5 October 1842. A. v. Humboldts Verſuch die mittlere Höhe der Continente zu beſtimmen. Der „Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin im Monat Julius 1842“ enthält unter anderm eine längere Abhandlung über den „Verſuch die mittlere Höhe der Continente zu beſtimmen“, welche A. v. Humboldt in der Sitzung der phyſikaliſch-mathematiſchen Claſſe der Akademie zu Berlin am 18 Julius vorgetragen hat. Die Wichtigkeit des Gegenſtandes und der Name des Verfaſſers geben dieſer Abhandlung ein ſo hohes Intereſſe, daß wir uns veranlaßt ſehen ſie unſern Leſern nach jenem Bericht ausführlich mitzutheilen; ſie lautet wie folgt: „Unter den numeriſchen Elementen, von deren genauer Erörterung die Fortſchritte der phyſiſchen Erdbeſchreibung abhängen, gibt es eines, deſſen Beſtimmung bisher faſt gar nicht verſucht worden iſt. Der Unglaube an die Möglichkeit einer ſolchen Beſtimmung iſt vielleicht die Haupturſache dieſer Vernachläſſigung geweſen. Die Erweiterung aber unſers orographiſchen Wiſſens wie die Vervollkommuung der Karten großer Länderſtrecken hat mir den Muth gegeben mich ſeit Jahren einer mühevollen, ſehr ſteril ſcheinenden Arbeit zu unterziehen, deren Zweck die genäherte Kenntniß der mittleren Höhe der Continente, die Beſtimmung des Schwerpunkts ihres Volums ſey. Bei dieſem Gegenſtand wie bei vielen andern der Dimenſionen des Weltbaues, der wahrſcheinlichen Entfernung der Firſterne, der mittleren Temperatur der Erdpole oder des ganzen Luftkreiſes im Meeresniveau, der Schätzung der allgemeinen Bevölkerung der Erde, kommt es darauf an die Gränzzahlen (nombres limites) zu erlangen, zwiſchen welche die Reſultate fallen müſſen, von dem Bekannten aus einem einzigen Lande, z. B. von der genau geometriſch und auch hypſometriſch dargeſtellten Oberfläche von Frankreich allmählich zu größern Theilen von Europa und Amerika durch Analogien geleitet überzugehen, zugleich aber allen numeriſchen Angaben nachzuſpüren, die in neueren Zeiten, beſonders für Inner- und Weſtaſien, uns in ſo erfreulicher Fülle zugekommen ſind. Aſtronomiſche Ortsbeſtimmungen, um die Gränzen zwiſchen den Gebirgsabfällen und den Rändern der Ebenen bis zu 300 oder 400 Metres abſoluter Höhe auszumitteln, ſind am ſorgfältigſten zu ſammeln. Die Möglichkeit einer ſolchen Ergründung der Gränzen und der davon abhängigen Vergleichung des Flächeninhalts der Ebenen und der Gebirgsgrundflächen habe ich früher in geognoſtiſchen Unterſuchungen über Südamerika gezeigt, wo die lange auf einer ungeheuren Gangſpalte mauerartig erhobene Cordillere der Andes und die Maſſenerhebungen der Parime und Braſiliens in allen älteren Karten ſo unrichtig umgränzt waren. Es iſt eine allgemeine Tendenz der graphiſchen Darſtellungen den Gebirgen mehr Breite zu geben als ſie in der Wirklichkeit haben, ja, in den Ebenen die Plateaux verſchiedener Ordnung mit einander zu vermengen. „Ich habe zuerſt im Jahr 1825 in zwei Abhandlungen, die ich in der Akademie der Wiſſenſchaften zu Paris verleſen, die mittlere Höhe der Continente berührt, „l’évaluation du volume des arêtes ou soulèvemens des montagnes comparé à l’étendue de la surface des basses régions.“ Eine denkwurdige Behauptung von Laplace (Mécanique céleste. T. V. livre XI. chap. 1. pag. 3) hatte Veranlaſſung zu dieſer Unterſuchung gegeben. Der große Geometer hatte den Satz aufgeſtellt, daß der Einklang, welcher ſich zwiſchen den Reſultaten der Pendelverſuche und der Erdabplattung findet, aus trigonometriſchen Gradmeſſungen und den Mondsungleichheiten hergeleitet, den Beweis davon liefert: „que la surface du sphéroïde terrestre serait à peu près celle de l’équilibre, si cette surface devenait fluide. De là et de ce que la mer laisse à découvert de vastes continens, on conclut, qu’elle doit être peu profonde et que sa profondeur moyenne est du même ordre que la hauteur moyenne des continens et des îles au dessus de son niveau, hauteur qui ne surpasse pas mille mètres(3078 Pariſer Fuß, nur 463 Fuß weniger als der Brockengipfel nach Gauß, oder mehr als die höchſten Berſpitzen in Thüringen. Cette hauteur, heißt es weiter, est donc une petite fraction de l’excès du rayon de l’équateur sur celui du pôle, excès qui surpasse 20,000 mètres. De même que les hautes montagnes recouvrent quelques parties des continens, de même il peut y avoir de grandes eavités dans le bassin des mers, mais il est naturel de penser que leur profondeur est plus petite que l’élévation des hautes montagnes, les dépôts des fleuves et les dépouilles des animaux marins devant remplir à la loague ces grandes cavités.“ Bei der Vielſeitigkeit des gründlichſten Wiſſens, welches den Gründer der Mécanique céleste in ſo hohem Grade auszeichnete, war eine ſolche Behauptung um ſo auffallender, als es ihm nicht entging, daß das höchſte Plateau von Frankreich, des, auf welchem die ausgebrannten Vulcane von Auvergne ausgebrochen ſind, nach Ramond nur 1044 Fuß, die große iberiſche Hochebene nach meinen Meſſungen nur 2100 Fuß über den Meeresſpiegel liegen. Laplace hat die obere Gränze auf 1000 Metres nur deßhalb geſetzt, weil er den Umfang und die Maſſe der Gebirgserhebungen für beträchtlicher hielt als ſie iſt, die Höhe einzelner Piks (culminiren der Punkte) mit der mittleren Höhe der Gebirgsrücken verwechſelte, die mittlere Meerestiefe zu gering anzunehmen beſorgte und zu ſeiner Zeit keine Data aufgeführt fand, aus denen ſich das Verhältniß des Flächeninhalts (in Quadratmeilen) der ganzen Continente zu dem Flächeninhalt der Gebirgsgrundflächen ſchließen ließ. Eine ſorgfältige Rechnung ergab, daß die Maſſe der Andeskette von Südamerika, auf den ganzen ebenen Theil der öſtlichen Grad- und Waldfluren pulverartig aber gleichförmig zerſtreut, dieſe Ebenen, deren Flächeninhalt genau ein Drittel größer iſt als die Oberfläche von Europa, nur um 486 Fuß erhöhen würde. Schon damals zog ich hieraus den Schluß: „que la hauteur meyenne des terres continentales dépend bien moins de ces chainons ou arêtes longitudinales de peu de largeur, qui traversent les continens, de ces points culminans ou dômes qui attirent la curiosité du vulgaire, que de la conſiguration générale des plateaux de différens ordres et de leur série ascendante, de ces plaines doucement ondulées et à pentes alternantes, qui influent par leur étendue et leur masse sur la position d’une surface moyenne, c’està dire sur la hauteur d’un plan placé de manière, que la somme des ordonnées positives soit égale à la somme des erdonnées négatives.“ Die Vergleichung, welche Laplace in der angeführten Stelle der Mécanique céleste zwiſchen der Tiefe des Meeres und der Höhe der Continente macht, erinnert an eine Stelle des Plutarch im 15ten Capitel ſeiner Lebensbeſchreibung des Aemilius Panius (Ed. Reiskii T. II. pag. 276). Sie iſt um ſo merkwürdiger, als ſie uns eine unter den Phyſikern von Alexandrien allgemein herrſchende Meinung kennen lehrt. Nachdem Plutarch den Inhalt einer Inſchrift mitgetheilt hat, welche am Olympus geſetzt worden war und das Reſultat der ſorgfältigen Höhenmeſſung des Xenagoras angab, fügt er hinzu: „aber die Geometer (wahrſcheinlich die Alexandriniſchen) glauben, man finde keinen Berg der höher, kein Meer das tiefer ſey als 10 Stadien.“ Man ſetzte keinen Zweifel in die Richtigkeit der Meſſung des Xenagoras, aber man drückte aus, es müſſe durch den Bau der Erde eine völlige Gleichheit geben zwiſchen den poſitiven und negativen Höhen. Hier iſt freilich nur von dem Maximum der Höhe und Tiefe die Rede, nicht von einem mittleren Zuſtande — eine Betrachtung, welche überhaupt ſich den alten Phyſikern wenig darbot und welche erſt bei veränderlichen Größen auf eine der Aſtronomie heilbringende Weiſe von den Arabern eingeführt ward. Auch in den Meteorologicis des Kleomedes (1. 10) iſt eine Meinung geäußert, die mit der des Plutarch gleich lautet, während in den Meteorologicis des Stagiriten (Aristot. met. II. 2.) nur der Einfluß der Inclination des Meeresbodens von Oſten nach Weſten auf die Strömung betrachtet wird. Wenn man verſucht die mittlere Höhe der Continental-Erhebungen über dem jetzigen Niveau der Meere zu beſtimmen, ſo heißt das den Schwerpunkt des Volums der Continente über dem jetzigen Meeresſpiegel auffinden — eine Unterſuchung, die ganz von der verſchieden iſt, ſtatt des centre de gravité du volume den Schwerpunkt der Continentalmaſſe, centre de gravité des masses, aufzufinden, da der ſich über dem Meere erhebende Theil der feſten Erdrinde keineswegs von homogener Dichtigkeit iſt, wie die Geognoſie und die Pendelverſuche lehren. Der Gang der einfachen Rechnung iſt der: man betrachtet jede Gebirgskette als ein dreiſeitiges horizontal liegendes Prisma. Die mittlere Höhe der Gebirgspäſſe, welche die mittlere Höhe des Gebirgsrückens beſtimmt, iſt die Höhe der Seitenkante des liegenden dreiſeitigen Prisma’s, ſenkrecht auf die Fläche gefällt, welche die Baſis der Gebirgskette ausmacht. Die Hochebenen (Plateaux) ſind als ſtehende Prismen ihrem Inhalt nach berechnet worden. Um ein europäiſches Beiſpiel zu geben, erinnere ich, daß die Oberfläche von Frankreich 10,087 geographiſche Quadratmeilen enthält. Nach Charpentier beträgt die Grundfläche der Pyrenäen 430 dieſer Quadratmeilen. Obgleich die mittlere Höhe des Kammes der Pyrenäen 7500 Fuß beträgt, ſo habe ich doch eine kleinere Höhe angenommen wegen der Eroſionen des liegenden Prisma’s, welche die häufigen tiefen Querthäler als volumvermindernd bilden. Der Effect der Pyrenäen auf ganz Frankreich iſt nur 35 Metres oder 108 Fuß. Um dieſe Quantität nämlich würde die Normaloberfläche der Ebenen von ganz Frankreich, die ſich durch Vergleichung vieler genau gemeſſenen wohlgelegenen, d. h. dem Centrum angehörigen Orte (Bourges, Chartres, Nevers, Tours u. ſ. w.) ergibt und 480 Fuß beträgt, erhöht werden. Die Rechnung, die ich mit Hrn. Elie de Beaumont gemeinſchaftlich angeſtellt, ergibt nun folgendes allgemeine Reſultat: 1) Effect der Pyrenäen ..... 18 Toiſen. 2) Die franzöſiſchen Alpen, der Jura und die Vogeſen einige Toiſen mehr als die Pyrenäen; ihr gemeinſamer Effect ..... 20 — 3) Es bleiben übrig die Plateaux des Limouſin, der Auvergne, der Cevennen, des Aveyron, des Forez, Morvant und der Côte d’or. Ihr gemeinſamer Effect, ſehr nahe dem der Pyrenäen, gleich ........ 18 — Da nun die Normalhöhe der Ebenen von Frankreich in der weiteſten Erſtreckung .. 80 — ſo iſt die mittlere Höhe von Frankreich höchſtens 136 Toiſen oder 816 Fuß. Die baltiſchen, ſarmatiſchen und ruſſiſchen Ebenen ſind nur durch die Meridiankette des Ural von den Ebenen von Nordaſien getrennt; daher denn Herodot, dem der Zuſammenhang um die ſüdliche Extremität des Urals im Lande der Iſſidonen bekannt war, ganz Aſien nördlich vom Altai Europa hieß. In dem cisuraliſchen Theil unſerer baltiſchen Ebenen ſind, dem Littoral der Oſtſee nahe, partielle Maſſenerhebungen, die eine beſondere Rückſicht verdienen. Weſtlich von Danzig, zwiſchen dieſer Stadt und Bütow, wo das Seeufer weit gegen Weſten vortritt, liegen viele Dörfer 400 Fuß hoch; ja der Thurmberg, deſſen Meſſungen zu vielen hypſometriſchen Streitigkeiten Anlaß gegeben haben, erhebt ſich nach Major Baeyers trigonometriſcher Operation zu 1024 Fuß — vielleicht die größte Berghöhe zwiſchen dem Harz und Ural. Sonderbar, daß nach Struve’s Meſſung der culminirende Punkt von Livland, der Munamaggi, bis auf 4 Toiſen die Höhe des preußiſchen Thurmberges erreicht, ja daß eben ſo übereinſtimmend nach Schiffscapitän Albrechts neuer Seekarte die größte Tiefe der Oſtſee zwiſchen Gothland und Windau 167 Toiſen beträgt, wenn der Thurmberg 170 Toiſen hat. Das Loch hat 4 Quadratmeilen. Das ausſchließlich europäiſche Flachland, deſſen Normalhöhe man nicht über 60 Toiſen anſchlagen kann, hat, genau gemeſſen, neunmal den Flächeninhalt von Frankreich. Die ungeheure Ausdehnung dieſer niederen Region iſt die Urſache, warum die mittlere Continentalhöhe von ganz Europa mit ſeinen 170,000 geographiſchen Quadratmeilen um volle 30 Toiſen kleiner ausfällt als das Reſultat für Frankreich. Ohne länger durch Zahlen ermüden zu wollen, füge ich nur die für eine allgemeine geognoſtiſche Anſicht nicht ganz unwichtige Betrachtung hinzu, daß Maſſenerhebungen von ganzen Ländern als Hochebenen einen ganz andern Effect auf Erhöhung der Schwerpunkte des Volums hervorbringen als Bergketten, wenn ſie auch noch ſo beträchtlich an Länge und Höhe ſind. Während die Pyrenäen auf ganz Europa kaum den Effect von einer Toiſe, das Alpenſyſtem, deſſen Grundfläche die der Pyrenäen faſt viermal übertrifft, den Effect von 3½ Toiſen hervorbringen, bewirkt die iberiſche Halbinſel mit ihrer compacten Plateaumaſſe von 300 Toiſen Höhe einen Effect von 12 Toiſen. Das iberiſche Plateau wirkt demnach auf ganz Europa viermal ſo viel als das Alpenſyſtem. Das Reſultat der Rechnungen iſt meiſt ſo befremdend, daß es ſich aller Vorausbeſtimmung zu entziehen ſcheint. 6 October 1842. A. v. Humboldts Verſuch die mittlere Höhe der Continente zu beſtimmen. (Beſchluß.) Über die Geſtaltung von Aſien iſt in den neueſten Zeiten viel Licht verbreitet worden. Der Effect der ſüdlichen coloſſalen Erhebungsmaſſen wird dadurch vermindert, daß ein Drittel des ganzen Continents von Aſien, ein Theil Sibiriens, der ſelbſt um ein Drittel den Flächeninhalt von Europa übertrifft, nicht 40 Toiſen Normalhöhe hat. Das iſt ſelbſt noch die Höhe von Orenburg an dem nördlichen Rande der kaſpiſchen und turaniſchen Senkung. Tobelsk hat nicht die Hälfte dieſer Höhe, und Kaſan, das 5mal entfernter von dem Littoral des Eismeeres liegt als Berlin von der Oſtſee, hat kaum die Hälfte der Höhe unſerer Stadt. Am oberen Irtyſch, zwiſchen Buchtarminsk und dem Sayſsan-See, an einem Punkte wo man dem indiſchen Meere näher als dem Eiſmeere iſt, fanden wir die Ebene noch nicht 800 Fuß hoch, ein sogenanntes Centralplateau Inneraſiens, das noch nicht die Hälfte der Erhebung des Straßenpflaſters von München über dem Niveau des Meeres hat. Das einſt ſo berühmte Plateau zwiſchen dem Baikalſee und der chineſiſchen Mauer (die ſteinige Wüſte Gobi oder Cha mo), das die ruſſiſchen Akademiker Bunge und Fuß barometriſch gemeſſen, hat nur die mittlere Höhe von 660 Toiſen (3960 Fuß), als ſetze man die Müggelsberge auf den Gipfel des Brocken; ja, das Plateau hat in ſeiner Mitte, wo Ergi liegt (Lat. 45° 31′), eine muldenartige Vertiefung, wo der Boden bis 400 Toiſen (2400 Fuß), faſt bis zur Höhe von Madrid, herabſinkt. „Dieſe Senkung, ſagt Bunge in einem noch ungedruckten Aufſatz, den ich beſitze, iſt mit Halophyten und Arundo-Arten bedeckt, und nach den Traditionen der Mongolen, die uns begleiteten, war ſie einſt ein großes Binnenmeer.“ Beide Extremitäten dieſes alten Binnenmeeres ſind durch flache Felsränder ganz einem Seeufer gleich, bei Olonbeiſchan und Zukeldakan begränzt. Das Areal des Gobi, in ſeiner einförmigen Maſſenerhebung von Südweſt gegen Nordoſt, iſt zweimal ſo groß als ganz Deutſchland und würde den Schwerpunkt von Aſien um 20 Toiſen erhöhen, während der Himalaya und das den Hindu-Kho fortſetzende Kuen-lun, ſammt der tübetaniſchen Hochebene, die Himalaya und Kuen-lun verbindet, einen Effect von 56 Toiſen hervorbringen würden. Bei der Berechnung des ungeheuren Reliefs zwiſchen den indiſchen Ebenen und dem niedrigen, von dem milden Kaſchgar gegen den Lop-See abfallenden Plateau des Tarim war der Punkt zu beachten nahe dem Meridian des Kaylaſa und der zwei heiligen Seen Manaſa und Ravana-brada, von wo an der Himalaya nicht mehr von Oſten gegen Weſten dem Kuen-lun parallel läuft, sondern ſich, vonSO — NW gerichtet, dem Bergſyſtem des Tſun-ling anſchaart. Die Höhen der zahlreichen Bergpäſſe von Bamian bis zu dem Meridian des Tſchamalari (24,400 Fuß), bei welchem Turner auf das tübetaniſche Plateau von H’Laſſa gelangte, alſo in einer Ausdehnung von 21 Längengraden, ſind bekannt. Der größere Theil derſelben hat ſehr einförmig 14,000 engliſche Fuß (2200 Toiſen), eine in den Päſſen der Andeskette gar nicht ungewöhnliche Höhe. Die große Landſtraße, der ich von Quito nach Cuenca gefolgt bin, hat z. B. am Aſſuay ſchneefrei die Höhe von 2428 Toiſen, das iſt faſt 1400 Fuß mehr als jene Himalaya-Uebergänge. Die Päſſe, wie ich bereits früher bemerkt, beſtimmen die mittlere Höhe der Gebirgskämme. In einer Abhandlung über das Verhältniß der höchsten Gipfel (culminierenden Punkte) zu der Höhe der Gebirgsrücken habe ich gezeigt, daß der Gebirgsrücken der Pyrenäen, aus 23 Päſſen (cols, hourques) berechnet, 50 Toiſen höher als der mittlere Gebirgsrücken der Alpen iſt, obgleich die Culminationspunkte der Pyrenäen und Alpen ſich wie 1 : 1, verhalten. Da einzelne Himalayapäſſe, z. B. Niti-Gate, durch das man in die Ebene der Shawlziegen aufſteigt, 2629 Toiſen hoch ſind, ſo habe ich die mittlere Höhe des Himalayarückens nicht zu 14,000 engliſche Fuß, ſondern, wenn gleich überſchätzt, zu 15,500 Fuß (2432 Toiſen) angeſchlagen. Das Plateau der drei Thäler Tübets von Iscardo, Ladak und H’Laſſa iſt eine Intumescenz zwiſchen zwei anſchaarenden Ketten (Himalaya und Kuen-lun). Vigne’s eben erſchienene Reiſe nach Baltiſtan oder Kleintübet, die von Lloyd beſorgte Ausgabe der Journale der Brüder Gerard, ſowie neue in Indien ſelbſt angeregte Streitigkeiten über die relative Höhe der ewigen Schneegränze an dem indiſchen und tübetaniſchen Abhange des Himalaya haben immer mehr gezeigt, daß die mittlere Höhe der tübetaniſchen Hochebene bisher anſehnlich überſchätzt worden iſt. In meinem Werke Asie centrale, von deſſen drittem Bande nur noch wenige Bogen ungedruckt ſind, und welches von einer hypſometriſchen Karte von Aſien vom Phaſis bis zum Golf Petſcheli, vom Zuſammenfluß des Ob und Irtyſch bis zum Parallel von Delhi begleitet iſt, glaube ich durch Zuſammenſtellung vieler Thatſachen zu beweiſen, daß die Intumescenz zwiſchen Himalaya und Kuen-lun (der ſüdlichen und nördlichen Gränzkette von Tübet) nicht 1800 Toiſen mittlerer Höhe überſteigt, alſo ſelbſt 200 Toiſen niedriger als die Hochebene des Sees Titica iſt. Die hypſometriſche Configuration des aſiatiſchen Feſtlandes, in der die Ebenen und Senkungen, vielleicht noch auffallender als die koloſſalen Hebungen ſind, zeichnet ſich durch zwei charakteriſtiſche Grundzüge aus: 1) durch die lange Reihe von Meridianketten, die mit parallelen Axen, aber unter ſich alternirend (vielleicht gangartig verworfen), vom Cap Comorin (Ceylon gegenüber) bis an die Käſte des Eismeeres, in gleichmäßiger Richtung, SSO — NNW, unter dem Namen der Ghates, der Solimankette, des Paralaja, des Bolor und des Ural hinſtreichen. Dieſe alternirende Lage der goldreichen Meridianketten (Vigne hat neuerdings am öſtlichen Bolorabfall, im Baſhathale des Baltiſtan, die vom tübetiſchen Murmelthier, Herodots großen Ameiſen, durchwühlten Goldſandſchichten beſucht), offenbart das Geſetz, daß keine der eben genannten fünf Meridianketten, zwiſchen 64° und 75° Länge, neben der nächſten gegen Oſten und Weſten vorbeiſtreicht, auch daß jede neue longitudinale Erhebung erſt in der geographiſchen Breite beginnt, welche die vorhergehende noch nicht erreicht hat. 2) Ein anderer, ebenfalls nicht genug beachteter, charakteriſtiſcher Zug der Configuration von Aſien iſt die Continuität einer ungeheuren oſtweſtlichen Hebung zwiſchen Br. 35° und 36½°, vom Takhialudagh an im alten Lycien bis zur chineſiſchen Provinz Houpih, eine Hebung, die dreimal von Meridianketten (Zagros in Weſtperſien, Bolor in Arghaniſtan, Aſſamkette im Dzangbothale) durchſchnitten wird. Von Weſten gegen Oſten heißt dieſe Kette, auf dem Parallel des Dicäarchus, welcher zugleich der Parallel von Rhodus iſt: Taurus, Elbruz, Hindu- Kho und Kuen-lun oder A-neutha. In dem dritten Buch der Geographie des Eratoſthenes findet ſich der erſte Keim des Gedankens einer ununterbrochen fortlaufenden, ganz Aſien theilenden Bergkette (Strabo XV. pag. 689. Cas.). Dicäarchus ſah den Zuſammenhang ein zwiſchen dem kleinaſiatiſchen Taurus und den indiſchen Schneebergen, denen die Erzählungen und Lügen der Begleiter des Macedoniers bei den Griechen ſo viel Ruf verſchafft hatten. Man legte Wichtigkeit auf den Parallel von Rhodus und auf die Richtung dieſer unermeßlichen Bergkette. Die „Chlamyde“ von Aſien ſoll unter dieſem Parallel am breiteſten ſeyn (Strabo XI. pag. 519); ja, weiter gegen Oſten könnte (wie Strabo ſagt) ein anderer Continent liegen. Sonderbare geognoſtiſche Träume über eine Zone, einen Breitengrad, eine Spaltung der Erdoberfläche, in der vorzugsweiſe Continental- und Bergerhebungen ſtattgefunden, ja in der auch die Straße und die Säulen des Hercules bei Gades (Br. 36°) liegen. Der Taurus und die Hochebenen von Kleinaſien hatten den Einfluß der Höhe auf die Temperatur den griechiſchen Phyſikern zuerſt recht merklich gemacht. „Auch in ſüdlichen Erdſtrichen“, ſagt der große Geograph von Amaſeia (Strabo II. p. 73), indem er das Klima der nördlichen Küſten von Kappadocien mit der 3000 Stadien ſüdlicheren Ebene um den Argatos vergleicht, „ſind die Berge und jeder hohe Boden kalt, wenn er auch eine Ebene iſt.“ Strabo allein unter allen griechiſchen Schriftſtellern gebraucht das ſchön bezeichnende Wort ᾽σροπεδια, Bergebenen. Als Schlußreſultat dieſer ganzen Arbeit ergibt ſich das von Laplace angegebene Maximum der mittleren Continentalhöhe um zwei Drittel zu groß. Ich finde für die drei Welttheile, die ich berechnet (an Afrika würde zu früh ſeyn ſich zu wagen!) folgende numeriſche Elemente: Europa ... 105, Toiſen (205 Metres). Nordamerika .. 117 — (228 — Südamerika .. 177 — (345 — Aſien ... 180 — (351 — Für den ganzen neuen Continent ergeben ſich 146 Toiſen (285 Metres), und für die Höhe des Schwerpunkts des Volums aller Continentalmaſſen (Afrika nicht eingerechnet) über dem heutigen Meeresſpiegel 157,8 Toiſen oder 307 Metres. Hr. v. Hoff hat auf einer Landſtrecke von 224 geographiſchen Quadratmeilen die Höhen von 1076 Punkten mit ſeltener Genauigkeit gemeſſen, und zwar in einem meiſt gebirgigen Theile Thüringens. Er beſtimmte demnach faſt 5 Höhen auf jeder Quadratmeile; aber dieſe Höhen waren ungleich vertheilt. Wegen der Laplaciſchen Behauptung über die Continentalmaſſen forderte ich Hrn. v. Hoff auf die mittlere Höhe ſeines hypſometriſch vermeſſenen Landſtrichs zu berechnen. Dieſer findet ſie zu 166 Toiſen (Höhenmeſſungen in und um Thüringen. 1833, S. 118), alſo nur 8 Toiſen mehr als das von mir gefundene Reſultat. Man darf daraus ſchließen, daß, da eine ſehr gebirgige Gegend Thüringens gemeſſen wurde, das Reſultat von 157 Toiſen oder 942 Fuß als Gränzwerth (nombre limite) noch eher zu groß als zu klein iſt. Bei der Gewißheit eines progreſſiven aber partiellen Aufſteigens von Schweden (eine für die phyſiſche Erdbeſchreibung ſo wichtige Gewißheit, die wir Leopold v. Buch verdanken) kann man glauben, daß dieſe Lage des Schwerpunkts nicht immer dieſelbe bleiben wird; aber bei einzelnen herabſteigenden Maſſen und bei der Kleinheit der Räume, auf welche die unterirdiſchen Kräfte zu wirken ſcheinen, wird die ſich großentheils ſelbſt compenſirende Variation im Ganzen wenig ſtörend auf den Schwerpunkt des Ueber-Oceaniſchen einwirken. In den numeriſchen Reſultaten jener hypſometriſchen Arbeit offenbart ſich aufs neue, daß die geringſten Höhen in unſerer Hemiſphäre den Continentalmaſſen des Nordens zugehören. Europa gibt 105 Toiſen, Nordamerika 117 Toiſen. Der Intumescenz Aſiens, zwiſchen 28° und 40° Breite, compenſirt die mindernde Wirkung des ſibiriſchen Tieflandes. Aſien und Südamerika geben 180 und 177 Toiſen. Man liest gewiſſermaßen in jenen Zahlen, in welchen Theilen unſerer Erdoberfläche der Vulcanismus (die Reaction des Innern gegen das Aeußere) durch uralte Hebungen am kräftigſten gewirkt hat.“