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Alexander von Humboldt: „Der Guano“, in: ders., Sämtliche Schriften digital, herausgegeben von Oliver Lubrich und Thomas Nehrlich, Universität Bern 2021. URL: <https://humboldt.unibe.ch/text/1842-Der_Guano-1-neu> [abgerufen am 25.04.2024].

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Permalink:
https://humboldt.unibe.ch/text/1842-Der_Guano-1-neu
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Titel Der Guano
Jahr 1842
Ort Berlin
Nachweis
in: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen 56 (8. März 1842), [o. S.].
Entsprechungen in Buchwerken
Alexander von Humboldt, Voyage aux régions équinoxiales du nouveau continent. Relation historique, Bd. 1, Paris: Schoell 1814, S. 10.
Sprache Deutsch
Typografischer Befund Fraktur (Umlaute mit superscript-e); Spaltensatz; Antiqua für Fremdsprachiges; Auszeichnung: Sperrung; Fußnoten mit Asterisken.
Identifikation
Textnummer Druckausgabe: VI.23
Dateiname: 1842-Der_Guano-1-neu
Statistiken
Seitenanzahl: 2
Zeichenanzahl: 11192

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Der Guano.

Der Guano gehört zu den vielen Subſtanzen, deren chemiſcheZuſammenſetzung erſt durch Alexander v. Humboldt’s ameri-kaniſche Reiſe bekannt geworden ſind. Er brachte, als er vonPeru durch die Südſee über Mexiko und Philadelphia nach Eu-ropa zurückkam, die erſten mit Guano gefüllten Flaſchen nachParis. (Voyage aux Régions équinoxiales du nouveau Con-tinent. T. I. 10.) Er ſchrieb ſchon damals an Klaproth:„Sonderbar, daß man nie die Neugierde gehabt hat, Guanonach Europa kommen zu laſſen, und daß ſeit dem ſpaniſchenAſtronomen und Seefahrer Ulloa, alſo ſeit 1745, nie mehr vondieſer merkwürdigen Subſtanz geſprochen worden iſt.“ Die che-miſche Analyſe von Fourcroy und Vauquelin erſchien in den Mémoires de l’Institut, Tom. VI. p. 369., und in den Annalesde Chimie. T. LVI. p. 258. Später veranlaßte Hr. v. Hum-boldt ſeinen Freund Klaproth zu einer noch vollſtändigeren Zer-legung der ſonderbaren Subſtanz (ſ. Klaproth’s chemiſche Unter-ſuchung der Mineralien. Th. IV. S. 299.). Beiden Analyſenſind einleitende Betrachtungen des Reiſenden vorangeſchickt. Wirentlehnen Nachfolgendes den Annalen der Chemie von Wöhler und Liebig. Bd. XXXVII. S. 285—290. Ueber die Zuſammenſetzung des Guano. Der Guano hat ſchon längſt durch die wichtige Anwendung,die davon gemacht wird, auch in wiſſenſchaftlicher Hinſicht In-tereſſe erregt. In Europa iſt er zuerſt durch Alex. v. Humboldt bekannt geworden; durch ihn wurden die Analyſen von Klaprothund Vauquelin veranlaßt, die einzigen, welche bis jetzt von dieſerSubſtanz bekannt gemacht worden ſind. Alex. v. Humboldt gab beidieſer Gelegenheit 1806 über den Guano folgende ſehr intereſſanteMittheilungen: *) „Der Name Huanu (die Europäer verwech-ſeln immer Hua mit Gua und u mit o) bedeutet in der Inka-Sprache Miſt, mit dem man düngt. Das Verbum Düngenheißt huanunchani. Die urſprünglichen Einwohner von Peruglauben alle, daß der Guano Vogelmiſt ſey; nur von den Spa-niern bezweifeln es viele. Sonderbar genug, daß ſich die Guano-Inſeln und Klippen alle zwiſchen dem 13 und 21° ſüdl. geogr.Breite befinden, da doch ſüdlicher und nördlicher die Schaarvon Cormoranen, Flamingos und Kranichen gleich zahlreich zuſeyn ſcheint. Bei der Stadt Arica verbreitet die kleine Isla deGuano einen ſolcher fürchterlichen Geſtank, das die Schiffe deß-halb ſich der Stadt nicht ganz zu nähern wagen, wie ſchonFeuillé (Journal Vol. II. p. 598.) bemerkt. In Arica ſind längsdem Ufer große Magazine gebaut, in denen der Guano aufbe-
*) Klaproth’s Beiträge. Bd. IV. S. 301.
|Seitenumbruch| wahrt wird. Wenn man bedenkt, daß ſeit dem 12. oder 13. Jahr-hunderte wenigſtens ſchon die Gewohnheit herrſcht, mit Guanozu düngen, daß viele Millionen Kubikfuß davon auf dem ſandi-gen Theile von Peru verſtreuet worden ſind (da die Möglichkeitdes Ackerbaues längs der Seeküſte ja bloß auf dieſem köſtlichenMittel beruht), wenn man bedenkt, daß der Guano noch immerin gleicher Menge geliefert wird, ja daß nach jetzigen Erfahrun-gen die Vögel auf einer Inſel in vielen Jahren nicht ein PaarSchiffsladungen hervorzubringen ſcheinen, ſo erſtaunt man überdie lange Reihe von Jahrhunderten oder über die Menge vonVögeln, welche dazu gehörten, jene Guanosſchichten aufzuhäufen.Der friſche Vogelmiſt, den man auf den Felſen um Huaura undan anderen Orten der Südſeeküſte ſieht, bildet eine dünne weiß-liche Kruſte, welche ſogar dem braungelben Guano ganz unähn-lich ſieht. Ich zweifle zwar keineswegs, daß der Guano eben-falls Vogelmiſt ſey, aber es fragt ſich: iſt er auf denſelben Inſelnentſtanden, in denen man ihn jetzt gräbt, oder haben ihn Natur-Revolutionen dahin zuſammengehäuft? Deutet er auf eine Epoche,in der es auf dem überſchwemmten Erdkörper eine noch größereMenge Waſſervögel gab, als jetzt; gleichſam wie die Steinkohlen-Formation auf eine ungeheure Ueppigkeit alter Vegetation hin-weiſt? Oder iſt der Guano in einem Zuſtande der Dinge ent-ſtanden, welcher ganz dem jetzigen ähnlich iſt, und haben nurviele Jahrtauſende dazu gehört, um ihn stratum super stratum zu ſolchen Schichten anſchwellen zu laſſen? Wenn man auf denperuaniſchen Aeckern Maſſen von 300 bis 400 Kubikfuß Guanoaufgehäuft ſieht, fühlt man ſich von allen dieſen Fragen gleich-zeitig beſtürmt. Ich wage keine beſtimmte Meinung darüber zuäußern. Langer Aufenthalt auf den Klippen und Inſeln derperuaniſchen Küſte, aufmerkſame Beobachtung der Menge Un-rath, welche viele tauſend Cormorane und Flamingos gegenwärtigin einem Jahre liefern, wird künftig einmal zur Entſcheidungdieſer Fragen leiten. Was aber wird aus dem peruaniſchen Acker-bau, was aus der Bevölkerung der Küſte werden, wenn dieGuano-Inſeln erſchöpft ſind? Ein dortiger Landmann tröſteteſich mit der Idee, daß Lehmgruben und Gipsbrüche in Europaja auch nicht erſchöpft würden; eben als dürfe man den Guano,wie Gips und Lehm, als etwas unorganiſches betrachtenUngeachtet man auf dem Meere nieſet und von dem fürchter-lichſten Geſtanke beängſtigt wird, wenn man einem Guanero(Guano-Fahrzeuge) begegnet, ſo leidet die Geſundheit der Ma-troſen auf dem Guanero ſelbſt doch gar nicht dabei. Ich habe diemeiſten von ſehr ſchöner blühender Geſichtsfarbe geſehen, undnoch dazu reizbarere weiße Menſchen, die aber ſchon 10 bis 12Jahre in einem ſo unreinlichen, als einträglichen Handel, an die-ſen Geruch gewöhnt waren. Sonderbar genug, daß man, trotzdieſer Erfahrungen, in Arica die häufigen Wechſelfieber demGuanogeruche zuſchreibt. Warum findet man nicht Guano aufder Inſel St. Lorenzo, dem Callao gegenüber, an der Küſte vonLima, oder auf anderen Inſeln, nördlich von Lima, welche dochalle auch von zahlloſen Vögeln bewohnt ſind? Ulloa (Relaciondel Viage a la America Merid. T. III. p. 127. §. 219.) ſagt,daß wenn man die Tiefe betrachte, in der der Guano gegrabenwerde (er ſpricht als Augenzeuge, da er die Guano-Inſeln ſelbſtbeſucht hat), ſo müſſe man glauben, es ſey eine Erde; aber derGeruch ſpreche dagegen. Doch glaube er, daß viele Erde mit demVogelmiſte im Guano gemengt ſey (und in dieſem Punkte ſprichtdie Analyſe für ihn). Frezier, der die peruaniſche Küſte im J.1712 bis 1714 bereiſte, war im Hafen von Arica und auf derInſel Iquique, ſüdlich von Arica. Auf dieſer Inſel wurde derGuano durch Neger gegraben. Er erſtaunte ebenfalls, wie dieVögel ſolche Maſſen hätten hervorbringen können, doch verſicherter, daß man in großer Tiefe Vogelfedern gefunden habe. (Fre-zier Voyage dans la mer du Sud p. 133.) Um Arica, wo manfür 3—400,000 Thlr. Pfeffer (Capsicum baccatum) baut, düngtman jede Pflanze drei Mal mit Guano; beim Anwurzeln, beimBlühen und beim Fruchtanſetzen. Unter der Regierung der Incaswurde der Guano als ein wichtiges Object der Staatswirthſchaftbetrachtet. Es war bei Todesſtrafe verboten, die jungen Vögelauf den Guano-Inſeln zu tödten. Jede Inſel hatte ihren Auf-ſeher, jede war unter gewiſſe Provinzen vertheilt; denn, vonArica bis Chaucay, auf 200 Seemeilen Länge, düngte man bloßmit Guano. (Garcilaſo Historia de los Yncas. Vol. I. p. 134.)Aus dieſer Vorſorge wird begreiflich, wie der Guano ſo beträcht-lich habe zunehmen können. Alle dieſe ſchöne Ordnung iſt um-geſtürzt. Man gräbt jetzt zu jeder Jahreszeit. Aber der Guanoiſt nicht das einzige Beiſpiel eines ſonderbaren peruaniſchen Dün-gers. Bei Villacory düngten die alten Peruaner gar mit vomMeere ausgeworfenen Sardellen. l. c. p. 135.“
Spätere Nachrichten über den Guano ſind von Rivero,welche Herr v. Humboldt in der Hertha 1829 mitgetheilt hat. NachRivero giebt es drei Varietäten, rothen, braunen und weißen,die von ungleicher Güte und ungleich theuer ſind, und derenVerſchiedenheit durch das Alter und wahrſcheinlich auch durchdie verſchiedenen Arten der Vögel bedingt wird. Der friſcheweiße wird am meiſten geſchätzt und iſt der theuerſte. Der ganzeVerkehr mit Guano mag 40,000 Fanegas jährlich betragen.Die Fanega (2½ Quintal oder Centner?) koſtet im Durchſchnitt1¼ Piaſter; vom weißen koſtet ſie 2 Piaſter und darüber. DieKartoffeln, mit Guano gedüngt, geben einen 45fachen, der Maiseinen 35fachen Ertrag. Meyen, in ſeiner Reiſe um die Erde, I. p. 434., ſagt beiBeſchreibung einer Excurſion an der Küſte von Arica: „DieKuppe und die Seiten des Berges ſind, wie wir es ſchon ausoffener See erblickten, von weißer Farbe, was wir vorher für dieFarbe des Geſteins gehalten hatten. Aber dieſer weiße Ueberzugiſt der berühmte Vogeldünger, der Guano der Peruaner. Faſtauf der ganzen Küſte des ſüdlichen Peru überzieht er die kleinenInſeln und Klippen, die in der Nähe der Küſte liegen; auf ein-zelnen Punkten liegt er in ſo mächtigen Lagen, daß zu ſolchenAnhäufungen wohl Jahrtauſende nöthig geweſen ſind. Dieſesköſtliche Düngungsmittel wird von den unermeßlichen Schaarender großen Seevögel bereitet, die zu den Geſchlechtern der Peli-kane, der Scharbea, Cormorane und Möven gehören. Ihre An-zahl iſt Legionen, indem ſie, im wahren Sinne des Wortes, dieSonne verfinſtern, wenn ſie ſich am frühen Morgen in meilen-langen Schaaren von ihrem Aufenthalt erheben. Im ſüdlichenPeru wird durch die Düngung mit Guano der Ertrag der Feld-früchte verdoppelt.“*) „Vor einigen Jahren, ſagt Hr. Wöhler, als ich mit Liebig dieUnterſuchung über die Harnſäure machte, und wir um Materiel inVerlegenheit waren, bat ich unſern Freund Kindt in Bremen, mitnächſter Schiffsgelegenheit Guano mitbringen zu laſſen. Es gelangihm, aus Valparaiſo einen ganzen Centner zu erhalten, mit derAngabe, daß er von Lima komme, jedoch ohne nähere Bezeich-nung des Fundorts. Von dieſem Guano iſt von Hrn. Völckel,der bei mir im Laboratorium arbeitet, die folgende Analyſe ge-macht worden. Sie beſtätigt, wie ſchon Klaproth gefundenhatte, daß der Guano unter ſeinen charakteriſirenden Beſtand-theilen, außer unveränderter Harnſäure, eine bedeutende Mengezweier ihrer gewöhnlichen Zerſetzungsprodukte, nämlich Oxalſäureund Ammoniak enthält. Dieſer Guano, der in ſeinem urſprüng-lichen feuchten Zuſtande zur Analyſe genommen wurde, hat dasAnſehen einer gelbbraunen, feuchten Erde, hier und da mit ein-gemengten, feinen, weißen Kryſtallblättchen. An der Luft trockneter aus, beim Erwärmen verliert er Ammoniak. So lange erfeucht iſt, riecht er eigenthümlich excrementartig oder urinös; erſchmeckt ganz bemerkbar ſtechend-ſalzig. Alkohol zieht eine fär-bende organiſche Materie nebſt Salmiak aus, aber keinen Harn-ſtoff, der überhaupt nicht darin zu finden war. Er enthält mehrals ſein halbes Gewicht an in Waſſer löslichen Subſtanzen, dieFeuchtigkeit mit eingerechnet. Die Auflöſung in Waſſer iſt dun-kelbraun und neutral.“ Völckel’s Analyſe beweiſet, wenn man ſie mit der älterenKlaprothſchen vergleicht, daß der Guano, den der große BerlinerChemiker zerlegte, weniger von den löslichen Salzen enthaltenhat. Völckel findet in 100 Theilen Guano: Harnſaures Am-moniak 9, Oxalſaures Ammoniak 10½, Oxalſauren Kalk 6, Phos-phorſauren Kalk 14⅓, unbeſtimmte organiſche Materien waren 32Theile, deren 12 pCt. unlöslich. Klaproth fand: 0,16 Harn-ſaures Ammoniak und 0,12 Oxalſauren Kalk; Thon und Sand0,32. Die Guano-Schicht iſt alſo ungleichartig in ihrer chemi-ſchen Zuſammenſetzung.

*) Zu vergleichen noch Meyen in Berghaus Annalen. Bd. XI. p. 210.