Vom hohen Alter der Bäume. Aus der dritten Auflage von A. v. Humboldts "Ansichten der Natur. (s. Nr. 225--228.) Wir glaubten im Abdruck dieses Abschnitts die zahlreichen Citate weglassen zu dürfen. D. Red. In einem Garten der Stadt Orotava auf Teneriffa steht ein kolossaler Drachenbaum, Dracaena draco. Wir fanden den Umfang desselben im Junius 1799, als wir den Pic von Teneriffa bestiegen, 45 Pariser Fuß. Unsere Messung geschah mehrere Fuß über der Wurzel. Noch tiefer, dem Boden näher, gibt Le Dru dem Riesenbaume 74 Fuß Umfang. Nach George Staunton hat in 10 Fuß Höhe der Stamm noch 12 Fuß Durchmesser. Die Höhe ist nicht viel über 65 Fuß. Die Sage geht, daß dieser Drachenbaum von den Guanchen (wie die Esche zu Ephesus von den Hellenen, die von Xerxes geschmückte Platane in Lydien, oder der heilige Banyanen-Feigenbaum auf Ceylon) verehrt wurde, und daß er 1402, bei der ersten Expedition der Bethencourts, schon so dick und so hohl als jezt gefunden ward. Bedenkt man, daß die Dracaena überaus langsam wächst, so kann man auf das hohe Alter des Baums von Orotava schließen. Berthelot sagt in seiner Beschreibung von Teneriffa: "en comparant les jeunes dragonniers, voisins de l'arbre gigantesque, les calculs qu'on fait sur l'age de ce dernier, effraient l'imagination." Der Drachenbaum wird auf den canarischen Inseln, auf Madera und Porto Santo seit den ältesten Zeiten kultivirt, und ein genauer Beobachter, Leopold von Buch, hat ihn auf Teneriffa bei Igueste selbst wild gefunden. Sein ursprüngliches Vaterland ist daher nicht Ostindien, wie man lange geglaubt hat, und seine Erscheinung widerspricht der Behauptung derer nicht, welche die Guanchen als ein völlig isolirtes, atlantisches Stammvolk, ohne Verkehr mit den afrikanischen und asiatischen Nationen, betrachten. Die Form der Dracänen ist wiederholt an der Südspitze von Afrika, auf Bourbon, in China und Neu-Seeland. In diesen entlegenen Weltgegenden findet man Arten desselben Geschlechts, keine aber im Neuen Continent, wo ihre Form durch die Yucca ersezt wird. Man behauptet, daß im fünfzehnten Jahrhundert, in den frühesten Zeiten der normännischen und spanischen Conquista, in dem hohlen Stamme des Drachenbaums von Orotava an einem dort aufgerichteten kleinen Altar Messe gelesen wurde. Leider hat derselbe in dem Sturm vom 21. Julius 1819 eine Seite seiner Krone (des Gipfels) eingebüßt. Es gibt einen schönen und großen englischen Kupferstich, der den gegenwärtigen Zustand des Baumes überaus naturgetreu darstellt. Das Monumentale jener kolossalen Lebensgestalten, der Eindruck der Ehrwürdigkeit, den sie bei allen Völkern erzeugen, haben Veranlassung dazu gegeben, daß man in neuern Zeiten mehr Sorgfalt auf die numerische Bestimmung des Alters und der Stammgröße verwandt hat. Die Resultate dieser Untersuchungen haben es dem Verfasser der wichtigen Abhandlung: "de la longevite des arbres." dem älteren Decandolle, Endlicher, Unger und andern geistreichen Botanikern nicht unwahrscheinlich gemacht, daß das Alter mehrerer noch lebenden Individuen bis zu den frühesten historischen Zeiten, wenn auch nicht des Nillandes, doch von Griechenland und Italien hinaufreicht. "Plusieurs exemples," sagt Decandolle, "semblent confirmer l'idee qu'il existe encore sur le globe des arbres d'une antiquite prodigieuse et peut-etre temoins de ses dernieres revolutions physiques. Lorsqu'on regarde un arbre comme un agregat d'autant d'individus soudes ensemble qu'il s'est developpe de bourgeons a sa surface, on ne peut pas s'etonner si, de nouveaux bourgeons s'ajoutant sans cesse aux anciens, l'agregat qui en resulte, n'a point de terme necessaire a son existence." Eben so sagt Agardh: "Wenn in der Pflanze mit jedem Sonnenjahre sich neue Theile erzeugen, und die älteren, erhärteten durch neue, der Saftführung fähige ersezt werden, so entsteht das Bild eines Wachsthums, welchen nur äußere Ursachen begrenzen." Die kurze Lebensdauer der Kräuter schreibt er "dem Uebergewicht des Blühens und Fruchtansetzens über die Blattbildung zu. Unfruchtbarkeit ist für die Pflanze eine Lebensverlängerung. Endlicher führt das Beispiel eines Exemplars von Medicago sativa an, welches 80 Jahre lebte, weil es keine Früchte trug. Mit den Drachenbäumen, die trotz der riesenhaften Entwicklung ihrer geschlossenen Gefäßbündel, nach ihren Blüthentheilen in eine und dieselbe natürliche Familie mit dem Spargel und den Gartenzwiebeln gesezt werden müssen, gehört die Adansonia (der Affenbrodtbaum, Baobab) gewiß zu den größten und ältesten Bewohnern unseres Planeten. Schon auf den ersten Entdeckungsreisen der Catalanen und Portugiesen hatten die Seefahrer die Gewohnheit in diese beiden Baumarten ihre Namen einzuschneiden: nicht immer bloß zu rühmlicher Erinnerung, sondern auch als marcos, d. h. als Zeichen des Besitzes, des Rechts, das sich eine Nation durch frühere Auffindung zuschreibt. Die portugiesischen Seefahrer zogen oft als marco oder Besitzzeichen das Einschneiden jenes schönen französischen Denkspruches vor, dessen sich der Infant Don Henrique der Entdecker häufig zu bedienen pflegte: talent de bien faire. So sagt Manuel de Faria y Sousa ausdrücklich in seiner Asia Portuguesa: "era uso de los primeros Navegantes de dexar inscrito el Motto del Infante, talent de bien faire, en la corteza de los arboles." Die älteste Beschreibung des Baobab (Adansonia digitata) ist die des Venetianers Aloysius Cadamosto (der eigentliche Name war Alvise da Ca da Mosto) von dem Jahre 1454. Er fand an der Mündung des Senegal, wo er sich mit Antoniotto Usodimare verband, Stämme, deren Umfang er 17 Klafter, also ohngefähr 102 Fuß, schäzte. Er hatte sich mit den früher gesehenen Drachenbäumen vergleichen können. Perrottet sagt in seiner Flore de Senegambie, daß er Affenbrodtbäume gesehen, die bei nur 70 bis 80 Fuß Höhe 30 Fuß Durchmesser hatten. Dieselben Dimensionen waren von Adanson in seiner Reise 1748 angegeben worden. Die größten Stämme des Affenbrodtbaums, welche er selbst sah (1749), theils auf einer der kleinen Magdaleneninseln nahe am grünen Vorgebirge, theils an der Mündung des Senegal, hatten 25 bis 27 Fuß Durchmesser bei 70 Fuß Höhe, mit einer 170 Fuß breiten Krone. Adanson sezt aber seiner Angabe hinzu, daß andere Reisende Stämme von 30 Fuß Durchmesser gefunden haben. Holländische und französische Seefahrer hatten mit 6 Zoll langen Buchstaben ihre Namen in die Bäume eingeschnitten. Eine dieser Inschriften war aus dem fünfzehnten, die andern alle aus dem sechzehnten Jahrhundert. Aus der Tiefe der Einschnitte, welche mit neuen Holzschichten überzogen sind, und aus der Vergleichung der Dicke solcher Stämme, deren verschiedenes Alter bekannt war, hat Adanson das Alter berechnet, und für 30 Fuß Durchmesser eine Lebensdauer von 5150 Jahren gefunden. Er sezt vorsichtig hinzu (ich ändere nicht seine bizarre Orthographie): le calcul de l'aje de chake couche n'a pas d'exactitude geometrike. In dem Dorfe Grand Galarques, ebenfalls in Senegambien, haben die Neger in einem hohlen Baobab den Eingang mit Sculpturen, welche aus dem noch frischen Holze geschnitten sind, verziert. Der innere Raum dient zu den Gemeindeversammlungen, die dort über ihre Interessen kämpfen. Dieser Saal erinnert an die Höhle (specus) im Innern einer Platane in Lycien, in welcher der Consul Lucinius Mutianus mit 21 Fremden speiste. Plinius (XII, 3) gibt einer solchen Baumaushöhlung etwas reichlich die Weite von achtzig römischen Fußen. (Schluß folgt.) Vom hohen Alter der Bäume. (Schluß.) Rene Caillie hat den Baobab im Nigerthale bei Jenne, Cailliaud in Nubien, Wilhelm Peters an der ganzen östlichen Küste von Afrika gefunden, wo er Mulapa, d. i. Nlapa-Baum (eigentlich muti-nlapa), heißt und bis Lourenzo Marques, fast bis 26° südlicher Breite, reicht. Die ältesten und dicksten Bäume, die Peters sah, "hatten 60 bis 70 Fuß im Umfang. Wenn Cadamosto im fünfzehnten Jahrhunderte sagte: eminentia non quadrat magnitudini; wenn auch Golberry in der Vallee des deux Gagnacks Stämme, welche an der Wurzel 34 Fuß Durchmesser hatten, nur 60 Fuß hoch fand, so muß dieß Mißverhältniß von Dicke und Höhe doch nicht für allgemein angenommen werden. "Sehr alte Bäume verlieren," sagt der gelehrte Reisende Peters, "durch allmähliges Absterben die Krone, und fahren fort an Umfang zuzunehmen. Oft genug sieht man am Littoral von Ost-Afrika 10 Fuß dicke Stämme bis 65 Fuß Höhe erreichen." Wenn demnach die kühnen Schätzungen von Adanson und Perrottet den von ihnen gemessenen Adansonien ein Alter von 5150 bis 6000 Jahren geben, was sie freilich in die Zeiten der Pyramidenbauer oder gar in die des Menes, d. i. in eine Epoche hinauf rückt, in welcher das südliche Kreuz noch im nördlichen Deutschland sichtbar war (Kosmos Bd. II. S. 402 und 487), so bieten uns dagegen für unsere gemäßigte nördliche Zone die sichereren Schätzungen nach Jahresringen und nach dem aufgefundenen Verhältniß der Dicke der Holzschichte zur Dauer des Wachsthums kürzere Perioden dar. Decandolle findet, daß unter allen europäischen Baumarten die Taxusstämme das höchste Alter erreichen. Für den Stamm der Taxus baccata von Braburn in der Grafschaft Kent ergeben sich 30, für den schottischen von Fotheringall 25 bis 26, für die von Crow-hurst in Surrey und Rippon in Yorkshire 141/2 und 12 Jahrhunderte. Endlicher erinnert, "daß ein anderer Eibenbaum, auf dem Kirchhofe zu Grasford in Nord- Wales, der unter den Aesten 49 Fuß im Umkreise mißt, über 1400 Jahr alt ist, und einer in Derbyshire auf 2096 Jahre geschäzt wird. In Litthauen sind Linden gefällt worden von 82 Fuß Umfang und 815 gezählten Jahresringen." In der gemäßigten Zone der südlichen Hemisphäre erreichen die Eucalyptusarten einen ungeheuren Umfang; und da sie dabei über 230 Pariser Fuß Höhe erreichen, so contrastiren sie sonderbar mit unsern, nur in der Dicke colossalen Eibenbäumen (Taxus baccata). Herr Backhouse fand in Emu-Bai am Littoral von Van Dimens Land Eucalyptusstämme, welche am Fuß 66, in 5 Fuß Höhe über dem Boden noch 47 Fuß Umfang hatten. Nicht Malpighi, wie man gewöhnlich behauptet, sondern der geistreiche Michel Montaigne hat das Verdienst gehabt, 1581, in seinem Voyage en Italie, zuerst des Verhältnisses der Jahresringe zur Lebensdauer erwähnt zu haben. Ein geschickter Künstler, der mit Anfertigung astronomischer Instrumente beschäftigt war, hatte Montaigne auf die Bedeutung der Jahresringe aufmerksam gemacht, auch behauptet, daß der gegen Norden gerichtete Theil des Stammes engere Ringe zeige. Jean Jacques Rousseau hatte denselben Glauben, und sein Emil, wenn er sich im Walde verirrt, soll sich nach den Ablagerungen der Holzschichten orientiren. Neue pflanzen-anatomische Beobachtungen lehren aber, daß, wie die Beschleunigung der Vegetation, so auch der Stillstand (die Remissionen) im Wachsthum, die so verschiedenartige Erzeugung der Holzbündelkreise (Jahreslagen) aus den Cambiumzellen von ganz andern Einwirkungen als von der Stellung gegen die Himmelsgegend abhangen. Bäume, von denen einzelne Individuen zu mehr als 20 Fuß Durchmesser und zu einer Lebensdauer von vielen Jahrhunderten gelangen, gehören den verschiedensten natürlichen Familien an. Wir nennen hier: Baobab, Drachenbäume, Eucalyptusarten, Taxodium distichum Rich., Pinus Lambertiana Douglas, Hymenaea Courbaril, Cäsalpinien, Bombax, Swietenia Mahagoni, den Banyanenbaum (Ficus religiosa), Liriodendron tulipifera (?), Platanus orientalis, unsere Linden, Eichen und Eibenbäume. Das berühmte Taxodium distichon, der Ahuahuete der Mexikaner (Cupressus disticha Linn., Schubertia disticha Mirbel) von Santa Maria del Tule im Staate Oaxaca hat nicht, wie Decandolle sagt, 57, sondern genau 38 Pariser Fuß Durchmesser. Die beiden schönen Ahuahuetes bei Chapoltepec (wahrscheinlich aus einer alten Gartenanlage von Montezuma), die ich oft gesehen, messen nach der inhaltreichen Reise von Burkart nur 34 und 36 Fuß im Umkreise, nicht im Durchmesser, wie man irrthümlich oft behauptet hat. Die Buddhisten auf Ceylon verehren den Riesenstamm des heiligen Feigenbaums von Anurahdepura. Die durch ihre Zweige wurzelnden Banyanen erreichen oft eine Dicke von 28 Fuß Durchmesser und bilden, wie schon Onesikritus sich naturwahr ausdrückt, ein Laubdach, gleich einem vielsäuligen Zelte. Unter den Eichenstämmen ist von den sehr genau gemessenen wohl der mächtigste in Europa der bei Saintes im Departement de la Charente inferieure, auf dem Wege nach Cozes. Der Baum hat, bei 60 Fuß Höhe, nahe am Boden 27 Fuß 81/2 Zoll, 5 Fuß höher noch 211/2 Fuß, wo die Hauptzweige anfangen, 6 Fuß Durchmesser. In dem abgestorbenen Theile des Stammes ist ein Kämmerchen vorgerichtet, 10 bis 12 Fuß weit und 9 Fuß hoch, mit einer halbrunden Bank, im frischen Holze ausgeschnitten. Ein Fenster gibt dem Innern Licht, daher die Wände des, durch eine Thür verschlossenen Kämmerchens mit Farrenkräutern und Lichenen anmuthig bekleidet sind. Nach der Größe eines kleinen Holzstückes, das man über der Thüre ausschnitt und in dem man 200 Holzringe zählte, war das Alter der Eiche von Saintes auf 1800 bis 2000 Jahre zu schätzen. Von dem sogenannten tausendjährigen Rosenbaume (Rosa canina) an der Gruftkapelle des Doms zu Hildesheim ist nach genauen urkundlichen Nachrichten, die ich der Güte des Herrn Stadtgerichtsassessors Römer verdanke, nur der Wurzelstock von achthundertjährigem Alter. Eine Legende sezt den Rosenstock mit einem Gelübde des ersten Gründers des Domes, Ludwigs des Frommen, in Verbindung; und eine Urkunde aus dem eilften Jahrhundert meldet, "daß, als Bischof Hezilo den damals abgebrannten Dom wieder aufgebaut, er die Wurzeln des Rosenstockes mit einem, noch vorhandenen, Gewölbe umgeben, auf diesem Gewölbe die Mauer der 1061 wieder eingeweihten Gruftkapelle aufgeführt und an derselben die Zweige des Rosenstocks ausgebreitet habe." Der jezt lebende, nur zwei Zoll dicke Stamm ist 25 Fuß hoch, und etwa 30 Fuß weit an der Außenwand der östlichen Gruftkirche ausgebreitet; gewiß auch von bedeutend hohem Alter, und des alten Rufes werth, der ihm in ganz Deutschland zu Theil geworden ist. Wenn übermäßige Größe der organischen Entwickelung im allgemeinen für einen Beweis langer Lebensdauer gehalten werden kann, so verdient aus den Thalassophyten der unterseeischen Vegetation die Tangart Macrocystis pyrifera Agardh (Fucus giganteus) eine besondere Aufmerksamkeit. Diese Meerpflanze erreicht nach Capitän Cook und Georg Forster bis 360 englische oder 338 Pariser Fuß Länge und übertrifft also die Länge der höchsten Coniferen, selbst die der Sequoia gigantea aus Californien. Capitän Fitz-Roy hat diese Angabe bestätigt. Macrocystis pyrifera vegetirt von 64° südlicher bis 45° nördlicher Breite, bis zur Bahia de San Francisco an der Nordwest-Küste des Neuen Continents. Joseph Hooker glaubt sogar, daß diese Fucusart bis Kamtschatka hinaufsteige. In den Gewässern des Südpols sieht man sie schwimmen bis zwischen losen Eisschollen, pack-ice. Die zelligen, band- und fadenförmigen Gebilde der Macrocystis, welche durch ein klauenähnliches Haftorgan am Meeresboden befestigt sind, scheinen in ihrer Verlängerung nur durch zufällige Zerstörung begrenzt zu werden.