A. v. Humboldt bei Lichtenſteins Jubelfeier. Das Amtsjubelfeſt des ordentlichen Profeſſors der Berliner Univerſität und Mitglieds der königl. Akademie der Wiſſenſchaften, geheimen Medicinalraths Dr. Lichtenſtein, wurde am 26 April in Abweſenheit des Jubilars, welcher damit einer öffentlichen Feier ausweichen wollte, durch Aufſtellung ſeiner Büſte in der zoologiſchen Sammlung begangen. Wir haben darüber bereits ausführlich berichtet. Humboldts Rede lautete: „Die ſtille und einfache Feier, zu der wir uns hier bei Einweihung eines kleinen Denkmals verſammeln, würde von ihrem eigenthümlichen Charakter verlieren wenn ich verſuchte durch den Schmuck der Rede den Ausdruck des Gefühls zu beleben, welches die Freunde und Verehrer eines edeln, vielſeitig begabten Mannes heute hier vereinigt hat. Den Vorzug das Wort zu nehmen verdanke ich nicht meinem Uralter; nicht der Gemeinſchaft allein die mir mit ihm geworden iſt in der Akademie der Wiſſenſchaften, auf der Univerſität an welcher auch ich einmal zu lehren verſucht habe, oder durch gleiche Beſtrebungen als Reiſender. Ich verdanke den Vorzug der Freundſchaft und innigen Achtung, welche ich dem leider heute von uns Entfernten ſeit meiner erſten Rückkehr in das deutſche Vaterland gewidmet habe. Martin Heinrich Karl Lichtenſtein, deſſen claſſiſch gebildeter Vater auch mir als Jüngling aufmunterndes Wohlwollen bezeigte, war im Jahr 1780 zu Hamburg geboren, und erhielt (was die Feier des heutigen Tags bezeichnet) im Jahr 1802, alſo in demſelben Jahr in welchem er ſeine denkwürdige ſüdafrikaniſche Reiſe antrat, die mediciniſche Doctorwürde. Ein Erdraum in welchem die mannichfaltigſten und dabei auch die mächtigſten und gefürchtetſten Thiergeſtalten wunderſam und mehr als in irgendeinem andern zuſammengedrängt ſind, bot dem jungen, lebensfriſchen, ſorgſam vorbereiteten Naturforſcher ein herrliches und damals noch minder ausgebeutetes Feld der Bearbeitung dar. Neben der Form und den ſpecifiſchen Kennzeichen, neben der Lebensweiſe und den Sitten der größern Thiere wurden von ihm auch die kleinern Organismen wiſſenſchaftlich beobachtet, ja ſchätzbare entomologiſche und botaniſche Sammlungen heimgebracht. Für ein erregbares Gemüth hat der unmittelbare Contact mit der freien und dazu noch mit einer ſo mächtigen Natur einen Werth welcher nicht allein nach der Zahl der neuentdeckten oder aufbewahrten Gegenſtände geſchätzt werden darf; es wohnt dieſem Verkehr inne eine treibende Kraft die den ganzen Menſchen (ihm ſelbſt faſt unbewußt) durchdringt; im Lehrer ſich auf die Hörenden reflectirt: ſo daß mitgetheilt wird, da wo Empfänglichkeit iſt, mehr als Unterricht, eine innere dauernde Belebung. Zum ordentlichen Profeſſor der Zoologie an dieſer Hochſchule befördert, ſchon fünf Jahre nach ſeiner Landung in Holland und nur ein Jahr nach ſeiner Ankunft in Berlin, wurde Lichtenſtein ſpäter bei dem Tode des ſcharfſinnigen und verdienſtvollen Illigers 1813 Director des zoologiſchen Muſeums: einer Anſtalt die, damals bloß reich an den einſt in der Kunſtkammer aufbewahrten Corallen, keineswegs einen ſolchen Namen verdiente. Der Gründer des Berliner zoologiſchen Muſeums darf Lichtenſtein genannt werden wenn man die älteſten Zuſtände mit den folgenden vergleicht. Die Sammlungen welche dieſe Räume ſchmücken ſind aber ausgezeichnet nicht bloß durch Seltenheit und Fülle der Gegenſtände, die großentheils mit eingeſchränkten Mitteln erworben wurden, und unter denen die entomologiſchen, von einem tiefen Kenner, meinem vieljährigen Freund dem geheimen Obermedicinalrath Klug geordnet, einen europäiſchen Ruf haben: ſie ſind es ebenſo ſehr durch die ſyſtematiſche und geographiſche Ueberſicht die ſie gewähren; durch die treffliche naturgetreue Präparation der aufgeſtellten Thierarten: einen Vorzug welcher dem unermüdlichen Fleiß und dem erfinderiſchen techniſchen Kunſtgeſchick des Inſpectors Rammelsberg verdankt wird. Die bewundernswürdig vielſeitige Thätigkeit deſſen den wir hier feiern wird bezeugt durch die anſpruchloſe, lehrreiche, auch für die Form- und Sittenverſchiedenheit der Völkerſtämme wichtige Beſchreibung ſeiner Cap-Reiſe; durch eine Reihe ſchöner zoologiſcher Abhandlungen in den Schriften der Akademie; durch die Sorgfalt die er vierzig Jahre lang dieſen dem freieſten Gebrauch geöffneten Sammlungen und ſeinem Lehramt an der Univerſität gewidmet hat. Ich würde Tadel verdienen wenn ich eines andern Inſtituts, das er unter den ſchwierigſten Verhältniſſen ins Leben gerufen und für deſſen Entwicklung und Erhaltung er mit ſo ausdauernder Anſtrengung gekämpft, hier nicht erwähnte. In innigem Zuſammenhang mit den Zwecken des Muſeums bietet der zoologiſche Garten, der dieſer Hauptſtadt bisher fehlte, durch ſeine kleine Thierwelt wie durch ſeine geſchmackvollen und anmuthigen Pflanzungen dem Naturforſcher Stoff zur Beobachtung, allen, und (was am meiſten erfreut) ſelbſt den ärmern Volksclaſſen, eine erheiternde Belehrung dar. Das anſpruchloſe Denkmal welches wir einweihen iſt das gelungene Werk eines ſinnigen Künſtlers, Albert Wolff, dem ſein von unſerm großen Meiſter geehrtes Talent eine glänzende Zukunft verheißt. Möge es bleibend und für ſpäte Zeiten eine dankbare Erinnerung an den ſeyn der, ſelbſt noch ſo kräftig, aber nicht ungeprüft von harten tief erſchütternden Schlägen des Schickſals, auf ein reiches, rühmlich angewandtes, vielen hülfreiches Leben zurückblickt! Durch die perſönliche Huld zweier Könige geehrt, hat er, immer mäßig, zuvorkommend und milde, in den weiteſten Lebenskreiſen eines liebevollen Vertrauens genoſſen. Durch die Ehre welche unbeſtritten dem Einzelnen gezollt wird, erneuert und belebt ſich das Gefühl von der ernſten Würde des Studiums der Natur. Es erhöht und veredelt in erregbaren Gemüthern und bei glücklichen Anlagen die geiſtige Exiſtenz des Menſchen; es offenbart, wo es im ſtillen Frieden des Innern gepflegt wird, ſeinen wohlthätigen Einfluß auf Erweiterung und Verſchönerung der freien Gedankenwelt.“