschloß, mit seinem Freunde Leopold von Buch, den Winter einsam mit meteorologischen Beobachtungen beschäftigt, in Salzburg und Berchtesgaden zuzubringen, um später, wenn der Zustand von Unteritalien es erlaubte, im nächsten Frühjahre über die Alpen zu gehen. Diesen Ideen nachhängend, erhielt Humboldt eine Auffoderung von dem in Dalmatien und Griechenland vielgereisten Lord Bristol, ihn auf einer Excursion nach Oberägypten auf acht Monate zu begleiten: er habe eigene Boote zu diesem Unternehmen ausrüsten lassen, und mehrere Zeichner sollten ihn, den sehr unterrichteten Kunstliebhaber, begleiten. Humboldt nahm das Anerbieten unter der Bedingung an, daß, nach Alexandrien zurückgekehrt, er sich von Lord Bristol trennen könne, um allein Syrien und Palästina zu besuchen. Zum Ankauf der ihm noch fehlenden Instrumente entschloß er sich vorher auf wenige Wochen über Strasburg nach Paris zu gehen, wo er Briefe von Lord Bristol, nach der getroffenen Übereinkunft, erwarten sollte. Es war der Anfang des Monats Mai 1798; am 20. desselben Monats ging Bonaparte mit seiner Expedition von Toulon nach Malta und Alexandrien ab. Statt die erwarteten Briefe zu erhalten, las Humboldt zu seinem großen Erstaunen in der "Strasburger Zeitung" die Nachricht, daß Lord Bristol auf Befehl des Directoriums in Mailand verhaftet worden sei, weil man ihn beschuldige, daß der geheime Zweck seiner ägyptischen Reise sei, auf irgend eine Weise zum Vortheile Englands an den Nilufern zu wirken. So ungerecht und unwahrscheinlich auch eine solche Beschuldigung war, so hätte sie doch, wenn man in Mailand Briefe von Humboldt aufgefunden hätte, auch seine persönliche Sicherheit gefährden können. Als er ungehindert in Paris ankam, wo er sich mit der Familie seines Bruders vereinigte, fand er die Mitglieder des Instituts, die Professoren des Jardin des Plantes und das ganze gebildete Publicum mit den, viele Hoffnung erregenden Ausrüstungen zu einer großen Weltumsegelung beschäftigt, die das Directorium unter Anführung des Capitän Baudin seit einigen Monaten decretirt hatte. Die Expedition sollte Buenos Ayres, das Feuerland und die ganze amerikanische Westküste von Valparaiso bis zum Isthmus von Panama berühren, viele Inseln der Südsee, Neuholland und Madagascar besuchen und um das Cap der guten Hoffnung zurückkehren. Humboldt, der die erste sich darbietende Gelegenheit zu einem großen Unternehmen benutzen wollte, schloß sich sogleich dieser Expedition an. Er erhielt von dem Directorium, in dem zwei Mitglieder, Francois de Neufchateau und La Reveillere- Lepaux, sich besonders für Bereicherung der Gärten und Sammlungen interessirten, die Erlaubniß sich mit allen seinen Instrumenten einzuschiffen, mit dem Versprechen die Schiffe verlassen zu dürfen und da zu bleiben, wo er tiefer in das Land einzudringen wünschte. Vier volle Monate vergingen in peinigender Spannung und Ungewißheit. Die politische Lage von Italien und die wohlgegründete Besorgniß eines nahen und neuen Ausbruchs des Kriegs mit Deutschland bewogen die Regierung, die für die Expedition ausgesetzten Fonds zurückzuziehen und das ganze Unternehmen bis auf eine günstigere Epoche zu vertagen. Die innige freundschaftliche Verbindung, welche so leicht und schnell sich zwischen Personen anknüpft, die mehre Jahre lang auf demselben Schiffe leben werden, hatte Humboldt mit einem sehr ausgezeichneten jungen Botaniker, Aime Bonpland, befreundet, der später so viele Schicksale mit ihm getheilt hat und von dem alten Jussieu, Richard und dem aus Algier und Constantine rückkehrenden Desfontaines wegen seiner Kenntnisse und Liebenswürdigkeit des Charakters gesätzt war. Indem Humboldt's süßeste Hoffnungen bitter getäuscht wurden, ging ein schwedischer Consul, Herr Skjöldebrand, durch Paris mit Geschenken seines Hofes für den Dei von Algier, um sich in Marseille auf einer für ihn bestimmten Fregatte einzuschiffen. Da sein Haus alle Jahre eine Barke nach Tunis schickte, um die nach Mekka wandernden Pilgrimme nach Alexandrien zu führen, so beschloß Humboldt des Consuls freundliche Anerbietungen dankbar anzunehmen und sich so der französischen Expedition in Ägypten anzuschließen. Er harrte in Marseille vergebens bis Ende December 1798 auf die verheißene Ankunft der schwedischen Fregatte "Jaramas", die von Stürmen an der portugiesischen Küste beschädigt im nahen Hafen von Cadix überwintern mußte. Da zugleich die Nachricht sich verbreitete, daß in der Berberei bei dem zwischen Türken und Franzosen ausgebrochenen Kriege alle von Marseille aus an die Küsten der Berberei kommenden Franzosen in Ketten gelegt würden, so mußte es Humboldt vorziehen, mit Bonpland den Winter in Spanien zuzubringen, und dann, wenn die Ereignisse es erlaubten, sich von Cartagena oder Cadix nach Tunis und Ägypten einzuschiffen. Die Reisenden gingen langsam und angenehm mit Herbarisationen, astronomischen Ortsbestimmungen und magnetischen Intensitäts- und Inclinationsbeobachtungen auf dem Wege beschäftigt über Perpignan, Barcelona, den Montserrat und Valencia nach Madrid, wo sie erst Anfangs Februar 1799 ankamen. Die außerordentliche Gunst, deren Humboldt sich an dem spanischen Hofe in Aranjuez drei Monate lang durch Vermittelung des sächsischen Gesandten, Baron von Forell, eines kenntnißvollen Mineralogen, und des ersten Staatssecretärs (Ministers der auswärtigen Angelegenheiten), Don Mariano Luis de Urquijo, zu erfreuen hatte, änderte auf einmal wieder seine Lebensplane. Der erste Staatssecretär erklärte, daß ihm alle spanischen Besitzungen in Amerika und dem Indischen Ocean (Marianen und Philippinen) geöffnet sein würden aus rein persönlichem Vertrauen, denn von keiner andern Regierung war Humboldt der spanischen empfohlen. Der Erlaubniß wurden officielle Befehle an alle Behörden beigefügt, wie seit der Expedition von Bouguer und La Condamine noch keinem Fremden geschehen war. Von den zwei Pässen war der eine von der Primera Secretaria de Estado, der andere von dem Consejo de Indias. Der erste "gestattete den freien Gebrauch aller Instrumente zu astronomischen und geodätischen Zwecken, die Messung der Berge, das Einsammeln von Naturalien, ja Untersuchungen jeglicher Art, die zur Erweiterung der Wissenschaften führen konnten." Humboldt sagt in der Einleitung seiner Reisebeschreibung ausdrücklich, daß alles so wohlwollend Versprochene auf das pünktlichste gehalten worden ist, und daß in fünf Jahren er nie eine Äußerung des Mistrauens erfahren habe. Mitte Mai verließ er Aranjuez und Madrid und ging (die Höhen messend) durch Altcastilien, Leon und Galicien über Villalpando, Astorga und Lugo nach dem Hafen Corunda, um sich daselbst am 5. Juni 1799 auf der Fregatte "Pizarro" einzuschiffen. Der Capitän des "Pizarro" hatte von der Regierung den Befehl erhalten, sich auf der Schiffahrt nach den Küsten von Südamerika so viel Tage in Teneriffa aufzuhalten, als Humboldt zur Besteigung des Pico de Teyde brauchen würde. Da die Landung in Cumana den 16. Juli 1799 und die Rückkehr in der Mündung der Garonne den 3. Aug. 1804 erfolgte, so hat Humboldt's ganze Reise in Südamerika, der Südsee, Mexico, den Antillen und Nordamerika fünf Jahre und zwei Monate gedauert." "Der Aufenthalt der Reisenden in Teneriffa war nur von wenigen Tagen, vom 19. bis 25. Juni. Sie hatten glücklich die englischen Kreuzer vermieden und waren am 19. Juni im Hafen von Santa-Cruz auf Teneriffa gelandet. Sie erstiegen den Pic und sammelten eine große Menge neuer Beobachtungen über die damals wenig gekannte natürliche Beschaffenheit der Insel. Obgleich in der Nähe der Küste Paria ein heftiges nervöses Fieber am Bord des "Pizarro" ausgebrochen war, so betraten sie doch in voller Gesundheit zum ersten mal den Boden Amerikas bei Cumana. Achtzehn Monate verbrachten sie auf einer Forschungsreise durch die Provinzen des jetzigen Freistaats Venezuela, gelangten im Februar 1800 nach Caracas, und verließen bei Puerto-Cabello von neuem die Seeküste, um nach Süden gewendet über die merkwürdigen Grassteppen von Calabozo den Fluß Apure und durch diesen den Orinoco zu erreichen. Auf Indianerkähnen (ausgehöhlten Baumstämmen) drangen sie von den Katarakten von Atures und Maypure bis zum südlichsten Grenzposten der Spanier, dem kaum zwei Breitegrade vom Äquator entfernten Fort San-Carlos am Rio-Negro, durch den Tuamini und die Wälder von Pimichin, wo die Kähne über Land geschoben werden mußten, vor; gelangten durch den Cassiquiare in den Orinoco zurück; fuhren diesen bis Angostura hinab und erreichten Cumana am Ende einer Reise, die 375 geographische Meilen lang, sie nur durch unbewohnte Wildnisse geführt, ja die erste war, welche eine, auf astronomische Bestimmungen gegründete Kenntniß von der so lange bestrittenen Bifurcation des Orinoco geliefert hatte. Humboldt und Bonpland schifften sich nun nach Havana ein, lebten dort einige Monate und eilten einen Südseehafen zu erreichen, als die falsche Nachricht sich verbreitete, Baudin, dem sie sich anzuschließen versprochen, werde an der Westküste Südamerikas erscheinen. Von Batabano an der Südküste der Insel Cuba segelten sie im März 1801 nach Cartagena de Indias, um von da aus nach Panama zu gehen; allein weil die Jahreszeit die Ausführung dieses Plans hinderte, fuhren sie 54 Tage lang den Magdalenenstrom hinauf bis Honda, um über Guaduas das 8200 Fuß hohe Plateau von Bogota zu erreichen. Sie machten von Bogota aus Streifzüge nach den merkwürdigsten Punkten der Umgegend. Im September 1801 brachen sie trotz der eingetretenen Regenzeit wieder gegen Süden auf, indem sie über Ibague, die Cordillera de Quindiu (höchster Punkt des Nachtlagers 10800 Fuß), Cartago, Popayan am Fuße des Vulkans von Purace, den Paramo de Almaguer und die große Hochebene von Los Pastos nach den größten Beschwerden am 6. Jan. 1802 Quito erreichten. Die Reise auf dem Rücken der Cordilleren von Bogota bis Quito immer auf Maulthieren und von vielem Gepäck begleitet hatte volle vier Monate gedauert. Andere fünf Monate (vom 6. Jan. bis 9. Juni 1802) vergingen ihnen unter viel umfassenden Untersuchungen in dem schönen Hochthale von Quito und in der Kette von mit ewigem Schnee bedeckten Vulkanen, welche dasselbe umschließen. Durch zufällige Umstände begünstigt, stiegen sie an mehren derselben bis zu früher nicht erreichten Höhen. Auf dem Chimborasso gelangten sie am 23. Juni 1802 bis zur Höhe von 18096 Fuß, also um 3276 Fuß höher als La Condamine 1738 am Nevado de Corazon. Sie standen hier auf dem höchsten, je vorher von Menschen erstiegenen Punkte fester Erde, und wurden durch eine tiefe Schlucht an der Erklimmung der äußersten, noch um 2004 Fuß höhern Spitze gehindert. Carlos Montufar, der Sohn des Marques von Selvalegre, ein trefflicher, lernbegieriger junger Mann, der, wie viele der Bessern seines Volks, der später eingetretenen Revolution als Opfer fiel, schloß sich in Quito an die Reisenden an und begleitete sie fortan bis zum Schlusse der langen Wanderung durch Peru und Mexico nach Paris. Über den Andespaß im Paramo de Assuay (wo der Weg bei Cadlud fast die Höhe des Gipfels des Montblanc erreicht), über Cuenca und die Chinawälder von Loxa stiegen sie in das Thal des obern Amazonenflusses bei Jaen de Bracamoros hinab, und erreichten über die fruchtbare Hochebene von Caxamarca über die Bergstadt Micuipampa (in 11140 Fuß Höhe bei den berühmten Silbergruben von Chota) und über Montan den westlichen Abfall der Cordilleren von Peru. Hier genossen sie auf dem Alto de Guangamarca zum ersten male von einer Höhe von 9000 Fuß herab des langersehnten Anblicks der Südsee. Sie gelangten bei Truxillo an die Küste und gingen durch die wasserarme Sandwüste von Niederperu bis zu dem mit Gärten umgebenen Lima. Nachdem einer der Hauptzwecke der peruanischen Reise, die Beobachtung des Durchgangs des Mercur durch die Sonne erfüllt war, schifften sie sich Ende December 1802 von Callao nach Guayaquil ein, und landeten am Schlusse einer zweiten ermüdenden Fahrt in Acapulco den 23. März 1803. Über Tasco und Cuernaraca erreichten sie im April die Hauptstadt Mexicos, wo sie einige Monate verweilten und dann nach Norden gewendet Guanaxuato und Valladolid besuchten, die Provinz Mechoacan durchstreiften, der Küste der Südsee nahe, den erst 1759 ausgebrochenen Vulkan von Jorullo maßen und über Toluca nach Mexico zurückkehrten. Ein nochmaliger Aufenthalt in dieser damals sehr reichen und durch die Bildung der höhern Einwohnerclassen ausgezeichneten Stadt wurde zur Ordnung der reichen Sammlungen und zur Zusammenstellung der vielseitigen Beobachtungen verwendet. Im Januar 1804 gingen die Reisenden, nachdem sie vorher den Vulkan von Toluca (14232 Fuß) und den Cofre de Perote (12588 Fuß) bestiegen und gemessen, durch die Eichenwälder von Xalapa, die schon in einer Höhe von 2860 Fuß über der Meeresfläche anfangen, nach Veracruz hinab, wo sie dem damals wieder unerwartet ausgebrochenen Schwarzen Erbrechen (Vomito prieto) entkamen. Das barometrische Nivellement des östlichen Abfalls des Hochlandes von Mexico (7000--7200 Fuß) gegen Veracruz hin konnte nun mit dem früher vollendeten Nivellement des westlichen Abfalls nach Acapulco an der Südsee verglichen werden. Aus beiden wurden von Meer zu Meer die Profile (senkrechte Projectionen) construirt, die ersten, die man je von einem ganzen Lande bis dahin gegeben hatte. Am 7. März 1804 verließ Humboldt die mexicanische Küste, segelte auf der königlichen Fregatte "La O" nach der Havana, wo er wieder zwei Monate verweilte und die Materialien vervollständigte, die ihm zu seinem Werke: "Essai politique sur l'eile de Cuba" gedient haben. Am 29. April 1804 schiffte er sich mit Bonpland und Carlos Montufar nach Philadelphia ein. Die Überfahrt dauerte 20 Tage, sie war in der Bahamastraße bei Nordwinden gefahrvoll stürmisch. Humboldt konnte nur wenige Wochen lang in Washington sich der freundschaftlichen Aufnahme bei dem edeln Präsidenten Jefferson erfreuen. Er verließ ungern den Neuen Continent den 9. Juli in der Mündung des Delaware und landete den 3. Aug. 1804 in Bordeaux, an Sammlungen, besonders aber an Beobachtungen aus dem großen Gebiete der Naturwissenschaften, der Geographie und Statistik vielleicht reicher als irgend ein früherer Reisender." "Humboldt wählte Paris zum Aufenthalte, indem kein Ort des Continents damals einen gleich zugänglichen Schatz von wissenschaftlichen Hülfsmitteln darbot, keiner ebenso viel große und thätige Forscher einschloß als jene Hauptstadt. Er hatte bei seiner Ankunft die Freude, dort die geistreiche Gattin seines Bruders mit ihren Kindern zu finden. Den Bruder selbst fesselten gelehrte Arbeiten und Geschäfte als preußischer Gesandter in Rom. Die vorläufige Anordnung der Sammlungen und zahlreichen Manuscripte, mehr aber noch chemische Arbeiten über das Verhältniß der Bestandtheile der Atmosphäre, gemeinschaftlich mit seinem Freunde Gay- Lussac in dem Laboratorium der Ecole polytechnique unternommen, verlängerten Humboldt's Aufenthalt in Paris bis zum März 1805. Er trat nun, begleitet von Gay-Lussac, der einen langdauernden Einfluß auf seine chemische Thätigkeit ausgeübt hat, eine Reise nach Italien (Rom und Neapel) an, wo sie vom 1. Mai bis 17. Sept. 1805 verblieben. Leopold von Buch war ihr Gefährte in Neapel und auf der Rückreise durch die Schweiz nach Berlin, welches Humboldt am 16. Nov. nach einer neunjährigen Abwesenheit wiedersah. Gay-Lussac verließ seinen Freund und Mitarbeiter im Winter 1806. Das Unglück des Vaterlandes im October 1806 und die Hoffnung, die durch den schmachvollen Tilsiter Frieden aufgelegten Lasten mittels einer Negociation zu vermindern, brachte die Regierung zu dem Entschluß, den jüngsten Bruder des Königs, den durch persönliche Tapferkeit und Anmuth der Sitten gleich ausgezeichneten Prinzen Wilhelm von Preußen zum Kaiser Napoleon im Frühjahr 1808 nach Paris zu senden. Humboldt, der sich während der französischen Besetzung von Berlin in einem einsamen Garten eifrigst mit stündlichen magnetischen Declinationsbeobachtungen beschäftigte, erhielt sehr unvermuthet den Befehl des Königs, den Prinzen Wilhelm auf seiner schwierigen politischen Mission zu begleiten, und ihm durch seine genaue Bekanntschaft mit damals einflußreichen Personen wie durch größere Welterfahrung nützlich zu werden. Der Aufenthalt des Prinzen Wilhelm, dem als Adjutant ein nachmals lieber Verwandter F. von Hedemann beigegeben war, dauerte bis zum Herbst 1809, und da der Zustand von Deutschland es unmöglich machte, die Herausgabe so vielumfassender, von keinem Gouvernement unterstützter Reisewerke (in der Folio- und Quartausgabe 29 Bände mit 1425 gestochenen, zum Theil farbigen Kupfertafeln) auf deutschem Boden zu wagen, so erhielt Humboldt von dem Könige Friedrich Wilhelm III., der ihm persönliches Wohlwollen schenkte, die Erlaubniß, als eines der acht auswärtigen Mitglieder der pariser Akademie der Wissenschaften, in Frankreich zu verbleiben. Er hat so seinen dauernden Wohnsitz, kleine Abwesenheiten abgerechnet, fast 20 Jahre lang (von 1808--27) in Paris gehabt. Als sein älterer Bruder nach vollbrachter Stiftung der berliner Universität als Gesandter (1810) nach Wien ging und die oberste Leitung des Unterrichtswesens im preußischen Staate aufgab, wurde dem jüngern Bruder dieselbe von dem Staatskanzler Freiherrn von Hardenberg sehr dringend (ohne oder auch mit dem Ministertitel) angeboten. Humboldt zog es vor, sich eine freie, unabhängige Lage als Gelehrter zu erhalten, weil die Herausgabe seiner astronomischen, zoologischen und botanischen Werke, trotz der treuen Hülfe von Oltmanns, Bonpland und Kunth noch nicht weit genug vorgerückt war. (Seine lateinische Schrift: "De distributione geographica plantarum secundum coeli temperiem et altitudinem montium" erschien erst 1817.) Dazu hatte er den bestimmten Entschluß gefaßt, eine zweite wissenschaftliche Expedition nach Oberindien, dem Himalaya und Tibet zu unternehmen. Um sich zu derselben vorzubereiten, war er mehre Jahre lang eifrig unter Sylvestre de Sacy und Andre de Nerciat mit Erlernung der persischen Sprache (als der leichtern unter denen des Orients) beschäftigt. Da zu dieser Zeit (1812) der Kaiser Alexander, von Sibirien aus über Kaschgar und Yarkand eine wissenschaftliche Expedition nach der tibetanischen Hochebene angeordnet hatte, so wurde Humboldt von dem Reichkanzler, Grafen Romanzow, der ihn persönlich kannte und seinen Unternehmungsgeist schätzte, aufgefodert, sich der russischen Expedition anzuschließen. Humboldt nahm ein solches Anerbieten willig an; der Ausbruch des Kriegs zwischen Frankreich und Rußland vereitelte aber die schöne Aussicht, die Geognosie des Himalaya und Kuen-lün mit der der Andeskette vergleichen zu können. Die großen politischen Veränderungen vom März 1814 bis November 1815, zwischen dem ersten und zweiten Pariser Frieden, veranlaßten Humboldt zu mehrfachen Reisen. Er ging nach England, das er seit 1790 nicht wieder gesehen, zuerst im Gefolge des Königs von Preußen, 1814, dann mit Arago, als sein Bruder, den er schon (1811) in Wien besucht hatte, Gesandter in London wurde; endlich (1818) von Paris aus mit Valenciennes, über London nach Aachen, wo der König und auch der Staatskanzler Fürst Hardenberg während des Congresses ihn in ihrer Nähe zu haben wünschten. Ebenso begleitete Humboldt den König zu dem Congreß von Verona und folgte ihm nach Rom und Neapel, von wo aus er die 13 Jahre früher mit Gay-Lussac und Leopold von Buch gemachten Messungen am Vesuv wiederholte. Nach der Rückreise von Verona, in dem so streng einbrechenden Winter von 1823, durch Tirol und Böhmen trennte er sich von dem Könige erst in Berlin, das er seit vollen 15 Jahren nicht besucht hatte. Der Wunsch des Monarchen, Humboldt in seiner Umgebung zu behalten und ihn für das Vaterland bleibend wiederzugewinnen, konnte erst im Frühjahr 1827 erfüllt werden. Humboldt ging damals, seinen dauernden Aufenthalt in Paris aufgebend, über London und Hamburg nach Berlin, wo er endlich das so lange entbehrte Glück genoß, mit seinem Bruder an einem Orte zu leben und vereint wissenschaftlich zu arbeiten. Die öffentlichen Vorlesungen, welche er über den Kosmos (die physische Weltbeschreibung) fast gleichzeitig in der großen Halle der Singakademie und in einem der Hörsäle der Universität hielt, fallen in diese frühere Epoche des berliner Aufenthalts, von Anfang November 1827 bis Ende April 1828. Das Buch vom Kosmos, welches nicht die Frucht dieser Vorlesungen ist, da die Grundlage davon schon in dem, während der peruanischen Reise geschriebenen und Goethe zugeeigneten "Naturgemälde der Tropenwelt" liegt, hat erst 1845, also 15 Jahre nach den berliner, 18 Jahre nach den pariser Vorlesungen zu erscheinen angefangen. Das Jahr 1829 bezeichnet in Humboldt's so viel bewegter Existenz eine ganz neue sehr wichtige Lebensepoche. Sie umfaßt die auf Befehl des Kaisers Nikolaus unternommene und großartig durch die edle Fürsorge des Staatsministers Grafen von Cancrin ausgestattete Expedition nach dem nördlichen Asien (Ural und Altai), nach der chinesischen Dzungarei und dem Kaspischen Meere. Die bergmännische Untersuchung der Gold- und Platinlagerstätten, die Entdeckung von Diamanten außerhalb der Wendekreise (sie glückte am 5. Juli 1829), astronomische Ortsbestimmungen und magnetische Beobachtungen, geognostische und botanische Sammlungen waren die Hauptzwecke einer Unternehmung, in der Humboldt von zweien seiner berühmten Freunde, Ehrenberg und Gustav Rose, begleitet war. Die Reise ging über Moskau, Kasan, die Ruinen des alten Bulghari nach Jekatherinenburg, den Goldseifenwerken des Ural und den Platinwäschen von Nishnei-Tagilsk, über Bogoslowsk, Werchoturje und Tobolsk nach dem Altai (Barnaul, dem malerischen Kolywanschen See, Schlangenberg und Ustkamenogorsk); von da nach den chinesischen Militärposten von Khonimailakhu, nahe am Dzaysansee in der Dzungarei. Von den mit ewigem Schnee bedeckten Bergen des Altai wendeten sich die Reisenden wieder gegen Westen, um den südlichen Ural zu erreichen. Von einem Pulk starkbewaffneter Kosacken immer begleitet, zogen sie durch die große Steppe von Ischim über Petropawlowsk, die Festung Omsk, Miask, wo 1842, in neun Fuß Tiefe, eine Goldmasse von 36 Kilogramm Gewicht gefunden worden ist, über den Salzsee Ilmen nach Slatust, dem hohen Taganay, Orenburg und dem weit berufenen, mächtigen Steinsalzstock von Ilezk in der Kirgisensteppe der Kleinen Horde. Um Astrakhan und das Kaspische Meer zu erreichen, mußte man wegen der vielen Regengüsse und Überschwemmungen den Weg über Uralsk, den Hauptsitz der uralischen Kosacken, Saratow, den Eltonsee, Dubowka (berühmt wegen der eine Kanalverbindung versprechenden Nähe der Flüsse Don und Wolga), Tsaritsyn und die schöne Herrnhutercolonie Sarepta in der Steppe der Kalmücken einschlagen. Nach einem interessanten Besuche bei dem Kalmückenfürsten Sered-Dschab, der sich und seinem Volke einen großen buddhaistischen Tempel hat bauen lassen, wurde die Rückkehr über Woronesh, Tula und Moskau genommen. Die ganze Expedition, welche in zwei Werken, in Gustav Rose's "Mineralogisch-geognostische Reise nach dem Ural, Altai und dem Kaspischen Meere (2 Bde., 1837--42); und in Humboldt's "Asie centrale, recherches sur les chaines de montagnes et la climatologie comparee" (3 Bde., 1843) beschrieben ist, hat etwas über neun Monate gedauert, in denen 2320 geographische Meilen (15 auf den Grad) zurückgelegt wurden. Das Jahr 1830 mit seinen großen Umwälzungen jenseit des Rheins gab den Beschäftigungen Humboldt's auf mehre Jahre eine politische Richtung, die deshalb doch nicht seiner wissenschaftlichen Laufbahn hinderlich geworden ist. Nachdem er den Kronprinzen im Mai 1830 nach Warschau zu dem letzten vom Kaiser Nikolaus persönlich eröffneten constitutionellen Reichstage und bald darauf den König in das Bad von Teplitz begleitet hatte, verbreitete sich die Kunde von dem Sturze der ältern Linie der bourbonischen Familie und der Thronbesteigung des Königs Ludwig Philipp. Humboldt, der lange schon in sehr naher Verbindung mit dem Orleans'schen Hause gestanden, ward vom König Friedrich Wilhelm III. beauftragt, die Anerkennung des neuen Monarchen nach Paris zu überbringen und von dort aus, mit Kenntniß des französischen Hofes, politische Berichte, zuerst vom September 1830 bis Mai 1832, dann in den Jahren 1834--35 nach Berlin einzusenden. Dieselben Aufträge wurden mit gleichem Vertrauen in den folgenden zwölf Jahren fünf mal wiederholt, sodaß Humboldt bei jeder Sendung wieder vier bis fünf Monate seinen Aufenthalt in Paris nahm. In diese Epoche fällt die Herausgabe der fünf Bände "Kritische Untersuchungen über die historische Entwickelung der geographischen Kenntnisse von der Neuen Welt im 15. und 16. Jahrhundert", nach dem französischen Original von Ideler ins Deutsche übersetzt. Humboldt's letzter Aufenthalt in Paris war vom October 1847 bis Januar 1848. Zwei kleinere Reisen außerhalb Deutschlands mit dem Könige Friedrich Wilhelm IV., die eine nach England zur Taufe des Prinzen von Wales (1841), die andere nach Dänemark (1845) sind ihrer Kürze wegen hier kaum zu erwähnen." Wenden wir uns zur Darstellung der wissenschaftlichen Leistungen Humboldt's und des ebenso großen als wohlthätigen Einflusses, welchen er während eines langen und höchst arbeitsamen Lebens auf die Naturforschung ausgeübt hat, so stoßen wir auf einen hier kaum zu bewältigenden Stoff. Die Thätigkeit der Naturforscher, zumal der Reisenden unter ihnen, pflegt nach zwei Richtungen zu gehen. Sie bezweckt entweder die Anhäufung eines reichen Materials an Sachen, Beobachtungen und speciellen Untersuchungen, oder sie unternimmt die Verarbeitung der Resultate eigener und fremder Forschung zu einem Ganzen, welches entweder unterstützend und erweiternd an schon Vorhandenes sich anschließt , oder an die Stelle des unbrauchbar gewordenen Alten tritt. Seltener, als man meinen möchte, sind die Männer, die mit gleichem Glück nach beiden Richtungen arbeiten, denn es setzt die Verfolgung der letztern nicht nur tiefe, sondern auch sehr vielseitige positive Kenntnisse, großes Talent der Beobachtung und die Gabe des Generalisirens voraus, die Fähigkeit nämlich, an Thatsachen schnell und scharf jene wichtigen und bezeichnenden Seiten aufzufassen, wo sie mit andern sich verbinden lassen, andere unterstützen und sie erklären. Humboldt's Leistungen sind in beiden Beziehungen sehr groß, aber besonders sind diejenigen seiner Arbeiten merkwürdig und verdienstlich, wo er den Schatz eigener Erfahrungen und Beobachtungen mit den fremden aller Zeiten bis auf die Gegenwart herab in Verbindung bringt, und mit Klarheit die überraschendsten Resultate darlegt. Schon aus einem seiner frühesten, noch vor der Reise nach Amerika verfaßten Werke "Über die gereizten Muskel- und Nervenfasern" (2 Bde., Berl. 1797 --99) spricht dieser Geist, und nach Verlauf von fast einem halben Jahrhundert erkennt die inzwischen weit vorgeschrittene Physiologie die Genauigkeit und Schärfe jener Versuche über Galvanismus und die Wahrheit der meisten der aus ihnen gezogenen Folgerungen. Auf seinen Reisen Höhenmessungen mit Untersuchung der thermometrischen Verhältnisse und der Beschaffenheit des Bodens verbindend, und neben diesen tiefern Arbeiten es nicht verschmähend, Herbarien zu sammeln, gelangte Humboldt zu einem reichen Material, durch dessen geistreiche Combination unter seinen Händen eine neue Wissenschaft, die Pflanzengeographie, entstand. Zwar hatten schon Linne und einige seiner Nachfolger manche der hervorstechendsten Erscheinungen in der Verbreitung der Pflanzenwelt bemerkt, doch ohne Höhenangaben und Betrachtung der mittlern Temperaturen. Es blieb Humboldt das große Verdienst, eine unendliche Menge von Thatsachen, die zum Theil in den entlegensten Erdwinkeln beobachtet worden waren, mit den eigenen Erfahrungen in Zusammenhang zu bringen, ihre Verbindung mit den Lehren der Physik nachzuweisen und die Gesetze zu erläutern, nach welchen die unendlich formenreiche Pflanzenwelt über den weiten Erdkreis vertheilt ist. Können solche Untersuchungen an sich nicht isolirt angestellt werden, so führen sie zumal einen geistreichen Forscher auf Prüfung mancher scheinbar fernliegenden Frage, und so ist es denn geschehen, daß unter Humboldt's Händen die in ihrer altherkömmlichen Form ziemlich geistlose Botanik zu einer der anziehendsten der Naturwissenschaften wurde. Es gelang Humboldt nachzuweisen, welche gewaltige Einwirkung die stille und passive Pflanzenwelt auf Bildung des Bodens, auf den Zustand der Völker und auf die geschichtliche Entwickelung des Menschengeschlechts seit der Urzeit geübt hat. So viel Anziehendes hat für den Denkenden diese Verbindung der physikalischen Wissenschaften mit der menschlichen Geschichte, und so reich an unerwarteten Ergebnissen ist diese neue Betrachtungsweise, daß den von Humboldt entdeckten Weg alsbald eine bedeutende Zahl von Forschern zu verfolgen begann. Mit allem Rechte darf man daher Humboldt als den Gründer einer besondern Schule ansehen, die jetzt keineswegs in Deutschland allein wurzelt. Ist es auch nur Wenigen gelungen, dem Vorbilde sich fast gleichzustellen, so durchweht doch gegenwärtig der Geist, den wir nicht anstehen wollen als den Humboldt'schen zu bezeichnen, die höhern Leistungen aller europäischen naturwissenschaftlichen Reisenden. Je überraschender die Resultate sind, die durch Combination von Wissenschaften erreicht werden, welchen man ehedem keine engere Verwandtschaft zutraute, je wahrer sie sich erweisen, je freier die Humboldt'sche Naturforschung von mystischer Deutung und von Geheimsprache sich stets enthielt , je klarer und selbst den Mindergeweihten verständlich sie hintritt, um so sicherer wird sie für die Folgezeit ein Muster bleiben. Zu der innern Tüchtigkeit der Humboldt'schen Werke gesellen sich als nicht unbedeutende Nebeneigenschaften die poetische Auffassung der Natur, da wo es darauf ankommt, anschauliche Gesammtbilder zu entwerfen, und das Geschmackvolle der Form. Tausende von Lesern, welchen im Übrigen keine specielle Kenntniß der Naturwissenschaften zu Gebote stand, haben sich durch Humboldt's Naturgemälde der Tropenländer hingerissen gefühlt. Die Arbeiten Humboldt's in einzelnen Fächern sind staunenswerth durch ihren Umfang und die Mannichfaltigkeit ihrer Richtung. Ein großer Theil der weitschichtigen spanischen Colonien in der Neuen Welt war zu Anfang dieses Jahrhunderts kaum an den Küsten bekannt, und selbst den besten Karten durfte nur beschränktes Vertrauen geschenkt werden. Mehr als 700 Ortsbestimmungen, welche Humboldt auf astronomischem Wege gewann und fast alle während der Expedition selbst berechnete, sind von Oltmanns neu untersucht und mit ältern verglichen worden, eine Arbeit, die in zwei Quartbänden unter dem Titel "Recueil d'observations astronomiques, d'operations trigonometriques et de mesures barometriques, faites par A. de Humboldt, redigees et calculees d'apres les tables les plus exactes par Jabbo Oltmanns" (1810) erschienen ist. Von Humboldt selbst theils auf der Reise, theils in Paris gezeichnet sind die Karten des Orinoco, des Magdalenenstroms, der größere Theil des Atlas von Mexico u. s. w. Mit dem Barometer in der Hand legte Humboldt Reisen, wie jene von Bogota bis Lima zurück, mit ihm erstieg er den Pic von Teneriffa, den Chimborasso, Antisana, Toluca, Perote und zahlreiche andere Bergspitzen, und so erlangte er 459 Höhenbestimmungen, die oft durch trigonometrische Messung unterstützt, für die Hypsometrie Amerikas unschätzbare Materialien lieferten, und für manche Provinzen bis jetzt die einzigen geblieben sind. Die später von ihm in Deutschland und Sibirien vorgenommenen Messungen und die Combination dieser umfangreichen eigenen Arbeiten mit denjenigen, die andere Reisende in den meisten zugänglichen Weltgegenden gemacht hatten, gaben Humboldt Veranlassung zu Zusammenstellungen, welche auf die Geographie den mächtigsten Einfluß ausübten, für die Lehre aber von der Verbreitung der Organismen die unentbehrlichsten Stützen bildeten. Die Klimatologie steht in enger Verbindung mit den Forschungen über Bodenbildung; auch sie hat durch Humboldt Aufklärung und viele Erweiterung erhalten. Auf seine mit großer Genauigkeit geführten Tagebücher über meteorologische, thermometrische und elektrische Zustände begründete er jene Darstellung des Klima der durchreisten Länder, welche später durch Boussingault, Pentland und Andere glänzende Bestätigung erhielten; indem er in gewohnter Weise Alles, was in diesen Beziehungen aus der übrigen Welt zu seiner Kenntniß gelangte, verarbeitete, legte er den Grund zu einer vergleichenden Klimatologie. Ursprünglich zum Geognosten gebildet, aber frühzeitig emancipirt von den zu Ende des vorigen Jahrhunderts geltenden Ansichten, wendete er vorzugsweise der geognostischen Erforschung Amerikas seine Aufmerksamkeit zu und trug durch mehre specielle Werke und ein vortreffliches Gesammtbild der Gebirgsbildung Amerikas, die er später mit derjenigen Europas und Asiens verglich, nicht zur Kenntniß Amerikas allein bei, sondern zur festen Begründung der zwar noch jungen, aber mit äußerster Schnelligkeit sich entwickelnden Wissenschaft der Geognosie. Die vulkanischen Erscheinungen der gewaltigen Feuerberge von Quito und Mexico und des unbedeutendern Vesuv fanden nacheinander an Humboldt einen scharfen Beobachter und glücklichen Erklärer. Unterstützt von Bonpland, welchem zumal die Anlegung von Sammlungen überlassen war, sammelte Humboldt in Amerika viele sehr wichtige Beobachtungen über die Verbreitung, den Nutzen, ja sogar über den Bau der Pflanzen, die er dann wieder in ihrer Verbindung mit den verschiedenen Menschenracen betrachtete, oder als cultivirte unter dem politisch ökonomischen Gesichtspunkte erwog. Mehre botanische Prachtwerke streng systematischen Inhalts, die er in Verbindung mit Bonpland herausgab, beweisen, daß er auch in dieser minder lohnenden Richtung zu arbeiten völlig befähigt sei; sein botanisches Hauptwerk bleibt jenes über die Geographie der Pflanzen. Das von ihm und Bonpland gesammelte reiche Herbarium, welches über 5000 Species phanerogamischer Pflanzen und unter diesen wegen der damaligen Unzugänglichkeit von Südamerika und dem mexicanischen Hochlande 3600 neue darbot, hat später K. S. Kunth in einem großen Werke beschrieben. Auch die Zoologie verdankt jener Reise nicht unansehnliche Vermehrungen, die in einer Section des Humboldt'schen Reisewerks niedergelegt sind. Ein anderes kostbares Werk, reich an kunstvoll gearbeiteten Abbildungen, entstand durch Humboldt's Bestreben, die großen Naturscenen der Andenkette und die Denkmäler einer untergegangenen Civilisation der Ureinwohner den Europäern bildlich vorzuführen. Zum ersten male sah man in Europa Landschaften, die mit künstlerischer Auffassung naturhistorische Treue verbanden. Sie verdrängten die phantastischen Machwerke früherer Zeiten und begründeten jene naturhistorische Landschaftsmalerei, die in der Gegenwart durch Rugendas und andere deutsche und ausländische Künstler zu einer hohen Vollkommenheit gebracht ist. Das Studium der großen Bauwerke der alten Mexicaner und Peruaner führte Humboldt in seinem Werke "Monuments des peuples indigenes de l'Amerique" zu Untersuchungen über die Sprachen, die noch erhaltenen Handschriften, die Zeiteintheilung, den Culturstand und die Wanderungen der ältern Bewohner jener Länder, und lohnend gestaltete sich der Vergleich mit den Altägyptern und selbst den Südasiaten, da er die Verwandtschaft der durch weite Meere getrennten Völker erkennen ließ. Statistik und Ethnographie erhielten durch Humboldt's Reisen ungemein große Vermehrungen, denn keinem Fremden waren je die Archive der Colonien geöffnet worden. Indessen war auch hier die Verarbeitung der Materialien eine eigenthümliche, denn in dem mehre Bände umfassenden Musterwerke über das Königreich Neuspanien stehen nicht die trockenen statistischen Zahlenreihen allein da, sondern sie sind in Verbindung gebracht mit naturgeschichtlichen Thatsachen, sodaß beide sich gegenseitig erklären und verschiedene Lehren der Staatsökonomie unter einem völlig neuen Gesichtspunkte behandelt erscheinen. Vergleiche anzustellen über die Bodencultur unter verschiedenen Klimaten und in weit voneinander entfernten Ländern, über ihre Einträglichkeit, ihren Einfluß auf die Civilisation und sonach auf die geschichtliche Entwickelung und selbst die späte Zukunft der Völker, die Ebbe und die Flut metallischer Reichthümer zu erforschen, wie sie nach allen Seiten verändernd sich über einzelne Welttheile ergießen, je nachdem der Boden irgendwo neu erschlossen oder neue Verbindungswege zwischen Völkern entdeckt wurden, ist eine von Humboldt zuerst geübte philosophische und daher höhere Betrachtungsweise der Sätze der ältern Staatswirthschaftslehre. Es läßt sich denken, daß bei dieser Gewöhnung, keine Frage und kein Factum isolirt hinzustellen, sondern ihre Lösung in Combinationen zu suchen, die Werke Humboldt's Fundgruben des mannichfachsten Wissens, aber auch bändereich sein müssen; dennoch aber hat Humboldt es möglich gefunden, zahlreiche abgesonderte Untersuchungen (z. B. über die Entstehung des Stellenwerths der indischen Zahlen), theils allein, theils in Verbindung mit Andern anzustellen, oder mindestens zu ihnen anzuregen. Sein letztes Werk, die Geschichte der nautischen Geographie im Mittelalter, welche nur ein Historiker, der zugleich Astronom und Naturforscher war, schreiben konnte, seine gemeinsamen Arbeiten mit Gay-Lussac, die theils chemische waren, theils der Feststellung des magnetischen Äquators galten, seine große Entdeckung der Isothermen, die Versuche über die Gymnoten, wie über die Respiration der Fische und jungen Krokodile, eine Menge von Abhandlungen aus dem Gebiete der physischen Geographie und die Betheiligung an fremden Werken durch Lieferung von Beiträgen oder Anmerkungen, sind Beweise einer nimmer rastenden und Vieles und Großes in kurzer Zeit leistenden Thätigkeit. Alexander von Humboldt's Reisewerk erschien in sechs Abtheilungen. Die erste Abtheilung unter dem Titel: "Voyage aux regions equinoxiales du nouveau continent" zerfällt in zwei Sectionen, von denen die eine den historischen Bericht (3 Bde., Paris 1809-- 25, Fol. und 4., und 13 Bde., 1816--31, 8.; deutsch, 6 Bde., Stuttg. 1825--32, 8.) enthält, die andere durch die "Vues des Cordilleres et monuments des peuples indigenes de l'Amerique" (Paris 1810, gr. Fol., mit 69, zum Theil color. Kpfrn.; 2 Bde., Paris 1816, 8., mit 19 Kpfrn.) gebildet wird. Die zweite Abtheilung umfaßt "Observations de zoologie et d'anatomie comparee" (2 Bde., Paris 1805--32), die dritte den "Essai politique sur le royaume de la Nouvelle Espagne" (2 Bde., Paris 1811, 4., mit Atlas; Text besonders 5 Bde., Paris 1811, 8.; 2. Aufl., 4 Bde., 1825, 8; deutsch, 2 Bde., Stuttg. und Tüb. 1811), die vierte die "Observations astronomiques, operations trigonometriques et mesures barometriques, redigees et calculees par Jabbo Oltmanns" (2 Bde., Paris 1808--10, 4.). In der fünften Abtheilung hat Humboldt seine Beobachtungen über die "Physique generale et geologie" (Paris 1807, 4.) niedergelegt. Die sechste, der Botanik gewidmete Abtheilung endlich vereinigt in sich: 1) "Plantes equinoxiales, recueillies au Mexique, dans l'eile de Cuba etc." (2 Bde., Paris 1805--18, gr. Fol., mit 144 Kpfrn.); 2) "Monographie des Melastomes et autres genres du meme ordre" (2 Bde., Paris 1806--23, gr. Fol., mit 120 color. Kpfrn.); 3) "Nova genera et species plantarum quas in peregrinatione ad plagam aequinoctialem orbis novi collegerunt, descripserunt et adumbraverunt A. Bonpland et A. de Humboldt, in ordinem digessit C. S. Kunth" (7 Bde., Paris 1815--25, in 4. und Fol., mit 700 Kpfrn.); 4) "Mimoses et autres plantes legumineuses du nouveau continent, redigees par C. S. Kunth" (Paris 1819--24, gr. Fol., mit 60 color. Kpfrn.); 5) "Synopsis plantarum quas in itinere ad plagam aequinoctialem orbis novi collegerunt A. de Humboldt et A. Bonpland, autore C. S. Kunth (4 Bde., Strasb. und Paris 1822--26, 8.); 6) "Revision des graminees publiees dans les nova genera et species plantarum de MM. de Humboldt et Bonpland; precedee d'un travail sur cette famille, par C. S. Kunth" (2 Bde., Paris 1829--34, gr. Fol., mit 220 color. Kpfrn.). Sonst hat Humboldt außer den bereits oben genannten seit seiner Rückkehr nach Europa noch folgende größere Arbeiten veröffentlicht: "Ansichten der Natur" (Stuttg. 1808; 3. Aufl., 2 Bde., 1849); "Essai sur la geographie des plantes et tableau physique des regions equinoxiales" (Paris 1805; deutsch, Stuttg. 1807); "De distributione geographica plantarum secundum coeli temperiem et altitudinem montium prolegomena (Paris 1817; deutsch von Beilschmied, Bresl. 1831); "Essai geognostique sur le gisement des roches dans les deux hemispheres" (Strasb. 1823 und 1826); "Essai politique sur l'eile de Cuba" (2 Bde., Paris 1827); "Examen critique de l'histoire de la geographie du nouveau continent et des progres de l'astronomie nautique aux quinzieme et seizieme siecles" (5 Bde., Paris 1836--38; deutsch von Ideler, Bd. 1--3, Berl. 1836--39); Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung" (Bd. 1--3, Stuttg. 1845--52).