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Alexander von Humboldt: „A. v. Humboldt bei Lichtensteins Jubelfeier“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1852-A_v_Humboldt_bei_Lichtensteins-1-neu> [abgerufen am 23.04.2024].

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https://humboldt.unibe.ch/text/1852-A_v_Humboldt_bei_Lichtensteins-1-neu
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Titel A. v. Humboldt bei Lichtensteins Jubelfeier
Jahr 1852
Ort Augsburg
Nachweis
in: Allgemeine Zeitung 127 (6. Mai 1852), Beilage, S. [2025].
Entsprechungen in Buchwerken
Rede bei der Aufstellung der Büste des geh. Medicinalrathes Professor Dr. Lichtenstein in dem zoologischen Museum am 26. April 1852 gehalten von Alexander von Humboldt, Separatum, Berlin: Buchdruckerei der königl. Akademie der Wissenschaften 1852, 6 Seiten.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur; Spaltensatz; Auszeichnung: Sperrung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: VII.27
Dateiname: 1852-A_v_Humboldt_bei_Lichtensteins-1-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 1
Spaltenanzahl: 2
Zeichenanzahl: 5978
Bilddigitalisate

Weitere Fassungen
A. v. Humboldt bei Lichtensteins Jubelfeier (Augsburg, 1852, Deutsch)
[A. v. Humboldt bei Lichtensteins Jubelfeier] (Leipzig, 1852, Deutsch)
|2025| |Spaltenumbruch|

A. v. Humboldt bei Lichtenſteins Jubelfeier.

Das Amtsjubelfeſt des ordentlichen Profeſſors der Berliner Univerſität undMitglieds der königl. Akademie der Wiſſenſchaften, geheimen Medicinalraths Dr. Lichtenſtein, wurde am 26 April in Abweſenheit des Jubilars, welcherdamit einer öffentlichen Feier ausweichen wollte, durch Aufſtellung ſeinerBüſte in der zoologiſchen Sammlung begangen. Wir haben darüber bereitsausführlich berichtet. Humboldts Rede lautete: „Die ſtille und einfache Feier, zu der wiruns hier bei Einweihung eines kleinen Denkmals verſammeln, würde vonihrem eigenthümlichen Charakter verlieren wenn ich verſuchte durch den Schmuckder Rede den Ausdruck des Gefühls zu beleben, welches die Freunde und Ver-ehrer eines edeln, vielſeitig begabten Mannes heute hier vereinigt hat. DenVorzug das Wort zu nehmen verdanke ich nicht meinem Uralter; nicht derGemeinſchaft allein die mir mit ihm geworden iſt in der Akademie der Wiſſen-ſchaften, auf der Univerſität an welcher auch ich einmal zu lehren verſucht habe,oder durch gleiche Beſtrebungen als Reiſender. Ich verdanke den Vorzug derFreundſchaft und innigen Achtung, welche ich dem leider heute von uns Ent-fernten ſeit meiner erſten Rückkehr in das deutſche Vaterland gewidmet habe.Martin Heinrich Karl Lichtenſtein, deſſen claſſiſch gebildeter Vater auch mirals Jüngling aufmunterndes Wohlwollen bezeigte, war im Jahr 1780 zuHamburg geboren, und erhielt (was die Feier des heutigen Tags bezeichnet)im Jahr 1802, alſo in demſelben Jahr in welchem er ſeine denkwürdige ſüd-afrikaniſche Reiſe antrat, die mediciniſche Doctorwürde. Ein Erdraum inwelchem die mannichfaltigſten und dabei auch die mächtigſten und gefürchtetſtenThiergeſtalten wunderſam und mehr als in irgendeinem andern zuſammen-gedrängt ſind, bot dem jungen, lebensfriſchen, ſorgſam vorbereiteten Natur-forſcher ein herrliches und damals noch minder ausgebeutetes Feld der Be-arbeitung dar. Neben der Form und den ſpecifiſchen Kennzeichen, neben derLebensweiſe und den Sitten der größern Thiere wurden von ihm auch diekleinern Organismen wiſſenſchaftlich beobachtet, ja ſchätzbare entomologiſcheund botaniſche Sammlungen heimgebracht. Für ein erregbares Gemüth hatder unmittelbare Contact mit der freien und dazu noch mit einer ſo mächtigenNatur einen Werth welcher nicht allein nach der Zahl der neuentdeckten oderaufbewahrten Gegenſtände geſchätzt werden darf; es wohnt dieſem Verkehrinne eine treibende Kraft die den ganzen Menſchen (ihm ſelbſt faſt unbewußt)durchdringt; im Lehrer ſich auf die Hörenden reflectirt: ſo daß mitgetheiltwird, da wo Empfänglichkeit iſt, mehr als Unterricht, eine innere dauerndeBelebung. Zum ordentlichen Profeſſor der Zoologie an dieſer Hochſchule be- |Spaltenumbruch| fördert, ſchon fünf Jahre nach ſeiner Landung in Holland und nur ein Jahrnach ſeiner Ankunft in Berlin, wurde Lichtenſtein ſpäter bei dem Tode desſcharfſinnigen und verdienſtvollen Illigers 1813 Director des zoologiſchenMuſeums: einer Anſtalt die, damals bloß reich an den einſt in der Kunſt-kammer aufbewahrten Corallen, keineswegs einen ſolchen Namen verdiente.Der Gründer des Berliner zoologiſchen Muſeums darf Lichtenſtein genanntwerden wenn man die älteſten Zuſtände mit den folgenden vergleicht. DieSammlungen welche dieſe Räume ſchmücken ſind aber ausgezeichnet nicht bloßdurch Seltenheit und Fülle der Gegenſtände, die großentheils mit einge-ſchränkten Mitteln erworben wurden, und unter denen die entomologiſchen,von einem tiefen Kenner, meinem vieljährigen Freund dem geheimen Ober-medicinalrath Klug geordnet, einen europäiſchen Ruf haben: ſie ſind es ebenſoſehr durch die ſyſtematiſche und geographiſche Ueberſicht die ſie gewähren;durch die treffliche naturgetreue Präparation der aufgeſtellten Thierarten:einen Vorzug welcher dem unermüdlichen Fleiß und dem erfinderiſchentechniſchen Kunſtgeſchick des Inſpectors Rammelsberg verdankt wird. Diebewundernswürdig vielſeitige Thätigkeit deſſen den wir hier feiern wird be-zeugt durch die anſpruchloſe, lehrreiche, auch für die Form- und Sitten-verſchiedenheit der Völkerſtämme wichtige Beſchreibung ſeiner Cap-Reiſe;durch eine Reihe ſchöner zoologiſcher Abhandlungen in den Schriften derAkademie; durch die Sorgfalt die er vierzig Jahre lang dieſen dem freieſtenGebrauch geöffneten Sammlungen und ſeinem Lehramt an der Univerſitätgewidmet hat. Ich würde Tadel verdienen wenn ich eines andern Inſtituts,das er unter den ſchwierigſten Verhältniſſen ins Leben gerufen und für deſſenEntwicklung und Erhaltung er mit ſo ausdauernder Anſtrengung gekämpft,hier nicht erwähnte. In innigem Zuſammenhang mit den Zwecken desMuſeums bietet der zoologiſche Garten, der dieſer Hauptſtadt bisher fehlte,durch ſeine kleine Thierwelt wie durch ſeine geſchmackvollen und anmuthigenPflanzungen dem Naturforſcher Stoff zur Beobachtung, allen, und (was ammeiſten erfreut) ſelbſt den ärmern Volksclaſſen, eine erheiternde Belehrungdar. Das anſpruchloſe Denkmal welches wir einweihen iſt das gelungeneWerk eines ſinnigen Künſtlers, Albert Wolff, dem ſein von unſerm großenMeiſter geehrtes Talent eine glänzende Zukunft verheißt. Möge es bleibendund für ſpäte Zeiten eine dankbare Erinnerung an den ſeyn der, ſelbſt noch ſokräftig, aber nicht ungeprüft von harten tief erſchütternden Schlägen desSchickſals, auf ein reiches, rühmlich angewandtes, vielen hülfreiches Lebenzurückblickt! Durch die perſönliche Huld zweier Könige geehrt, hat er, immermäßig, zuvorkommend und milde, in den weiteſten Lebenskreiſen eines liebe-vollen Vertrauens genoſſen. Durch die Ehre welche unbeſtritten dem Einzelnengezollt wird, erneuert und belebt ſich das Gefühl von der ernſten Würde desStudiums der Natur. Es erhöht und veredelt in erregbaren Gemüthern undbei glücklichen Anlagen die geiſtige Exiſtenz des Menſchen; es offenbart, woes im ſtillen Frieden des Innern gepflegt wird, ſeinen wohlthätigen Einflußauf Erweiterung und Verſchönerung der freien Gedankenwelt.“