Düſſeldorf, 13. Juli. (46ſte Plenar-Sitzung. Fortſetzung.) Als bald darauf Preußens König das Volk zu den Waffen rief, da folgten auch ſeine jüdiſchen Unterthanen freudig dem Rufe zum Kampfe für’s Vaterland, daß auch ſie nun das Ihrige nennen konnten, und nach beendigtem Kriege widmeten ſich viele Iſraeliten, da das Geſetz ihnen nunmehr die Bahn zu einer Wirkſamkeit im öffentlichen Unterricht eröffnet hatte, mit Fleiß und Liebe der Vorbereitung zu dieſem ehrenvollen Berufe. Allein eine Verfügung vom Jahre 1823 zerſtörte ihre gerechten Lebenshoffnungen, indem ſie die Juden von Schul- und Lehr-Aemtern entfernte; ſie wurden faktiſch von den Offizierſtellen in der Armee, die ihnen im Befreiungskriege vielfach verliehen worden waren, ausgeſchloſſen, und ſahen nach und nach ihre durch das Geſetz von 1812 begründeten und durch treue Hingebung gegen den Staat wohlerworbenen Rechte aufgehoben. Sechstauſend Iſraeliten ſind in dem Befreiungskriege gefallen, und noch dürfen den vaterländiſchen Boden, den ſie mit ihrem Blute tränkten, ihre Glaubensgenoſſen nur mit dem Gefühl verſtoßener Fremdlinge betreten, noch ſpricht der Staat zu ſeinen jüdiſchen Unterthanen: Haſt du Talente, ſo magſt du ſie brach liegen laſſen, ich kann ſie nicht brauchen; haſt du Ehrgefühl, ſo magſt du es in dir erſticken, ich werde es nicht befriedigen; haſt du dir Wiſſen erworben, ſo magſt du es verſcharren, ich werde ihm keinen nützlichen Wirkungskreis anweiſen. Das Referat hat bereits der Verheißungen erwähnt, welche den Juden der deutſchen Bundesſtaaten in der Bundesakte gegeben wurden; ſo wenig aber ihr gegenwärtiger Rechtszuſtand denſelben entſpricht, ſo wenig dürfte auch damit die Anordnung in Einklang zu bringen ſein, welche dem Vernehmen nach in Bezug auf die Juden in Preußen vorgeſchlagen wurde. Nach dieſer Anordnung würden die Juden in beſonderen, von den Staatsbürgern getrennten Korporationen organiſirt, nicht nur von allen Aemtern, ſondern auch gegen Erlegung einer Rekruten-Steuer von der Militärpflichtigkeit ausgeſchloſſen, ſo aber aus der allgemeinen Nationalität des Volks förmlich ausgeſtoßen und zwiſchen ihnen und den Chriſten eine ſchroffe, unüberſteigliche Kluft geſchaffen werden. Ich enthalte mich jeder Aeußerung über dieſe Maßregel, ſo wie der Frage, wie ſie mit dem Geſetz von 1812, mit der Treue, der Hingebung des jüdiſchen Volkes gegen den Staat, mit der Verheißung der Bundesakte in Einklang zu bringen ſein würde; ich erlaube mir aber, Ihnen ein Schreiben mitzutheilen, welches nach öffentlichen Blättern A. von Humboldt über dieſen Gegenſtand an den Grafen von Stolberg richtete: „Ich habe, theurer Graf, mit einem Schmerze, deſſen Motive und Richtung Sie mit mir theilen, die Anlage (Journal des Débats vom 10. März 1842), die geſtern angekommen iſt, geleſen. Ich hoffe, daß Vieles ſehr falſch und hämiſch aufgefaßt iſt — wäre es nicht, ſo halte ich die beabſichtigten Neuerungen nach meiner innigſten Ueberzeugung für höchſt aufregend, mit allen Grundſätzen der Staatsklugheit ſtreitend, zu den bösartigſten Interpretationen der Motive veranlaſſend, Rechte beraubend, die durch ein menſchlicheres Geſetz des Vaters bereits erworben ſind, und der Milde unſeres jetzigen theuren Monarchen entgegen. Es iſt eine gefahrvolle Anmaßung der ſchwachen Menſchheit, die alten Dekrete Gottes auslegen zu wollen. Die Geſchichte finſterer Jahrhunderte lehrt, zu welchen Abwegen ſolche Deutungen den Muth geben. Die Beſorgniß, mir zu ſchaden, muß Sie nicht abhalten, von dieſen Zeilen Gebrauch zu machen; man muß vor allen Dingen den Muth haben, ſeine Meinung zu ſagen.“ Wir dürfen vertrauen, meine Herren, daß dem hier in Rede ſtehenden Plane keine Folge gegeben werden wird, aber wenn auch nur der Gedanke an einen ſolchen Rückſchritt, an eine ſolche Verkennung aller natürlichen und erworbenen Rechte aufkommen kann, ſo iſt es um ſo mehr an der Zeit, daß ſich Stimmen zur Vertheidigung der Sache der Menſchheit erheben. Verweilen wir noch einen Augenblick bei der beſonderen Lage, in welcher ſich die Juden der Rheinprovinz befinden. Es iſt Ihnen bekannt, daß außer dem Juden-Dekrete vom 17. März 1808 in der Rheinprovinz geſetzlich keine Beſchränkungen der Iſraeliten beſtehen. Faktiſch befinden ſie ſich aber in demſelben Zuſtande wie ihre Glaubensgenoſſen in den alten Provinzen, und die Aufhebung des erwähnten Dekrets würde daher nur einen kleinen Theil des Druckes wegnehmen, der auf ihnen laſtet. Wie ſehr aber die jüdiſchen Bewohner der Provinz es verdienen, daß derſelbe ganz verſchwinde, geht daraus hervor, daß dem Vernehmen nach von den beiläufig 500 Legitimationsſcheinen, welche in den Kreiſen Kleve, Geldern, Kempen, Gladbach, Krefeld, Neuß und Grevenbroich jährlich ausgefertigt werden, kaum einer verweigert, und von den ſeit acht Jahren ertheilten jüdiſchen Handels-Patenten nicht ein einziges vom rheiniſchen Appellhof widerrufen worden iſt. Nicht allein aber verdienen daher die Juden eine gänzliche bürgerliche Gleichſtellung, ſondern auch die Provinz muß ſie in ihrem eigenen Intereſſe dringend wünſchen. Die unbeſchränkte ſtaatsbürgerliche Stellung der Juden fließt her aus dem Grundſatze der Gleichheit vor dem Geſetze, ſie bildet einen Theil der Baſis, auf welcher unſere Geſetzgebung, unſere bürgerliche Freiheit beruht; wird ein Steinchen aus dem wohlgefugten Getäfel genommen, ſo iſt das Ganze verletzt und in Frage geſtellt. Meine Herren! Je tiefer wir uns von der Göttlichkeit des chriſtlichen Glaubens durchdrungen fühlen, deſto mehr müſſen wir es für ein Unglück halten, ſeiner Segnungen nicht theilhaftig zu ſein. Wollen wir denn diejenigen, die dieſe Wohlfahrt entbehren, durch Bedrückung und Kränkungen noch unglücklicher machen? wollen wir nicht vielmehr durch ein gerechtes, liebevolles Benehmen die höheren Vorzüge unſerer Religion an den Tag legen? Im Namen der Menſchheit, gegen die eine heilige Schuld abzutragen iſt, im Namen des Chriſtenthums, das alle Menſchen mit göttlicher Liebe umfaßt, im Namen des Geſetzes, vor dem alle Menſchen gleich ſein ſollen, im Namen unſeres hohen Berufes beſchwöre ich Sie, meine Herren, verſagen Sie dem vorliegenden Antrage Ihre Zuſtimmung nicht! Laſſen Sie uns durch unſern Ausſpruch den Weg dazu anbahnen, daß wir in unſerem ſchönen Vaterlande keinem Menſchen mehr begegnen, der im Gefühl des Drucks und ungerechter Kränkung den Blick traurig niederſenkt; laſſen Sie uns keinen, den Gott als unſeren Bruder hat geboren werden laſſen, lieblos verſtoßen, geben wir ihm Raum, jedes Talent, jede Kraft, welche der Schöpfer ihm verliehen hat, unbeengt zum Heile der Menſchheit zu entwickeln! Einer von Ihnen, meine Herren, hat mir geäußert, er habe das Vertrauen zu mir gefaßt, daß ich ſtets nach meiner Ueberzeugung rede; ich habe mich dieſes Lobes, des einzigen, das ein Deputirter annehmen darf, mit dem Bewußtſein gefreut, daß ich es verdiene; wenn ich aber je nach meiner Ueberzeugung geſprochen habe, ſo geſchah es heute, und wenn auch mir nicht mit der innigſten Ueberzeugung zugleich die Kraft gegeben iſt, ſie Ihnen einzuhauchen, ſo weiß ich doch, daß auch das ſchwache Wort, wenn der Geiſt der Wahrheit es durchdringt, den Eingang in die Herzen zu finden vermag. Ein Abgeordneter der Ritterſchaft: Die Frage der Juden-Emanzipation oder ihrer gänzlichen Gleichſtellung mit den Chriſten iſt in neuerer Zeit vielfach in Anregung gebracht und der Gegenſtand weitläufiger Erörterungen geworden. Ich will verſuchen, dieſelbe auf einige Hauptmomente zurückzuführen und dieſe dann zum Gegenſtand einer kurzen Erörterung zu machen. Was ein durch Form und Geiſt eng verbundenes, keine Opfer und Entbehrungen ſcheuendes und nur das Eine Ziel verfolgendes Ganzes den ungünſtigſten Konjunkturen zum Trotz zu erreichen im Stande iſt, dafür liefert das Volk Iſrael einen merkwürdigen Beweis. Während daſſelbe Jahrhunderte lang und in der tiefſten Erniedrigung eine kümmerliche Exiſtenz friſtete, deren Erhaltung es nur ſeiner Iſolirung und Eigenthümlichkeit verdankte, erblicken wir daſſelbe jetzt im Beſitz der größten Macht, der Geldmacht, als den Inhaber vielleicht des vierten Theils des beweglichen Kapital-Vermögens unſerer Staaten, als den Buchführer und Gläubiger der Fürſten, als den großen Säckelträger und Wechſelzieher der Völker, als den Autokraten im Börſen-, Papier- und Aktienweſen in den Staaten, und als den Herrſcher über Gut und Blut in ganzen Strichen des platten Landes. Wer hierin eine Ueberſchätzung der Bedeutung der Juden und des Judenthums erblickt, deſſen Verblendung iſt nur zu beklagen, die allein die großen Vorzüge überſehen kann, mit denen das Volk der Juden ausgeſtattet iſt, und die ihm durch ſeine traditionellen Vorſtellungen und Sitten dem verflachenden Indifferentismus und Kosmopolitismus gegenüber geſichert ſind. Das Volk der Juden bildet den Zentralſtamm des menſchlichen Geſchlechts, und alles, was dem Menſchen an Gaben, wie an Fehlern und Mängeln, von der erſten Schöpfung und dem Falle her zukommt, iſt darum in reicherem Maße und in größerer Fülle bei ihm vereinigt als bei irgend einem anderen. Daher war es von jeher, auch vor der chriſtlichen Zeit, Gegenſtand des Haſſes und der Verfolgung der übrigen Völker, darum aber war es auch das auserwählte Volk des Herrn, und darum bleibt es uns, ſelbſt in dem Zuſtande der Erniedrigung, wann und wo ſie auf ihm laſtet, ehrwürdig und ein Gegenſtand der innigſten Theilnahme. Handelte es ſich blos um den Genuß der bürgerlichen Rechte, ich würde keinen Anſtand nehmen, ihnen denſelben, da, wo ſie ſind, in reichlichem Maße zu gewähren. Ich ſage: da, wo ſie ſind, denn die Gewährung unbedingter Freizügigkeit müßte ſtets den größten Bedenken unterliegen, da die Juden überall als heterogenes Element auftreten, deſſen Abwehr nach ſo vielen und langen Erfahrungen Niemandem verdacht werden kann. Eine ganz andere Frage aber iſt die, ob der Staat durch Gewährung aller politiſchen Rechte ſich ſeines bisherigen chriſtlichen Charakters vollends und bis auf das Letzte entkleiden ſoll. Er wird dadurch nothwendig auf die einzige Grundlage der materiellen Intereſſen und der rohen Gewalt zurückgeführt, eine Grundlage, die keinem Weiterdenkenden zuſagen dürfte. Ich weiß ſehr wohl, daß man jene chriſtliche Grundlage durch das Wort Humanität erſetzen möchte, doch kann dieſer Ausdruck immer nur die beiden Beſtandtheile des Menſchen, das geiſtige und das ſinnliche Element, bezeichnen. Das Erſtere wird uns ſtets auf das Chriſtenthum und das Letztere auf die Herrſchaft der materiellen Intereſſen oder der rohen Gewalt zurückführen. Ein merkwürdiges Beiſpiel hierfür liefert Frankreich, wo, um nur einer der handgreiflichen äußeren Erſcheinungen zu gedenken, in allen Gerichtshöfen ohne Ausnahme, nicht das Bildniß des lorbeerbekränzten Regenten, ſondern das Bildniß des mit Dornen gekrönten gekreuzigten Erlöſers hängt und hinreichend beweiſt, in weſſen Namen hier in letzter Inſtanz Recht geſprochen wird. Kann aber der Jude in dieſem Namen Recht ſprechen, kann er als Verwaltungs-Beamter chriſtliche Zuſtände auffaſſen, ſchützen und fördern, kann er z. B. Schulrath, kann er Kultus-Miniſter werden? und er muß es können, wenn die Emanzipation zur Wahrheit werden ſoll. Ich weiß ſehr wohl, daß ein großer Theil der Juden dem Glauben und den Sitten ihrer Vorfahren entſagt und auf diesem Wege zur Emanzipation zu gelangen hofft, aber ich weiß auch, daß dieſes nur eben ſo viell Gegner des Chriſtenthums mehr ſind, die in das Lager des mächtigeren und gefährlicheren Feindes, des Indifferentismus, übergegangen ſind, was die Erfahrungen der neueſten Zeit hinreichend bewieſen haben, wenn es noch eines ſolchen Beweiſes bedürfen konnte. Einer der früheren Redner hat geäußert, daß er es nicht unternehmen wolle, die Sache vom religiöſen Standpunkte aus zu betrachten, wie es der Herr Referent wegen ſeines geiſtlichen Charakters gethan habe; ich aber will es unternehmen, und zwar von demſelben Standpunkte aus, den jener bezeichnet. Wenn aber der Herr Referent die Emanzipation der Juden als eine nothwendige Folge der Grundſätze des Chriſtenthums darſtellen zu können glaubt, ſo ſtelle ich dem Referenten von meinem Standpunkte aus eine höhere Autorität entgegen. Es iſt die Autorität der katholiſchen Kirche, die dieſe Folge nirgends und zu keiner Zeit ausgeſprochen hat, während ſie zu allen Zeiten die Sklaverei als mit den Grundſätzen des Chriſtenthums unverträglich erklärt hat. So lange aber dieſe Autorität nicht geſprochen, ſo lange ich mich nicht von meiner irrigen Auffaſſungsweiſe überzeugt, kann und darf ich, trotz dem Referenten, der Emanzipation der Juden, als mit den chriſtlichen ſozialen Zuſtänden unverträglich, ſtets und laut widerſprechen. Ein Abgeordneter der Städte: Nach den Vorträgen, die wir vom verehrten Referenten und von einem Abgeordneten der Städte gehört, bleibt mir nichts mehr zu ſagen übrig, als daß wir entweder dieſe herrlichen Produkte der geiſtreichſten Humanität verbrennen oder durch den Druck der Unſterblichkeit überliefern müßten. Vermodern oder verſchimmeln dürfen ſie in unſeren Archiven nicht. Es handelt ſich zunächſt um die Aufhebung eines verſchollenen Geſetzes, desjenigen vom 17. März 1808. Dieſes Geſetz war ein Strafedikt für die Dauer von zehn Jahren; es galt für das Elſaß und kam nur par bricole nach dem jetzigen Rhein-Baiern, Rhein-Heſſen und Rhein-Preußen, und zwar nur ins halbe Rhein-Preußen. Seit 25 Jahren 3 Monaten und 13 Tagen iſt die Strafzeit vorüber, und es iſt verſäumt worden, und zwar von den Ständen verſäumt worden, darauf aufmerkſam zu machen, daß im Elſaß, in Rhein-Baiern und Rhein-Heſſen die Wirkung des Strafedikts aufgehört hat, daß ſie nirgendwo mehr beſtehet, als im halben Rhein-Preußen. Hier aber beſteht ſie ohne Fug, Grund und Recht, denn es hat ſich in dem Vierteljahrhundert nichts zugetragen, was die Fortdauer der Strafe auch nur dem Scheine nach rechtfertigen könnte. Wir bitten unſere Brüder vom rechten Ufer, uns zu helfen. Dieſe Bitte iſt ſo billig und gerecht, daß ſie uns gar nicht abgeſchlagen werden kann. Was würden wol unſere Nachbarsleute von unſerer Einigkeit und Einheit ſagen, wenn unſere Bitte, die wir an die rechte Rheinſeite richten, und zwar in einer Sache, die wir eine Ehrenſache nennen, eine vergebliche Bitte wäre? Es iſt dergeſtalt eine Ehrenſache, daß ganz Deutſchland, Belgien, Holland und Frankreich auf uns ſehen, und daß dabei der Ruhm des ſiebenten rheiniſchen Landtags auf dem Spiel ſteht. Meinen verehrten Mitſtänden lege ich dieſen Ruhm warm an’s Herz! Ein Abgeordneter der Ritterſchaft: Unter der Juden-Emanzipationsfrage werden wir die Frage verſtehen, ob und inwiefern eine Gleichſtellung der Juden mit den übrigen Staatsbürgern in politiſcher Beziehung möglich ſei. Es wird nicht verkannt werden, daß für die Beantwortung dieſer Frage die Feſtſtellung des Begriffs vom Judenthume vor Allem erforderlich und daß die nöthigen Anhaltspunkte für die Feſtſtellung dieſes Begriffes nur aus der Geſchichte und aus der Art, wie in derſelben das Judenthum zur Darſtellung gekommen, gewonnen werden können. Hiernach gelangen wir aber zu dem Reſultate, daß das Judenthum zunächſt etwas Anderes als eine Religion, d. h. eine Glaubensgemeinſchaft über die letzten Gründe der Dinge ſei. Wo wäre auch der gemeinſchaftliche Glaubensverband zwiſchen dem meſſiasgläubigen Volke des alten Teſtaments, dem Juden des Talmud und dem aufgeklärten, nach Emanzipation verlangenden Juden des neunzehnten Jahrhunderts? Die Geſchichte lehrt uns mit der nämlichen Beſtimmtheit, daß von jeher und zu allen Zeiten das Judenthum durch die Abſtammung und nur durch die Abſtammung fortgepflanzt worden, und daß ausſchließlich ſie es geweſen, welche in faſt allen Staaten der Welt jene fremde Nationalität bis auf unſere Tage hat fortleben laſſen. Es iſt daher für uns die ſo bezeichnete Genoſſenſchaft von Stammesverwandten nicht zu verwechſeln mit irgend einer anderen Gemeinſchaft von Glaubensgenoſſen, eine Verwechſelung, welche gerade am häufigſten vorgekommen und den meiſten Anlaß zu unrichtiger Beurtheilung der vorliegenden Frage gegeben hat. Nachdem wir hiermit den Geſichtspunkt ausgeſprochen, von welchem bei dieſer Beurtheilung ausgegangen werden muß, iſt die Einrede zu beſeitigen, als ſei dieſes Jahrhunderte lang fortgeſetzte Zuſammenhalten von den unter ſich durch Abſtammung zu einer Gemeinſchaft Verbundenen nicht aus dem Weſen dieſer Gemeinſchaft entſprungen, ſondern durch die Unduldſamkeit und die Verfolgungsſucht früherer Jahrhunderte verurſacht worden. Es lehrt uns aber die Geſchichte auf jeder Seite, daß nach den blutigſten und verfolgungsſüchtigſten Zeiten der unterdrückte Stamm mit dem ſiegenden ſich ſtets zu einem Ganzen verſchmolzen habe, während gerade nur die jüdiſche Nationalität es war, die unter allen Umſtänden der Vereinigung mit jedem fremden Elemente dauernd widerſtrebte.