— Es iſt uns geſtattet, unſern geehrten Leſern das Vorwort mitzutheilen, welches Alex. v. Humboldt für das große, in den Sälen des großherzogl. Schloſſes in Weimar, welche dem Andenken Göthe’s, Schiller’s, Wieland’s und Herder’s gewidmet ſind, ausgelegte Album verfaßt hat, und das ſich eben ſo ſehr durch die Fülle ſchöner und erhabener Gedanken, wie durch die wunderbare Gewalt uͤber die Mutterſprache auszeichnet, die darin entfaltet iſt. Wie das Leben der Natur den periodiſchen Wechſel uͤppigen Gedeihens und gehemmter Entwickelung darbietet, ſo wechſeln auch die Geſchicke im geiſtigen Leben der Menſchheit. Bald ſtehen vereinzelt, durch Zeit und Raum getrennt, die großen Geſtalten, welchen die ſpaͤteſte Nachwelt Bewunderung zollt, bald zeigt uns die Geſchichte dieſelben an einander gedrängt, in befruchtender Naͤhe, Licht und Waͤrme um ſich verbreitend. Was dieſe ungleiche Vertheilung wohlthaͤtiger Elemente, was ein gleichzeitiges Aufkeimen edler Geiſtesbluͤte begruͤndet, bleibt unſerer Forſchung faſt gaͤnzlich verhuͤllt. Zufall nennt es die frevelnde Menge. Es mahnt vielmehr die Erſcheinung an jene ewigen Lichter der Himmelsraͤume, von denen die groͤßeren, bald einſam zerſtreut wie Sporaden im ungemeſſenen Meere, bald anmuthig in Gruppen vereinigt, den frommen Sinn des Menſchen anregen, ahndungsvoll ihn auf des Ewigen unerkannten Weltplan, auf noch unergruͤndete Weltgeſetze hinleiten. Liegt aber das gleichzeitige Auftreten großer Geiſter außerhalb des Bereiches jeglicher irdiſchen Macht, ſo iſt dem nicht ſo in der raͤumlichen Vereinigung und dem Zuſammenwirken der Kraͤfte. Es gewaͤhrt einen erhebenden Anblick, ein edles Herrſcher-Geſchlecht mehrere Generationen hindurch, hochherzig, von dem Gedanken beſeelt zu ſehen, durch jene Annaͤherung nicht bloß den Ruhm der Heimath, oder den eigenen Genuß des Lebens zu erhoͤhen, ſondern auch, durch eine der Annaͤherung inwohnende, begeiſternde Macht, den ſchaffenden Genius zu einem kuͤhneren Fluge anzuregen. Dem Andenken an einen ſolchen Einfluß auf Erweiterung und Verſchoͤnerung der freien Gedankenwelt, auf den Ausdruck zarter Empfindung, auf die Bereicherung der Sprache (eines Productes des Geiſtes, in welchem der Volkscharakter, das Zeitbeduͤrfniß und die individuelle Faͤrbung ſich ſpiegeln) ſind ſinnig dieſe Blaͤtter gewidmet. Sie vergegenwaͤrtigen, wie der kuͤnſtleriſche Schmuck der umgebenden Raͤume, einen Glanzpunkt in der Geſchichte des geiſtigen Lebens der Deutſchen. Sie moͤgen erhalten und naͤhren, was die Voͤlker veredelt; neben der Bewunderung intellectueller Groͤße ein lebendiges Dankgefuͤhl, dem Andenken Derer gezollt, die gaſtlich in milder, freundlicher Einfachheit der Sitte, Fuͤrſtengroͤße in dem Zauber fanden, welchen ſie in ſo reichem Maße ſelbſt hervorgerufen. Wenn, nach vielen Jahrhunderten, die hier heimiſchen Geſaͤnge wie Stimmen aus der Vorwelt ertoͤnen, wird ihre ungeſchwaͤchte Kraft noch erfriſchend, belebend und beſſernd auf die ſpaͤteſten Geſchlechter wirken! Alex. v. Humboldt, im Juli 1849.