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Das Maiheft der A. M. S. berichtet Seite 257 über das DoctorjubiläumLichtensteins in Berlin. Die Rede, welche Humboldt
vor der Büstedes Gefeierten hielt, lautete: „Die stille und einfache
Feier, zu der wir unshier bei Einweihung eines kleinen Denkmals versammeln,
würde von ihremeigenthümlichen Charakter verlieren, wenn ich versuchte, durch
den Schmuckder Rede den Ausdruck des Gefühls zu beleben, welches die Freunde
undVerehrer eines edeln, vielseitig begabten Mannes heute hier vereinigt
hat.Den Vorzug, das Wort zu nehmen, verdanke ich nicht meinem
Uralter;nicht der Gemeinschaft allein, die mir mit ihm geworden ist in der
Aka-demie der Wissenschaften, auf der Universität, an welcher auch ich
einmalzu lehren versucht habe, oder durch gleiche Bestrebungen als
Reisender.Ich verdanke den Vorzug der Freundschaft und innigen Achtung,
welcheich dem leider heute von uns Entfernten seit meiner ersten Rückkehr in
dasdeutsche Vaterland gewidmet habe. Martin Heinrich Karl Lichtenstein,
dessenclassisch gebildeter Vater auch mir als Jüngling aufmunterndes
Wohlwollenbezeigte, war im Jahr 1780 zu Hamburg geboren, und erhielt (was
dieFeier des heutigen Tags bezeichnet) im Jahr 1802, also in demselben
Jahr,in welchem er seine denkwürdige südafrikanische Reise antrat, die
medi-cinische Doctorwürde. Ein Erdraum, in welchem die mannigfaltigsten
unddabei auch die mächtigsten und gefürchtetsten Thiergestalten
wundersamund mehr als in irgend einem andern zusammengedrängt sind, bot
demjungen, lebensfrischen, sorgsam vorbereiteten Naturforscher ein
herrlichesund damals noch minder ausgebeutetes Feld der Bearbeitung dar.
Nebender Form und den specifischen Kennzeichen, neben der Lebensweise
undden Sitten der grössern Thiere wurden von ihm auch die kleinern
Orga-nismen wissenschaftlich beobachtet, ja schätzbare entomologische und
bota-nische Sammlungen heimgebracht. Für ein erregbares Gemüth hat der
un-mittelbare Contact mit der freien und dazu noch mit einer so
mächtigenNatur einen Werth, welcher nicht allein nach der Zahl der
neuentdecktenoder aufbewahrten Gegenstände geschätzt werden darf; es wohnt
diesemVerkehr inne eine treibende Kraft, die den ganzen Menschen (ihm selbst
fastunbewusst) durchdringt, im Lehrer sich auf die Hörenden reflectirt, so
dassmitgetheilt wird, da wo Empfänglichkeit ist, mehr als Unterricht, eine
inneredauernde Belebung. Zum ordentlichen Professor der Zoologie an
dieserHochschule befördert, schon fünf Jahre nach seiner Landung in Holland
undnur ein Jahr nach seiner Ankunft in Berlin, wurde Lichtenstein später
beidem Tode des scharfsinnigen und verdienstvollen Illigers 1813 Director
deszoologischen Museums, einer Anstalt, die, damals bloss reich an den
einstin der Kunstkammer aufbewahrten Corallen, keineswegs einen solchen
Namenverdiente. Der Gründer des Berliner zoologischen Museums darf
Lichten-stein genannt werden, wenn man die ältesten Zustände mit den
folgendenvergleicht. Die Sammlungen, welche diese Räume schmücken, sind
aberausgezeichnet nicht bloss durch Seltenheit und Fülle der Gegenstände,
diegrossentheils mit eingeschränkten Mitteln erworben wurden, und unter
denendie entomologischen, von einem tiefen Kenner, meinem vieljährigen
Freund,dem geheimen Obermedicinalrath Klug, geordnet, einen europäischen
Rufhaben; sie sind es eben so sehr durch die systematische und
geographische|454| Übersicht, die sie gewähren, durch
die treffliche naturgetreue Präparationder aufgestellten Thierarten, einen
Vorzug, welcher dem unermüdlichenFleiss und dem erfinderischen technischen
Kunstgeschick des InspectorsRammelsberg verdankt wird. Die bewundernswürdig
vielseitige ThätigkeitDessen, den wir hier feiern, wird bezeugt durch die
anspruchlose, lehrreiche,auch für die Form- und Sittenverschiedenheit der
Völkerstämme wichtigeBeschreibung seiner Cap-Reise, durch eine Reihe schöner
zoologischer Ab-handlungen in den Schriften der Akademie, durch die Sorgfalt,
die er vier-zig Jahre lang diesen dem freiesten Gebrauch geöffneten Sammlungen
undseinem Lehramt an der Universität gewidmet hat. Ich würde Tadel
verdienen,wenn ich eines andern Instituts, das er unter den schwierigsten
Verhält-nissen ins Leben gerufen und für dessen Entwicklung und Erhaltung er
mitso ausdauernder Anstrengung gekämpft, hier nicht erwähnte. In
innigemZusammenhang mit den Zwecken des Museums bietet der zoologische
Garten,der dieser Hauptstadt bisher fehlte, durch seine kleine Thierwelt wie
durchseine geschmackvollen und anmuthigen Pflanzungen dem Naturforscher
Stoffzur Beobachtung, allen, und (was am meisten erfreut) selbst den
ärmernVolksclassen, eine erheiternde Belehrung dar. Das anspruchlose
Denkmal,welches wir einweihen, ist das gelungene Werk eines sinnigen
Künstlers,Albert Wolf, dem sein von unserm grossen Meister geehrtes Talent
eineglänzende Zukunft verheisst. Möge es bleibend und für späte Zeiten
einedankbare Erinnerung an Den sein, der, selbst noch so kräftig, aber
nichtungeprüft von harten tief erschütternden Schlägen des Schicksals, auf
einreiches, rühmlich angewandtes, Vielen hülfreiches Leben zurückblickt!
Durchdie persönliche Huld zweier Könige geehrt, hat er, immer mässig,
zuvor-kommend und milde, in den weitesten Lebenskreisen eines liebevollen
Ver-trauens genossen. Durch die Ehre, welche unbestritten dem Einzelnen
gezolltwird, erneuert und belebt sich das Gefühl von der ernsten Würde des
Stu-diums der Natur. Es erhöht und veredelt in erregbaren Gemüthern und
beiglücklichen Anlagen die geistige Existenz des Menschen; es offenbart,
woes im stillen Frieden des Innern gepflegt wird, seinen wohlthätigen
Einflussauf Erweiterung und Verschönerung der freien Gedankenwelt.“