Digitale Ausgabe

Download
TEI-XML (Ansicht)
Text (Ansicht)
Text normalisiert (Ansicht)
Ansicht
Textgröße
Originalzeilenfall ein/aus
Zeichen original/normiert
Zitierempfehlung

Alexander von Humboldt: „Versuch die mittlere Höhe der Continente zu bestimmen“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1842-Versuch_die_mittlere-01> [abgerufen am 20.04.2024].

URL und Versionierung
Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1842-Versuch_die_mittlere-01
Die Versionsgeschichte zu diesem Text finden Sie auf github.
Titel Versuch die mittlere Höhe der Continente zu bestimmen
Jahr 1842
Ort Berlin
Nachweis
in: Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuß. Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1842), S. 233–244.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Antiqua (mit lang-s); Griechisch für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Kursivierung, Sperrung; Tabellensatz; Besonderes: Quadrate.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: VI.24
Dateiname: 1842-Versuch_die_mittlere-01
Statistiken
Seitenanzahl: 12
Zeichenanzahl: 23260
Bilddigitalisate

Weitere Fassungen
Versuch die mittlere Höhe der Continente zu bestimmen (Berlin, 1842, Deutsch)
Versuch einer Bestimmung der mittleren Höhe der Continente (Berlin, 1842, Deutsch)
Versuch, die mittlere Höhe der Kontinente zu bestimmen (Berlin, 1842, Deutsch)
A. v. Humboldts Versuch die mittlere Höhe der Continente zu bestimmen (Augsburg, 1842, Deutsch)
Versuch die mittlere Höhe der Continente zu bestimmen (Leipzig, 1842, Deutsch)
Extrait d’un mémoire de M. le baron de Humboldt ayant pour titre: Essai d’une détermination de la hauteur moyenne des Continents (Paris, 1842, Französisch)
Physique du globe (Paris, 1843, Französisch)
An Attempt to determine the mean height of Continents (Edinburgh, 1843, Englisch)
Saggio di una determinazione dell’ altezza media de’ continenti. Memoria letta all’ Accademia delle Scienze di Berlino (Neapel, 1843, Italienisch)
Ueber die mittlere Höhe der Kontinente (Hildburghausen; New York City, New York, 1855, Deutsch)
|233| Hr. Alexander von Humboldt verlas eine Abhandlungunter dem Titel: Versuch die mittlere Höhe der Conti-nente zu bestimmen. „Unter den numerischen Elementen, von deren genauer Er-örterung die Fortschritte der physischen Erdbeschreibung abhan-gen, giebt es eines, dessen Bestimmung bisher fast gar nicht ver- |234| sucht worden ist. Der Unglaube an die Möglichkeit einer solchenBestimmung ist vielleicht die Hauptursach dieser Vernachlässi-gung gewesen. Die Erweiterung aber unseres orographischenWissens, wie die Vervollkommnung der Karten großer Länder-strecken hat (sagt der Verfasser der Abhandlung) mir den Muthgegeben, mich seit Jahren einer mühevollen, sehr steril scheinen-den Arbeit zu unterziehen, deren Zweck die genäherte Kennt-niß der mittleren Höhe der Continente, die Bestimmung derHöhe des Schwerpunkts ihres Volums ist. Bei diesem Ge-genstande, wie bei vielen anderen der Dimensionen des Welt-baues, der wahrscheinlichen Entfernung der Fixsterne, der mitt-leren Temperatur der Erdpole oder des ganzen Luftkreises imMeeres-Niveau, der Schätzung der allgemeinen Bevölkerung derErde, kommt es darauf an die Grenz-Zahlen (nombres limites)zu erlangen, zwischen welche die Resultate fallen müssen, vondem Bekannten aus einem einzigen Lande, z. B. von der genaugeometrisch und auch hypsometrisch dargestellten Oberfläche vonFrankreich, allmählich zu größeren Theilen von Europa und Ame-rika, durch Analogien geleitet, überzugehen, zugleich aber allennumerischen Angaben nachzuspüren, die in neueren Zeiten, be-sonders für Inner- und West-Asien, uns in so erfreulicher Füllezugekommen sind. Astronomische Ortsbestimmungen, um dieGrenzen zwischen den Gebirgs-Abfällen und den Rändern derEbenen bis zu drei- oder vierhundert Meter absoluter Höhe aus-zumitteln, sind am sorgfältigsten zu sammeln. Die Möglichkeiteiner solchen Ergründung der Grenzen und der davon abhängi-gen Vergleichung des Flächeninhalts der Ebenen und der Ge-birgs-Grundflächen habe ich früher in geognostischen Un-tersuchungen über Süd-Amerika gezeigt, wo die lange, auf einerungeheueren Gangspalte mauerartig erhobene Cordillere der Andesund die Massen-Erhebungen der Parime und Brasiliens in allenälteren Karten so unrichtig umgrenzt waren. Es ist eine allge-meine Tendenz der graphischen Darstellungen, den Gebirgen mehrBreite zu geben, als sie in der Wirklichkeit haben, ja in denEbenen die Plateaux verschiedener Ordnung mit einander zuvermengen.” Herr von Humboldt hat zuerst im Jahr 1825 inzwei Abhandlungen, die er in der Akad. der Wiss. zu Paris ver-lesen, die mittlere Höhe der Continente berührt, „l’évaluation du |235| volume des arêtes ou soulèvemens des montagnes comparé à l’éten-due de la surface des basses régions.” Eine denkwürdige Be-hauptung von Laplace in der Mécanique céleste (T. V. livre XI.chap. 1. p. 3.) hatte Veranlassung zu dieser Untersuchung gegeben.Der große Geometer hatte den Satz aufgestellt, daß der Ein-klang, welcher sich findet zwischen den Resultaten der Pendel-Versuche und der Erd-Abplattung, aus trigonometrischen Grad-Messungen und den Monds-Ungleichheiten hergeleitet, den Be-weis davon liefert: „que la surface du sphéroide terrestre seroità peu près celle de l’équilibre, si cette surface devenoit fluide. Delà et de ce que la mer laisse à découvert de vastes continens,on conclut qu’elle doit être peu profonde et que sa profondeurmoyenne est du même ordre que la hauteur moyenne des conti-nens et des îles au-dessus de son niveau, hauteur qui ne sur-passe pas mille mètres (3078 pariser Fuß, nur 463 F. we-niger als der Brocken-Gipfel nach Gauß, oder mehr als diehöchsten Bergspitzen in Thüringen). Cette hauteur, heißt esweiter, est donc une petite fraction de l’excès du rayon de l’équa-teur sur celui du pôle, excès qui surpasse 20000 mètres. De mêmeque les hautes montagnes recouvrent quelques parties des conti-nens, de même il peut y avoir de grandes cavités dans le bassindes mers, mais il est naturel de penser que leur profondeurest plus petite que l’élévation des hautes montagnes, les dépôts des fleuves et les dépouilles des animaux marins devantremplir à la longue ces grandes cavités.” Bei der Vielseitigkeitdes gründlichstens Wissens, welches den Gründer der Mécaniquecéleste in so hohem Grade auszeichnete, war eine solche Behaup-tung um so auffallender, als es ihm nicht entging, daß das höchste Plateau von Frankreich, das, auf welchem die ausgebranntenVulkane von Auvergne ausgebrochen sind, nach Ramond nur1044 Fuß, die große iberische Hochebene, nach meinen Messun-gen, nur 2100 Fuß über dem Meeresspiegel liegen. Laplace hatdie obere Grenze auf tausend Meter nur deshalb gesetzt, weiler den Umfang und die Masse der Gebirgs-Erhebungen für be-trächtlicher hielt als sie ist, die Höhe einzelner Pics (culmini-render Punkte) mit der mittleren Höhe der Gebirgs-Rückenverwechselte, die mittlere Meerestiefe zu gering anzunehmenbesorgte, und zu seiner Zeit keine Data aufgeführt fand, aus de- |236| nen sich das Verhältniß des Flächeninhalts (in Quadrat-Meilen)der ganzen Continente zu dem Flächeninhalte der Gebirgs-Grund-flächen schließen ließ. Eine sorgfältige Rechnung ergab, daßdie Masse der Andes-Kette von Süd-Amerika, auf den ganzenebenen Theil der östlichen Gras- und Waldfluren pulverartig,aber gleichförmig zerstreut, diese Ebenen, deren Flächeninhaltgenau \( frac{1}{3} \) größer ist als die Oberfläche von Europa, nur um 486Fuß erhöhen würde. Herr von Humboldt schloß schon damalsdaraus: „que la hauteur moyenne des terres continentales dépendbien moins de ces chaînons ou arêtes longitudinales de peu delargeur, qui traversent les continens, de ces points culminans oudômes qui attirent la curiosité du vulgaire, que de la configura-tion générale des plateaux de différens ordres et de leur sérieascendante, de ces plaines doucement ondulées et à pentes alter-nantes qui influent par leur étendue et leur masse sur la positiond’une surface moyenne, c’est-à-dire sur la hauteur d’un planplacé de manière que la somme des ordonnées positives soit égaleà la somme des ordonnées négatives.” Die Vergleichung, welcheLaplace in der oben angeführten Stelle der Mécanique céleste zwischen der Tiefe des Meeres und der Höhe der Continentemacht, erinnert an eine Stelle des Plutarch im 15ten Capitel sei-ner Lebensbeschreibung des Aemilius Paulus (ed. Reiskii T. II.p. 276.). Sie ist um so merkwürdiger, als sie uns eine unter denPhysikern von Alexandrien allgemein herrschende Meinung kennenlehrt. Nachdem Plutarch den Inhalt einer Inschrift mitgetheilthat, welche am Olympus gesetzt worden war und das Resultatder sorgfältigen Höhenmessung des Xenagoras angab, fügt erhinzu: „aber die Geometer (wahrscheinlich die alexandrinischen)glauben, man finde keinen Berg, der höher, kein Meer,das tiefer sei als 10 Stadien.” Man setzte keinen Zweifel indie Richtigkeit der Messung des Xenagoras, aber man drückteaus, es müsse durch den Bau der Erde eine völlige Gleichheitgeben zwischen den positiven und negativen Höhen. Hierist freilich nur von dem Maximum der Höhe und Tiefe die Rede,nicht von einem mittleren Zustande, eine Betrachtung, welcheüberhaupt sich den alten Physikern wenig darbot und welcheerst bei veränderlichen Größen auf eine der Astronomie heil-bringende Weise von den Arabern eingeführt ward. Auch in |237| den Meteorologicis des Kleomedes (I. 10.) ist eine Meinung ge-äußert, die mit der des Plutarchus gleich lautet, während in denMeteorologicis des Stagiriten (Aristot. met. II. 2.) nur der Ein-fluß der Inclination des Meeresbodens von Osten nach Westenauf die Strömung betrachtet wird. Wenn man versucht die mittlere Höhe der Continental-Erhebungen über dem jetzigen Niveau der Meere zu bestim-men, so heißt das, den Schwerpunkt des Volums der Con-tinente über dem jetzigen Meeresspiegel aufzufinden, eine Unter-suchung, die ganz von der verschieden ist, statt des centre degravité du volume den Schwerpunkt der Continental-Masse, centrede gravité des masses, aufzufinden, da der sich über dem Meereerhebende Theil der festen Erdrinde keinesweges von homogenerDichtigkeit ist, wie die Geognosie und die Pendel-Versuche leh-ren. Der Gang der einfachen Rechnung ist der: man betrachtetjede Gebirgskette als ein dreiseitiges horizontal liegendes Prisma.Die mittlere Höhe der Gebirgspässe, welche die mittlere Höhedes Gebirgsrückens bestimmt, ist die Höhe der Seitenkante desliegenden dreiseitigen Prisma’s, senkrecht auf die Fläche gefällt,welche die Basis der Gebirgskette ausmacht. Die Hochebenen(Plateaux) sind als stehende Prismen ihrem Inhalte nach berech-net worden. Um ein europäisches Beispiel zu geben, erinnereich, daß die Oberfläche von Frankreich 10,087 geogr. □ Meilenenthält. Nach Charpentier beträgt die Grundfläche der Pyrenäen430 dieser □ Meilen. Obgleich die mittlere Höhe des Kammesder Pyrenäen 7500 F. beträgt, so habe ich doch eine kleinereHöhe angenommen, wegen der Erosionen des liegenden Prisma’s,welche die häufigen tiefen Querthäler als volum-verminderndbilden. Der Effect der Pyrenäen auf ganz Frankreich ist nur35 Meter oder 108 Fuß. Um diese Quantität nämlich würde die Normal-Oberfläche der Ebenen von ganz Frankreich, diesich durch Vergleichung vieler genau gemessener, wohlgelegener,d. h. dem Centrum angehöriger, Orte (Bourges, Chartres, Ne-vers, Tours etc.) ergiebt und 480 Fuß beträgt, erhöht werden.Die Rechnung, die ich mit Herrn Élie de Beaumont gemein-schaftlich angestellt, ergiebt nun folgendes allgemeine Resultat: |238|
  • 1) Effect der Pyrenäen .............. 18 Toisen
  • 2) Die franz. Alpen, der Jura und die Vogeseneinige Toisen mehr als die Pyrenäen; ihrgemeinsamer Effect ............. 20 ‒
  • 3) Es bleiben übrig die Plateaux des Limousin,der Auvergne, der Cevennen, des Aveyron,des Forez, Morvant und der Côte d’or. Ihrgemeinsamer Effect, sehr nahe dem der Py-renäen, gleich ................ 18 ‒
  • Da nun die Normal-Höhe der Ebenen vonFrankreich in der weitesten Erstreckung .. 80 ‒
  • so ist die mittlere Höhe von Frankreichhöchstens ................... 136 Toisen
  • oder 816 Fuß.
Die baltischen, sarmatischen und russischen Ebenen sind nurdurch die Meridian-Kette des Ural von den Ebenen von Nord-Asien getrennt; daher denn Herodot, dem der Zusammenhangum die südliche Extremität des Urals im Lande der Issidonen be-kannt war, ganz Asien nördlich vom Altai Europa hieß. In demcisuralischen Theile unserer baltischen Ebenen sind, dem Littoralder Ostsee nahe, partielle Massen-Erhebungen, die eine besondereRücksicht verdienen. Westlich von Danzig, zwischen dieser Stadtund Bütow, wo das Seeufer weit gegen Norden vortritt, liegenviele Dörfer 400 Fuß hoch; ja der Thurmberg, dessen Messun-gen zu vielen hypsometrischen Streitigkeiten Anlaß gegeben haben,erhebt sich nach Major Baeyer’s trigon. Operation zu 1024 Fuß,— vielleicht die größte Berghöhe zwischen dem Harz und Ural.Sonderbar, daß nach Struve’s Messung der culminirende Punktvon Livland, der Munamaggi, bis auf 4 t. die Höhe des pom-merschen Thurmberges erreicht, ja daß eben so übereinstimmendnach Schiffscap. Albrecht’s neuer Seekarte die größte Tiefe derOstsee zwischen Gothland und Windau 167 t. beträgt, wenn derThurmberg 170 t. hat. Das Loch hat 4 □ Meilen. Das aus-schließlich europäische Flachland, dessen Normal-Höhe man nichtüber 60 t. anschlagen kann, hat, genau gemessen, 9 mal denFlächeninhalt von Frankreich. Die ungeheure Ausdehnung dieserniederen Region ist die Ursach, warum die mittlere Continental-Höhe von ganz Europa mit seinen 170,000 geogr. □ Meilen um |239| volle 30 t. kleiner ausfällt als das Resultat für Frankreich. Ohnelänger durch Zahlen ermüden zu wollen, füge ich nur die, füreine allgemeine geognostische Ansicht nicht ganz unwichtige Be-trachtung hinzu, daß Massen-Erhebungen von ganzen Ländernals Hochebenen einen ganz anderen Effect auf Erhöhung derSchwerpunkte des Volums hervorbringen als Bergketten, wennsie auch noch so beträchtlich an Länge und Höhe sind. Wäh-rend die Pyrenäen auf ganz Europa kaum den Effect von 1 Toise,das Alpensystem, dessen Grundfläche die der Pyrenäen fast vier-mal übertrifft, den Effect von 3\( \frac{1}{2} \) t. hervorbringen, bewirkt dieiberische Halbinsel mit ihrer compacten Plateau-Masse von 300 t.Höhe einen Effect von 12 t. Das iberische Plateau wirkt dem-nach auf ganz Europa viermal so viel als das Alpensystem. DasResultat der Rechnungen ist meist so befremdend, daß es sichaller Vorausbestimmung zu entziehen scheint. Über die Gestaltung von Asien ist in den neuesten Zeitenviel Licht verbreitet worden. Der Effect der südlichen colossalenErhebungs-Massen wird dadurch vermindert, daß \( frac{1}{3} \) des ganzenContinents von Asien, ein Theil Sibiriens, der selbst um \( frac{1}{3} \) denFlächeninhalt von Europa übertrifft, nicht 40 t. Normal-Höhehat. Das ist selbst noch die Höhe von Orenburg an dem nörd-lichen Rande der caspischen und turanischen Senkung. Tobolskhat nicht die Hälfte dieser Höhe; und Kasan, das 5 mal entferntervon dem Littoral des Eismeeres liegt als Berlin von der Ostsee,hat kaum die Hälfte der Höhe unserer Stadt. Am oberen Irtyschzwischen Buktormensy und dem Saysan-See, an einem Punkte,wo man dem indischen Meere näher als dem Eismeere ist, fan-den wir die Ebene noch nicht 800 Fuß hoch, ein sogenanntesCentral-Plateau Inner-Asiens, das noch nicht die Hälfte der Er-hebung des Straßenpflasters von München über dem Niveau desMeeres hat. Das einst so berühmte Plateau zwischen dem Baikal-See und der chinesischen Mauer (die steinige Wüste Gobi oderCha-mo), das die russischen Akademiker Bunge und Fuß baro-metrisch gemessen, hat nur die mittlere Höhe von 660 t. (3960F.), als setze man die Müggelsberge auf den Gipfel des Brocken;ja das Plateau hat in seiner Mitte, wo Ergi liegt (Br. 45° 31′),eine muldenartige Vertiefung, wo der Boden bis 400 t. (2400 F.),fast bis zur Höhe von Madrid, herabsinkt. „Diese Senkung,” sagt |240| Herr Bunge in einem noch ungedruckten Aufsatze, den ich be-sitze, „ist mit Halophyten und Arundo-Arten bedeckt; und nachder Tradition der Mongolen, die uns begleiteten, war sie einstein großes Binnenmeer.” Beide Extremitäten dieses alten Bin-nenmeeres sind durch flache Felsränder, ganz einem Seeufer gleich,bei Olonbaischan und Zukeldakan begrenzt. Das Areal des Gobiin seiner einförmigen Massen-Erhebung von SW. gegen NO. istzweimal so groß als ganz Deutschland, und würde den Schwer-punkt von Asien um 20 t. erhöhen, während der Himalayaund das den Hindou Kho fortsetzende Kouen-lun sammt der tü-betanischen Hochebene, die Himalaya und Kouen-lun verbindet,einen Effect von 56 t. hervorbringen würden. Bei der Berech-nung des ungeheuren Reliefs zwischen den indischen Ebenen unddem niedrigen, von dem milden Kaschgar gegen den Lop-Seeöstlich abfallenden Plateau des Tarím war der Punkt zu beachtennahe dem Meridian des Kaylasa und der zwei heiligen Seen Ma-nasa und Ravana-brada, von wo an der Himalaya nicht mehrvon Osten gen Westen dem Kouen-lun parallel läuft, sondernsich, von SO.-NW. gerichtet, dem Berggurten des Tsun-linganschaart. Die Höhen der zahlreichen Bergpässe von Bamian biszu dem Meridian des Tschamalari (24,400 F.), bei welchem Tur-ner auf das tübetanische Plateau von H’Lassa gelangte, also ineiner Ausdehnung von 21 Längegraden, sind bekannt. Der grö-ßere Theil derselben hat sehr einförmig 14,000 engl. Fuß(2200 t.), eine in den Pässen der Andes-Kette gar nicht unge-wöhnliche Höhe. Die große Landstraße, der ich von Quitonach Cuenca gefolgt bin, hat z. B. am Assuay (Ladera de Cadlud)schneefrei die Höhe von 2428 t., das ist fast 1400 F. mehr alsjene Himalaya-Übergänge. Die Pässe, wie ich bereits früherbemerkt, bestimmen die mittlere Höhe der Gebirgskämme. Ineiner Abhandlung über das Verhältniß der höchsten Gipfel (cul-minirenden Punkte) zu der Höhe der Gebirgsrücken habe ichgezeigt, daß der Gebirgsrücken der Pyrenäen, aus 23 Pässen(cols, hourques) berechnet, 50 t. höher als der mittlere Gebirgs-rücken der Alpen ist, obgleich die Culminationspunkte der Pyre-näen und Alpen sich wie 1 zu 1\( \frac{4}{10} \) verhalten. Da einzelne Hi-malaya-Pässe, z. B. Niti Gate, durch das man in die Ebene derSchaal-Ziegen aufsteigt, 2629 t. hoch sind, so habe ich die mitt- |241| lere Höhe des Himalaya-Rückens nicht zu 14,000 engl. Fuß,sondern, wenn gleich überschätzt, zu 15,500 F. (2432 t.) ange-schlagen. Das Plateau der drei Tübets von Iscardo, Ladak und H’Lassa ist eine Intumescenz zwischen zwei anschaarendenKetten (Himalaya und Kouen-lun). Vigne’s eben erschieneneReise nach Baltistan oder Klein-Tübet, die von Lloyd besorgteAusgabe der Journale der Brüder Gerard, so wie neue in Indienselbst angeregte Streitigkeiten über die relative Höhe der ewigenSchneegrenze an dem indischen und tübetanischen Abhange desHimalaya haben immer mehr gezeigt, daß die mittlere Höhe dertübetanischen Hochebene bisher ansehnlich überschätzt worden ist.In seinem Werke Asie centrale, von dessen drittem Bande nurnoch wenige Bogen ungedruckt sind und welches von einer hyp-sometrischen Karte von Asien vom Phasis bis zum Golf Petcheli,vom Zusammenfluß des Ob und Irtysch bis zum Parallel vonDelhi begleitet ist, glaubt Herr von Humboldt durch Zusammen-stellung vieler Thatsachen zu beweisen, daß die Intumescenz zwi-schen Himalaya und Kouen-lun (der südlichen und nördlichenGrenzkette von Tübet) nicht 1800 t. mittlerer Höhe übersteigt,also selbst 200 t. niedriger als die Hochebene des Sees Titi-caca ist. Die hypsometrische Configuration des asiatischen Festlandes,in der die Ebenen und Senkungen vielleicht noch auffallender alsdie colossalen Hebungen sind, zeichnet sich durch zwei cha-rakteristische Grundzüge aus: 1) durch die lange Reihe vonMeridian-Ketten, die mit parallelen Axen, aber unter sich al-ternirend (vielleicht gangartig verworfen), vom Cap Como-rin (Ceylon gegenüber) bis an die Küste des Eismeers, in gleich-mäßiger Richtung, SSO.-NNW., unter dem Namen der Gha-tes, der Soliman-Kette, des Paralasa, des Bolor unddes Ural hinstreichen. Diese alternirende Lage der goldrei-chen Meridian-Ketten (Vigne hat neuerdings am östlichenBolor-Abfall, im Basha-Thale des Baltistan, die vom tübetischenMurmelthiere, Herodots großen Ameisen, durchwühlten Gold-sandschichten besucht) offenbart das Gesetz, daß keine der ebengenannten fünf Meridian-Ketten, zwischen 64° und 75° Länge,neben der nächsten gegen Osten und Westen vorbeistreicht, auch daß jede neue longitudinale Erhebung erst in der geogr. |242| Breite beginnt, welche die vorhergehende noch nicht erreichthat. 2) Ein anderer, ebenfalls nicht genug beachteter, charakte-ristischer Zug der Configuration von Asien ist die Continuitäteiner ungeheuren ost-westlichen Hebung, zwischen Br.35° und 36°\( \frac{1}{2} \), vom Takhialou-dagh an im alten Lycien bis zurchinesischen Provinz Houpih, eine Hebung, die dreimal von Me-ridian-Ketten (Zagros in West-Persien, Bolor in Afghanistan,Assam-Kette im Dzangbo-Thale) durchschnitten wird. VonWesten gegen Osten heißt diese Kette, auf dem Parallel desDicäarchus, welcher zugleich der Parallel von Rhodus ist: Taurus, Elbruz, Hindou Kho, und Kouen-lun oder A-neoutha. In dem dritten Buche der Geographie des Erato-sthenes findet sich der erste Keim des Gedankens einer ununter-brochen fortlaufenden, ganz Asien theilenden Bergkette (StraboXV. p. 689. Cas.). Dicäarchus sah den Zusammenhang ein zwi-schen dem kleinasiatischen Taurus und den indischen Schneeber-gen, denen die Erzählungen und Lügen der Begleiter des Mace-doniers bei den Griechen so viel Ruf verschafft hatten. Manlegte Wichtigkeit auf den Parallel von Rhodus und auf dieRichtung dieser unermeßlichen Bergkette. Die „Chlamyde” vonAsien sollte unter diesem Parallel am breitesten sein (Strabo XI.p. 519.); ja weiter gegen Osten könnte (wie Strabo sagt) einanderer Continent liegen. Sonderbare geognostische Träumeüber eine Zone, einen Breitengrad, eine Spaltung der Erdober-fläche, in der vorzugsweise Continental- und Bergerhebungenstatt gefunden haben, ja in der auch die Straße und die Säulendes Hercules bei Gades (lat. 36°) liegen. Der Taurus und dieHochebenen von Kleinasien hatten den Einfluß der Höhe auf dieTemperatur den griechischen Physikern zuerst recht merklichgemacht. „Auch in südlichen Erdstrichen,” sagt der große Geo-graph von Amaseia (Strabo II. p. 73.), indem er das Klima dernördlichen Küsten von Kappadocien mit der 3000 Stadien süd-licheren Ebene um den Argaios vergleicht, „sind die Berge undjeder hohe Boden kalt, wenn er auch eine Ebene ist.Strabo allein unter allen griechischen Schriftstellern gebrauchtdas schön bezeichnende Wort ὀροπέδια, Berg-Ebenen. Nach dem Schlußresultat der ganzen Arbeit des Herrn vonHumboldt ist das von Laplace angegebene Maximum der mittleren |243| Continental-Höhe um \( \frac{2}{3} \) zu groß. Der Verf. der Abhandlungfindet für die drei Welttheile, die er berechnet (an Afrika würdezu früh sein sich zu wagen!), folgende numerische Elemente:
  • Europa .... 105 t. (205 met.)
  • Nord-Amerika 117 t. (228 met.)
  • Süd-Amerika . 177 t. (345 met.)
  • Asien ..... 180 t. (351 met.).
Für den ganzen Neuen Continent ergeben sich 146 t. (285 m.),und für die Höhe des Schwerpunkts des Volums allerContinental-Massen (Afrika nicht eingerechnet) über demheutigen Meeresspiegel 157t,8 oder 307 Meter. Herr vonHoff hat auf einer Landstrecke von 224 geogr. □ Meilen die Hö-hen von 1076 Punkten mit seltener Genauigkeit gemessen, und zwarin einem meist gebirgigen Theile Thüringens. Er bestimmte dem-nach fast 5 Höhen auf jeder □ Meile; aber diese Höhen waren un-gleich vertheilt. Herr von Humboldt forderte, wegen der Laplaci-schen Behauptung über die Continental-Massen, Herrn von Hoffauf, die mittlere Höhe seines hypsometrisch vermessenen Land-strichs zu berechnen. Dieser findet sie zu 166 t. (Höhen-Mes-sungen in und um Thüringen 1833. p. 118.), also nur 8 t.mehr als das Resultat des Herrn von Humboldt. Man darf dar-aus schließen, daß, da eine sehr gebirgige Gegend Thüringensgemessen wurde, das Resultat von 157 t. oder 942 Fuß als Grenz-werth (nombre limite) noch eher zu groß als zu klein ist. Beider Gewißheit eines progressiven, aber partiellen Aufsteigens vonSchweden (eine für die physische Erdbeschreibung so wichtigeGewißheit, die wir Leop. von Buch verdanken) kann man glau-ben, daß diese Lage des Schwerpunkts nicht immer dieselbe blei-ben wird; aber bei einzelnen herabsteigenden Massen und bei derKleinheit der Räume, auf welche die unterirdischen Kräfte zuwirken scheinen, wird die, sich großentheils selbst compensirendeVariation im Ganzen wenig störend auf den Schwerpunkt desÜber-Oceanischen einwirken. In den numerischen Resultatenjener hypsometrischen Arbeit offenbart sich auf’s neue: daß diegeringsten Höhen in unserer Hemisphäre den Continental-Massendes Nordens zugehören. Europa giebt 105 t., Nord-Amerika117 t. Die Intumescenz Asiens, zwischen 28° und 40° Breite,compensirt die mindernde Wirkung des sibirischen Tieflandes. |244| Asien und Süd-Amerika geben 180 und 177 Toisen. Man liestgewissermaßen in jenen Zahlen, in welchen Theilen unserer Erd-oberfläche der Vulkanismus (die Reaction des Inneren gegendas Äußere) durch uralte Hebungen am kräftigsten gewirkt hat.