Erdbeben. Viele in den Zeitungen mitgetheilte Nachrichten über das Erdbeben vom 29. Julius deuten mehr oder weniger ausgeſprochen die Anſicht an, daß die Erdbeben einen weſentlichen Zuſammenhang mit atmoſphäriſchen Zuſtänden haben, daß beſondere Witterungsverhältniſſe nicht allein den Erdbeben vorhergehen, ſondern ihnen auch nachfolgen. Es gründen ſich aber ſolche Annahmen auf alte unhaltbare Volksmeinungen; denn die Naturforſcher ſind ſchon ſeit langer Zeit, nach ſorgfältigen Prüfungen der Thatſachen, der Anſicht geweſen, daß die Erdbeben im Allgemeinen keinen weſentlichen Einfluß auf die Zuſtände der Atmoſphäre äußern; ganz gewiß iſt dieſes für die Zeit, welche den Erderſchütterungen vorangeht, und Alexander von Humboldt iſt nur der Anſicht, daß bey ſehr heftigen Erdbeben einige Veränderungen in der elektriſchen Spannung des Luftkreiſes erzeugt werden können. Es dürfte für manche Leſer nicht ohne Intereſſe ſeyn, hier dasjenige mitgetheilt zu erhalten, was als letztes Ergebniß der Forſchung über dieſen Gegenſtand von dem großen Naturkundigen unſerer Zeit jüngſt ausgeſprochen worden iſt. A. von Humboldt ſagt nähmlich darüber im „Kosmos“: „In Ländern, wo die Erdbeben vergleichungsweiſe ſeltener ſind (z. B. im ſüdlichen Europa), hat ſich nach einer unvollſtändigen Induction der ſehr allgemeine Glaube gebildet, daß Windſtille, drückende Hitze, ein dunſtiger Horizont immer Vorbothen der Erſcheinung ſeyen. Das Irrthümliche dieſes Volksglaubens iſt aber nicht bloß durch meine eigenen Erfahrungen widerlegt, es iſt es auch durch das Reſultat der Beobachtungen aller der, welche viele Jahre in Gegenden gelebt haben, wo, wie in Cumana, Quito, Peru und Chili, der Boden häufig und gewaltſam erbebt. Ich habe Erdſtöße gefühlt bey heiterer Luft und friſchem Oſtwinde, wie bey Regen und Donnerwetter. Auch die Regelmäßigkeit der ſtündlichen Veränderungen in der Abweichung der Magnetnadel und im Luftdrucke blieb zwiſchen den Windkreiſen an dem Tage der Erdſtöße ungeſtört. Damit ſtimmen die Beobachtungen überein, welche Adolph Erwan in der gemäßigten Zone bey einem Erdbeben in Irkutsk nahe am Baikhalſee (8ten März 1829) anſtellte. Durch den ſtarken Erdſtoß von Cumana (4. November 1799) fand ich zwar Abweichung und Intenſität der magnetiſchen Kraft gleich unverändert, aber die Neigung der Nadel war zu meinem Erſtaunen um 48′ gemindert. Es blieb mir kein Verdacht eines Irrthums, und doch bey ſo vielen anderen Erdſtößen, die ich auf dem Hochlande von Quito und in Lima erlebte, war neben den andern Elementen des telluriſchen Magnetismus auch die Neigung ſtets ungeändert. Wenn im Allgemeinen, was tief in dem Erdkörper vorgeht, durch keinen meteorologiſchen Prozeß, durch keinen beſonderen Anblick des Himmelsgewölbes vorher verkündigt wird; ſo iſt es dagegen nicht unwahrſcheinlich, daß in gewiſſen ſehr heftigen Erderſchütterungen der Atmoſphäre etwas mitgetheilt werde, und daß daher dieſe nicht immer rein dynamiſch wirken. Während des langen Erzitterns des Bodens in den Piemonteſiſchen Thälern von Pelis und Cluſſon wurden bey gewitterloſem Himmel die größten Veränderungen in der elektriſchen Spannung des Luftkreiſes bemerkt.“