Der Guano. Der Guano gehört zu den vielen Substanzen, deren chemische Zusammensetzung erst durch Alexander v. Humboldt's amerikanische Reise bekannt geworden sind. Er brachte, als er von Peru durch die Südsee über Mexiko und Philadelphia nach Europa zurückkam, die ersten mit Guano gefüllten Flaschen nach Paris. (Voyage aux Regions equinoxiales du nouveau Continent. T. I. 10.) Er schrieb schon damals an Klaproth: "Sonderbar, daß man nie die Neugierde gehabt hat, Guano nach Europa kommen zu lassen, und daß seit dem spanischen Astronomen und Seefahrer Ulloa, also seit 1745, nie mehr von dieser merkwürdigen Substanz gesprochen worden ist ." Die chemische Analyse von Fourcroy und Vauquelin erschien in den Memoires de l'Institut, Tom. VI. p. 369., und in den Annales de Chimie. T. LVI. p. 258. Später veranlaßte Hr. v. Humboldt seinen Freund Klaproth zu einer noch vollständigeren Zerlegung der sonderbaren Substanz (s. Klaproth's chemische Untersuchung der Mineralien. Th. IV. S. 299.). Beiden Analysen sind einleitende Betrachtungen des Reisenden vorangeschickt. Wir entlehnen Nachfolgendes den Annalen der Chemie von Wöhler und Liebig. Bd. XXXVII. S. 285--290. Ueber die Zusammensetzung des Guano. Der Guano hat schon längst durch die wichtige Anwendung, die davon gemacht wird, auch in wissenschaftlicher Hinsicht Interesse erregt. In Europa ist er zuerst durch Alex. v. Humboldt bekannt geworden; durch ihn wurden die Analysen von Klaproth und Vauquelin veranlaßt, die einzigen, welche bis jetzt von dieser Substanz bekannt gemacht worden sind. Alex. v. Humboldt gab bei dieser Gelegenheit 1806 über den Guano folgende sehr interessante Mittheilungen: "Der Name Huanu (die Europäer verwechseln immer Hua mit Gua und u mit o) bedeutet in der Inka- Sprache Mist, mit dem man düngt. Das Verbum Düngen heißt huanunchani. Die ursprünglichen Einwohner von Peru glauben alle, daß der Guano Vogelmist sey; nur von den Spaniern bezweifeln es viele. Sonderbar genug, daß sich die Guano- Inseln und Klippen alle zwischen dem 13 und 21° südl. geogr. Breite befinden, da doch südlicher und nördlicher die Schaar von Cormoranen, Flamingos und Kranichen gleich zahlreich zu seyn scheint. Bei der Stadt Arica verbreitet die kleine Isla de Guano einen solcher fürchterlichen Gestank, das die Schiffe deßhalb sich der Stadt nicht ganz zu nähern wagen, wie schon Feuille (Journal Vol. II. p. 598.) bemerkt. In Arica sind längs dem Ufer große Magazine gebaut, in denen der Guano aufbewahrt wird. Wenn man bedenkt, daß seit dem 12. oder 13. Jahrhunderte wenigstens schon die Gewohnheit herrscht, mit Guano zu düngen, daß viele Millionen Kubikfuß davon auf dem sandigen Theile von Peru verstreuet worden sind (da die Möglichkeit des Ackerbaues längs der Seeküste ja bloß auf diesem köstlichen Mittel beruht), wenn man bedenkt, daß der Guano noch immer in gleicher Menge geliefert wird, ja daß nach jetzigen Erfahrungen die Vögel auf einer Insel in vielen Jahren nicht ein Paar Schiffsladungen hervorzubringen scheinen, so erstaunt man über die lange Reihe von Jahrhunderten oder über die Menge von Vögeln, welche dazu gehörten, jene Guanosschichten aufzuhäufen. Der frische Vogelmist, den man auf den Felsen um Huaura und an anderen Orten der Südseeküste sieht, bildet eine dünne weißliche Kruste, welche sogar dem braungelben Guano ganz unähnlich sieht. Ich zweifle zwar keineswegs, daß der Guano ebenfalls Vogelmist sey, aber es fragt sich: ist er auf denselben Inseln entstanden, in denen man ihn jetzt gräbt, oder haben ihn Natur- Revolutionen dahin zusammengehäuft? Deutet er auf eine Epoche, in der es auf dem überschwemmten Erdkörper eine noch größere Menge Wasservögel gab, als jetzt; gleichsam wie die Steinkohlen- Formation auf eine ungeheure Ueppigkeit alter Vegetation hinweist? Oder ist der Guano in einem Zustande der Dinge entstanden, welcher ganz dem jetzigen ähnlich ist, und haben nur viele Jahrtausende dazu gehört, um ihn stratum super stratum zu solchen Schichten anschwellen zu lassen? Wenn man auf den peruanischen Aeckern Massen von 300 bis 400 Kubikfuß Guano aufgehäuft sieht, fühlt man sich von allen diesen Fragen gleichzeitig bestürmt. Ich wage keine bestimmte Meinung darüber zu äußern. Langer Aufenthalt auf den Klippen und Inseln der peruanischen Küste, aufmerksame Beobachtung der Menge Unrath, welche viele tausend Cormorane und Flamingos gegenwärtig in einem Jahre liefern, wird künftig einmal zur Entscheidung dieser Fragen leiten. Was aber wird aus dem peruanischen Ackerbau, was aus der Bevölkerung der Küste werden, wenn die Guano-Inseln erschöpft sind? Ein dortiger Landmann tröstete sich mit der Idee, daß Lehmgruben und Gipsbrüche in Europa ja auch nicht erschöpft würden; eben als dürfe man den Guano, wie Gips und Lehm, als etwas unorganisches betrachten Ungeachtet man auf dem Meere nieset und von dem fürchterlichsten Gestanke beängstigt wird, wenn man einem Guanero (Guano-Fahrzeuge) begegnet, so leidet die Gesundheit der Matrosen auf dem Guanero selbst doch gar nicht dabei. Ich habe die meisten von sehr schöner blühender Gesichtsfarbe gesehen, und noch dazu reizbarere weiße Menschen, die aber schon 10 bis 12 Jahre in einem so unreinlichen, als einträglichen Handel, an diesen Geruch gewöhnt waren. Sonderbar genug, daß man, trotz dieser Erfahrungen, in Arica die häufigen Wechselfieber dem Guanogeruche zuschreibt. Warum findet man nicht Guano auf der Insel St. Lorenzo, dem Callao gegenüber, an der Küste von Lima, oder auf anderen Inseln, nördlich von Lima, welche doch alle auch von zahllosen Vögeln bewohnt sind? Ulloa (Relacion del Viage a la America Merid. T. III. p. 127. §. 219.) sagt, daß wenn man die Tiefe betrachte, in der der Guano gegraben werde (er spricht als Augenzeuge, da er die Guano-Inseln selbst besucht hat), so müsse man glauben, es sey eine Erde; aber der Geruch spreche dagegen. Doch glaube er, daß viele Erde mit dem Vogelmiste im Guano gemengt sey (und in diesem Punkte spricht die Analyse für ihn). Frezier, der die peruanische Küste im J. 1712 bis 1714 bereiste, war im Hafen von Arica und auf der Insel Iquique, südlich von Arica. Auf dieser Insel wurde der Guano durch Neger gegraben. Er erstaunte ebenfalls, wie die Vögel solche Massen hätten hervorbringen können, doch versichert er, daß man in großer Tiefe Vogelfedern gefunden habe. (Frezier Voyage dans la mer du Sud p. 133.) Um Arica, wo man für 3--400,000 Thlr. Pfeffer (Capsicum baccatum) baut, düngt man jede Pflanze drei Mal mit Guano; beim Anwurzeln, beim Blühen und beim Fruchtansetzen. Unter der Regierung der Incas wurde der Guano als ein wichtiges Object der Staatswirthschaft betrachtet. Es war bei Todesstrafe verboten, die jungen Vögel auf den Guano-Inseln zu tödten. Jede Insel hatte ihren Aufseher, jede war unter gewisse Provinzen vertheilt; denn, von Arica bis Chaucay, auf 200 Seemeilen Länge, düngte man bloß mit Guano. (Garcilaso Historia de los Yncas. Vol. I. p. 134.) Aus dieser Vorsorge wird begreiflich, wie der Guano so beträchtlich habe zunehmen können. Alle diese schöne Ordnung ist umgestürzt. Man gräbt jetzt zu jeder Jahreszeit. Aber der Guano ist nicht das einzige Beispiel eines sonderbaren peruanischen Düngers. Bei Villacory düngten die alten Peruaner gar mit vom Meere ausgeworfenen Sardellen. l. c. p. 135." Klaproth's Beiträge. Bd. IV. S. 301. Spätere Nachrichten über den Guano sind von Rivero, welche Herr v. Humboldt in der Hertha 1829 mitgetheilt hat. Nach Rivero giebt es drei Varietäten, rothen, braunen und weißen, die von ungleicher Güte und ungleich theuer sind, und deren Verschiedenheit durch das Alter und wahrscheinlich auch durch die verschiedenen Arten der Vögel bedingt wird. Der frische weiße wird am meisten geschätzt und ist der theuerste. Der ganze Verkehr mit Guano mag 40,000 Fanegas jährlich betragen. Die Fanega (21/2 Quintal oder Centner?) kostet im Durchschnitt 11/4 Piaster; vom weißen kostet sie 2 Piaster und darüber. Die Kartoffeln, mit Guano gedüngt, geben einen 45fachen, der Mais einen 35fachen Ertrag. Meyen, in seiner Reise um die Erde, I. p. 434., sagt bei Beschreibung einer Excursion an der Küste von Arica: "Die Kuppe und die Seiten des Berges sind, wie wir es schon aus offener See erblickten, von weißer Farbe, was wir vorher für die Farbe des Gesteins gehalten hatten. Aber dieser weiße Ueberzug ist der berühmte Vogeldünger, der Guano der Peruaner. Fast auf der ganzen Küste des südlichen Peru überzieht er die kleinen Inseln und Klippen, die in der Nähe der Küste liegen; auf einzelnen Punkten liegt er in so mächtigen Lagen, daß zu solchen Anhäufungen wohl Jahrtausende nöthig gewesen sind. Dieses köstliche Düngungsmittel wird von den unermeßlichen Schaaren der großen Seevögel bereitet, die zu den Geschlechtern der Pelikane, der Scharbea, Cormorane und Möven gehören. Ihre Anzahl ist Legionen, indem sie, im wahren Sinne des Wortes, die Sonne verfinstern, wenn sie sich am frühen Morgen in meilenlangen Schaaren von ihrem Aufenthalt erheben. Im südlichen Peru wird durch die Düngung mit Guano der Ertrag der Feldfrüchte verdoppelt." Zu vergleichen noch Meyen in Berghaus Annalen. Bd. XI. p. 210. "Vor einigen Jahren, sagt Hr. Wöhler, als ich mit Liebig die Untersuchung über die Harnsäure machte, und wir um Materiel in Verlegenheit waren, bat ich unsern Freund Kindt in Bremen, mit nächster Schiffsgelegenheit Guano mitbringen zu lassen. Es gelang ihm, aus Valparaiso einen ganzen Centner zu erhalten, mit der Angabe, daß er von Lima komme, jedoch ohne nähere Bezeichnung des Fundorts. Von diesem Guano ist von Hrn. Völckel, der bei mir im Laboratorium arbeitet, die folgende Analyse gemacht worden. Sie bestätigt, wie schon Klaproth gefunden hatte, daß der Guano unter seinen charakterisirenden Bestandtheilen, außer unveränderter Harnsäure, eine bedeutende Menge zweier ihrer gewöhnlichen Zersetzungsprodukte, nämlich Oxalsäure und Ammoniak enthält. Dieser Guano, der in seinem ursprünglichen feuchten Zustande zur Analyse genommen wurde, hat das Ansehen einer gelbbraunen, feuchten Erde, hier und da mit eingemengten, feinen, weißen Krystallblättchen. An der Luft trocknet er aus, beim Erwärmen verliert er Ammoniak. So lange er feucht ist, riecht er eigenthümlich excrementartig oder urinös; er schmeckt ganz bemerkbar stechend-salzig. Alkohol zieht eine färbende organische Materie nebst Salmiak aus, aber keinen Harnstoff, der überhaupt nicht darin zu finden war. Er enthält mehr als sein halbes Gewicht an in Wasser löslichen Substanzen, die Feuchtigkeit mit eingerechnet. Die Auflösung in Wasser ist dunkelbraun und neutral." Völckel's Analyse beweiset, wenn man sie mit der älteren Klaprothschen vergleicht, daß der Guano, den der große Berliner Chemiker zerlegte, weniger von den löslichen Salzen enthalten hat. Völckel findet in 100 Theilen Guano: Harnsaures Ammoniak 9, Oxalsaures Ammoniak 101/2, Oxalsauren Kalk 6, Phosphorsauren Kalk 14 1/3 , unbestimmte organische Materien waren 32 Theile, deren 12 pCt. unlöslich. Klaproth fand: 0,16 Harnsaures Ammoniak und 0,12 Oxalsauren Kalk; Thon und Sand 0,32. Die Guano-Schicht ist also ungleichartig in ihrer chemischen Zusammensetzung.