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Alexander von Humboldt: „[Vorwort zum Gedenkbuch der Prinzessin von Preußen für die Dichterzimmer im Weimarer Schloss]“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1849-xxx_Vorwort_zum_Gedenkbuch-2> [abgerufen am 19.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1849-xxx_Vorwort_zum_Gedenkbuch-2
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Titel [Vorwort zum Gedenkbuch der Prinzessin von Preußen für die Dichterzimmer im Weimarer Schloss]
Jahr 1849
Ort Berlin
Nachweis
in: Die Göthefeier zu Berlin im Jahre 1849. Bericht von Holzapfel. Gedicht, Festreden, Trinksprüche […], Berlin: Hermann Schulze 1849, S. 20–22.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur; Auszeichnung: Sperrung.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: VI.129
Dateiname: 1849-xxx_Vorwort_zum_Gedenkbuch-2
Statistiken
Seitenanzahl: 3
Zeichenanzahl: 5889

Weitere Fassungen
[Vorwort zum Gedenkbuch der Prinzessin von Preußen für die Dichterzimmer im Weimarer Schloss] (Berlin, 1849, Deutsch)
[Vorwort zum Gedenkbuch der Prinzessin von Preußen für die Dichterzimmer im Weimarer Schloss] (Berlin, 1849, Deutsch)
A. v. Humboldt in ein Weimar-Album (Augsburg, 1849, Deutsch)
|20| Man glaubte der Verſammlung auch Mittheilung ſchuldigzu ſein über die Ausſichten und Hoffnungen, die ſich demGöthevereine zu der beabſichtigten Stiftung eröffnet. Es er-griff deshalb Direktor Auguſt das Wort und äußerte ſich fol-gendermaßen:„Ein Verein, der aus der Zeit deutſcher Erhebung inden Befreiungskriegen zu uns herüberreicht und welchem ſeitſeiner Begründung anzugehören ich das Glück habe, die Ber-liniſche Geſellſchaft für deutſche Sprache, Kunſt und Alterthum,hat ſchon bei Lebezeiten des großen Dichters ſeiner alljährlichan dem Tage ſeiner Geburt in feſtlichem Vereine gedacht undnach dem Tode deſſelben den 28. Auguſt zu einem ſtehendenFeſttage erhoben *). Die diesjährige Wiederkehr forderte vorallen zu größerer Feier auf und ſo entſtand der Wunſch, imganzen deutſchen Lande eine Anerkennung des großen Manneshervorzurufen und ein dauerndes Denkmal ſeiner Wirkung aufdie Geiſteswelt zu ſtiften. Der Aufruf der Geſellſchaft aneinige der bekannteſten Verehrer des Gefeierten fand freund-liche Aufnahme. Der Verein für eine deutſche Götheſtiftungtrat zuſammen und ſein Ruf an alle Deutſche, die Göthe zuwürdigen wiſſen, fand den erfreulichſten Anklang in ganzDeutſchland. Der Verein dankt zunächſt allen verehrten An-weſenden für die Verherrlichung dieſes gemüthlichen Feſtes,dann für die dadurch ausgeſprochene Theilnahme an der deut-ſchen Götheſtiftung. Der Zweck derſelben konnte bis jetzt nurallgemein hingeſtellt werden. Er gilt der deutſchen Kunſt.
*) Auf einem dieſer Feſte brachte am 81. Geburtstage des Gefeiertender Direktor Auguſt folgenden Trinkſpruch aus, den der Erfolg zur FrendeDeutſchlands bewährte:Hellas Geiſt, Thuiskons Muth,Hafts’ raſche Lebensgluth!Dieſe drei, das andre macht ſich.Es bleibt noch nicht bei, ein und achtzig!
|21| Nicht ein todtes Monument, vielmehr ein lebendiges fortwir-kendes Schaffen in Götheſchem Geiſte ſoll aus dieſer Stiftunghervorgehen. Den rechten Weg dazu wird der Rath der er-fahrenſten Verehrer des Gefeierten finden, die Mittel mögendie eingelieferten Sammlungen reichlich gewähren. Wir habendabei das freudige Bewußtſein, im Einverſtändniſſe mit denedlen Fürſten zu handeln, die in dem echt deutſchen Dichterfrüh den hohen Einfluß erkannten und förderten, der ihm aufdeutſche Kunſt gebührte, und die ſein Andenken im Volke inehrendſter Weiſe erhalten. In Weimars Schloſſe ſind beſon-dere Säle dem Andenken Göthe’s, Schiller’s und Herder’s ge-weiht. Eine hohe geiſtvolle Fürſtin, die Frau Prinzeſſin vonPreußen, welche auch für unſere Stiftung die erſte und reich-liche Spende darbot, hat in jenen Sälen ein ſchönes Gedenk-buch an die geiſtige Blüthezeit Weimars, die ihre eigene früheJugend erfriſchte, niedergelegt, zu welchem der Neſtor deutſcherWiſſenſchaft, Alexander von Humboldt, ein gehaltvollesVorwort geſchrieben hat. Da unſerer Geſellſchaft das Glück zuTheil geworden, dieſen Alexandros, den großen Kosmosfahrerin ihrer Mitte zu ſehen, ſo glaube ich den Wunſch aller zutreffen, wenn ich ihn um freundliche Mittheilung jenes Vor-worts im Namen der ganzen Geſellſchaft erſuche.“
Eine Stille, ſo feierlich wie in einem Gotteshauſe, nichtwie bei einer rauſchenden Feſtmahlsverſammlung, trat ein, alsder verehrte Mann ſich erhob. Alles erhob ſich mit ihm. Mitklangvoller, noch männlich kräftiger Stimme las er, der Achtzig-jährige, folgende Worte:„Wie das Leben der Natur den periodiſchen Wechſel üp-pigen Gedeihens und gehemmter Entwickelung darbietet, ſowechſeln auch die Geſchicke im geiſtigen Leben der Menſchheit.Bald ſtehen vereinzelt, durch Zeit und Raum getrennt, die gro-ßen Geſtalten, welchen die ſpäteſte Nachwelt Bewunderung zollt;bald zeigt uns die Geſchichte dieſelben an einander gedrängt,in befruchtender Nähe Licht und Wärme um ſich verbreitend.Was dieſe ungleiche Vertheilung wohlthätiger Elemente, wasein gleichzeitiges Aufkeimen edler Geiſtesblüthe begründet, bleibtunſerer Forſchung faſt gänzlich verhüllt. Zufall nennt es die|22| frevelnde Menge. Es mahnt vielmehr die Erſcheinung an jeneewigen Lichter der Himmelsräume, von denen die größeren baldeinſam zerſtreut, wie Sporaden im ungemeſſenen Meere, baldanmuthig in Gruppen vereinigt den frommen Sinn des Men-ſchen anregen, ahndungsvoll ihn auf des Ewigen unerkanntenWeltplan, auf noch unergründete Weltgeſetze hinleiten. Liegtaber das gleichzeitige Auftreten großer Geiſter außerhalb desBereiches jeglicher irdiſchen Macht, ſo iſt dem nicht ſo in derräumlichen Vereinigung und dem Zuſammenwirken der Kräfte.Es gewährt einen erhebenden Anblick, ein edles Herrſcherge-ſchlecht mehrere Generationen hindurch, hochherzig, von demGedanken beſeelt zu ſehen, durch jene Annäherung nicht bloßden Ruhm der Heimath oder den eigenen Genuß des Lebenszu erhöhen, ſondern auch, durch eine der Annäherung inwoh-nende begeiſternde Macht, den ſchaffenden Genius zu einemkühneren Fluge anzuregen. Dem Andenken an einen ſolchenEinfluß auf Erweiterung und Verſchönerung der freien Ge-dankenwelt, auf den Ausdruck zarter Empfindung, auf die Be-reicherung der Sprache (eines Productes des Geiſtes, in wel-chem der Volkscharakter, das Zeitbedürfniß und die individuelleFärbung ſich ſpiegeln) ſind ſinnig dieſe Blätter gewidmet. Sievergegenwärtigen, wie der künſtleriſche Schmuck der umgeben-den Räume, einen Glanzpunkt in der Geſchichte des geiſtigenLebens der Deutſchen. Sie mögen erhalten und nähren, wasdie Völker veredelt; neben der Bewunderung intellectuellerGröße ein lebendiges Dankgefühl, dem Andenken derer gezollt,die gaſtlich in milder, freundlicher Einfachheit der Sitte Für-ſtengröße in dem Zauber fanden, welchen ſie in ſo reichemMaaße ſelbſt hervorgerufen. Wenn, nach vielen Jahrhunder-ten, die hier heimiſchen Geſänge wie Stimmen aus der Vor-welt ertönen, wird ihre ungeſchwächte Kraft noch erfriſchend,belebend und beſſernd auf die ſpäteſten Geſchlechter wirken!“