— Alex. von Humboldt’s Dankesworte. Wir haben kürzlich des Feſtes erwähnt, das die Berliner Akademie der Wiſſenſchaften zur Erinnerung an den Tag veranſtaltet hatte, an welchem Alexander von Humboldt vor vierzig Jahren, von ſeinen großen Reiſen zurückkehrend, den europäiſchen Boden wieder betrat. Die Dankesworte, die der Gefeierte bei dieſer Gelegenheit an ſeine akademiſchen Kollegen richtete, ſind, ſo viel uns bekannt, durch die in den Zeitungen erſchienenen Relationen über jenes Feſt nicht veröffentlicht worden; ſie ſind jedoch nicht bloß für jenen gelehrten Kreis, ſondern für Jeden von Intereſſe, der an der Wiſſenſchaft und dem deutſchen Geiſtesleben Theil nimmt; deshalb theilen wir dieſe uns von freundlicher Hand zugegangenen Worte hier mit: „Die Freundſchaft hat ein Gedächtniß für Zeitepochen, die uns ſelbſt, am ſpäten Lebensabend, wie in fernen Nebel gehüllt erſcheinen. „Die Freundſchaft hat auch ihre Mythen, die ſie ſinnig zu deuten verſteht, denen ſie unvorſichtig und liebevoll ihren Glauben ſchenkt. Sie nimmt Beſtrebungen für Thaten, rohe Entwürfe für Vollendung: ſie ſchreibt dem Einzelnen zu, was dem Ganzen gehört, und der mächtigen Zeit, die den Einzelnen getragen, was den begabteren Mitkämpfern gehört, die, wie Sie, meine theuren Kollegen und Freunde, nach ſo vielen Richtungen hin, die Bahn dem Forſchenden bezeichnet haben. „Das Gefühl eines ſolchen Gemeinguts der Intelligenz durchdringt mit belebender Kraft. Es knüpft feſter und feſter die Bande, welche im hoffenden Alter dem Univerſitäts-Leben, ſpäter den Akademieen, jenen ernſten, freien Inſtitutionen, die dem wiſſenſchaftlichen Streben ausſchließlich gewidmet ſind, einen ſo eigenthümlichen Reiz gewähren. „Der Tag, an dem ich ein unerwartetes Zeichen der Erinnerung und eines liebevollen Sinnes von Ihnen empfange, erneuert in mir ein frohes Bewußtſeyn, eine alte Ueberzeugung. Da, wo ungetrübt die Quelle der Erkenntniß fließt, werden auch die Regungen des Gefühls ein Bedürfniß geiſtiger Exiſtenz. Durch die ſtille Macht dieſer Ueberzeugung angetrieben, biete ich Ihnen dar, was auf allen Stufen des Lebens und ſeiner vielfachen Enttäuſchungen im Menſchen das Menſchlichſte iſt, den Ausdruck tiefempfundenen Dankes. „Den 5. Auguſt 1844. A. v. Humboldt.“