Alex. v. Humboldt über das Menſchengeſchlecht. Aus dem eben erſchienenen erſten Theile des Kosmos. Wir werden in den nächſten Tagen einen ausführlichern Bericht über dieſes in ſo vieler Hinſicht bedeutende Werk bringen. R. d. Allg. Z. Es würde das allgemeine Naturbild das ich zu entwerfen ſtrebe unvollſtändig bleiben, wenn ich hier nicht auch den Muth hätte das Menſchengeſchlecht in ſeinen phyſiſchen Abſtufungen, in der geographiſchen Verbreitung ſeiner gleichzeitig vorhandenen Typen, in dem Einfluß welchen es von den Kräften der Erde empfangen, und wechſelſeitig, wenn gleich ſchwächer, auf ſie ausgeübt hat, mit wenigen Zügen zu ſchildern. Abhängig, wenn gleich in minderem Grad als Pflanzen und Thiere, von dem Boden und den meteorologiſchen Proceſſen des Luftkreiſes, den Naturgewalten durch Geiſtesthätigkeit und ſtufenweiſe erhöhte Intelligenz, wie durch eine wunderbare, ſich allen Klimaten aneignende Biegſamkeit des Organismus leichter entgehend, nimmt das Geſchlecht weſentlich Theil an dem ganzen Erdenleben. Durch dieſe Beziehungen gehört demnach das dunkle und vielbeſtrittene Problem von der Möglichkeit gemeinſamer Abſtammung in den Ideenkreis welchen die phyſiſche Weltbeſchreibung umfaßt. Es ſoll die Unterſuchung dieſes Problems, wenn ich mich ſo ausdrücken darf, durch ein edleres und rein menſchliches Intereſſe das letzte Ziel meiner Arbeit bezeichnen. Das unermeſſene Reich der Sprachen, in deren verſchiedenartigem Organismus ſich die Geſchicke der Völker ahnungsvoll abſpiegeln, ſteht am nächſten dem Gebiet der Stammverwandtſchaft; und was ſelbſt kleine Stammverſchiedenheiten hervorzurufen vermögen, lehrt uns in der Blüthe geiſtiger Cultur die helleniſche Welt. Die wichtigſten Fragen der Bildungsgeſchichte der Menſchheit knüpfen ſich an die Ideen von Abſtammung, Gemeinſchaft der Sprache, Unwandelbarkeit in der urſprünglichen Richtung des Geiſtes und des Gemüthes. So lange man nur bei den Extremen in der Variation der Farbe und der Geſtaltung verweilte, und ſich der Lebhaftigkeit der erſten ſinnlichen Eindrücke hingab, konnte man allerdings geneigt werden die Racen nicht als bloße Abarten, ſondern als urſprünglich verſchiedene Menſchenſtämme zu betrachten. Die Feſtigkeit gewiſſer Typen mitten unter der feindlichſten Einwirkung äußerer, beſonders klimatiſcher Potenzen ſchien eine ſolche Annahme zu begünſtigen, ſo kurz auch die Zeiträume ſind aus denen hiſtoriſche Kunde zu uns gelangt iſt. Kräftiger aber ſprechen, auch meiner Anſicht nach, für die Einheit des Menſchengeſchlechts die vielen Mittelſtufen der Hautfarbe und des Schädelbaues, welche die raſchen Fortſchritte der Länderkenntniß uns in neueren Zeiten dargeboten haben, die Analogie der Abartung in andern wilden und zahmen Thierclaſſen, die ſichern Erfahrungen welche über die Gränzen fruchtbarer Baſtarderzeugung haben geſammelt werden können. Der größere Theil der Contraſte die man ehemals hatte zu finden geglaubt, iſt durch die fleißige Arbeit Tiedemanns über das Hirn der Neger und der Europäer, durch die anatomiſchen Unterſuchungen Vroliks und Webers über die Geſtalt des Beckens hinweggeräumt. Wenn man die dunkelfarbigen afrikaniſchen Nationen, über die Prichards gründliches Werk ſo viel Licht verbreitet hat, in ihrer Allgemeinheit umfaßt und ſie dazu noch mit den Stämmen des ſüdindiſchen und weſtauſtraliſchen Archipels, mit den Papuas und Alfourous (Haraforen, Endamenen) vergleicht, ſo ſieht man deutlich daß ſchwarze Hautfarbe, wolliges Haar und negerartige Geſichtszüge keineswegs immer mit einander verbunden ſind. So lange den weſtlichen Völkern nur ein kleiner Theil der Erde aufgeſchloſſen war, mußten einſeitige Anſichten ſich bilden. Sonnenhitze der Tropenwelt und ſchwarze Hautfarbe ſchienen unzertrennlich. „Die Aethiopen“, ſang der alte Tragiker Theodektes von Phaſelis , „färbt der nahe Sonnengott in ſeinem Lauf mit des Rußes finſterem Glanz; die Sonnengluth kräuſelt ihnen dörrend das Haar.“ Erſt die Heerzüge Alexanders, welche ſo viele Ideen der phyſiſchen Erdbeſchreibung anregten, fachten den Streit über den unſichern Einfluß der Klimate auf die Volksſtämme an. „Die Geſchlechter der Thiere und Pflanzen“, ſagt einer der größten Anatomen unſers Zeitalters, Johannes Müller, in ſeiner alles umfaſſenden Phyſiologie des Menſchen, „verändern ſich während ihrer Ausbreitung über die Oberfläche der Erde innerhalb der den Arten und Gattungen vorgeſchriebenen Gränzen. Sie pflanzen ſich als Typen der Variation der Arten organiſch fort. Aus dem Zuſammenwirken verſchiedener ſowohl innerer als äußerer, im Einzelnen nicht nachweisbarer Bedingungen ſind die gegenwärtigen Racen der Thiere hervorgegangen, von welchen ſich die auffallendſten Abarten bei denen finden die der ausgedehnteſten Verbreitung auf der Erde fähig ſind. Die Menſchenracen ſind Formen einer einzigen Art, welche ſich fruchtbar paaren und durch Zeugung fortpflanzen; ſie ſind nicht Arten eines Genus: wären ſie das letztere, ſo würden ihre Baſtarde unter ſich unfruchtbar ſeyn. Ob die gegebenen Menſchenracen von mehreren oder Einem Urmenſchen abſtammen, kann nicht aus der Erfahrung ermittelt werden.“ Tacitus unterſcheidet in ſeinen Speculationen über die Bevölkerung von Britannien (Agricola cap. 11) ſehr ſchön, was den klimatiſchen Einwirkungen der Gegend, was, bei eingewanderten Stämmen, der alten unwandelbaren Kraft eines fortgepflanzten Typus angehören kann: „Britanniam qui mortales initio coluerunt, indigenae an advecti, ut inter barbaros, parum compertum. Habitus corporis varii, atque ex eo argumenta; namque rutilae Caledoniam habitantium comae, magni artus Germanicam originem adseverant. Silurum colorati vultus et torti plerumque crines, et posita contra Hispania, Iberos veteres trajecisse, easque sedes occupasse fidem faciunt: proximi Gallis, et similes sunt: seu durante originis vi; seu, procurrentibus in diversa terris, positio caeli corporibus habitum dedit.“ Vergl. über die Ausdauer der Geſtaltungstypen in heißen und kalten Erd- und Bergſtrichen des Neuen Continents meine Rélation historique T. I. p. 498—503. T. II. p. 572—574. Vergl. über die amerikaniſche Race im allgemeinen das Prachtwerk: Samuel George Morton, Crania americana 1859 p. 62—86, wie über die von Pentland mitgebrachten Schädel des Hochlandes von Titicaca im Dublin Journal of medical and chemical Science Vol. V. 1834 p. 475; Alcide d’Orbigny, l’homme américain considéré sous ses rapports physiol. et mor. 1839 p. 221. S. auch die an ſeinen ethnographiſchen Beobachtungen ſo reiche Reiſe in das Innere von Nordamerika von Maximilian Prinz zu Wied 1839. Rudolph Wagner über Blendlinge und Baſtarderzeugung in ſeinen Anmerkungen zu Prichard, Naturgeſch. des Menſchengeſchlechts Th. I. S. 174—188. Prichard Th. I. S. 431, Th. II. S. 363—369. Onestkritus im Strabo XV. p. 690 und 695 Caſaub. — Welcker (Griechiſche Tragödien Abth. III. S. 1078) glaubt, die von Strabo citirten Verſe des Theodektes ſeyen einer verlornen Tragödie entlehnt, die vielleicht den Titel Memnon führte. Joh. Müller, Phyſiologie des Menſchen Bd. II. S. 768, 772—774. Die geographiſchen Forſchungen über den alten Sitz, die ſogenannte Wiege des Menſchengeſchlechts, haben in der That einen rein mythiſchen Charakter. „Wir kennen“, ſagt Wilhelm v. Humboldt in einer noch ungedruckten Arbeit über die Verſchiedenheit der Sprachen und Völker, „geſchichtlich oder auch nur durch irgend ſichere Ueberlieferung keinen Zeitpunkt in welchem das Menſchengeſchlecht nicht in Völkerhaufen getrennt geweſen wäre. Ob dieſer Zuſtand der urſprüngliche war, oder erſt ſpäter entſtand, läßt ſich daher geſchichtlich nicht entſcheiden. Einzelne, an ſehr verſchiedenen Punkten der Erde, ohne irgend ſichtbaren Zuſammenhang, wiederkehrende Sagen verneinen die erſtere Annahme, und laſſen das ganze Menſchengeſchlecht von Einem Menſchenpaar abſtammen. Die weite Verbreitung dieſer Sage hat ſie bisweilen für eine Urerinnerung der Menſchheit halten laſſen. Gerade dieſer Umſtand aber beweist vielmehr daß ihr keine Ueberlieferung und nichts Geſchichtliches zum Grunde lag, ſondern nur die Gleichheit der menſchlichen Vorſtellungsweiſe zu derſelben Erklärung der gleichen Erſcheinung führte: wie gewiß viele Mythen, ohne geſchichtlichen Zuſammenhang, bloß aus der Gleichheit des menſchlichen Dichtens und Grübelns entſtanden. Jene Sage trägt auch darin ganz das Gepräge menſchlicher Erfindung, daß ſie die außer aller Erfahrung liegende Erſcheinung des erſten Entſtehens des Menſchengeſchlechts auf eine innerhalb heutiger Erfahrung liegende Weiſe, und ſo erklären will, wie in Zeiten wo das ganze Menſchengeſchlecht ſchon Jahrtauſende hindurch beſtanden hatte, eine wüſte Inſel oder ein abgeſondertes Gebirgsthal mag bevölkert worden ſeyn. Vergeblich würde ſich das Nachdenken in das Problem jener erſten Entſtehung vertieft haben, da der Menſch ſo an ſein Geſchlecht und an die Zeit gebunden iſt, daß ſich ein Einzelner ohne vorhandenes Geſchlecht und ohne Vergangenheit gar nicht in menſchlichem Daſeyn faſſen läßt. Ob alſo in dieſer weder auf dem Wege der Gedanken noch der Erfahrung zu entſcheidenden Frage wirklich jener angeblich traditionelle Zuſtand der geſchichtliche war, oder ob das Menſchengeſchlecht von ſeinem Beginnen an völkerweiſe den Erdboden bewohnte? darf die Sprachkunde weder aus ſich beſtimmen, noch, die Entſcheidung anderswoher nehmend, zum Erklärungsgrunde für ſich brauchen wollen.“ Die Gliederung der Menſchheit iſt nur eine Gliederung in Abarten, die man mit dem freilich etwas unbeſtimmten Wort Racen bezeichnet. Wie in dem Gewächsreich, in der Naturgeſchichte der Vögel und Fiſche die Gruppirung in viele kleine Familien ſicherer als die in wenige große Maſſen umfaſſende Abtheilungen iſt, ſo ſcheint mir auch, bei der Beſtimmung der Racen, die Aufſtellung kleinerer Völkerfamilien vorzuziehen. Man mag die alte Claſſification meines Lehrers Blumenbach nach fünf Racen (der kaukaſiſchen, mongoliſchen, amerikaniſchen, äthiopiſchen und malayiſchen) befolgen, oder mit Prichard ſieben Racen (die iraniſche, turaniſche, amerikaniſche, der Hottentotten und Buſchmänner, der Neger, der Papuas und der Alfourous) annehmen: immer iſt keine typiſche Schärfe, kein durchgeführtes natürliches Princip der Eintheilung in ſolchen Gruppirungen zu erkennen. Man ſondert ab was gleichſam die Extreme der Geſtaltung und Farbe bildet, unbekümmert um die Völkerſtämme welche nicht in jene Claſſen einzuſchalten ſind, und welche man bald ſcythiſche, bald allophyliſche Racen hat nennen wollen. Iraniſch iſt allerdings für die europäiſchen Völker ein minder ſchlechter Name als kaukaſiſch; aber im Allgemeinen darf man behaupten daß geographiſche Benennungen als Ausgangspunkt der Race ſehr unbeſtimmt ſind, wenn das Land welches der Race den Namen geben ſoll, wie z. B. Turan (Mawerannahr), zu verſchiedenen Zeiten von den verſchiedenſten Volksſtämmen — indogermaniſchen und finniſchen, nicht aber mongoliſchen Urſprungs — bewohnt worden iſt. Prichard Th. I. S. 295, Th III. S. 11. Die ſpäte Ankunft türkiſcher und mongoliſcher Stämme ſowohl am Oxus als in der Kirghiſen-Steppe ſteht der Annahme Niebuhr’s daß die Scythen des Herodot und Hippokrates Mongolen waren, entgegen. Es iſt weit wahrſcheinlicher daß die Scythen (Scoloten) zu den indogermaniſchen Maſſa-Geten (Alanen) zu rechnen ſind. Die Mongolen, eigentliche Tataren (der letztere Name iſt ſpäter fälſchlich rein türkiſchen Stämmen in Rußland und Sibirien gegeben worden), ſaßen damals weit im Oſten von Aſien. Vergl. meine Asie centr. T. I. p. 239 und 400, Examen critique de l’hist. de la Géogr. T. II. p. 320. Ein ausgezeichneter Sprachforſcher, Profeſſor Buſchmann, erinnert daß Firduſi im Schahnameh, in ſeinen halb mythiſchen hiſtoriſchen Anfängen, „einer Veſte der Alanen“ am Meere erwähnt, in welche Selm, der älteſte Sohn des Königs Feridun (gewiß ein paar Jahrhunderte vor Cyrus) ſich flüchten wollte. Die Kirghiſen der ſogenannten ſcythiſchen Steppe ſind urſprünglich ein finniſcher Stamm; ſie ſind jetzt wahrſcheinlich in ihren drei Horden das zahlreichſte aller wandernden Völker, und lebten ſchon im ſechsten Jahrhundert in der Steppe, in welcher ich ſie geſehen. Der Byzantiner Menander (p. 380—382 ed. Nieb.) erzählt ausdrücklich, wie der Chakan der Türken (Thu-khiu) im Jahr 569 dem vom Kaiſer Juſtinus II abgeſandten Zemarchus eine Kirghiſen-Sklavin ſchenkte: er nennt ſie eine χεϱχίς, und auch bei Abulgaſi (Historia Mongolorum et Tatarorum) heißen die Kirghiſen Kirkiz. Die Aehnlichkeit der Sitten iſt, wo die Natur des Landes den Hauptcharakter der Sitten hervorruft, ein ſehr unſicherer Beweis der Stammähnlichkeit. Das Leben in der Steppe erzeugt bei Türken (Ti, Tukiu), bei Baſchkiren (Finnen), bei Kirghiſen, bei Torgod und Dſungaren (Mongolen) dieſelben Gewohnheiten des nomadiſchen Lebens, denſelben Gebrauch von Filzzelten, die auf Wagen fortgeführt und bei den Viehheerden aufgeſchlagen werden. Die Sprachen als geiſtige Schöpfungen der Menſchheit, als tief in ihre geiſtige Entwicklung verſchlungen, haben, indem ſie eine nationale Form offenbaren, eine hohe Wichtigkeit für die zu erkennende Aehnlichkeit oder Verſchiedenheit der Racen. Sie haben dieſe Wichtigkeit, weil Gemeinſchaft der Abſtammung in das geheimnißvolle Labyrinth führt in welchem die Verknüpfung der phyſiſchen (körperlichen) Anlagen mit der geiſtigen Kraft in tauſendfältig verſchiedener Geſtaltung ſich darſtellt. Die glänzenden Fortſchritte welche das philoſophiſche Sprachſtudium im deutſchen Vaterlande ſeit noch nicht einem halben Jahrhundert gemacht, erleichtern die Unterſuchungen über den nationalen Charakter der Sprachen und über das was die Abſtammung ſcheint herbeigeführt zu haben. Wie in allen Gebieten idealer Speculation, ſteht aber auch hier die Gefahr der Täuſchung neben der Hoffnung einer reichen und ſichern Ausbeute. Wilhelm v. Humboldt über die Verſchiedenheit des menſchlichen Sprachbaues, in dem großen Werke über die Kawi-Sprache auf der Inſel Java Bd. I. S. XXI, XLVIII und CCXIV. Poſitive ethnographiſche Studien, durch gründliche Kenntniß der Geſchichte unterſtützt, lehren daß eine große Vorſicht in dieſer Vergleichung der Völker und der Sprachen, welcher die Völker ſich zu einer beſtimmten Zeitepoche bedienten, anzuwenden ſey. Unterjochung, langes Zuſammenleben, Einfluß einer fremden Religion, Vermiſchung der Stämme, wenn auch oft nur bei geringer Zahl der mächtigeren und gebildeteren Einwanderer, haben ein in beiden Continenten ſich gleichmäßig erneuerndes Phänomen hervorgerufen: daß ganz verſchiedene Sprachfamilien ſich bei einer und derſelben Race, daß bei Völkern ſehr verſchiedener Abſtammung ſich Idiome desſelben Sprachſtammes finden. Aſiatiſche Welteroberer haben am mächtigſten auf ſolche Erſcheinungen eingewirkt. Sprache iſt aber ein Theil der Naturkunde des Geiſtes; und wenn auch die Freiheit mit welcher der Geiſt in glücklicher Ungebundenheit die ſelbſtgewählten Richtungen, unter ganz verſchiedenartigen phyſiſchen Einflüſſen, ſtetig verfolgt, ihn der Erdgewalt mächtig zu entziehen ſtrebt, ſo wird die Entfeſſelung doch nie ganz vollbracht. Es bleibt etwas von dem was den Naturanlagen aus Abſtammung, dem Klima, der heitern Himmelsbläue oder einer trüben Dampfatmoſphäre der Inſelwelt zugehört. Da nun der Reichthum und die Anmuth des Sprachbaues ſich aus dem Gedanken wie aus des Geiſtes zarteſter Blüthe entfalten, ſo wollen wir nicht daß bei der Innigkeit des Bandes welches beide Sphären, die phyſiſche und die Sphäre der Intelligenz und der Gefühle, mit einander verknüpft, unſer Naturbild des freundlichen Lichtes und der Färbung entbehre, welche ihm die hier freilich nur angedeuteten Betrachtungen über das Verhältniß der Abſtammung zur Sprache verleihen können. Indem wir die Einheit des Menſchengeſchlechtes behaupten, widerſtreben wir auch jeder unerfreulichen Annahme von höheren und niederen Menſchenracen. Es gibt bildſamere, höher gebildete, durch geiſtige Cultur veredelte, aber keine edleren Volksſtämme. Alle ſind gleichmäßig zur Freiheit beſtimmt — zur Freiheit welche in roheren Zuſtänden dem Einzelnen, in dem Staatenleben bei dem Genuß politiſcher Inſtitutionen der Geſammtheit als Berechtigung zukommt. „Wenn wir eine Idee bezeichnen wollen die durch die ganze Geſchichte hindurch in immer mehr erweiterter Geltung ſichtbar iſt, wenn irgend eine die vielfach beſtrittene, aber noch vielfacher mißverſtandene Vervollkommnung des ganzen Geſchlechtes beweist, ſo iſt es die Idee der Menſchlichkeit: das Beſtreben, die Gränzen welche Vorurtheile und einſeitige Anſichten aller Art feindſelig zwiſchen die Menſchen geſtellt aufzuheben, und die geſammte Menſchheit, ohne Rückſicht auf Religion, Nation und Farbe, als Einen großen nahe verbrüderten Stamm, als ein zur Erreichung Eines Zweckes, der freien Entwicklung innerlicher Kraft, beſtehendes Ganzes zu behandeln. Es iſt dieß das letzte äußerſte Ziel der Geſelligkeit, und zugleich die durch ſeine Natur ſelbſt in ihn gelegte Richtung des Menſchen auf unbeſtimmte Erweiterung ſeines Daſeyns. Er ſieht den Boden ſo weit er ſich ausdehnt, den Himmel ſo weit ihm entdeckbar als er von Geſtirnen umflammt wird, als innerlich ſein, als ihm zur Betrachtung und Wirkſamkeit gegeben an. Schon das Kind ſehnt ſich über die Hügel, über die Seen hinaus welche ſeine enge Heimath umſchließen; es ſehnt ſich dann wieder pflanzenartig zurück: denn es iſt das Rührende und Schöne im Menſchen daß Sehnſucht nach Erwünſchtem und nach Verlornem ihn immer bewahrt ausſchließlich an dem Augenblick zu haften. So feſtgewurzelt in der innerſten Natur des Menſchen, und zugleich geboten durch ſeine höchſten Beſtrebungen wird jene wohlwollend menſchliche Verbindung des ganzen Geſchlechts zu einer der großen leitenden Ideen in der Geſchichte der Menſchheit.“ Das Unerfreulichſte und in ſpäteren Zeiten ſo oft Wiederholte über die ungleiche Berechtigung der Menſchen zur Freiheit und über Sklaverei als eine naturgemäße Einrichtung findet ſich leider ſehr ſyſtematiſch entwickelt in Ariſtoteles Politica I. 3, 5, 6. Wilhelm v. Humboldt über die Kawi-Sprache Bd. III. S. 426. Ich füge aus demſelben Werke noch folgendes hinzu: „Die ſtürmenden Eroberungen Alexanders, die ſtaatsklug bedächtigen der Römer, die wild grauſamen der Mexicaner, die deſpotiſchen Ländervereinigungen der Incas haben in beiden Welten dazu beigetragen das vereinzelte Daſeyn der Völker aufzuheben und weitere Verbindungen zu ſtiften. Große und ſtarke Gemüther, ganze Nationen handelten unter der Macht einer Idee, die ihnen in ihrer Reinheit gänzlich fremd war. In der Wahrheit ihrer tiefen Milde ſprach ſie zuerſt, ob es ihr gleich nur langſam Eingang verſchaffen konnte, das Chriſtenthum aus. Früher kommen nur einzelne Anklänge vor. Die neuere Zeit hat den Begriff der Civiliſation lebendiger aufgefaßt, und das Bedürfniß erregt Verbindungen der Völker und Cultur weiter zu verbreiten; auch die Selbſtſucht gewinnt die Ueberzeugung daß ſie auf dieſem Wege weiter gelangt als auf dem gewaltſamer Abſonderung. Die Sprache umſchlingt, mehr als ſonſt etwas im Menſchen, das ganze Geſchlecht. Gerade in ihrer völkertrennenden Eigenſchaft vereinigt ſie durch das Wechſelverſtändniß fremdartiger Rede die Verſchiedenheit der Individualitäten, ohne ihrer Eigenthümlichkeit Eintrag zu thun.“ (A. a. O. S. 427.) Mit dieſen Worten welche ihre Anmuth aus der Tiefe der Gefühle ſchöpfen, ſey es dem Bruder erlaubt die allgemeine Darſtellung der Naturerſcheinungen im Weltall zu beſchließen. Von den fernſten Nebelflecken und von kreiſenden Doppelſternen ſind wir zu den kleinſten Organismen der thieriſchen Schöpfung in Meer und Land, und zu den zarten Pflanzenkeimen herabgeſtiegen welche die nackte Felsklippe am Abhang eiſiger Berggipfel bekleiden. Nach theilweiſe erkannten Geſetzen konnten hier die Erſcheinungen geordnet werden. Geſetze anderer, geheimnißvollerer Art walten in den höchſten Lebenskreiſen der organiſchen Welt: in denen des vielfach geſtalteten, mit ſchaffender Geiſteskraft begabten ſpracherzeugenden Menſchengeſchlechts. Ein phyſiſches Naturgemälde bezeichnet die Gränze wo die Sphäre der Intelligenz beginnt und der ferne Blick ſich ſenkt in eine andere Welt. Es bezeichnet die Gränze und überſchreitet ſie nicht.