Vergleichung astronomischer Ortsbestimmungen in Russland und Sibirien. Aus einem Schreiben des Herrn Alexander v. Humboldt an Herrn Mahlmann. Berlin 1844. März 24. Es wird mir angenehm sein, wenn Sie unter die Zusätze, mit denen Sie Ihre so sehr gelungene und sachkundige Uebersetzung meines Werkes bereichert haben, folgende Vergleichungen oder vielmehr Berichtigungen eines Theils meiner astronomischen Ortsbestimmungen aufnehmen wollen. Der Druck der Asie centrale war schon vollendet, als das wichtige Tableau des Positions géographiques de Russie, das wir dem berühmten Astronomen Herrn v. Struve, Director der Sternwarte von Pulkowa, verdanken, in Petersburg erschien. Das Bulletin de la Classe physicomathématique de l’Académie Imp. de St. Petersbourg (t. 1 n. 19—21) wurde den 31sten März 1843 ausgegeben, so daß ich erst bei meiner Rückkunft nach Deutschland davon Kenntniß erhalten habe. In den astronomischen Abschnitten meines Werkes habe ich umständlich angegeben, wie die dreißig Punkte, welche ich im Innern von Rußland und in Sibirien durch eigene astronomische Beobachtungen zu bestimmen gesucht habe, sich für die Längen nur auf Uebertragung der Zeit und auf Monddistanzen gründen. Der Hauptzweck dieser Arbeit war, durch Coordinaten der Länge und Breite meinen magnetischen Bestimmungen ein hinlänglich sicheres Fundament zu geben. Der sehnlichste Wunsch, den ich hegte, seitdem Herrn Fedorow’s „Vorläufiger Bericht über die 1832—1837 in West-Sibirien ausgeführten astronomischen Arbeiten“ erschien, war, doch endlich die Freude zu haben, die Resultate dieses vortrefflichen, mit so genauen Instrumenten ausgerüsteten Reisenden mit meinen in wenigen Stunden erlangten Ortsbestimmungen vergleichen zu können. Herr Fedorow hat an mehreren Punkten viele Tage verweilt; seine Längen sind durch 45 Sternbedeckungen und durch Culminationen des Mondes erlangt. Der erfahrene Astronom konnte vier Chronometer anwenden, da wo zu absoluten Längenbestimmungen keine Gelegenheit sich darbot. Hier folgt die Vergleichung meiner Ortsbestimmungen mit denen, welche Herr v. Struve als vorzüglich sicher in die große Tabelle seiner Positionen aufgenommen hat. Bei den Unterschieden der Breite ist nicht zu vergessen, daß die Bestimmungen nicht denselben Theilen der Städte zugehören. Nach Vergleichung mehrerer Tage schätzte ich den Fehler der meinigen (Sextanten-Beobachtungen) auf 10″ bis 15″. Positionen. Länge. (Humboldt.) Länge. (Fedorow) Breite. (Humboldt.) Breite. (Fedorow.) Anmerkungen. Bukhtarminsk.... 101° 13′ 20″ 101° 13′ 30″ 49° 34′ 44″ 49° 36′ 12″ Ich beobachtete am Fuß des Biri-tau, 200 Toisen im NW. vom Krepost; Fedorow beobachtete bei Mokhnataja Sopka. Semipolatinsk.... 97 45 15 97 55 33 50 23 52 50 24 23 Ich beobachtete im Hause des Kaufmanns Popow, Fedorow an der Kirche der Festung. Ust-Kamenogorsk 100 10 54 100 18 18 49 56 18 49 56 48 Ich beobachtete im Hause des Kaufmanns Nakariakof, Fedorow bei der Kirche. Omsk .......... 90 57 48 91 4 44 54 59 8 54 58 55 Ich beobachtete im Gouvernements-Hause der Festung, Fedorow in der Stadt im Polizei-Hause. Positionen. Länge. (Humboldt.) Länge. (Wisniewski.) Breite. (Humboldt.) Breite. (Wisniewski.) Anmerkungen. Jekatherinenburg.. 78° 16′ 30″ 78° 14′ 21″ 56° 48′ 57″ 56° 50′ 14″ Ich beobachtete im Hause des Kaufmanns Tscherepanof an dem Wege nach Uktuski Sawod, Wisniewski bei der Hauptkirche. Meine Länge ist Uebertragung der Zeit von Kasan, letzteres zu 66° 46′ angenommen. Saratow......... 63 46 18 63 44 15 51 31 12 51 31 34 Ich beobachtete im Landhause des General-Gouverneurs vor dem Astrakhaner Thore, Wisniewski bei der alten Domkirche. Der mittlere Längenfehler meiner sechs Ortsbestimmungen, der einzigen der Struve’schen Tabelle, welche sie mir unter der wichtigen Autorität von Wisniewski und Fedorow darbietet, ist demnach — 3′ 26″ im Bogen oder 13″4 in Zeit. Meine sibirischen Längen finden sich alle um 6′ 12″ im Bogen zu östlich, die zwei europäischen um 2′ 6″ im Bogen zu westlich. Wer durch eigene Erfahrung die Grenze der Fehler nach der Natur der Hülfsmittel kennt, die mir allein zu Gebote standen, wird der Sorgfalt, die ich angewandt, einige Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Fedorow hat noch nicht seine Resultate der Ortsbestimmung für sechs Punkte veröffentlicht, an denen ich vor ihm beobachtet: Jekatherinenburg, Bogoslowsk, Tobolsk, Petropawlowsk, Barnaul und Orenburg. Von vierzehn anderen Punkten habe ich Länge und Breite bestimmt, welche Fedorow nicht berührt hat. In Troizk hat derselbe Mondculminationen beobachtet. Das Tableau des Positions enthält auch einige Resultate der Beobachtungen des Herrn Professors Hansteen, deren ich hier noch erwähnen muß. In Semipolatinsk und Omsk fand er die Längen um — 5′ 23″ und + 5′ 14″ von Fedorow verschieden (Bull. I. 330). Die Bestimmung von Fuss weicht sehr beträchtlich ab. Für Schlangenberg fand ich, nach Monddistanzen, die mir Vertrauen einflößten, 100° 11′ 45″ Länge (51° 8′ 41″ Breite). Die Struve’sche Tabelle giebt nach Hansteen: 99° 59′ 55″ L. (51° 9′ 18″ Br.). Derselbe Reisende findet für Barnaul: 101° 36′ 42″ L. (53° 19′ 51″ Br.). Die Uebertragung der Zeit von Tobolsk hatte mir allerdings auch 101° 37′ 35″ L. gegeben. In Perm habe ich nicht beobachtet. Die Länge 73° 53′ 32″ ist vom Professor Adolph Erman. Die Struve’sche Tabelle giebt die ältere Bestimmung 74° 6′ 15″, die freilich um 12′ 43″ abweicht. In Nowgorod weliki, Nijne-Nowgorod, Krasnojarsk und Irkuzk sind die Unterschiede nur + 2′ 25″, — 3′ 34″, + 4′ 50″ und + 4′ 53″. Für Tara giebt die Tabelle nach Fedorow die sehr westliche Länge von 92° 3′ 37″; aber Fedorow ist dort von der Witterung so begünstigt gewesen, daß er während eines Aufenthalts von zwölf Tagen vier Sternbedeckungen beobachten konnte, und dazu noch sieben Mondculminationen (Bericht, S. X u. 30). Aus demselben Berichte (S. 41) will ich hier noch zwei wichtige Höhen bestimmungen Fedorow’s einschalten. Er fand die Höhe von Riddersk über dem Spiegel des Irtysch-Flusses bei Ust-Kamenogorsk 1412 par. Fuß, und die Höhe des Berges Iwanowskoi Bjelok 4338 par. Fuß über Riddersk. Nimmt man mit mir die Höhe von Ust-Kamenogorsk über dem Meeresspiegel zu 132 Toisen an, so ist die absolute Höhe des Iwanowskoi Bjelok 1093 Toisen, was mit der Bestimmung der unteren Grenze des ewigen Schnees im Altai zu 1100 Toisen von Ledebour und Bunge übereinstimmt. An dem näheren Schneeberge Prokhodnoi Bjelok hat mein Freund und Reisegefährte Ehrenberg herborisirt. v. Humboldt.